Analyse von Blues-Schemata

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Liebe Forenbewohner,

vielleicht könnt Ihr mal schauen, ob ich die folgenden Blues-Schemata richtig analysiert habe. Aus Gründen der Praktikabilität habe ich die üblichen Pfeile und Klammern mit ASCII-Symbolen dargestellt und zwecks Verkürzung noch ein paar andere Symbole verwendet - deshalb zuerst die Legende:

Legende.jpg

01.jpg

1. Schema
Nah am einfachen Jazzblues-Schema mit drei Änderungen:
Takt 6: SDM-Akkord bVII7 ersetzt IV7 und erzeugt SDM-Kadenz.
Takt 10: Im zweiten Taktteil wird IV7 eingeschoben - und damit ein plagaler Abgang integriert, der sich in den harmonischen Rhythmus einfügt.
Takt 12: Anstelle der Dominante oder eines Turnarounds steht hier die Blues-Subdominante.

02.jpg

2. Schema
Kann man im Moll-Blues die I7 in Takt 4 als V7/IV deuten, wie ich es hier gemacht habe?
Takte 4-6: durch die V7b9 ergibt sich eine klassische Mollkadenz.
Takt 8: die Moll-Tonika wird mit dem Tonikavertreter bIIIj7 variiert, der chromatisch abwärts abgelöst wird
Takte 9-11: die Jazzkadenz in Moll wie im Standard-Jazzblues.


Ich habe noch acht weitere, zunehmend komplexere Schemata analysiert, möchte aber erst einmal aus meinen bisherigen Fehlern lernen... ;)
 
Eigenschaft
 
Deine 1. Grafik entspricht im 6., 10. und 12. Takt nicht unbedingt dem "Standard" Jazz-Blues Schema.

Schau mal hier -->

bluesschema.jpg
 
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Hallo Cudo!

Deine 1. Grafik entspricht im 6., 10. und 12. Takt nicht unbedingt dem "Standard" Jazz-Blues Schema.

Ja, genau, deshalb schrieb ich oben "Nah am einfachen Jazzblues-Schema mit drei Änderungen [in den Takten 6, 10 und 12]" und ging als "einfachem Standard-Jazzblues-Schema" hiervon aus:
| I7 | IV7 | I7 | % |
| IV7 | % | I7 | V7/II |
| II-7 | V7 | I7 V7/II | II-7 V7 |

Die Seite aus Deiner Harmonielehre macht mir noch einmal deutlich, dass diese Subdominantkadenzen typisch für den eigentlichen Blues-Sound sind. Zwei Rückfragen: 1. Betrachtest Du die Tonika in Takt 3 nicht als "Eckpfeiler"? 2.Ich meine Dich einmal so verstanden zu haben, dass als Vertreter der Tonika neben VI-7 und III-7 auch der MI-Akkord bIIIj7 in Betracht kommt - stimmt das so allgemein?
Das folgende Schema scheint das (in Takt 7) abzubilden:

08.jpg


Die analysierten Schemata stammen von Barrie Nettles.
 
1. Betrachtest Du die Tonika in Takt 3 nicht als "Eckpfeiler"?

Nein, denn den wirklich wichtigen Eckpfeiler IV7 in Takt 5 kann man auch anders ansteuern, als DIREKT über die Tonika ...

Entschuldige, daß ich mich als Nicht-Cudo hier dennoch zu Wort melde ... :)

Thomas
 
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Entschuldige, daß ich mich als Nicht-Cudo hier dennoch zu Wort melde ... :)

:):):)

Ich hatte auch mehr die Tonika in (zumindestens der ersten Takthälfte von) Takt 3 im Auge, da dort traditionell die erste Vokalphrase endet - ?
 
Nein, denn den wirklich wichtigen Eckpfeiler IV7 in Takt 5 kann man auch anders ansteuern, als DIREKT über die Tonika ...
So sehe ich das auch.


Hallo Heiner,
bIII ist wie Du schon bemerktest in Dur ein MI Akkord - also nicht-diatonisch.. IIIm7 und VIm7 sind diatonisch und vertreten die Tonika auf eine viel "direktere" Weise.
Dein 7. Takt klingt schon fast wie eine Modulation (durch IIm7 V7 vorbereitet). Ein richtiges Tonika-Feel stellt sich da bei mir nicht ein.
 
Ich hatte auch mehr die Tonika in (zumindestens der ersten Takthälfte von) Takt 3 im Auge, da dort traditionell die erste Vokalphrase endet - ?

Und darauf bezieht sich auch meine Antwort.
 
Ok, wenn Euch keine Fehler aufgefallen sind, analysiere ich vier weitere Schemata von Barrie Nettles - ich bin dankbar, wenn Ihr mich auf Fehler hinweist oder Ergänzungen vornehmt!

03.jpg

Takt 2: anstelle eines Quick changes Kadenz zur Tp in Takt 3, die zugleich Kadenz zur Dominante einleitet
Takt 4: V7 löst sich auf zur I7, die als V7/IV erscheint
Takte 5-6: Subdominantkadenz
Takt 8: III-7 erscheint zunächst als Tonikavertreter, entpuppt sich dann aber als Vorbereitung der V7/II
Takt 9: II-V der Haupttonart teilen sich den Takt, dadurch kann in
Takt 10 noch eine Subdominantkadenz eingeschoben werden .
Der "Turnaround" besteht aus einem Wechsel von Tonika und Subdominantfunktionen.


04.jpg

Takt 2-4: mit Halbtonfall eingeleitete, halbtaktige Dominantkette bis
Takt 5 zur IV7, die eine Subdominantkadenz einleitet.
Takt 7: in der zweiten Takthälfte erscheint bVII7 als MI-Akkord mit Subdominantfunktion, lässt sich im Nachhinein aber auch als subV/VI auffassen (das Trugschlusssymbol ist falsch)
Takt 9: II-V der Haupttonart teilen sich den Takt, dadurch kann in Takt 10 sub(II-V)-Kadenz eingefügt werden, zu der sich die V7 trugschlussmäßig auflöst - allerdings ist die subII/I verdurt und der subV/I fehlt die b7.
Takt 12: Anstelle eines Turnaround Blues-Subdominante (das Trugschlusssymbol ist falsch)


05.jpg

Ein konsequenter Subdominantblues: außer im zweiten Taktteil von Takt zwölf finden wir keine Dominantfunktion und auch dort nur eine abgeschwächte Dominante mit sus4. Die Subdominantkadenzen von Takt 5 - 6 und 9 - 10 wiederholen die I-IV-I-Bewegung von Takt 1-2 ausgehend von der IV. Stufe - der MI-Akkord bVII7 ist IV/IV. (Das Trugschlusssymbol in Takt 10 ist falsch.)


06.jpg


Takt 1-2 enthält den halbtaktigen Wechsel von Tonika- und Subdominantfunktion, der bei 3. im Turnaround vorkommt.
Takt 4: Hier erscheint der MI-Akkord bIIIj7 aus dem Aeolischen, wo er Tonikafunktion hat
- welche hat er hier?
Takt 5-6: Subdominantkadenz zum Tg
Takt 8 präsentiert V7/II mit #9 als blues-typischer Dur-Moll-Vermischung
Takt 9-10: II-7b5 und V7b9 leiten einen Tongeschlechtswechsel zum gleichnamigen Moll ein, der aber nicht erfolgt - ich interpretiere es als weitere Dur-Moll-Vermischung
-?
Takt 12 enthält den MI-Akkord IV-7 mit Subdominantfunktion. Als vermollte (Blues-)Subdominante löst sich die IV-7 "dominantischer" zurück zur Tonika auf, als es bei der IV7 der Fall wäre. Vorbereitet wird die IV-7 mit A-7b5, das als upper structure von I9 als Zwischendominante zur IV wirkt.
 
3. Schema

2.Takt. Em7 wird für gewöhnlich als Em7(b5) gespielt und wird mit VIIm7(b5) bezeichnet. Ist es jedoch wirklich ein Em7, also ein nicht-diatonischer Akkord, wird er NUR mit der Klammer mit der ihm folgenden Dominante verbunden (keine röm. Ziffer).
4.Takt. Da steht normalerweise Cm7 (und nicht C7) verbunden mit einer Klammer mit F7. Cm7 wäre dann ein nicht-diatonischer Akkord (keine röm. Ziffer).
9.Takt heißt wahrscheinlich Gm7.


4. Schema

7.Takt. Eb7 ist hier subV7/VI und nicht bVII7.
9. Takt. C7 bekommt einen langen Pfeil bis hin zum F7 im 11.Takt.
10.Takt Die beiden Dur Akkorde würde ich als MA7 Akkorde interpretieren. Sie sind somit MI Akkorde, also bVIMA7 und bIIMA7. Sie bekommen somit natürlich keine Pfeile. Diese beiden Akkorde sind interpoliert und verzögern die Auflösung vom C7 im 9.Takt.


6. Schema
11.Takt. Das Am7(b5) ist funktionsmäßig ein F9/A also I7/3rd.



PS
Heiner, Du verwendest Symbole die mir nicht geläufig sind. Sind die von Nettles?
Z.B. wird eine Dominante die sich egal wie trugschlußmäßig auflöst in Klammern gesetzt. Nicht dieser komisch geschwungene Pfeil.
 
Zuletzt bearbeitet:
Vielen Dank, habe die Korrekturen eingefügt - s.u..
Im 3. Schema sind Em7, C7 und G7 tatsächlich so gemeint, also waren meine Funktionssymbole falsch.

6. Schema,11.Takt: Das Am7(b5) ist funktionsmäßig ein F9/A also I7/3rd.

D.h. man schreibt I7/3rd ↷ anstelle von V7/IV ↷ ?

Den Pfeil "unten rum" habe ich von Haunschild übernommen, allerdings ist diese "U-Turn"-Form des Pfeils der Beschränktheit des ASCII-Zeichensatzes geschuldet.


Du meinst also bspw.: II-7 (V7) ↷ VI-7 ?

03-02.jpg



04-02.jpg


 
Ok, danke!

Nun die letzten drei:


07-01.jpg

Takt 1: Melodisch Moll-Tonika I-6
Takt 2: Dur-Blues-Subdom - und
im zweiten Takteil noch die Dominante eingefügt -
Takt 3: Auflösung zur MI-Tonika I-j7 aus Harmonisch Moll
Takt 4-7: Subdominant-Kadenz mit Minor Line Cliché zum Tonikavertreter bIIIj7
Takt 9: Der Doppeldominante folgt die Dominante, die sich zur MI-Tonika I-j7 auflöst - zuvor ist in Takt 10 mit hinauszögernder Wirkung noch der MI-Akkord bIIj7 aus der SDM-Familie eingeschoben.
In Takt 12 wird mit dem MI-Akkord IV-6 (SDM-Familie) subdominantisch zurück zur Tonika geführt.


09-01.jpg



Takt 1: Dur-Tonika und Dominantvorbereitung des Quickchanges
Takt 2: Blues-Subdominante und Dominantvorbereitung der Tonika, die man gut als I7sus4/C spielen könnte.
Takt 3-4: sukzessiver Spannungsaufbau mit Auflösung zur Blues-Subdom in Takt 5
Takt 5-6: Subdominantkadenz zur Dur-Tonika in Takt 7
Takt 7-8: Subdominantkadenz zur Dominante
Takt 9-11: Abwandlung des plagalen Schlusses des traditionellen Blues durch sus4 bei V und IV
Takt 11-12: Tadd Dameron-Turnaround


10-01.jpg


Konsequenter Subdominantblues, der dem 5. ähnelt, aber noch radikaler erscheint.

Takt 1-2: Doppelter Quickchange in Double Time
Takt 4-7 und 8-11: Subdominantkadenzen zur Dur-Tonika

(Nettles beschreibt den IV/IV als zeitgenössischen Blues-Akkord, der aus Subdominant-Kadenzen stammt und vor der Tonika als bVII analysiert wird.)
 
wobei das Beispiel 10 als D S T Kadenz funktioniert und B(b) Dur die Tonika ist.
 
RMACD, man könnte Tonika und Subdominante bzw. Dominante und Tonika stets wie eine Kippfigur auffassen, wenn nicht der harmonische Rhythmus das gültige Verhältnis hervorheben würde. Im Blues haben wir aufgrund der Lage der Vokalphrasen in Takt 1, 3, 7 und 11 die für die Haupttonart entscheidenen Akzentpunkte, die in allen Beispielen eindeutig F bzw. F- Moll als Tonart festlegen.

Gruuuß, Heiner
 
Zuletzt bearbeitet:
RMACD, man könnte Tonika und Subdominante bzw. Dominante und Tonika stets wie eine Kippfigur auffassen, wenn nicht der harmonische Rhythmus das gültige Verhältnis hervorheben würde. Im Blues haben wir in Takt 1, 3, 7 und 11 die für die Haupttonart entscheidenen Akzentpunkte, die in allen Beispielen eindeutig F bzw. F- Moll als Tonart festlegen.

Gruuuß, Heiner

Ich würde mich da nicht zusehr auf den Harmonischen Rhythmus verlassen. Es ist generell schwierig, bei quintversetzten Akkorden zu entscheiden, was Dominante bzw. Subdominante und was Tonika sein soll.
 
Ich würde mich da nicht zusehr auf den Harmonischen Rhythmus verlassen.

Aus was sonst ?
Wir reden doch hier über Blues, oder ? Ich kann mir keinen Blues IRGENDEINER Stilrichtung vorstellen, bei dem die Tonika nicht eindeutig definiert und hörbar sein könnte.

Lg, Thomas
 
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Ich kann mir keinen Blues IRGENDEINER Stilrichtung vorstellen, bei dem die Tonika nicht eindeutig definiert und hörbar sein könnte.

Ich unterstütze deine Forderung bedingungslos, Turko. Ich hatte in #13 und #16 allerdings keine Forderung, sondern einen harmonischen Zusammenhang geäußert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es ist generell schwierig, bei quintversetzten Akkorden zu entscheiden, was Dominante bzw. Subdominante und was Tonika sein soll.

Das glaube ich Dir, insbesondere, wenn der harmonische Rhythmus inkonsequent eingesetzt wurde (oder die Dur-Tonika mit bIIIj7 substituiert wird :D) . Im Blues ist es aber einfach, weil man von bekannten Vokalphrasen ausgehen kann.
 
Naja, ... DAS da ...

... und B(b) Dur die Tonika ist.

... ist weder eine Forderung noch ein (nachvollziehbarer) harmonischer Zusammenhang. Das ist meiner Meinung nach schlicht und einfach falsch.
Aber sei´s d´rum, ich mag deswegen keine großartigen Auseinandersetzungen führen ... mag jeder mit und in seinen eigenen Gedankengängen glücklich werden.

LG - Thomas
 
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