Analyse der Elegie von Debussy - dringend!

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music_forever
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Hallo,

könnt ihr mir helfen?
Ich muss in einer Woche eine Analyse der Elegie von Debussy aus dem Jahr 1915 anfertigen. Wie würdet ihr vorgehen beim Analysieren dieses Stückes? Würdet ihr die Tonleiterausschnitte/Skalen untersuchen oder einfach die Akkorde bestimmen?
Dass die linke Hand die führende Hand ist und die Melodie hat, ist klar. Kurz vor Schluss erscheint das Motiv auch in der rechten Hand.
Bereits im 1. Takt habe ich mich gefragt, was die angemessenste Deutung wäre. Rein theoretisch gäbe es doch unterschiedliche Deutungsvarianten. Als Tonleiterausschnitt würde man die Töne g, a, h, c, d finden. Diese finden sich in d -dorisch, erhöhte Sexte. Wäre das Analysieren mithilfe von Skalen sinnvoll? Auf Zählzeit 3 entsteht ja ein G - Dur - Akkord, aber wären die Skalen nicht besser?
Takte 2, 3 und 4 dann d - Moll. In Takt 5 hätte man einen F-Dur-Akkord. Aber geht es nicht vordergründig um die Linie A, As, G?
Dieses Stück lässt mich verzweifeln.
 
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  • IMSLP262046-PMLP424981-DebussyElegie.pdf
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Bereits im 1. Takt habe ich mich gefragt, was die angemessenste Deutung wäre. Rein theoretisch gäbe es doch unterschiedliche Deutungsvarianten. Als Tonleiterausschnitt würde man die Töne g, a, h, c, d finden. Diese finden sich in d -dorisch, erhöhte Sexte.

Ist es Dir denn möglich, an dieser Stelle das d als Grundton wahrnzunehmen ?
Wenn nein, dann fällt die Variante d-dorisch wohl flach …

Und mir ist nicht ganz klar, warum Du so einen Gegensatz zwischen Akkorden und Skalen machst. Das ist doch ein und dasselbe. Sind die zwei Seiten der gleichen Medaille.

Thomas
 
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Wie würdet ihr vorgehen beim Analysieren dieses Stückes?
Ich würde mich an bekannten, gegebenen Richtlinien orientieren.

https://www.musikmachen.de/noten-lernen/musikanalyse-melodik-und-rhythmik/
https://de.wikipedia.org/wiki/Musikanalyse

https://de.wikipedia.org/wiki/Werkanalyse
http://www.lehrklaenge.de/PHP/Werkanalyse/WerkanalyseAllgemein.php

Die nähere Betrachtung der Zählzeiten und Takte hast du ja schon angefangen. Zwischenzeitlich könntest du immer wieder 'mal das Stück spielen oder anhören. 2min sind schnell gehört. Auch wenn diese Elegie sich in die Länge zieht und ihrem Namen gerecht wird.

Dass die linke Hand die führende Hand ist und die Melodie hat, ist klar. Kurz vor Schluss erscheint das Motiv auch in der rechten Hand.

... dazu fällt mir das Lehrvideo einer Künstlerin ein, welches ich vor kurzem gesehen habe, in dem sie mit gekreuzten Armen die Tasten drückt...

:bang::bang::bang:

Sry, wünsche dir natürlich, dass dir die Analyse gelingt.
 
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Ist es Dir denn möglich, an dieser Stelle das d als Grundton wahrnzunehmen ?
Wenn nein, dann fällt die Variante d-dorisch wohl flach …

Und mir ist nicht ganz klar, warum Du so einen Gegensatz zwischen Akkorden und Skalen machst. Das ist doch ein und dasselbe. Sind die zwei Seiten der gleichen Medaille.

Thomas
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Vielen Dank für den Ratschlag!!
Nur als rein theoretische Variante hätte ich d-dorisch in Betracht gezogen aufgrund des Tonmaterials. Aber am Ende soll man ja das Ohr entscheiden lassen und die reine Theorie interessiert keinen, oder? d - Moll und G - Dur sind in dem Takt hörbar, dachte ich zumindest.
Ich kannte bisher beim Analysieren nur die Funktionstheorie, aber bei Debussy ist die ja nur begrenzt anzuwenden, wenn ich richtig informiert bin.
Alles, was Skalen angeht, wäre doch dann von der Analyse her die Akkord-Skalen-Theorie, oder? Stapeln von den Tönen und daraus ergibt sich die Skala.
Ich wusste bisher nicht, wann man die genau anwendet.
Aber z.B. Takt 17, könnte man den Akkord auf Zählzeit 1 und 2 nicht als Ausschnitt einer Ganztonleiter auffassen (d, e, fis, gis, b = ais)? His bzw c fehlt halt. Oder wäre das wieder zu theoretisch gedacht?
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Nur als rein theoretische Variante hätte ich d-dorisch in Betracht gezogen aufgrund des Tonmaterials. Aber am Ende soll man ja das Ohr entscheiden lassen und die reine Theorie interessiert keinen, oder? d - Moll und G - Dur sind in dem Takt hörbar, dachte ich zumindest.
Ich kannte bisher beim Analysieren nur die Funktionstheorie, aber bei Debussy ist die ja nur begrenzt anzuwenden, wenn ich richtig informiert bin.
Alles, was Skalen angeht, wäre doch dann von der Analyse her die Akkord-Skalen-Theorie, oder? Stapeln von den Tönen und daraus ergibt sich die Skala.
Ich wusste bisher nicht, wann man die genau anwendet.
Aber z.B. Takt 17, könnte man den Akkord auf Zählzeit 1 und 2 nicht als Ausschnitt einer Ganztonleiter auffassen (d, e, fis, gis, b = ais)? His bzw c fehlt halt. Oder wäre das wieder zu theoretisch gedacht?
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Vielen, vielen Dank für die ganzen Anregungen!!!
Wären denn im 1. Takt d-Moll und G-Dur als Harmonien sinnvoll? In Takt 2 d-Moll und g-Moll, Takt 3 d-Moll und 4 auch? Takt 5 dann F - Dur und dann wäre die abwärts geführte Linie links A - As - G - Fis wichtig, die sich links viermal hintereinander wiederholt. Nur bei den Akkorden rechts z.B. Takt 5 Zählzeit 4 müsste ich nochmal überlegen.
Ließe sich Takt 17 Zählzeit 1 und 2 Ganztonleiterausschnitt analysieren? d - e - fis - gis - b (=ais) enthalten? Nur c bzw his fehlt halt noch.
Und das mit dem Lehrvideo klingt amüsant.
Also danke nochmal!!
Und ich habe es begriffen. Man sollte wohl nicht zu theoretisch denken, sondern auf sein Ohr und den Grundton hören. Ansonsten würde man ja verrückt werden und es gäbe unendlich viele Varianten rein theoretischer Natur.
 
Ich muss in einer Woche eine Analyse der Elegie von Debussy aus dem Jahr 1915 anfertigen. Wie würdet ihr vorgehen beim Analysieren dieses Stückes?

"Top-down" würde ich vorgehen, also die großen Zusammenhänge und Strukturen vor den kleinen. Also vor allem erstmal das Stück hören und, wenn möglich, selbst spielen, auf allen dir zur Verfügung stehenden Instrumenten. Hast du es schonmal gespielt?

Du fragst direkt nach harmonischen Deutungen, die würde ich aber erstmal zurückstellen, die können und sollten ein zwar wesentliches, aber nicht erstes Analyseelement sein. Harmonik ist immer nur ein Element unter mehreren, die an der Dramaturgie eines Stückes mitwirken, und so sollte ihre Stellung in der Analyse auch sein.

Auch ohne Fachliteratur kommt man mit Google ziemlich weit. Schau'n wir mal...Google "Debussy Elegie 138" (die 138 ist die Lesure-Nummer aus dem Titel in deinem verlinkten PDF):

https://www.henle.de/media/foreword/0404.pdf : "Élégie L. 146 (138) Das kurze Gelegenheitsstück entstand im Dezember 1915 und wurde in Pages inédites sur la femme et la guerre. Livre d’or dédié […] à S. M. la reine Alexandra et publié par Mme Paul Alexander Mellor (Paris 1916) veröffentlicht."

https://www.eclassical.com/shop/17115/art97/4796497-a70b38-4260036252293.pdf : "Another war-relief book, from 1916, was Pages inédites sur la femme et la guerre, in which a facsimile appears of an otherwise unknown Élégie in Debussy’s hand. Dated at the end 15 December 1915, the piece must have been written a week after Debussy underwent the cancer operation from which he never properly recovered; this sombre short Élégie might be heard as a farewell to both the Europe and the Claude Debussy of old."

https://en.wikipedia.org/wiki/Claude_Debussy : "In 1915 Debussy underwent one of the earliest colostomy operations. It achieved only a temporary respite, and occasioned him considerable frustration ("There are mornings when the effort of dressing seems like one of the twelve labours of Hercules").[84] He also had a fierce enemy at this period in the form of Camille Saint-Saëns, who in a letter to Fauré condemned Debussy's En blanc et noir: "It's incredible, and the door of the Institut [de France] must at all costs be barred against a man capable of such atrocities." Saint-Saëns had been a member of the Institut since 1881: Debussy never became one."

Im Dezember 1915 hatte Debussy also offensichtlich eine trübe und schmerzhafte Phase: die politischen Ereignisse nahmen ihn mit (https://de.wikipedia.org/wiki/Herbstschlacht_in_der_Champagne , 145.000 tote Franzosen, folgende innenpolitische Krise), die schmerzhaften Folgen seiner Krebsoperation machten ihm zu schaffen, auch das Konkurrenzverhältnis zu Saint-Saëns und der schleppende Fortgang seiner Oper "La chute de la maison Usher" waren Faktoren. Im Dezember 1915 ist übrigens auch das Lied "Noël des enfants qui n'ont plus de maison" (Weihnachtslied der heimatlosen Kinder) entstanden, eine weitere düstere (aber auch patriotische) Stellungnahme zum Abgrund des Krieges und seinen Folgen. Die Veröffentlichung der im ersten Link erwähnten"Pages inédites sur la femme et la guerre" erfolgte übrigens "publié par Mme Paul Alexandra Mellor au profit des Orphelins de la Guerre en France", also zugunsten von Kriegswaisen. Das Thema muss Debussy bewegt haben.

Und dann stellt er am 15.12.1915 eine Elegie fertig: literarisch ist eine Elegie ein Klagegedicht, musikalisch ein wehmütiges Trauer- oder Klagelied. Und wie heißt die Spielanweisung? "Lent et douloureux" (=langsam und schmerzhaft). Nicht wirklich überraschend, oder? Man könnte es auch mit "getragen und schmerzerfüllt" übersetzen, was wahrscheinlich Debussys Intention näherkommen würde. Unter Takt 1 steht: "mezza voce, cantabile espress.", also "mit halber Stimme, etwas verhalten [singen], gesanglich und mit Ausdruck". Das deutet auf eine Totenmusik hin, und siehe da: die Vorzeichen und das oftmalige Auftreten der Töne d und a deuten auf D-Moll hin. Eine Tonart, die durch Mozarts Requiem und Schuberts Streichquartett "Der Tod und das Mädchen" konnotativ besetzt ist.

Die Melodie liegt in der Bassstimme, das ist auffällig und besonders (ist dir das aufgefallen)? Und die Melodie ist strukturiert, das heißt, sie folgt bestimmten Konstruktionsideen. Diese könnte man rausfinden und benennen. Der Schlüssel zu einer Analyse müsste meiner Ansicht nach eine Betrachtung der Melodie sein sowie die Kommentare und Reaktionen der begleitenden Oberstimmen. Da kann man, denke ich, ziemlich schlüssig zeigen, dass das Stück eine Totenklage ohne Aussicht auf Erlösung sein könnte. Die Harmonik, ob nun Akkorde und/oder Skalen, spielt da eine Nebenrolle. Wenn du Interesse hast und bisher folgen konntest, können wir da weiter suchen.

Von einem Herrn Vicentini, Klavierdozent in Rovigio am Konservatorium, gibt es übrigens ein Arrangement dieser Elegie auf Youtube - und zwar für sechs Violoncelli. Das arbeitet den Charakter, den Debussy schon angelegt hat, meiner Ansicht nach sehr gut heraus.
 
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Vielen, vielen Dank für diese große Anzahl an Anregungen.
Im Grunde genommen ist doch der Titel Elegie sehr günstig. Er gibt nämlich direkt Aufschluss über den Charakter des Stückes. Die Aufgabe besteht doch dann eigentlich darin, zu analysieren, was für eine Tonsprache verwendet wurde (Wirkung dieser ist klar) und wie Claude Debussy die gesamten musikalischen Ausdrucksmittel bzw musikalischen Parameter gebraucht hat, um diesen im Titel angegebenen Ausdruckscharakter, der auch als Vortragsbezeichnung explizit angegeben ist, zu erzielen. Wenn z.B. "Sonate" angegeben wäre, dann handelt es sich ja mehr um einen Formbegriff, der Aufschluss über die musikalische Struktur liefert. Natürlich hat man auch da eine Vortragsbezeichnung, aber liegt der Schwerpunkt da nicht besonders auf der Form und den damit verbundenen Themen und die Behandlung und Weiterentwicklung dieser in einer Analyse? Oder täusche ich mich mit allem, was ich schreibe?

Zurück zur Elegie.

Ich habe das Stück jetzt mehrfach gespielt. Und ich habe mir auch die Aufnahme angehört. Diese Hinweise helfen wirklich sehr. Ebenso der Tipp, dass der Schlüssel einer Analyse die Betrachtung der Melodie und die Beschäftigung damit, welchen Konstrukstionsprinzipien sie folgt, in Verbindung mit den Kommentaren und Reaktionen der begleitenden Oberstimmen sein sollte.
Ich hatte bisher immer nur Funktionsanalysen als Aufgabe. Da kam der Rest etwas zu kurz und man hat sich im Grunde genommen nicht auf das große Ganze konzentriert sondern mehr auf einen Teil.
Also ich hätte wirklich sehr viel Interesse daran, weiterzusuchen.
Also der Titel sagt schon viel aus. Dann kann man noch Debussys Biografie heranziehen. Neben den sehr guten bereits genannten Dingen hatte Debussy doch auch seine OP in der Zeit und war krank und Geldsorgen hatte er ja sowieso sein ganzes Leben lang, aber mit Durand ließ sich sich ja verhandeln. Der Krieg war ein sehr einschneidendes Erlebnis und seine Hilflosigkeit.

Mir wurde mal gesagt, dass man die Biografie eines Komponisten nicht unbedingt bräuchte, um ein Stück zu verstehen, aber hilft es nicht doch sehr, wenn man die Hintergründe besser versteht? Die Biografie hilft doch eigentlich auch, zu verstehen, weshalb der Komponist genau diese Tonsprache auswählt, wenn er z.B. durch die Weltausstellung inspiriert wurde. Oder sollte man das besser nicht so betrachten?

Die Tonart des Stückes ist sehr wichtig und es handelt sich um d - Moll. Vielen Dank für die Anregungen zu der Tonart mit Mozart und Schubert. Weiterhin ist die Vortragsbezeichnung wichtig. Getragen und schmerzerfüllt.

Könnte man dann nicht einfach so erstmal für sich rein theoretisch überlegen, wie man die musikalischen Mittel einsetzen müsste, um diesen Eindruck/diese Atmosphäre zu erzielen?

Z.B. Sekunden von den Intervallen her in Akkorden oder in der Melodie, Chromatik, Intervalle, die für dieses Schmerzhafte stehen.
Nicht ganz konkret analysierbare Harmonik für die Ungewissenheit durch den Krieg.

Die Dynamik ist sicherlich auch sehr wichtig in diesem Stück. Sie hält sich durchgängig im pp und p - Bereich. Eine Art Höhepunkt scheint in Takt 13 erreicht zu werden. Da ist mal über einen längeren Zeitraum cresc. .

Man muss also schaffen, die unterschiedlichsten Nuancen des Pianospiels zu erzeugen.

Dann zur Rhythmik. Da ist doch eigentlich schon die Motivik des 1. Taktes sehr aufschlussreich, besonders die der Bassmelodie.

Die halbe Note mit Überbindung ist in verkürzter Form im ganzen Stück zu finden, als Viertelnote mit Überbindung bzw Achtelnote mit Überbindung. Auch der Wechsel von Achtelnoten und Achteltriolen zieht sich durch das gesamte Stück sowie die kleinen Vorschlagsnoten oder Verzierungsnoten (welche Begrifflichkeit verwendet dafür ganz korrekt?)

Und zu den weiteren Stimmen. Die Mittelstimme hat eine ganze Note. Auch diese zieht sich durch das gesamte Stück und durch unterschiedliche Stimmen, z.B. Takt 9 im Bass, da hätte der Tenor praktisch die Melodie, oder?

Und in Takt 10 genau umgekehrt.

Zurück zu Takt 1. Die Pause in den Oberstimmen auf Zählzeit findet man z.B. auch in Takt 5, nur in verkürzter Form.

Dann der Quartklang (a' - d"), der zur Quinte wird bzw Sekundschritt, wenn man jetzt nur die Stimme a' zu g' betrachtet.

Also was rhythmisch im Stück passiert, ist eigentlich relativ logisch. Es lässt sich fast alles in ieiner Art und Weise auf den Anfangstakt beziehen.

Dann zur Melodik im 1. Takt im Bass, es sind durchgehend kleine Sekunden. Sekunden gelten ja als dissonant und spannungsgeladen und schmerzvoll. Takt 2 ist bis auf Zählzeit 4 dasselbe wie in Takt 1 bis auf das b, ist von der Klangfarbe dunkler eingefärbt. In Takt 3 erscheint dann auch endlich mal das d und sogar dreimal. In Kombination mit den Oberstimmen handelt es sich eigentlich um d-Moll. Die Oberstimmen haben diese Oktave plus Quintton a. Das ist im Grunde genommen der Klang, der sich bereits in den Takten 1 und 2 auf Zählzeit 2 schon mehrfach gebildet hat. Jetzt hat er sich praktisch durchgesetzt.

Takt 1 hat ja dieses h enthalten, das im Bass auch viermal erklingt. Da war ich mir unsicher von der harmonischen Analyse her. Auf Zählzeit 2 in Takt 1 schimmert ja d - Moll durch, auf Zählzeit 3 bildet sich jedoch eindeutig ein G-Dur-Klang. Wegen des h dachte ich deshalb zuerst an d-dorisch, aber ist G-Dur vlt sinnvoller? Das ist sicherlich eine Frage des Hörens, was man als Grundton auffasst. Komplett theoretisch gedacht wären ja alle Varianten möglich.

In Takt 2 habe ich noch dieses g' im Ohr, deshalb hört es sich für mich nach g-Moll an, aber auch ganz kurz schimmert dieses d - Moll der Oberstimmen rein.

In Takt 3 zur Melodie im Bass, sie wandert abwärts bis zum c, geht zum d, also Grundton, wandert zurück zum a und steigt von dort auf und enthält den Dreiklang d (kurz verharrend - Überbindung) - f - a.

Die erste Takthälfte ist dasselbe wie in Takt 3, dann bereitet sich die Melodie auf die Wanderung zum A vor. Diese chromatische Linie (Takt 5 und 6 bis einschließlich Fis) A - As - G - Fis erscheint viermal hintereinander in verschiedensten rhythmischen Varianten und danach nochmal so halb angedeutet beim Übergang von Takt 7 zu 8.

In Takt 4 in den Oberstimmen ist die Oktave a - a' plus d', der Quartton. Die Quinte von d - Moll wäre praktisch verdoppelt?

Passt aber eigentlich gut, dass das a wichtiger wird, weil die Melodie in Takt 5 ja auch zu diesem Ton wandert. In Takt 5 entsteht ein F - Dur - Klang. Und was die Akkorde rechts angeht, das sind alles parallel verschobene Akkorde Akkorde. Es handelt sich nur nicht immer um exakt dieselben Intervallverhältnisse. In Takt 5 bildet sich auch kurz ein a - Moll - Akkord mit f dazu. Die Harmonie der 2. Takthälfte mit f - b - e und As habe ich noch nicht ermittelt. In Takt 5 folgt die Oberstimme der Wellenbewegung der Melodie b und d' wandern zu c' und e' und wieder zurück. Und in der Oberstimme kehren alte Bekannte zurück, das h aus der Melodie in Takt 1 und das b aus Takt 2. In Takt 6 entsteht kurz auf Zählzeit 1 ein G7. Die Melodie links ist mit ihrer Chromatik beschäftigt und rechts entsteht die nächste verschobene Oktave e und e' mit c' in der Mitte. Auf Zählzeit 4 entsteht e - g - b, also ein verminderter Akkord.

Das Stück wandert durch verschiedenste Tonarten und Skalen, Chromatik ist enthalten. Das passt zu dieser ungewissen Situation des Krieges und der privaten Situation Debussys. Eine Ganztonleiter ließe sich in Takt 17 bilden - d - e - fis - gis - b (= ais). Und c bzw his würde fehlen.

In Takt 19 erscheint die Melodie in der rechten Hand, in einer der Mittelstimmen (welche das sein soll, weiß ich nicht), exakt von Takt 1 übernommen (bis auf die Pause auf 1, in Takt 1 ist da bereits das h angeschlagen).

In Takt 19 ließen sich wieder G - Dur und d - Moll finden, das h ist auch wieder enthalten oder d - dorisch. Im Endeffekt kommt es praktisch doch darauf an, was man als Grundton empfindet, ob g oder d.

Eine Umkehrung der Melodie habe ich in Takt 8 entdeckt auf Zählzeit 3 im Vergleich zu Takt 4.

Mit den Konstruktionsprinzipien von Melodien kenne ich mich gar nicht aus. Könnte man da nachlesen, was es so alles gibt?

Ich kenne nur Vergrößerungen, Verkürzungen (rhythmisch) und Umkehrungen und den Krebs (melodisch). Ist so etwas damit gemeint?

Ließe sich Takt 9 als Septnonakkord über B auffassen, aber in der Melodie trotzdem kein Es?

Mehr fällt mir erstmal nicht zu dem Stück ein.

Der Schluss ist auch ungewiss. Es sind schon Töne von d - Moll vorhanden, aber es endet auf dem Quintton A


Vielen, vielen Dank für alles!!!
@ HaraldS
Mod Emeritus
 
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Mir wurde mal gesagt, dass man die Biografie eines Komponisten nicht unbedingt bräuchte, um ein Stück zu verstehen, aber hilft es nicht doch sehr, wenn man die Hintergründe besser versteht?....?....?...

Ich bin mal so frei und beantworte nicht alle deine Fragen. Analysieren kann man vieles . Mit dem Wissen um Hintergründe wird schnell aus einer objektiven Analyse eine subjektive Interpretation.

@music_forever
...inwieweit du dich an die verlinkten Analyseschritte orientierst und so die Elegie abarbeitest ist dir überlassen. Ich will dir auch nicht weiter reinreden. Du hast schon einiges herausgefunden und aufgeschrieben. Mir persönlich waren Analysen immer etwas umständlich, vor allem, wenn das zu untersuchende Ding nicht mit einem Blick zu erfassen war. Ich verzettelte mich gerne mit Nebensächlichkeiten, so dass ich am Ende nicht mehr wusste, was ich am Anfang stärker gewichtete. Deshalb starte ich mit einem 'table of elements'. Ich reduziere das Gesamtwerk soweit, dass ich es besser begreifen kann. Je komplizierter das Werk, desto umständlicher natürlich auch die Reduktion. Es sind 21 Takte und der Seitenumbruch verlangt von dem(r) Analysten(in) einen Sprung. Es gilt, einen gedanklichen Spalt zu überwinden.

Das Stück wird von unterschiedlichen Musikern gleich gespielt, weil die Notation mit einigen spieltechnischen Anweisungen dieses ermöglicht. Ergiebiger ist das Hören des Stückes und gleichzeitiges Verfolgen der Noten. Selber die Noten spielen und die Noten sehen, während gespielt wird, ist für mich in der Wahrnehmung noch ein Unterschied. Mit dem Wissen vom Hintergrund des dem Komponisten ereilenden Endes, entstand in meiner Wahrnehmung die Assoziation des schweren, langsamen Atmens; kurzes Ein- und langes, bronchiales Ausatmen sind ähnlich.

Vom kranken Debussy steht in meiner mir zugänglichen Biografie nichts. Er solle gesagt haben, dass er versucht hätte, einen Pfad zu finden, auf dem andere mit ihren eigenen Entdeckungen ihm folgen könnten. Er wolle die dramatische Musik vom belastenden Zwang befreien, unter dem sie gelitten hätte. Nun ist er dann schlussendlich selber im Drama Hauptakteur. Welche Tragik, dass zur Zeit des 1.Weltkrieges das Drama selber zum Agitationsinstrument wurde.


musik_mb_theo-debussy_toe.jpg


Gruss
 
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Dieser Thread ist ein gutes (oder schlechtes?) Beispiel dafür, wie sehr man in die Irre gehen kann, wenn man für die Arbeit ein falsches bzw. unpassendes Werkzeug benutzt. Und die Funktions-Harmonik mit ihrer Ausrichtung auf kadenzierende Strukturen und überhaupt der ihr zugrunde liegenden Dur-Moll-Tonalität ist bei Debussy ganz gewiss ein unpassendes Werkzeug.
Debussys ganzes Streben und Schaffen ist vollkommen darauf ausgerichtet, eben diese herkömmliche Dur-Moll-Tonalität zu überwinden. In dieser Überwindung begründet sich auch seine geradezu revolutionäre und vergleichsweise singuläre Stellung in der Musikgeschichte, auf jeden Fall in seiner Epoche.

Das bedeutet nicht, dass man bei Debussy keine Dur- oder Mollklänge findet, aber sie haben nicht die Bedeutung, der ihnen im Dur-Moll-System oder gar dem funktionalen Denken beigemessen wird. Daher finde ich auch die Zuordnung dieser Elegie nach D-Moll absolut unangemessen, und im Thread wird ja auch deutlich, dass es einiger geradezu verkrampfter und gewaltsamer Klimmzüge bedarf, dass diese Zuordnung gelingt. Wobei sie eben nicht gelingt.
In der Fixierung auf D-Moll wird dann auch schnell übersehen, dass im Takt 3 eine glasklare Pentatonik zu hören (und sehen) ist. Pentatonik ist aber an sich weder Dur noch Moll, sondern tonal schwebend, weshalb sie bei Debussy auch oft zu finden ist.
Ebenso verhält es sich mit den Ganztonleitern, die tonal ebenfalls offen sind.

Bei Debussy muss man hingegen vor allem bei den Akkorden an Klangfarben-Akkorde denken. Es gibt weiche, offene, enge, scharfe, warme, schmerzliche Klänge usw.
Debussy lotet diese Farben aus, entwickelt sie, kontrastiert sie und bettet seine melodischen Strukturen und Abläufe in sie ein.
So wird das (eigentlich doch nur scheinbare) G-Dur des 1. Taktes im zweiten Takt sofort (respektive auf Zählzeit 2 mit der Septe Bb-A) mit dem Bb im Bass in einen dissonanten Klang aufgebrochen. Wenn man so will, könnte man als Harmoniebezeichnung für den 1. Takt G/B und für den 2. Takt Bb7maj notieren, wobei aber das entscheidende der deutliche Umschlag der Klangfarbe von Takt 1 nach Takt 2 ist und bleibt. Im 3. Takt löst sich die etwas grelle Farbe des 2. Taktes in eine offene, weiche Pentatonik auf, es findet insofern erst mal wieder eine Entspannung statt, die im 4. Takt eine Fortführung findet.
Der 5. Takt bringt wieder eine Umfärbung ähnlich wie die Takte 1 und 2, jetzt aber halbtaktig, im 6. und 7. Takt gibt es mehr Bewegung und die Melodik der Unterstimme (linke Hand) bekommt mit den Terzen in der Oberstimme eine Begleitmelodie, der Klang fächert sich mehr auf, wozu auch die etwas größere Bewegtheit in der Rhythmik beiträgt. Über Takt 8, der rhythmisch wieder mehr Ruhe, fast schon Statik bringt und in der die Melodie in der linken Hand viel enger geführt wird, entlädt sich die ganze bisherige Spannung und Energie in einer insgesamt abwärts geführten Bewegung ganz zart in den so charakteristischen weichen Klang des Sept-Nonen-Akkords in Takt 9 (der im übrigen selbstverständlich keinerlei dominantische Bedeutung oder Klanglichkeit hat, sondern als Farbklang für sich steht!).

@music_forever, vielleicht helfen Dir meine Anregungen etwas weiter. Meiner Meinung nach führen die zwar sehr detaillierten, aber eben deswegen übertrieben komplizierten und das Ganze aus dem Blick verlierenden, weil viel zu punktuellen analytischen Gedankenspiele in die Irre. Besonders bei Debussy.
Sie lassen einen zudem sehr unbefriedigt zurück, weil man doch immer spürt, dass man das Stück nicht zu fassen bekommt.
Zudem Stellt sich die Frage, ob bei einem so kurzen und prinzipiell doch in sich geschlossenem Stück eine derart sezierende Analyse angemessen ist (wir reden hier ja nicht von den aphoristischen und dabei extrem verdichteten Werken eines Anton Webern).

Die Musik Debussys ist eine eigene Welt, die mit den bis dato vorherrschenden Traditionen gewaltig bricht. Darauf muss man sich einlassen und am besten seine bis dahin (meist) bewährten alten Werkzeuge im Koffer lassen. Dann können sich aber auch die Türen öffnen und man schaut (und hört vor allem) fasziniert und immer faszinierter auf eine wahrhaft farbenreiche musikalische Welt, die völlig zurecht Anlass gab, dass Debussy gerne als der "stille Revolutionär" in der Musikgeschichte bezeichnet wird.
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Nachtrag:
Ließe sich Takt 9 als Septnonakkord über B auffassen, aber in der Melodie trotzdem kein Es?
Diese Frage kommt auch aus dem Denken in der herkömmlichen Dur-Moll-Tonalität. Aber Debussy denkt nicht herkömmlich-tonal, er moduliert und kadenziert daher auch nicht, ein Eb muss daher auch nicht kommen und muss auch nicht erwartet werden. Der Sept-Nonen-Akkord ist nicht kadenzierend gedacht. Die linke Hand führt die Melodie aus Takt 8 fort, deshalb mit E.
 
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@LoboMix - sehr interessante Gedanken, denen ich in weiten Teilen zustimme.

@music_forever - jetzt kommt der Thread an einen wichtigen und guten Punkt, nämlich zur Frage nach dem richtigen Werkzeugkasten. Und selbst wenn Werkzeuge angewandt wurden und die Analyse auf dem Papier fertig ist, ist sie oft erst richtig brauchbar, wenn das Ergebnis in offen gebliebenen Fragen besteht, die aber eine tiefgehende Beschäftigung mit dem Gegenstand erkennen lassen.

Dieser Thread ist ein gutes (oder schlechtes?) Beispiel dafür, wie sehr man in die Irre gehen kann, wenn man für die Arbeit ein falsches bzw. unpassendes Werkzeug benutzt. Und die Funktions-Harmonik mit ihrer Ausrichtung auf kadenzierende Strukturen und überhaupt der ihr zugrunde liegenden Dur-Moll-Tonalität ist bei Debussy ganz gewiss ein unpassendes Werkzeug.
Debussys ganzes Streben und Schaffen ist vollkommen darauf ausgerichtet, eben diese herkömmliche Dur-Moll-Tonalität zu überwinden.

In meiner Ausbildung war ein wesentliches Ergebnis, dass Funktionsharmonik bei jedem Komponisten unterschiedlich gewichtet und gedeutet werden muss. Eine Tonika z.B. bei Mozart ist nicht gleich einer Tonika bei Wagner, denn Wagner hatte ganz andere Möglichkeiten der Umspielung, in-Frage-Stellung, Bekräftigung und des Aufbauens von Spannungsverhältnissen als Mozart. Jeder Komponist schafft sich seine eigene harmonische Welt (seinen Harmonik-Personalstil), und der im jeweiligen Stück stabilste und zentralste Ort ist das, was wir als Tonika bezeichnen. Der Begriff ist relativ innerhalb der harmonischen Ästhetik des Komponisten. Wenn von da aus Harmonien im Quintverhältnis nachweisbar sind (im einfachsten Falle S und D, aber auch DD etc.), entstehen kadenzierende Strukturen und damit Funktionsharmonik, was die Tonika stabilisiert.

Hier in Debussys Elegie sind keine klaren kadenzierenden Strukturen erkennbar, da stimme ich dir zu. Angedeutete aber schon, und diese angedeuteten rechtfertigen meiner Ansicht nach, von einem harmonischen Zentrum d-Moll zu sprechen, von dem aus kontrastierende Harmonien Spannungen aufbauen: z.B. Am in Takt 8, Bb7/9 in Takt 9, alle Akkorde in 17/18. Die sind alle nicht genauso schlussfähig wie die d-Moll-ähnliche Harmonie, die sich am Schluss über drei Takte hinweg (19/20/21) stabilisiert. Wenn es aber eine Hierarchie "zentrale Harmonie" - "nicht zentrale Harmonie" gibt, ist das dann Debussys Version von funktionaler Harmonik, weil er eben den Harmonien Funktionen zuordnet.

In dieser Überwindung begründet sich auch seine geradezu revolutionäre und vergleichsweise singuläre Stellung in der Musikgeschichte, auf jeden Fall in seiner Epoche.

Da hatte z.B. Schönberg aber schon gegen 1907/8 mit dem 2. Streichquartett oder den Werken im "Watschenkonzert" (1913) die herkömmliche Dur-Moll-Tonalität deutlicher überwunden.

Bei Debussy muss man hingegen vor allem bei den Akkorden an Klangfarben-Akkorde denken. Es gibt weiche, offene, enge, scharfe, warme, schmerzliche Klänge usw. Debussy lotet diese Farben aus, entwickelt sie, kontrastiert sie und bettet seine melodischen Strukturen und Abläufe in sie ein.

Finde ich eine sehr gute Herangehensweise. Gerade bei Musikanalyse im schulischen Umfeld (was deine Arbeit, @music_forever ja wohl ist), wird man mit emotionalen Adjektiven so einer Musik besser gerecht als durch Abstraktionen.

Ich würde folgende Dinge mal in den Blick nehmen:

Takte 1-4, rechte Hand:
Es bauen sich Quart- und Quintschichtungen aus den Tönen d,g und a auf. In den Takten 1,2 und 3 wird d oktavverdoppelt, in Takt 4 der Ton a. Der Ton g kommt nur in den ersten zwei Takten vor. Die durch Häufigkeit und Lage nachweisbare Wichtigkeitshierarchie der Töne ist also: d ist der wichtigste Ton, dann a, dann g. Linke Hand: eine cantabele Melodie beginnt in Tenorlage auf dem Ruhepunkt h, dieser wird in Sekundschritten umspielt. Bei den Umspielungen treten drei später wichtige rhythmische Elemente auf: Achtelnoten, Vorschläge (die nahe an den späteren 32tel-Noten sind) und Achteltriolen. Nächster Ruhepunkt ist ein Halbton tiefer auf b in Takt 2. Die Melodie beschreibt in Takt 3/4 eine Wellenbewegung, die sie aber letztendlich abwärts in Basslage auf A in Takt 5 als neuen Ruhepunkt führt. Bis dahin wurden Töne verwendet, die zu d-Moll gehören - nur ob es d-Moll mit h oder b ist, wurde nicht geklärt. Das prominente h aus Takt 1 verhindert eine idyllische Einfachheit. Ich denke: beide Möglichkeiten h/b bleiben. Aber die inhaltlichen Hinweise (neben dem formalen Hinweis der Tonart-Vorzeichen), die Debussy auf d-Moll gibt, sind schon bedeutend.
Takt 6-7:
Indem die Melodie F# als tiefsten Ton mit 32tel-Umspielungen erreicht und drauf beharrt, die Oberstimmen rhythmisch aktiver (16tel-Synkope) sich beteiligen und eine kontrastierende Harmonik zu den Takten 1-4 erreicht wird (durch die Septime G-f und den dissonanten, nicht als Terzschichtung beschreibbaren Gesamtklang F#-e-c'-e'), wird die Harmonik hier kurzzeitig bedeutender für den Tonsatz als die Bassstimmen-Melodik.
Takt 8-9:
Die Harmonik wird deutlich weniger komplex (als Terzschichtung beschreibbar: a-Moll in Takt 8, Bb-Septim-Non-Akkord im 9), dafür wird die Melodie, mittlerweile dauerhaft in Basslage auf den drei Tönen E,F,G, wieder bestimmend für den Tonsatz. Sie umspielt mit den drei bekannten rhythmischen Mitteln den Zentralton F auf Schlag 3 in beiden Takten.
Takte 10/11 als Einheit und der Takt 12:
Fünfklänge: jeweils zwei Töne rechts, dazu drei andere links, wobei diese drei rechts sehr einfache Dreiklänge ergeben (Am, C, Bb). Die zwei Töne links gehen von der Quinte D-A aus, in der tiefsten Stimme wird die Melodie wie bekannt mit Sekund- und Terzschichtungen weitergeführt. In 10/11 schwingt sie sich nur im Ambitus einer Quarte auf, in 12 dann bis hinauf in die Tenorlage, die vom Anfang her bekannt ist.
Takt 13:
bringt einen Energiezuwachs, weil die Stimmen maximal eng zusammenrücken: zuerst b-c-d-e auf Schlag 2, dann sogar h-c-d-e auf Schlag 4. Da ist übrigens der b-h-Gegensatz vom Anfang wieder. Die aktiveren Rhythmen bewirken in meinen Ohren unruhige Aktivität, oftmaliges Anlaufen ohne ein klares Ziel zu erreichen.
Takt 14-15:
Hier wird ein Ziel erreicht: eine Pentatonik auf c, aber mit d als Zentralton. Die Melodie steigt ab in die Basslage und ist identisch zu Takt 3. Und auch in 15 ist sie noch ähnlich zu 4, geht aber konsequenter abwärts, und...
Takt 16:
dissonantester Klang des Stückes (wegen A-as und F-fes)
Takt 17-18:
vom Septim-Non-Akkord auf e werden zwei mögliche Weiterführungen mit jeweils noch höherem Dissonanzgrad erreicht. Die Rhythmik erreicht gleichzeitig maximale Einfachheit und Ruhe.
Takt 19: d'-g-a-d'' ist das, was man woanders einen Quartvorhalt vor d-Moll nennt. Bei Debussy ist es nicht unbedingt ein Vorhalt, weil eben keine Auflösung direkt folgt (bzw. folgen muss). Trotzdem ist es eine Referenz auf d-Moll. Später...
Takt 20-21: ...wird das g zum f in der Melodie, also passiert das, was im klassischen Quartvorhalt auch passiert. Das f wird aber wieder verlassen, die Auflösung ist also nicht von Dauer. Die rechte Hand hat dazu den leeren Quart-/Quintklang a-d-a. Entscheidend für diese zwei Takte ist aber, dass die Melodie unter den Tonumfang einer singbaren Basslinie geht und vor allem auf Kontra-A endet. Die Melodie steigt in Untiefen hinab, vielleicht bis ins Grab. Und sie endet auf A, einem Ton, der nun wirklich keine Erlösung in so einem tonalen Umfeld verspricht.

Man könnte die Bewegungen der Melodie als das Wandeln eines lyrischen Ichs deuten. Immerhin steht sie in einer gesanglichen Lage für eine Männerstimme. Sie wandert, sie findet, sie irrt, sie scheitert, aber vor allem sucht und findet sie keine Erlösung. Am Tiefpunkt ihres Daseins ist sie noch eine unbestimmte Zeit existent (Haltebogen am letzten Ton), aber dann verlöscht sie ins Nichts. Nur ein leerer Quart-Quint-Klang überdauert sie (Quarten und Quinten sind elementare Intervalle in der Obertonreihe und können für die Natur stehen). Das ist ziemlich genau die Realität auf den Schlachtfeldern des 1. Weltkriegs, die sich 100km vor Paris abspielte. Diese Verbindung/Deutung ist nicht zwingend, aber angesichts der historischen und biographischen Umstände naheliegend.
 
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@LoboMix, danke für diesen Beitrag, hatte auch schon darüber nachgedacht, so einen ähnlichen Kommentar zu schreiben. Für mein Empfinden ist das eine klagende Melodie, die von Akkorden verschiedener Klangfarben kommentiert wird. Wenn man dieses Stück anhört, ohne die Noten zu kennen ist es rhythmisch kaum fassbar. Mich wundert, dass niemand aufgefallen ist wie Debussy hier mit dem der Gegenüberstellung von Triolen und Duolen spielt. Überbindungen verschleiern das Metrum zusätzlich. Für mein Empfinden drückt dieses Stück Trauer, Schmerz und Ratlosigkeit gleichzeitig aus.

Selbstverständlich ist in dem Stück auch ein kompositorischer Plan erkennbar. In Takt 5,6 und 7 lässt er die Oberstimme die Melodie kommentieren und fährt plötzlich in der Unterstimme chromatisch dazwischen, so als wollte sie der Oberstimme sagen wollen: halt’s Maul. „un poco mosso“ steht vor diesen drei Takten und an den beiden entscheidenden Stellen auch noch crescendo/decrescendo. Danach beruhigt sich alles wieder, das Stück wird immer leiser und bleibt fast stehen. Die 32tel Figur in der Unterstimme in Takt 11, dem einzigen 3/4 Takt fühlt sich fast wie eine Schlusswendung an. An dieser Stelle bleibt die Musik fast stehen. Es geht jedoch noch einmal weiter, die Melodie noch einmal nach oben (pentatonisch) gestützt von einem G-Dur-Klang in den Oberstimmen und einem crescendo. Im Takt 13 wiederholt sich der chromatische Melodieverlauf, kommentiert mit harten, dissonanten Sekundreibungen in den Oberstimmen. Dann noch einmal 2 Takte beruhigende aber traurige Moll-Pentatonik und bricht in Takt 16 chromatisch etwas dissonant in sich zusammen. Es folgen zwei Takte der kommentierenden Akkorde. Takt 19 eine Reminiszens an den Anfang, G und Dm gemischt. In den beiden Schlusstakten, nach einer viertel Pause ein Abgesang in Dm.
Wenn ich hier Akkorde benannt habe, hat das nichts mit irgendeiner Funktion zu tun. Ich empfinde in diesem Stück den Wechsel zwischen konsananten und harten, dissonanten Klängen als ein starkes, sehr bewusst eingesetztes Ausdrucksmittel.

Nicht immer hat die Stimmung einer Komposition mit dem persönlichem Befinden eines Komponisten etwas zu tun. In einer Analyse sollte man damit sehr vorsichtig umgehen. Parallelen zum Mozart Requiem und zu Schuberts „der Tod uns das Mädchen“ aufgrund der angenommenen D-Moll Tonart zu ziehen, halte ich für etwas fragwürdig. Eine „Tonart“ findet in dem Stück ja eigentlich nicht statt. Es gibt halt eine Grundstimmung die sich in etwa wie D-Moll anfühlt. Klanglich lande ich bei diesem Stück in meiner Vorstellung immer beim English Horn.

Nur als Klangbeispiel, das English Horn Solo aus Tristan und Isolde.



Interessant ist vielleicht, dass 1915 auch die an die französischen Barocksonaten angelehnten drei Sonaten für Violine und Piano; Cello und Piano; und Flöte, Viola und Harfe entstanden. Obwohl die kompositionstechnisch nichts mit Barock zu tun haben, lassen sie doch im Zuhörer ein barockes Bild entstehen. Diese Stücke entstanden allerdings Anfang 1915 und da ging es Debussy gesundheitlich noch nicht ganz so schlecht wie am Ende dieses Jahres. Die Cello-Sonate ist in ihrer Grundstimmung eher heiter und im letzten Satz sogar sehr ausgelassen.

Debussy war ein Meister darin, im Zuhörer Bilder entstehen zu lassen. „La Cathédrale engloutie“ (Die versunkene Kathedrale) aus dem Klavierzyklus Prélude-Livre 1 (1909-10) Das Stück besteht aus einer Aneinanderreihung von Akkorden, die sich einer tonalen Analyse entziehen, jedoch beim Zuhörer sofort ein sehr lebendiges Bild erzeugen.

Der Interpret ist Nelson Freire


PS sorry, hatte mich nicht getraut zügig einen Vorschlag zur Analyse dieses Stückes anzubieten. Bin Jahrzehnte raus aus dem Studium und kenne die heutigen Gepflogenheiten nicht. Diese Analyse sollte ja wohl einer Prüfung standhalten können, und ganz ehrlich, ich war auch während meiner Studienzeit hin und wieder im Clinch mit einem Professor, wenn ich seine Ansichten nicht teilen wollte.

Was ich hier ganz grob beschrieben habe, ist Teil meiner Vorgehensweise, wenn ich mir ein Stück interpretatorisch erarbeite.

LG Daniela
 
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Aufgefallen sind mir die Verdunklungen von Dur nach Moll in den Takten 1 und 2
G Dur -> G Moll
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im Takt 5

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F Dur -> F Moll

und in den Takten 8 und 9

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Eigentlich auch F Dur nach F Moll, wobei die Skala Bb Akustisch ( = MM4) den gleich Tonvorat wie F Melodisch Moll hat.

Des weiteren ist mir aufgefallen, dass die beiden Motive in den ersten beiden Takten sich fast wortwörtlich in den letzten Takten wiederholen.
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Die Takte 6 und7 bilden eine sich wiederholende Dominantkette, V7/V7 -> subV7/I die sich im Takt 8 konventionell in die Tonika F auflöst. Die Tritonusstellvertreterdominante Gb7alt (im Druck F#7alt) wird durch das Erklingen aller tonleitereigenen Tönen ( es fehlt einzig der Ton D etwas "verschleiert". (Tonleiter = C Akustisch = C MM4 = Gb MM7).
 

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Der Begriff kommt aus der Klassik und wurde deswegen vergeben, da die Tonleiter einem Ausschnitt der Partialtonreihe gleicht.
Zsolt Gardonyi bezeichnet diese Materialtonleiter in seinem Buch "Harmonik" als "heptatonia secunda". Im Jazz ist das ganz klar Melodisch Moll.

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@CUDO II Es ist interessant zu sehen, wie auch bei einer Analyse die Vorstellungen und Ansichten auseinandergehen können. Verdunklungen von Dur nach Moll kommen in fast jedem tonalen Musikstück vor. Das sehe ich nicht als besonders bemerkenswertes Merkmal dieses Stückes. Als wesentliches Stilmerkmal sehe ich mehr die durchdringend dissonanten Stellen. Ich sehe, empfinde einige Stellen in der Elegie bitonal. Deshalb entziehen sie sich jeder herkömmlichen Deutung. Auch der Griff in die äußersten Winkel musiktheoretischer Spezialfälle bringt uns da nicht wirklich weiter. Es gibt keine Regel die da passt.

Die Verdunklung von Takt 8 zu 9 kann ich so nicht nachvollziehen. Takt 8: in der tieferen Melodiestimme wird das F so umspielt, dass der Eindruck von F-Dur entstehen kann. In den Oberstimmen liegt ein reiner Am-Sechstakkord, so dass am Anfang dieses Taktes deutlich der Eindruck von Am entsteht. Da ein Akkord, der am Klavier angeschlagen wird langsam verklingt, entsteht am Ende dieses Taktes wieder der Höreindruck von F-Dur. In Takt 9 gesellt sich zur Melodie in der Unterstimme noch ein tiefes Bb, so dass zusammen mit den Oberstimmen ein Bb/7 entsteht. So kann kurzzeitig der Eindruck einer beginnenden tonalen Kadenz entstehen. Da das A in Takt 8 bis zu dessen Ende ziemlich verklungen ist, wird der Fortgang von A zu Ab als solcher vom Zuhörer nicht mehr so wahrgenommen.
Debussy spielt gern mit Klischees; er lässt etwas anklingen „als ob“. Außerdem ist er ein Meister im Spiel mit Rhythmen und zeitlichen Abläufen. Man wird einem Musikstück sowieso nicht gerecht, wenn man sich fast ausschließlich auf die Beschreibung harmonischer Abläufe konzentriert.

Mir liegt die vertikale harmonische Betrachtung einer Partitur sowieso nicht so wirklich. Auch beim Arrangieren denke ich lieber in Einzelstimmen.

Zitat aus den Meistersingern (Richard Wagner)

WALTHER.
Wie fang ich nach der Regel an?
SACHS.
Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann.

Ich kann mit meiner Meinung auch daneben liegen. Trotzdem unterstütze ich weiterhin die Ansicht von LoboMix.

Dieser Thread ist ein gutes (oder schlechtes?) Beispiel dafür, wie sehr man in die Irre gehen kann, wenn man für die Arbeit ein falsches bzw. unpassendes Werkzeug benutzt. Und die Funktions-Harmonik mit ihrer Ausrichtung auf kadenzierende Strukturen und überhaupt der ihr zugrunde liegenden Dur-Moll-Tonalität ist bei Debussy ganz gewiss ein unpassendes Werkzeug.
Debussys ganzes Streben und Schaffen ist vollkommen darauf ausgerichtet, eben diese herkömmliche Dur-Moll-Tonalität zu überwinden. In dieser Überwindung begründet sich auch seine geradezu revolutionäre und vergleichsweise singuläre Stellung in der Musikgeschichte, auf jeden Fall in seiner Epoche.
 
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ich möchte ungern etwas aus dem Zusammenhang reißen, aber
...der Griff in die äußersten Winkel musiktheoretischer Spezialfälle...

das gefällt mir. :great: ..und wird vom WagnerZitat noch getoppt.:evil:

Was mich in der vergangenen Woche immer wieder beschäftigt hat war die Frage : Warum Dmoll als Generalvorzeichen für die Partitur. Die Bezeichnung Elegie verlangt ( so wiki: ) einen Trauer- und Klagecharakter sowie eine sehnsuchtsvolle, schwermütige Grundstimmung. Und doch ist es vor der Metrik nur ein einfaches b. Debussy drückt die Stimmung zwar soweit , dass er den Violinschlüssel gegen den Bassschlüssel tauscht, aber er legt mehr Wert auf einen langsamen Abstieg als auf den freien ungebremsten Fall. Erst bietet er Dur an, um es dann in Moll zu ändern. Wie schon @HaraldS schrieb.
...Die Melodie steigt in Untiefen hinab, vielleicht bis ins Grab...
und wie es @CUDO II in Beitrag#11 dargelegt hat.
Dass das anfängliche Motiv am Ende wiederholt wird und dass die ganze Note D hinabtaucht bis zur 2. Hilfslinie unten im Bass, entspräche wohl einer im Vergleich zum Original beschwerten Reprise.

Wenn also die Farbe der Natur verdunkelt werden soll. warum nicht Fmoll mit seinen 4 b als einleitende Anweisung für die Partitur. Als Kontrast dazu würde ich, wenn eine Komposition fröhlicher und lustiger sein sollte, mich eher an E-Dur als an G-Dur orientieren. Nur so von meiner Seite, als meine abschliessende Bemerkung.
:confused:
 
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Verdunklungen von Dur nach Moll kommen in fast jedem tonalen Musikstück vor. Das sehe ich nicht als besonders bemerkenswertes Merkmal dieses Stückes.
Ich könnte Dir hunderte tonalen Musikstücke aufzeigen in denen das nicht vorkommt. Egal, Deine Argumentation ist für mich nicht nachvollziehbar zumal in einem so kurzen Stück (21 Takte) dieses Merkmal gleich dreimal vorkommt.

Als wesentliches Stilmerkmal sehe ich mehr die durchdringend dissonanten Stellen. Ich sehe, empfinde einige Stellen in der Elegie bitonal. Deshalb entziehen sie sich jeder herkömmlichen Deutung. Auch der Griff in die äußersten Winkel musiktheoretischer Spezialfälle bringt uns da nicht wirklich weiter. Es gibt keine Regel die da passt.
Irgendwo gibt es durchdringend dissonanten Stellen, irgendwo ist es bitonal. Na toll, und irgendwo gibt es auch noch Spezialfälle und dann passen irgendwo auch keine Regeln dazu.


Die Verdunklung von Takt 8 zu 9 kann ich so nicht nachvollziehen. Takt 8: in der tieferen Melodiestimme wird das F so umspielt, dass der Eindruck von F-Dur entstehen kann. In den Oberstimmen liegt ein reiner Am-Sechstakkord, so dass am Anfang dieses Taktes deutlich der Eindruck von Am entsteht.
In keinster Weise. Einfach mal genau hinhören! Der Ton F steht hier ganz klar als Zielton der Umspielung im Mittelpunkt.
In Takt 9 gesellt sich zur Melodie in der Unterstimme noch ein tiefes Bb, so dass zusammen mit den Oberstimmen ein Bb/7 entsteht. So kann kurzzeitig der Eindruck einer beginnenden tonalen Kadenz entstehen. Da das A in Takt 8 bis zu dessen Ende ziemlich verklungen ist, wird der Fortgang von A zu Ab als solcher vom Zuhörer nicht mehr so wahrgenommen.
Ich habe bereits oben erwähnt dass Bb MM4 und F MM den gleichen Tonvorat haben und somit identische Funktionen haben. Der Klangwechsel Dur -> Moll ist von Takt 8 zu Takt 9 unüberhörbar.



Debussy spielt gern mit Klischees; er lässt etwas anklingen „als ob“. Außerdem ist er ein Meister im Spiel mit Rhythmen und zeitlichen Abläufen. Man wird einem Musikstück sowieso nicht gerecht, wenn man sich fast ausschließlich auf die Beschreibung harmonischer Abläufe konzentriert.
Das ist typisches Wischi-Waschi Gerede. Konkretisiere Dich doch mal!
 
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Ist ein wenig OT und ich will auch keinem der Diskutanten hier auf die Füße treten … aber mich erinnert diese Diskussion ein wenig an die Gattung der Musikkritiken in Tageszeitungen.

Da werden in epischer Länge CD-Produktionen oder Konzertauftritte besprochen, und die Autoren schaffen das oftmals, ohne auch nur ein einziges Eigenschaftswort oder Fachvokabel zu verwenden, mit dem man Musik tatsächlich beschreiben könnte. Stattdessen verwendet man zwar originelle aber absolut sinnbefreite Substantiv-Adjektiv-Kombinationen wie z. B. "Nostalgische Geheimnisse … ", "großzügige Tempi … ", "orchestales Zwitschern …", "elastische Zusammenarbeit …" oder "diskrete Präsenz …", aus denen jeder herauslesen kann, was er meint.
PS: Die Beispiele sind EINER tatsächlichen Kritik entnommen … :)

Thomas
 
Ja das Vorzeichen Bb ... das hätte Debussy sich doch eigentlich sparen können, wo er es doch alle Nase lang wieder auflöst, schon direkt im 1. Takt, und wo sich doch im Laufe des Stücks noch so viele weitere Versetzungszeichen dazu gesellen ... ?
Will er nicht doch, dass man bei dieser Elegie an D-Moll denkt?

Ganz ausschließen kann und will ich das nicht, es wird eine Bedeutung haben.
Dazu möchte ich meine Aussage, dass Debussy die bis dato herkömmliche Dur-Moll-Tonalität erweitern bzw. überwinden wollte, etwas präzisieren.
Ich sehe es so, dass Debussy zwar die bis dato überkommene Dur/Moll-Tonalität überwinden wollte, aber weder die Tonalität, noch die Klanglichkeit von Dur- und Mollklängen an sich. Sein Weg geht deshalb auch nicht in die Richtung Atonalität, wie sie etwa Schönberg eingeschlagen hat, nachdem er u.a. in den riesig besetzten sinfonischen "Gurre-Liedern" und dem Streichsextett "Verklärte Nacht" die Romantik nochmal geradezu zum Überkochen bringt. Darin führt Schönberg erst noch mal den Weg fort, den Wagner eingeschlagen hatte um sich später mit dem Schritt in die Atonalität ganz davon abzuwenden (wobei man über das "ganz" durchaus diskutieren könnte).

Debussy kannte das Werk Wagners im übrigen sehr gut, zumal Wagners Opern zur Zeit des jungen Debussy in Frankreich sehr populär waren. Aber Debussy sieht und definiert sich dann als Antipode zu Wagner, und er greift bewusst auf französische Vorbilder wie Rameau und Couperin zurück.

In seiner ganz eigenen Klangsprache entwickelt Debussy seine ganz eigene Tonalität, in der er nach wie vor auch Dur- und Mollklänge integriert, aber selbstverständlch auch Akkorde wie den Sept-Nonen-Akkord in Takt 9.
ABER: Er bricht die Klänge, fächert sie auf und reichert ihre Farben an mit hinzugefügten Tönen, und vor allem: er setzt sie in neue Kontexte, Kontexte, die nicht mehr kadenzieren, auf keinen Fall im überkommenen Sinne. Nichtsdestotrotz gibt es Spannungsverläufe, auch solche, die an Kadenzen erinnern. Und überhaupt schimmern immer mal wieder Anklänge an die alte Dur-Moll-Klanglichkeit auf, wie gesagt bleibt er grundsätzlich tonal und geht nicht den Weg in die Atonalität.
Insofern kann man das Spiel mit dem Umfärben (B/Bb - A/Ab usw.) wenn man so will als Spiel mit Dur und Moll interpretieren, zumal unsere Hörgewohnheiten bei den meisten ganz sicher (vornehmlich) nach wie vor an der Dur-Moll-Tonalität augerichtet sind.
Kann man machen, muss es aber vielleicht gar nicht, oder besser sollte man es vielleicht auch nicht.

Vielleicht wäre es angebrachter, sich die Mühe zu machen, aus seinem kadenziellen und Dur/Moll-Denken heraus zu treten?
Mich jedenfalls entführt Debussy (mittlerweile) gut aus dieser überkommenen Klangwelt und nimmt mich mit in seine Welt. Gerade auch so ein Stück wie diese Elegie, die ich im übrigen vor diesem Thread gar nicht kannte.

Ich empfinde dieses Kleinod als ein sehr reifes Werk aus einer Zeit, wo Debussy auf der Höhe seines Schaffens war und seine Klangsprache praktisch ausentwickelt hatte.
Deshalb bin ich auch vorsichtig, es allzusehr mit den biografischen Hintergrunddetails in Verbindung zu bringen. Alles dazu berichtete ist ganz gewiss hoch spannend und dieses Wissen ist immer gut und bereichernd. Dennoch würde ich zur Zurückhaltung mahnen, solange keine entsprechenden konkreten Äußerungen von Debussy zu dem Stück vorliegen. Es ist dann alles mehr Spekulation und impliziert nur eine womöglich unangemessene emotionale Verstrickung, die ich unwahrscheinlich finde.
Debussy hatte 1915 ganz gewiss eine ausreichend vorhandene Routine (im guten Sinne), um ein solches Stück konzeptionell und strukturell aus seiner musikalischen Vorstellungswelt heraus zu komponieren. Gewiss war er bei dem Thema grundsätzlich persönlich emotional berührt, aber bei dem kompositorischen Akt selber geht es meiner Meinung nach schlicht um handwerkliches Können, ganz gewiss bei einem derart großen Könner wie Debussy.

Mir ist es nochmal ganz wichtig, auf den Aspekt des Kontextes hinzuweisen, in dem sich harmonische Strukturen abspielen. Und bei der Elegie gelingt es Debussy meiner Meinung nach sehr gut, die hergebrachten Kontexte zu verschleiern. Man mag mit einer gewissen Akribie in den Takten 6/7 die erwähnten Dominantkette in den Noten erkennen, akustisch wirksam empfinde ich sie nicht.
Ebenso empfinde ich in Takt 8 den Klang tendenziell mehr als Moll, denn als Dur. Der in den Noten durchaus erkennbare Fmaj7 ist für mich nicht voll akustisch wirksam, das kommt für mich daher, dass der A-Moll-Quartsextakkord in der rechten Hand auf dem übergebundenen G im Bass einsetzt. Das lenkt meine Ohren mehr in Richtung einer Moll-Empfindung. Dem Bb-Sept-Nonen-Akkord in Takt 9 will mein Gehör wiederum keine Moll-Klanglichkeit angedeihen lassen.
Die für dein einen oder anderen so deutlichen Dur/Moll-Farben lösen sich für mich immer mehr in eine mehr schemenhaft am Horziont flimmernde Fata Morgana auf. Ein flirrendes Etwas, aber immer weniger konkret greifbar je länger man hin hört.

Meine Gedanken zur Analyse nähern sich eher den Aussagen von @Daniela Violine an. Meine analytischen Annäherungen an die Kompositionen nenne ich nebenbei gesagt gerne "musikpraktische Analyse", die für mich als (auch) konzertierenden Musiker vordergründig wichtiger ist als rein theoretische Vertiefungen.
Auf die Musizierpraxis hin bezogen geht es sehr stark um Spannungsverläufe, Phrasen-Zusammenhänge, das Ausarbeiten von Strukturen, Zusammenhängen, Höhepunkten, Momenten der Entspannung, des Verdichtens, es Innehaltens usw. usw.
Die Harmonik spielt darin eine sehr wichtige Rolle, bleibt aber doch ein Teilaspekt unter mehreren. Die Rhytmik, auf die @Daniela Violine weiter oben zurecht hingewiesen hat, ist dabei auch stets sehr wesentlich. Theoretische Konstrukte, die akustisch nicht wirksam werden bzw. in der Interpretation nicht hörbar gemacht werden können, mögen durchaus interessant sein und gewisse Erkenntnisse beitragen, bleiben aber dennoch für die Bühne von geringer, wenn nicht sogar ganz ohne Relevanz.
Es kann nicht verborgen bleiben, dass diese letzten Anmerkungen in Richtung von @CUDO II gehen. Deine extrem umfangreichen Kenntnisse der Harmonik nötigen mir zwar durchaus immer wieder Respekt ab, deinen Ton in Post #17 finde ich jedoch sehr herablassend und arrogant, geradezu einer Entschuldigung würdig. Es gibt auch andere fruchtbare Annäherungen an die Musik, denen Respekt gebührt, mindestens Toleranz!

Aus meinem Betrachtungwinkel heraus möchte ich nun noch einige für mich wesentliche Aspekte zur 2. Seite der Elegie erwähnen.
Der Ambitus der Klänge ist Takt für Takt betrachtet nicht sonderlich groß, die linke und rechte Hand bewegen sich weitgehend parallel, aber im Takt 13 gibt es eine auffällige Verdichtung, es sind die "engsten" Stellen im Stück, über die (große-)Sekundschichtung Bb-C-D-E wird der - beinahe - Cluster B-C-D-E erreicht, für den man sich wegen "poco rall." auch etwas Zeit nehmen sollte. Der Takt 13 ist wie ein Nadelöhr, durch das das Stück hindurch muss.
In den Takten 12 und 13 entspannt es sich aber wieder ganz deutlich über den offenen Quart-Quintklang rechte Hand und der Pentatonik in der linken Hand. Um dann aber auf der Eins des Taktes 16 in den dissonantesten (quälendsten, schärfsten, schneidensten?) Klang des Stückes zu münden (worauf @HaraldS ja schon hingewiesen hatte).
In den Takten 17 und 18 bleibt das Stück fast stehen mit den Halbe-Akkorden. Diese wecken in mir eine Assoziation wie ganz aus der Ferne herüber gewehte Glockenklänge. Dabei gibt für mich die Tonfolge F#-F-F#-G# im Diskant eine deutliche Richtung vor (wenn der zweite Akkord von Takt 17 in Takt 18 auf der Drei einfach nochmal gekommen wäre, wäre es wohl eine Pendelharmonik ohne erkennbare Richtung geblieben).
Das Ziel ist der "sus"-Akkord auf der Eins des Takts 19, in dem ich keine Vorhaltstendenz höre, sondern mehr eine offene, schwebende Quint-Quart-Schichtung.
Wie @CUDO II schon schrieb, greift Debussy ab hier das Material der ersten beiden Takte wieder auf, was der Struktur eine Geschlossenheit verleiht.
Mit der pentatonischen Linie der linken Hand gleitet das Stück ganz sanft zum Ende um mit dem offenen Quart-Quint-Klang A-A-D-A sich verlierend ("perdendo") zu verlöschen.
Traurig, hoffnungslos, versöhnlich, mit offener Perspektive ... ?

Ich weiß es nicht, wie auch. Aber das mag jeder Spieler und Hörer selber empfinden wie er/sie mag.

Der Interpret kann bzw. sollte nicht ohne eine eigene Vorstellung spielen, muss aber den Hörern ihren Zugang frei und offen lassen.
 
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Debussy spielt gern mit Klischees; er lässt etwas anklingen „als ob“. Außerdem ist er ein Meister im Spiel mit Rhythmen und zeitlichen Abläufen. Man wird einem Musikstück sowieso nicht gerecht, wenn man sich fast ausschließlich auf die Beschreibung harmonischer Abläufe konzentriert.
Das ist typisches Wischi-Waschi Gerede. Konkretisiere Dich doch mal!

Keine Ahnung, was es da zu konkretisieren gibt. @CUDO II verschiedene musikalische Ansichten, kann man durchaus eleganter formulieren. Deine Analyse beweist ja gerade, dass in diesem Stück bekannte und zu Debussys Zeit nicht unübliche modale und tonale Muster benutzt wurden. Für mein Gefühl halt in einem höheren komplexeren Sinn. Debussy hat doch ganz bewusst versucht auch durch Klangfarben, harmonische Verdichtungen und ähnliches so etwas wie ein musikalisches Erinnerungsgefühl im Zuhörer zu wecken. Eine dunklere Wirkung erzeugt man auch durch Verdichtung in einer tiefen Lage am Klavier.

Diese Dinge sind alle in diesem Stück vorhanden. Solche Techniken verwenden wir doch auch selber beim Arrangieren und komponieren.

Die Verdunklung von Takt 8 zu 9 kann ich so nicht nachvollziehen. Takt 8: in der tieferen Melodiestimme wird das F so umspielt, dass der Eindruck von F-Dur entstehen kann. In den Oberstimmen liegt ein reiner Am-Sechstakkord, so dass am Anfang dieses Taktes deutlich der Eindruck von Am entsteht.
In keinster Weise. Einfach mal genau hinhören! Der Ton F steht hier ganz klar als Zielton der Umspielung im Mittelpunkt.

Mir zu unterstellen, ich würde nicht genau hinhören Ist kein guter Stil. Beim nächsten mal bitte fünf Euro in die Machokasse:D
 
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