Approach Notes and Enclosures

  • Ersteller Gast220218
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Ich muss sagen, ich war erstaunt gestern in der Bandprobe. Auch wenn ich mir immer so vorkomme, als würde ich nichts begreifen, habe ich mich sehr viel sicherer gefühlt bei meinen Soli. Ich habe zwar immer noch Probleme, den Akkorden zu folgen und zu wissen, wo ich bin, aber trotzdem hört sich das alles jetzt viel besser an. Da ich im Moment nur Balladen spiele, geht das Ganze auch relativ langsam. In einem schnelleren Tempo würde ich wahrscheinlich total den Anschluss verlieren, aber die Balladen sind jetzt gerade so ungefähr meinem "Ausbildungsstand" entsprechend. :) Ich konnte gestern sogar jeweils ein kleines Motiv spielen, mit dem ich dann immer wieder auf dem ersten Ton des nächsten Akkordes gelandet bin. Jedenfalls für ein paar Takte. Über den ganzen Song ist mir das noch nicht gelungen, aber die ersten 8 Takte gingen zumindest ganz gut. Meistens habe ich kleine Stücke der Tonleiter verwendet, manchmal das Arpeggio des Akkordes, ein paarmal den Rhythmus variiert. Wobei ich merke, dass ich, wenn ich auf die Akkorde achten muss, den Rhythmus meistens relativ ähnlich lasse. Beides gleichzeitig geht noch nicht sehr gut.

Und was wirklich erstaunlich ist: Ohne dass ich jetzt speziell versucht habe, auswendig zu spielen, kann ich die Songs (drei zur Zeit, die wir im Moment in der Band spielen) jetzt eigentlich fast auswendig. Dadurch dass ich mich jetzt mit den Akkorden beschäftigt habe, hat sich die Melodie automatisch mit eingeprägt. Ich bin nur manchmal etwas unsicher, deshalb stelle ich mir meistens immer noch die Noten hin, aber ich gucke oft gar nicht mehr hin, weil ich mich auf den Backing Track konzentriere, um zu hören, wo die Chord Changes sind. Ganz ohne Noten vor der Nase fühle ich mich noch etwas wacklig, es kommen auch manchmal noch falsche Töne, aber so zu 80-90 Prozent kann ich jetzt auswendig spielen. Ich hoffe, bald kann ich dann ganz ohne Noten spielen.
 
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Was genau übst Du denn zurzeit in den paar Minuten für die Improvisation und wie ist dein Plan?

Gruß Claus
 
Ehrlich gesagt sind es mehr als ein paar Minuten. Im Moment übe ich fast nur Improvisation, weil ich das endlich begreifen will. Ich habe jetzt zwei Playbacks. Eins geht Ton für Ton hoch, also durch die ganze Dur-Tonleiter, das zweite geht in fallenden Quinten. Bei dem einen Playback, das Ton für Ton hochgeht, versuche ich, jedes Mal den Akkord zu spielen, 1-3-5-7, rauf und wieder runter. Bei dem zweiten Playback spiele ich Teile der Tonleiter, dann mal einen Akkord, dann mal die ganze Tonleiter in dem Takt und versuche das schon ein bisschen wie eine Improvisation zu gestalten, gehe ein paar Töne bis zur nächsten Quinte runter bzw. zur Quarte hoch, um die beiden Töne zu verbinden und das Gefühl dafür zu bekommen, wie man von einer Quinte zur anderen kommt. Dann suche ich die Common Tones und Guide Tones für meine Songs, die ich spiele, und versuche das ähnlich zu machen, also z.B. drei Töne zum nächsten Common Tone im nächsten Takt oder zum nächsten Guide Tone. Da habe ich vor allem mit den Guide Tones noch Schwierigkeiten, weil ich mir vorher überlegen muss, was der nächste passende Guide Tone ist, das klingt oft noch sehr schräg. Die Guide Tones habe ich noch nicht so richtig im Kopf. Vielleicht muss ich mir die doch mal jeweils über den Akkord in dem Takt schreiben. Ich wollte das ja eigentlich auswendig können, aber da komme ich noch durcheinander.

Die Common Tones sind da schon viel einfacher, weil man ja in jedem Song wesentlich mehr Common Tones als Guide Tones hat. Da muss ich mir nur überlegen, welche Töne ich nicht spielen darf. Klappt aber auch nicht immer. Ich möchte dann so gern mal die Töne spielen, die nur in einem bestimmten Akkord vorkommen, und wenn ich das mache, ist der Takt mit dem Akkord schon wieder vorbei, weil ich entweder zu lange brauche, um mir das zu überlegen, oder weil ich eben nicht weiß, wo im Stück ich bin, weil ich so mit der Improvisation und den einzelnen Tönen beschäftigt war, dass ich den Anschluss verloren habe. Das muss ich einfach noch sehr viel üben.
 
Gute Übungen für Arpeggios und die Major Modes sind m.E. die einfachen ersten 9 Übungen aus Aebersold Vol 3, die II-V Verbindung.

Denke an das "erst (konzentriert) singen, dann spielen". Das ergibt auf Dauer eine sehr gute Abkürzung des Lernprozesses, weil sich die Klangvorstellung ausbildet und zusammen mit dem täglichen Interval Song steht einem fantastisch entwickelten Hörvermögen dann nichts mehr im Wege. :)

Sowohl bei Akkorden wie bei Akkordskalen ist der nächste Schritt, die bestmögliche Verbindung bei der Anwendung auf Standards zu schaffen.
Die Guide Tones habe ich noch nicht so richtig im Kopf.
Ich würde nicht zuviel auf einmal üben, sondern immer nur einen Aspekt und den bis zum Automatismus und inneren Voraushören.
Das mag manchmal etwas ernüchternd sein, aber einige der besten Jazzer haben das ausweislich ihrer Statements und biografischen Zeugnisse so gemacht (u.a. Parker, Coltrane, Metheny...).
Der Grund ist einfach: es ist der schnellste Weg zu guten Ergebnissen. Die Beschleunigung des Lernens kommt mit der Zeit, nachdem die Grundbausteine wirklich gesetzt sind.

Guide Tones kann sich vorher überlegen und zu einer Akkordfolge auch ohne Instrument aufsagen.
Einfach einen Standard aus dem Real Book aussuchen und für jeden Akkord die passende Terz und Septime zur Akkordfolge benennen, außerdem vielleicht auch gleich die passende Chord Scale und eine Notiz zum Nachfragen machen, wenn etwas unklar ist.

Wie gesagt, für die praktische Übung bringen kleine Einheiten mehr und mit genügend Erfahrung kann man das immer weiter ausbauen.
Ich würde mir daher z.B. zunächst nur die ersten vier bis acht Takte eines Standards vornehmen, dann den nächsten Abschnitt usw.
Nach ca 2 Wochen hat man die (überwiegend) 32 Takte gründlich erarbeitet und das Stück "im Griff".Nun kann man sich auch mal etwas trauen und auch ganz entfesselt ausprobieren.
Die oben angesprochene Methode der ersten Aebersold Übungen aus Band 3 ist ideal zur "Eroberung" euer Stücke.

Die Akkordfolge eines Standards sitzt nach 2 Wochen üben wahrscheinlich wie einbetoniert im Ohr, deshalb bleibt bleibt auch bei Schnitzern die Orientierung erhalten und damit die Lockerheit, die zum Spaß am Improvisieren nötig ist.
Ich würde mich bei der Auswahl zunächst übrigens an die inoffiziellen "Top 10" unter den Standards halten und das Repertoire dann erweitern.

Weil ich heute Zeit dazu habe konnte ich ein Notenbeispiel beifügen, das ist aber teilweise bereits etwas "verdichtet".
Dir fällt in den beiden unteren Übungen mit Achtelauflösung vielleicht auf, dass ich in Takthälften denke und darauf achte, dass ein Ton des Dreiklangs auf der "eins" und der "drei" eines Taktes erscheint, um die harmonische Klarheit zu bewahren.
Außerdem habe ich bei der Akkordskalenübung typische chromatische Töne auf unbetonten Zählzeiten eingefügt: bei dom7 ist das ein Gleitton zwischen dem Grundton und dem 7.Ton.
Das formuliert die sogenannte Bebop Scale, die bei II V Abfolgen auch auf dem Akkord der 2.Stufe beginnen kann. Bei maj7 Akkorden sitzt der Gleitton auf unbetonten Zählzeiten zwischen dem 5. und dem 6.Ton der Tonleiter.
Mit genügend Praxis in der Grundform kann man das Konzept auf den Spuren David Bakers beträchtlich erweitert werden. Man landet dabei schließlich in endlosen Ketten mit verschiedenen chromatischen Tönen, wie sie für die Spielweise vieler moderner Jazzsaxofonisten typisch ist.

Beim Üben würde ich die Licks und Arpeggios etwas mehr "aufdröseln" und zunächst nur Licks oder nur Arpeggios auf Akkorde anwenden, in der zweiten Takthälfte wäre dann eine Pause.
Bei den Arpeggios kann man sich natürlich auch Umkehrungen vornehmen. Über maj7 Akkorden macht sich die 6 statt maj7 gut und als Tensions ist die diatonische 9 ok und die #11. Die diatonische 11 ist dagegen nur bei m7 Akkorden eine wirklich gute Wahl, da passt sie immer. Ich habe das hier aber nicht weiter vertieft, denn das ist schon etwas fortgeschrittener Stoff.

Mein Standard-Beispiel entstammt bei den Akkorden den ersten Takten von All the Things You Are, es besteht soweit aus 2 typischen Jazzkadenzen.
In Bb (Tenor Sax): | Gm7 ./. | Cm7 ./. | F7 ./. | Bbmaj7 ./. | Ebmaj7 ./. | Em7 A7 | Dmaj7 ./. | Dmaj7 ./. ||
Als Stufenakkorde: (Bb) VIm7 - IIm7 - V7 - Imaj7 - IVmaj - (D) IIm7 V7 - Imaj7 - Imaj7
Mögliche Common Tones sind 2 Takte Bb, 2 Takte A, 2 Takte G und 2 Takte F#, in der Analyse b3, b7, maj3, maj7, maj3, b3-b7, maj3, maj3.

Man könnte sich die Akkordfolge auch so merken: 6251 in Bb, dazu die 4 und weiter 251 in D oder noch einfacher als solistisches Konzept: 4 +1 Takt Bb Dur, die restlichen 3 Takte D Dur. :)
all the things.jpg

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Gruß Claus
 

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Cool! :) Das sind immer tolle Sachen, die Dir dazu einfallen. Dass die diatonische 11 nur bei m7-Akkorden eine wirklich gute Wahl ist und da immer passt, finde ich sehr interessant. Denn ich habe schon festgestellt, dass es manchmal fast mehr auf die Töne ankommt, die man vermeiden muss, als auf die, die man spielt. Denn wenn man einen Ton spielt, der einfach nicht passt, furchtbar schräg klingt (aber nicht in einem guten Sinne schräg, wie es die Profis machen), dann ist das oft sehr irritierend (auch für mich, wenn ich das spiele), und das bringt einen dann manchmal für etliche Takte durcheinander. Deshalb wäre es mir schon lieber, wenn ich nur Töne spielen würde, die auch passen.

Da nimmt meine Trefferquote allerdings tatsächlich stark zu, seit ich mich hier so damit beschäftige, muss ich sagen. Durch die Licks und das Üben und den Klang der Akkorde, der sich einprägt, und auch der Akkordfolgen werde ich da immer sicherer. Wahrscheinlich bin ich einfach zu ungeduldig, weshalb ich noch nicht zufrieden mit mir sein kann, sondern immer das Gefühl habe, ich kann gar nichts. Wenn man es objektiv betrachtet, kann ich jetzt tatsächlich eine Menge mehr als noch vor ein paar Wochen, und das hört man auch. Aber ich will eben viel mehr erreichen. Das sind ja alles erst die ersten Schritte jetzt.
 
Sicher sind das die ersten Schritte, aber auf diese Elemente kann man weiter aufbauen.
Der Stoff reicht bis zur Beherrschung außerdem bereits locker für ein halbes Jahr oder länger, je nach Übungsaufwand.
Verbunden mit einer Prise rhythmischer Gestaltung hört man sich damit auf jeden Falls schon stimmiger an als viele Hobbykollegen, die ich auf Workshops gehört habe.
Ein weiterer Nutzen solcher "jazztechnischer" Übungen ist, dass die spielerische Sicherheit bei Akkordsymbolen zunimmt und in der Folge auch der Spielraum für den musikalischen Ausdruck wächst.

Will man die Tonleitern einbinden, dass geht das am besten nach und nach.
Also nur die Skalen von 3 - 4 Tonarten und davon zunächst nur die ersten Töne, wie in Aebersold Vol 3 Supplement in den Zeilen 1 bis 4.
Wenn man sich damit den Quintenzirkel (in fallenden Quinten) erobert hat, dann wird man feststellen, dass bereits sämtliche Durtonleitern komplett geübt wurden, Stichwort Tetrachord.
Eine weitere Übung wäre nun die Abfolge der II V I als dorisch, mixolydisch, ionisch. Zuerst wieder durch 3 bis 4 Tonarten, dann das nächste Packerl, bis man diese Major Modes in 12 Tonarten flüssig spielen kann.
Auch die beiden Modes der Pentatonik und die Blues Scale sollten schließlich noch ins Üben eingebunden werden.

Die ersten 4 Übungen aus Aebersold Vol 3 behalten ihren Wert, denn man kann deren Konzept auf jedes neu in Angriff genommene Stück (bzw. dessen Akkordskalen) anwenden.
So bekommt man mit der Zeit Praxis in diversen Dur und Moll Modi, Dominantsalen inkl. Ganzton und den beiden Verminderten Tonleitern.
Gleiches gilt für die Anwendung der in Aebersold Vol 3 Supplement in den Zeilen 6 bis 9 demonstrierten Akkordbrechungen.

p.s., ich habe die Übung zu den ersten All the Things Takten in der letzten Zeile korrigiert.

Gruß Claus
 
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Heyo,

Ich habe ehrlichgesagt nicht den ganzen Thread gelesen bin aber über das Terz-Septimen Guide-Tone-Line Beispiel mit Autumn Leaves gestolpert. Hier die ersten Solo-Takte von Cannonball Adderley über Autumn Leaves auf der Somethin' Else Platte , Blue Note. ()

Der erste Ton ist noch von Miles an der Trompete... Dann gehts los. Rot ist die eine, Grün die andere Terz-Septim Linie. Blau markiert ist hier die chromatische Ansteuerung eines Akkordtons (die b5 von A-7b5). Gerade in den ersten 4 Takten lässt sich imho sehr schön sehen wie Adderely die Guide-Tone-Line, obwohl elaboriert ausgeschmückt, als Grundgerüst verwendet. Am Ende von Takt 2 des Beispiels auf Takt 3 hin, oktaviert er ganz einfach um wieder "fallen" zu können. Bis in Takt 4 zieht sich die Linie schön durch.

Vll hilft es was als Anwendungsbeispiel aus der Praxis, wenn nicht, einfach ignorieren...
Da ich Gitarrist bin und die Grafik einst für einen solchen angefertigt habe, leider klingend für C-Instrumente.

grüße B.B.

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Das ist wirklich ein tolles Beispiel! :) Ich komme einfach im Moment wenig zum Üben, weil ich so viel anderes zu tun habe, Berufliches, aber wenn ich Cannonball da höre, dann höre ich eben auch, dass er ganz genau weiß, was er da tut, dass er ganz genau weiß, in welcher Tonart er sich befindet, in welchem Akkord usw.

Bei mir läuft das alles immer noch mehr über die Melodie als über die Akkorde. Aber, und da muss ich sagen, da hat sich extrem viel entwickelt, seit ich hier in dem Thread so viel gelernt habe, das läuft jetzt wesentlich besser. In der letzten Probe war ich von mir selbst überrascht. Da habe ich ein Solo gespielt, ganz von selbst, ohne viel darüber nachzudenken, das sich anhörte, als wüsste ich wirklich, was ich tue. ;) Ich war fast von den Socken, als ich mir selbst zugehört habe.

Nicht weil es so toll war, es klang ganz gut, aber es war jetzt nicht zu vergleichen mit einem wirklich professionellen Solo, sondern weil es so selbstverständlich war. Ich musste nicht viel nachdenken. Und das ist eben die Beschäftigung mit den Akkorden hier, mit den Chord Progressions. Obwohl ich relativ wenig Zeit habe, hat sich das eingeprägt und scheint jetzt in meinem Gehirn Abläufe in Gang zu setzen. Solange ich über die Akkorde nachdenken muss, komme ich immer zu spät, verpasse den Taktwechsel, den Akkordwechsel, aber in der letzten Probe hatte ich das Gefühl, ich mache das ganz automatisch. Und das war wirklich ein schönes Gefühl. Es geht zwar langsam, aber es geht.
 
Solange ich über die Akkorde nachdenken muss, komme ich immer zu spät...
Das würde Jeder/Jedem so gehen. :D

Deshalb macht es Sinn, die wichtigsten Akkordverbindungen flüssig arpeggieren zu können und die wichtigsten Approach Techniken ebenfalls möglichst flüssig drauf zu haben. Damit hat man immer ein paar Pfeile im Köcher und kann ggf. nach Akkordsymbolen durch ein Solo navigieren.
Mit zunehmender Routine wächsen das Hören und Wiedererkennen, der Spaß an Variationen und damit kommt dann mehr persönlich-muskalischer Ausdruck ins Solo.

Gruß Claus
 

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