2. Tonalität bei identischen Melodietönen

FrankH
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Hi Leute :)

bin da gerade auf was gestoßen, das interessant zu sein scheint.

Folgender Sachverhalt:
Ich habe eine einfache Melodie in einer Tonart. Diese Töne existieren auch in einer anderen Tonart.
Ich moduliere in diese andere Tonart ohne die Melodietöne zu transponieren und spiele die identische
Melodie in der neuen Tonart, z.B. eine Melodie in C-Dur, die ich dann mit den Akkorden von F-Dur
spiele ohne die Melodie mit zu transponieren.

Ich habe ja diverse Lehrbücher der Harmonielehre, aber ich habe zu dem Sachverhalt bisher nichts gefunden.
Auch im Web ist mir in dt. und engl. bisher nichts dazu aufgefallen, wobei das ja schon eine Frage der
richtigen Suchbegriffe sein könnte.

Könnt Ihr was dazu sagen? Wisst Ihr eine Quelle in Literatur oder Internet, wo die Sache zum Thema wurde?

Vielleicht gibt es ja da bekannte gangbare Abstände zwischen den tonalen Zentren, die da aus Erfahrung
machbar sind, vermutlich in den Abständen des Quintenzirkels.

Ihr habt mich aber sicher verstanden, es geht bei meiner Frage nicht darum, wie ich von der einen in die
andere Tonart komme. Das wird ja zuhauf beschrieben. Sondern darum, eine in einer Tonart komponierte
Melodie ohne Transponierung in einer anderen Tonart zu spielen.
 
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Hallo Frank,

da fällt mir schnell das Stichwort "Reharmonisierung" ein.
Eine Melodie muß nicht zwangsläufig von sich aus eine bestimmte Tonart haben. Manchmal liegt zwar eine Tonart sehr nahe, aber oft läßt sich eine Melodie sehr unterschiedlich auffassen und damit auch begleiten. Die Einzeltöne der Melodie haben dann jeweils eine andere Beziehung zum Grundton.
Da sind meines Erachtens keine Grenzen gesetzt und es gibt auch keine Gesetzmäßigkeiten.
Eine Begleitung ist genauso kreativ wie eine Melodie.
Es gibt ja die alte Definition von Musik als "kunstvolles Auf- und Abbauen von Spannung".
Wie kann man Spannung formal darstellen ?

Kirchenmusiker lernen sowas gerne im Studium: Man bekommt eine Melodie und muß spontan dazu eine Begleitung improvisieren.
Das beinhaltet auch das Finden einer passenden Tonart.
Je nach Geschmack und Mut kann so eine Begleitung mal "kooperativer" oder schräger sein ;-)

Ein Beispiel für krasse Reharmonisierung sind für mich die Covers von "dirty loops", hier "rolling in the deep":



der Omnimusicus
 
Hallo Frank,

da fällt mir schnell das Stichwort "Reharmonisierung" ein....
...Ein Beispiel für krasse Reharmonisierung sind für mich die Covers von "dirty loops", hier "rolling in the deep"...
der Omnimusicus

Hallo,
ich reharmonisiere ja inzwischen häufiger aber schön brav innerhalb eines erweiterten tonalen Raums mit angrenzenden Modal Interchange Funktionen.
Aber Du hast recht, ich könnte ja bei unveränderter Melodie auch total in eine andere Tonart reharmonisieren. Hier wäre also auch "Reharmonisation"
das Stichwort, nachdem man bei diesem Sachverhalt, z.B. über das Web, suchen könnte.

Dein Video von "dirty loops" klingt klasse, irgendwie auch gospelig das ganze. Aber analysieren wollte ich das nicht müssen durch Hören...

Danke für Deine Einschätzung...
 
...es geht bei meiner Frage nicht darum, wie ich von der einen in die
andere Tonart komme. ...Sondern darum, eine in einer Tonart komponierte Melodie ohne Transponierung in einer anderen Tonart zu spielen.
Ohne konkretes Beispiel ist das m.E. schwierig zu diskutieren.

Bei einer "einfachen Melodie" ist natürlich denkbar, dass die Melodie so schlicht ist, dass sie die Harmonien nicht gerade bebopmäßig genau ausdrückt. Die wichtigen Melodietöne könnten dem ursprünglichen und dem neuen Akkord gemeisam sein.
Z.B., ein C auf der ersten Zählzeit über dem Ursprungsakkord C Dur soll ein Melodieton sein. Dann wäre dieses C zunächst als Grundton und mit einem neu unterlegten Akkord F als Quinte der Melodieton.

Gruß Claus
 
Du kannst bei einer Melodie ja untersuchen, wieviele "Leerstellen" sie hat und wie man die auffüllen könnte.

Also. Wenn eine Melodie aus 7 Tönen einer Tonleiter besteht, kannst du die komplette Melodie natürlich nicht komplett mit Akkorden aus einer anderen Tonart harmonisieren (einzelne Töne ja, aber das hast du ja selber schon gesagt)

Wenn eine Melodie aber nur aus 6 Tönen besteht, kann man untersuchen, ob der fehlende Ton aus einer anderen Tonart stammen könnte.

Beispiel 1: deine Melodie beinhaltet die Töne c d e g a h. Es fehlt das f. Das ließe sich durch ein fis ersetzen, womit man alle Töne der Tonart G Dur oder E moll hätte. Nun könntest du die gesamte Melodie in diesen neuen tonarten harmonisieren.

Bespiel 2: Melodie = c d f g a, e und h fehlen. Du kannst e durch es und h durch b ersetzen und könntest Bb Dur oder G moll verwenden (oder natürlich auch nur h ersetzen und F Dur(D moll) verwenden

Beispiel 3: Melodie = c d e f g h. Hier fehlt das a. Ließe sich durch as oder gis ersetzen.
Daraus entsteht aber keine sinnvolle neue Tonart.
 
Beim klassischen Blues ist das doch Methode: man spielt ein Lick zur Tonika und lässt sich dann gemeinsam mit dem Publikum überraschen, wie es sich bei unveränderter Wiederholung anhört, wenn ab Takt 5 IV7 und ab Takt 9 V7 IV7 dazu gespielt werden :D
 
Für die gemeinsamen Töne ist das Thema des C Jam Blues ein bekanntes Beispiel. Das Motiv auf der ersten Zählzeit ist erst Quint, dann None, dann Undezime und schließlich Grundton der Harmonie.
Im Clip ist es allerdings ein C# Jam Blues. :D

 
Was bei einer einfachen Melodie auf den ersten Blick transparenter ist, muss dann ja auch bei einer komplizierteren funktionieren,
wenn man die anzuwendenden Regeln kennt und einhält.

Es könnte ja sein, dass ein Lied in C-Dur aus den Tönen C-D-E-F-G-A besteht mit den Akkorden C, G7 und Dm7
Diese Töne sind auch alle in F-Dur möglich, also kann ich das Lied auch in F-Dur harmonisieren, ohne dass ich einzelne Töne ersetzen muss.

Könnte ich dann, ohne eine weitere Reharmonisation in F-Dur anzustreben, ungeprüft die Akkorde F, C7 und Gm7 verwenden, oder muss ich
die notwendigen Akkorde in F-Dur anders bestimmen?

Also im einfachsten Fall wäre da ja: C ersetze ich durch F, G7 durch C7 und Dm7 durch Gm7
wenn die Verwendung der analogen Akkorde die einfachste Regel wäre, die immer möglich wäre anzuwenden, dann könnte ja z.B.
sein, dass bei den Melodietönen C-D-E-F-G-A in C-Dur auch ein durch Reharmonisation enstandener Ab7#11 zu ersetzen wäre. Das Pendant in F-Dur wäre ja der Db7#11.
Wenn die einfache Regel gilt, dann könnte ich den blind auf das Notenblatt schreiben ohne zu testen auf die Machbarkeit in F-Dur.

Das wäre ja die einfachste Lösung. Ich habe die Melodie in C-Dur mit Akkordbezeichnungen. Die Akkorde streiche ich durch und schreibe
die analogen Akkorde in F-Dur darüber. So sollte das dann in F-Dur spielbar sein und passen ohne eine weitere Reharmonisation in F-Dur unbedingt notwendig werden zu lassen.
Geht das so einfach zu machen als Minimalvariante?

Ich muss mir mal noch ein einfaches Liedchen suchen und das selbst ausprobieren.

Das mit dem Töne ersetzen habe ich auch verstanden. Das können Töne sein, die in der Melodie nicht vorkommen, aber in der Ausgangstonart.
Es kann aber auch sein, dass ein Melodieton durch ein anderer ersetzt werden muss, z.B. von C-Dur nach C-Moll.
 
Bedenke aber, dass die Töne die Bedeutung ändern: war das f in C-Dur zum Cj7/C6 noch Avoid note, ist es zum Fj7 Root. Dagegen war e Terz und wird große Septime. Man muss sich also die Änderung des Spannungsgehaltes der Töne ansehen, um die Wirkung der Reharmonisierumg vorauszuhören.
 
Ich habe jetzt mal nichts vorausgehört, sondern sklavisch die Akkorde an einem Beispiel substituiert - das geht so gar nicht!

Seht es Euch an und spielt mal. Manche Akkorde sind ganz ok, manche gehen gar nicht. Die Substitution der reharmonisierten Variante
hört sich sogar noch besser an als die einfache Version.

Wiesengrunde Harmonisierung.JPG


Das ist die sogenannte Troubadix-Harmonisierung!
"Was nun?", sprach Zeus.
 
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Die Akkorde im "Original" finde ich bereits recht fragwürdig gesetzt, z.B. das F6 in Takt 1 auf der dritten Zählzeit unter dem Melodieton G oder die eingeschobene Dominante G unter dem diatonischen Durchgangston D auf der zweiten Zählzeit in Takt 2... :confused:

Gruß Claus
 
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Von nem Volkslied würd ich erstmal so was erwarten, oder nicht:
Wiesengrund.jpg


Dann fiele die Reha leichter:
Wiesengrund3.jpg
 
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Es stellt sich ja auch die Frage, warum man auf diese Weise Harmonien finden möchte.
Nur weil etwas theoretisch richtig ist, heißt es ja noch nicht, dass es auch gut klingt.

Musik ist keine Mathematik, sondern hat viel mit Geschmack und Erfahrung zu tun.
Der Komponist entscheidet letztlich, was er veröffentlicht und was besser nicht.
 
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Die Akkorde im "Original" finde ich bereits recht fragwürdig gesetzt, z.B. das F6 in Takt 1 auf der dritten Zählzeit unter dem Melodieton G oder die eingeschobene Dominante G unter dem diatonischen Durchgangston D auf der zweiten Zählzeit in Takt 2... :confused:

Gruß Claus

Meine Güte, ein richtiges oder falsches "Original" gibt es da ja nicht bei dem Teil. Erlaubt ist was Spaß macht. Wir können aber statt "Original" auch "einfachere Variante" sagen, wenn das die Gemüter beruhigt.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Von nem Volkslied würd ich erstmal so was erwarten, oder nicht...
Ist das dann "frei nach Silbereisen"? Also da gefällt mir meine "einfachere Variante" aber besser...

Ergänzung: hatte beim ersten Mal deine Reha-Version gar nicht gesehen, die erschien einfach nicht auf meinem Schirm...ist ja nicht wirklich G-Moll daraus geworden, da du das Eb ja nicht spielst....klingt in jedem Fall auch nicht gut und Du hast auch nicht die Akkorde 1.1 analog substituiert...
 
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Ist das dann "frei nach Silbereisen"? Also da gefällt mir meine "einfachere Variante" aber besser...

:D Ich wollte es simpler halten als Du - wahrscheinlich habe ich nicht kapiert, was Du da überhaupt vorhast...

Warum gehst Du auf diese Weise an eine Reharmonisierung heran?
 
Es stellt sich ja auch die Frage, warum man auf diese Weise Harmonien finden möchte.
Nur weil etwas theoretisch richtig ist, heißt es ja noch nicht, dass es auch gut klingt....
Warum? Weil man es darf und ich es mal probieren wollte, was dabei heraus kommt. Offensichtlich geht es nicht, eine solche einfache Substitutionsregel zu formulieren.
Bei dem Stück akzeptiert das Ohr die F-Dur einfach nicht, was man am Besten daran erkennt, dass es die C-Akkorde als Dominante nicht mag...

Theoretisch richtiges gibt es ja meines Wissens da auch nicht in der Musik, auf grundlegende Gesetzmäßigkeiten der Physik komme ich da ja nicht zurück, na ja von diesem dieser Oberton-Tralala mal abgesehen, formulierte Regeln z.B. der Jazz-Harmonielehre sind ja welche, an die sich westliche Ohren gewöhnt haben, keine Gesetze.

War mal ein Versuch, kann man sein lassen...

Grundsätzlich finde ich übrigens reharmonisierte Volkslieder auf der Orgel richtig schön, in der Ausgangstonart natürlich. Außerdem kann da die GEMA nicht nerven :D
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Warum gehst Du auf diese Weise an eine Reharmonisierung heran?

Nenne es Experimentierfreude...
 
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Ich meine, dass man gerade aufgrund musikalischer Gesetzmäßigkeiten reharmonisieren kann - aber eben nicht nach dem System, mit dem Du hier erstmal versuchsweise experimentierst, was ich immer gut finde - möchte man systematisch herangehen, müsste man sich m.E. fragen, wie harmonisiere ich, wenn ich die Melodie D dorisch, Bb lydisch etc. auffasse. Daraus ergeben sich dann verschiedene funktionierende Rehas.
 
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Ich meine, dass man gerade aufgrund musikalischer Gesetzmäßigkeiten reharmonisieren kann - aber eben nicht nach Deinem System - möchte man systematisch herangehen, müsste man sich m.E. fragen, wie harmonisiere ich, wenn ich die Melodie D dorisch, Bb lydisch etc. auffasse. Daraus ergeben sich dann verschiedene funktionierende Rehas.
Gesetzmäßigkeiten, die man sich als Regeln aufgrund von westlichen Hörgewohnheiten gegeben hat. Um Himmels Willen auch nicht mein System sagen, ich wollte da keine neuen Regeln etablieren sondern hinterfragen, ob es dazu vielleicht alte gibt, die ich noch nicht kenne.

Die von Dir angesprochene Herangehensweise an modalen Jazz ist mir natürlich auch schon bekannt, dafür habe ich mir schöne Tabelle gemacht...
Vielleicht steigt ja auch Miles Davis nochmal aus dem Grabe hervor :opa: und gibt uns neue ungewöhnliche Harmonien mit auf den Weg, die wir als Hörgewohnheiten akzeptieren... :govampire:
 
Ich wollte nur sagen: vermutlich gibt es ein funktionierendes System, es scheint nur komplizierter zu sein, such weiter, es lohnt - und wenn Du es hast, nenne ich es Dein System! ;)

Schönen Abend!
 
Folgender Sachverhalt:
Ich habe eine einfache Melodie in einer Tonart. Diese Töne existieren auch in einer anderen Tonart.
Das heißt, die Melodie muss eine Schnittmenge

384px-Venn0001.svg.png




zwischen beiden Tonarten darstellen. Von daher gesehen geht "Im schönsten Wiesengrunde" schon mal nicht, da die Melodie in den ersten 8 Takten schon den gesamten Tonvorrat einer Dur-Tonleiter bringt.

Zweites Problem ist, dass eine Melodie meistens in sich schon eine Kadenz darstellt, auch wenn explizit KEINE Harmonien gespielt werden. D. h. durch Anwendung von Gleit- und Leittönen, Tonika- und Subdominatgrundton etc. auf entsprechenden schweren und leichten Taktteilen erweckt eine Melodie in uns mehr als nur diese, sondern ein ganzes harmonisches Beiwerk, das aber nicht unbedingt gespielt werden muss.

Diese Melodie nun unverändert auf ein anderes tonales Zentrum zu beziehen ist um so einfacher, je weniger Töne diese beinhaltet. Insofern ist Claus' 2-töniges "C-Jam Blues" Thema eigentlich ein idealer Kandidat. ;-)

PS
Der A-Teil von "One Note Samba" wäre der nächste Kandidat. :)
Aber Hainer, so wie ich ihn kenne, hat bestimmt eine Melodie mit der er schon experimentiert hat.
 
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