Besuch bei "Mandolin Brothers" auf Staten Island, New York

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Vorab - ich weiß nicht, wo dieser Artikel am besten reinpasst. Also mal in die "Lounge" damit, moege ihn ein Mod verschieben, wenn er meint...

VORGESCHICHTE

Meine Lieblingsgitarre, eine National Reso-Phonic Style O, habe ich im Jahre 1993 aus Deutschland in den USA bestellt. Einer der zuverlässigsten Läden, die ich damals finden konnte (ohne Internet, wohlgemerkt, das gab's nämlich irgendwie noch nicht so richtig...), war eben Mandolin Brothers in New York. Teuer war sie, aber der einzige Weg, so ein Instrument zu kriegen, war damals die Bestellung in USA.

Um die hier geht's, so sieht sie heute aus:
0.JPG


Hat sich doch ganz gut gehalten für ein Instrument, das 22 Jahre alt ist... oder?

Paar Infos dazu: Die erste Serie dieser Nachbauten der 1920er/30er Originale hat ein "Non-Adjustable Truss Rod" - es ist also ein dicker fester Halsstab fest in den Rock-Maple-Neck eingeleimt, unter dem Ebenholz-Fingerboard. Das war damals der erste Ansatz, das Original zu verbessern - die "echten" hatten kein Truss Rod, so dass sich mit der Zeit der Hals oft verzogen hat. Es ist schwer, alte Instrumente mit halbwegs geraden Hälsen zu finden, oft muss der Hals neu angepasst werden... daher hat man sich damals gedacht, dem entgegenzuwirken.

Das Ding ist halt wirklich bombenfest. Man kann auf dieser Gitarre 13er Saiten in Open A draufziehen, es ändert sich NIX an der Halskrümmung. Schon gut gemacht! Die neueren Instrumente der Firma haben adustable Truss Rods, dafür wird aber auch geraten, nicht mehr ganz so brutal zu stimmen. Zudem hat sich seitdem die Korpusform etwas verändert, die Hardware ist etwas verschnörkelter... naja, da hat man halt weiterentwickelt:
http://www.nationalguitars.com/instruments/styleO/styleO.html

Wie es das Schicksal so wollte, hat mich der Job in die USA geführt, nach New York - wie geil ist das, wenn man nach 22 Jahren die Gitarre in den Shop zum Service bringt, wo man sie damals "aus der Ferne" gekauft hat? Ich habe mich gefreut wie ein Schnitzel.


DAS "PROBLEM"

Mein Liebstes Instrument, und mein mit Abstand teuerstes. Neupreis waren damals $1,736, das waren inkl. MwSt und Zoll letztlich um die 3.300 DM oder rund 1.700 EUR. Die aktuelle Style O liegt vom Listenpreis etwas darüber (https://www.thomann.de/de/national_resophonic_style_o.htm), bei Thomann rund 3.000 EUR. Für mich war das Ding immer zum Spielen da, hat mich durch Studium und Praktika nach UK und Kanada begleitet, ist immer mit umgezogen und wurde immer gespielt.

Klingen tut sie auch nach wie vor super, das hier ist ein paar Tage vorher entstanden:


Aber man merkt die Zeit halt schon: Die Bünde sind zum Teil etwas eingedellt - ständige Viertelton-Bendings mit .13er Saiten, wie man das so macht im Delta Blues... Zudem hat sie bei der immer schon sehr niedrig eingestellten A-Saite in den letzten 1-2 Jahren ein "Fret Rattle" entwickelt. Offen gespielt klappert die Saite etwas am 1. Bund. Denn: Auch, wenn ich gerne und viel Slide spiele, finde ich an dieser Gitarre phantastisch, dass die Saitenlage in den unteren Bünden wirklch sehr gut auch für Akkorde und normales Spiel geeignet ist. Oben wird es dann etwas höher, aber immer noch gut spielbar. Auf einer super eingestellten Gitarre muss die Saitenlage für Slide nicht besonders hoch sein... aber das ist ein anderes Thema.

Außerdem habe ich gehört, dass es einen neuen Resonator-Cone gibt (Hot Rod genannt), der wohl evtl. nochmal besser klingen soll. Also mal beraten lassen.

Und letztlich wollte ich da immer mal im Shop vorbei. Der ist nämlich legendär - es gibt ihn seit 1971. Hier Haben Menschen wie Joni Mitchell, Bob Dylan oder George Harrison selbst eingekauft, hier wurde eine Mandoline als Geburtstagsgeschenk für Bruce Springsteen gekauft... das muss schon was Dolles sein!


AUF, AUF!

Also, rüber nach Staten Island, in die recht beschauliche Gegend. Das Parkplatz-Schild zeigt schon mal Humor:

1.JPG


Und das Gebäude sieht an sich nach 'nix' aus. Also nicht besonders...herausragend. Eher wie ein ziemlicher Bunker:
2.JPG


Innen sieht das anders aus - verwinkelt, nicht besonders groß, aber alle Wände hängen voll mit Kostbarkeiten....
4.JPG


Die Böden übrigens auch:
5.JPG



UND DANN WURDE ES ERNST

Nach kurzer freundlicher Begrüßung kam meine Gitarre gleich im Shop auf den weich gepolsterten Tisch und wurde begutachtet. Besonders cool fand man, dass ich auch die Originalrechnung und -Garantierkarte noch dabei hatte - das Instrument geht ja bald als Oldtimer durch und solche Dinge - wie auch der mittlerweile etwas angemackte Original-Koffer - helfen dabei, die Geschichte zu dokumentieren.

Das Instrument wurde begutachtet, gecheckt, wir haben die Themen besprochen - neuer Sattel (der alte war halt immer schon niedrig, und die A-Saite ist jetzt eben etwas "eingegraben", Bünde abrichten und crownen (1x geht das jetzt ganz gut, in 15-20 Jahren brauche ich da wohl mal neue Bünde...), den angesammelten Fluff und Müll aus dem Innenleben entsorgen (Resos sammeln gerne Staub innen, irgendwas klappert bei mir auch wieder in der Gitarre). Fixpreis $200 inkl. neuer Saiten und Set-Up. Ich beschwere mich da nicht. Die Jungs wissen, was sie tun, und das ist für mich ein ganz ganz wichtiger Faktor.

Der Experte für die Resonator Cones war am Samstag nicht im Shop, wir haben vereinbart, dass er mich anruft und mich dann berät, ob ein neuer Cone ggf. ein Upgrade wäre.

Stolz wie Oscar war ich dann direkt danach - ich stand am Tresen und war gerade dabei, meine Kontaktdaten zu übermitteln, da wurde meine Gitarre von einem freundlichen älteren Herren wohlwollend begutachtet... Seine Worte waren: "I used to work in this store, I was working here when these were sold. I still think this first series were the best instruments they ever made, they are so loud and have a great tone. You took good care of your guitar, great to see it in this condition after all those years." Geht natürlich gut runter. Da argumentiert man nicht.

Leider keine Fotos - habe schlicht nicht dran gedacht, ich war zu konzentriert... ins Gespräch vertieft, da zieht man nicht das Handy raus.


ZEIT FÜRS UMSCHAUEN

Klar, wenn man schon mal da ist... meine Frau, die dabei war, hatte sich schon drauf eingestellt.

Ich mach's mal über ein paar mehr Bilder. Auch für die Elektriker ist wirklich was geboten:
6.JPG


Gibson Les Paul.
Goldtop. 1954.
Knapp unter $25.000
Nee, ich hab' sie nicht mitgenommen. Aber von der Wand genommen und bisschen geklimpert.

Den Humor finde ich übrigens durchgehend gut:
7.JPG


Abgesehen von solchen Schmankerln sind halt vor allem eine Menge akustische Instrumente da.

Auch solch unscheinbare:
10.JPG


Bei näherer Betrachtung kriegt man dann schon Gänsehaut und die Nackenhaare stellen sich auf. Ehrlich. Voodoo hin oder her, das sind schon ziemliche Kaliber...

11.JPG



GEDÄMPFTE FREUDE

Ich bin halt Linkshänder und kann auch nur lefty halbwegs gut spielen... :D daher war meine Frau auch nicht sooo genervt, denn was will ich mit so einer Legende außer halten und mal gezupft haben?

Immerhin habe ich im kleinen "Leftorium" etwas Spaß gehabt:
12.JPG


Taylor irgendwas. Schnäppchen im Vergleich zu denen oben. ;)


ALSO

Wer als Gitarrist nach New York City fährt, sollte da mal hin. Kann man gut verbinden mit Sightseeing - die Staten Island Ferry geht unten von Manhattan, kostenlos, an der Statue of Liberty vorbei... schön!

Danach war ich schon ob der hohen Vintage-Präsenz etwas platt, zum Glück gibt es ein paar Häuser weiter ein nettes Cafe mit gutem Kuchen und noch besseren Espresso.

Ich freue mich jetzt auf Updates zum Cone und Reparatur, 2-3 Wochen soll es dauern... ich "muss" also nochmal hin.

Ein bisschen im Umbruch ist der Laden gerade schon, der Gründer und Besitzer Stan Jay ist vor gar nicht so langer Zeit (ich glaube, Ende letzten Jahres) verstorben, ein Showroom war leer und wird in den nächsten Tagen neu ausgestattet... aber immer noch eine Reise wert. Auch die Website - wenn auch selten wirklich top-aktuell - ist immer einen Besuch wert:

http://www.mandoweb.com/


Nun, ich hoffe, ich habe Euch nicht zu sehr gelangweilt... ich hatte Spaß beim Besuch und lese solche Berichte von anderen Usern immer gern, also "here you go".
 
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Ich hatte ja schon angst eine 1959 Black Beauty reissue in die Hand zu nehmen...bei der Gold Top hätte ich mich wohl nicht mal in den Raum getraut. Von der 52k $ A-Gitarre will ich gar nicht reden. :ugly:

Danke für den Bericht. :great:
 
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Toller Bericht! :great:
Immerhin habe ich im kleinen "Leftorium" etwas Spaß gehabt:
...
Leftorium ist ein netter Begriff, habe eben gegoogelt, weil ich wissen wollte, oder der offiziell/gängig ist oder wo das herkommt ...

Offenbar gibt es bei den Simpsons so einen Laden: :D
800px-Leftorium_2.jpg
 
Sehr schöner und interessanter Bericht :great:
 
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Schöne Story und Fotos. Sehr interessant :)
 
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Meine Lieblingsgitarre, eine National Reso-Phonic Style O,

Für alle die sich dem Thema National noch mal nähern wollen ... Das Musiker-Board war bereits da: https://www.musiker-board.de/threads/national-reso-phonic-userthread.565258/

Die Mandoline Brothers nehme ich mal mit auf die Liste meiner NY Points of Interest ... dann gibt es endlich auch mal einen Grund nicht mit der nächsten Fähre direkt wieder zurück zu fahren ...

Gruß
Martin
 
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Interessanter Laden und schön geschriebener Bericht! Danke!

Beste Grüße
Dita
 
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Super Bericht, vielen Dank dafür!
 
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Hey, danke fuer das positive Feedback (und die grosse Ehre, einen Artikel auf der Startseite platzieren zu duerfen...
 
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Bist Du denn noch auf den Experten getroffen? Wurde ein neuer Cone eingebaut?

Greetz,

Blake

PS: cooler Bericht!
 
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Wie jeder gute Repair Shop haben die durchaus viele Auftraege - hat eine Weile gedauert, erst heute habe ich per Telefon ein Update vom Experten bekommen.

Also - Fret Redressing definitiv, Nut schauen sie sich an, nachdem die Frets gemacht sind (neue Nut nur wenn es auch mit den neu abgerichteten Buenden noch klappert), innen soweit alles super, Biscuit ist noch top...
ABER die neuen "hot rod" resonator cones von National Reso-Phonic sind wohl in der Tat deutlich besser (andere Legierung, duenner - fuehrt zu mehr Bass-Response und etwas aufgerauemteren Mitten nach Aussage des Experten), den lass' ich mir dann eben einbauen (aber der alte kommt natuerlich wieder mit).

Ich werde berichten...

UPDATE ein paar Stunden spaeter:

Ging dann doch fixer, weil sie noch einen neuen Hot Rod da hatten. Alles sortiert, Frets gemacht, neuer Cone, Setup, Saiten... Wir sind mit Steuern bei $480.68.

Da moegen manch einem die Zaehne klappern (da kriegste ja auch ne vernuenftige neue Gitarre fuer), aber mir war das (1) vorher bewusst und (2) ist es mein liebstes Instrument und (3) wurde ja auch einiges gemacht.

Servicemensch klang jedenfalls begeistert vom Instrument an sich und von den Ergebnissen seiner Arbeit - wird jetzt aber noch eine Weile dauern, bis ich da hinkomme (ich wohne in NYC, arbeite in New Jersey, und der Laden hat nicht ewig auf... also was fuers Wochenende)...

Bleibt aber dabei - ich werde berichten.
 
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Toller Bericht!
Darf man sie mal hören, wenn Du sie wieder hast?
 
Kurzer Zwischenstand: Sie ist wieder da!

Am Wochenende endlich geschafft, das gute Stueck abzuholen. Leider war der Tech, der dran gearbeitet hat, nicht im Hause (der Gute arbeitet eben nur 5 Tage die Woche und nicht am Samstag), aber damit musste ich dann leben.

Tja, was will man gross sagen:
1) Buende sehr sauber neu abgerichtet, poliert, etc. - wie vereinbart. Bindig und Griffbrett sind heile geblieben
2) Neuer Knochensattel, wie am Telefon besprochen - Action vielleicht ein kleines winziges bisschen hoeher als zuvor, dafuer rappelt aber eben nix mehr an der A-Saite. War auch so besprochen.
3) Neuer Resonator Cone (der aktuelle "Hot Rot" von National Reso-Phonic), der alte Biscuit wurde gerettet. Alten Cone sauber verpackt im Karton mit Luftpolsterfolie mitbekommen. Der neue Resonator sitzt einen Tick hoeher als der alte, womit die Action in den hohen Buenden etwas hoeher wird. Das war aber auch so besprochen. Wir reden von "etwas hoeher" uebrigens von Winzigkeiten, wenn man nachmisst - aber auf dem Hauptinstrument seit 20+ Jahren merkt man auch halbe Millimeter. Spielt sich natuerlich immer noch sehr sahnig, das Teil.
4) Innen mal gestaubsaugt, jetzt klappert nix mehr drin herum :D

So weit so nuechtern.

Aber jetzt: DER NEUE RESONATOR IST DER ABSOLUTE HAMMER!

Die meisten Resos im National-Style - so auch meine - haben wenig Probleme, den schneidend-metallischen Klang hinzubekommen. Schwieriger wird es, diesen Klang auch zu halten (Sustain), da sind ja die Tricones besser. Und etwas schwach auf der Brust sind die meisten Resos im Bass-Bereich - da ist zwar "Wumms" drin, aber kein klar definierter Bass. Dies ist mit dem Cone-Tausch jetzt anders, gerade bei der 5. Saite (Tiefe "A"-Saite) geht rein klanglich die Sonne auf. Das ist endlich ein klarer Ton, ein definierter Bass. Wow. Habe ich so nicht erwartet. Insgesamt kommt es mir so vor, als waere auch ein Tick mehr Sustain und allgemeine "Responsiveness" dabei (gerade auf den Diskantsaiten), aber das kann auch daran liegen, dass ich so lange auf meine "Main Squeeze" verzichten musste.

Die neuen Resonators sind wohl etwas duenner und leichter, haben angeblich besseres Schwingungsverhalten. Als wesentlicher "Soundproduzent" hat der Resonator bei einer Resonator-Gitarre (D'Oh!) natuerlich einen grossen Einfluss auf den Sound. Die Jungs bei National Reso-Phonic sind hier wohl immer am Tuefteln... und ein bisschen ist es ja so wie beim "Speakerwechsel" des Gitarrenverstaerkers.

http://store.nationalguitars.com/95bisuitresonator.aspx

Vielleicht hat ja jemand Lust, fuer seine (guenstige) Resonator-Gitarre mal die $80 zu investieren (plus ggf. neuer Biscuit Saddle, je nach Konstruktion des Instruments). "Cone Tuning" bei Resonators scheint noch kein so breites Feld zu sein, dabei ist es potenziell eine recht einfache Sache.

Ich werde das mal ein paar Tage sacken lassen und mich wieder dran gewoehnen. Ton-/Video-"Beweis" folgt.
 
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Erstes schnelles Demo - kein Song, eher der Versuch, etwas vom "new&improved" Sound einzufangen:



EDIT - YouTube nervt, muss da soundtechnisch nochmal ran... wenn ich Zeit habe, mach ich in Ruhe nochmal was.
 
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