Brehms Tierleben: Der gemeine E-Gitarr

DirkS
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HCA
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(Vorab: Ich habe eine kleine Nichte. Sie ist wirklich niedlich. Aber wenn sie zu Besuch ist, dann möchte sie immer, dass ich ihr aus Tierbüchern vorlese. Dabei ist mir eine unfassbare Lücke aufgefallen, die mit dem nachfolgenden Beitrag geschlossen werden muss!)

Liebe Tierfreunde,

heute wollen wir uns mit einer Tiergattung beschäftigen, deren Populationsdichte seit einer Hochphase in den 80er Jahren rückläufig, die zum Glück aber noch nicht vom Aussterben bedroht ist, dem gemeinen E-Gitarr.

Ursprünglich in den USA endemisch, verbreitete sich diese Tierart seit den 50er Jahren in die ganze Welt, heute finden sich besonders starke Populationen in Japan, Korea, China und Indonesien. Die Art spaltete sich schnell in diverse Gattungen auf (etwa Semis, Zackenbarsche, Les Paulartige, Stratartige, Teleartige, Superstrats), die sehr unterschiedliche ökologische Nischen bevölkern.

Seinen größten Feind, den blutigen Anfänger, schreckt der gemeine E-Gitarr gern durch extreme Warnfarben, etwa schwarz-gelbe Zeichungen oder Signalrot ab:

6 EvH pointy.JPG 15 CS Bullseye.JPG

Diese Verteidigungsstrategie zeigt Wirkung: In der Tat traut sich kaum ein Anfänger mit einer so leuchtenden Gitarre auf eine Bühne. Erst mit einer durch häufiges Üben einhergehenden Steigerung des Selbstvertrauens lässt sich der inzwischen geübte Gitarrist nicht länger abschrecken und wagt sich auch an ein solches Exemplar. In diesem Fall steht einem gedeihlichen Zusammenleben nichts im Wege.

Andere E-Gitarren suchen ihr Heil vor der laienhaften Bedienung durch Anfänger in einer Tarnung. Geschickt passen sie sich ihrer natürlichen Umgebung an und werden so bei der Schnäppchenjagd leicht übersehen:

2019-06-22_113031.JPG

Den derzeit wohl wirkungsvollsten Schritt weg von allzu jungen Haltern leistete die Evolution in der Entwicklung vom Tremolo zum Floyd und zu gezackten Headstocks. Diese Merkmale schrecken insbesondere die Millenials und noch jüngere Gitarrenfreunde am nachhaltigsten von der Anschaffung eines E-Gitarrs ab, hier greifen eher erfahrenere und daher für den E-Gitarr ungefährlichere Halter zu.

Bei artgerechter Pflege können E-Gitarren durch aus ein Alter von 70 bis 80 Jahren erreichen, es sind sogar Exemplare bekannt, die bereits die 100 überschritten haben.
Ein verantwortungsloser Umgang führt demgegenüber schnell zur Verwahrlosung, der sich z.B. in einer Schädigung der äußeren Hautschichten zeigt (sog. Rory-Gallagherismus). Anatomisch weisen viele E-Gitarren eine Problemzone auf, den zu schwach ausgebildeten Hals-Kopf-Übergang, der bei Stürzen häufig zu Halsbrüchen führt. Selbst qualifizierte Tierärzte (sog. Gitarrenbaumeister) können hier zwar häufig den E-Gitarr retten, zurück bleiben aber sichtbare Operationsnarben.

Sein Revier markiert der gemeine E-Gitarr im Zusammenspiel mit dem symbiotisch lebenden Verstärker durch laute, teils sehr laute Geräusche, bis hin zum unerträglichen Speed Metal-Gebrüll. Daher erfordert eine Haltung in Mietwohnungen eine Kastration des Verstärkers auf maximal 1-5 Watt. Achten Sie aber in diesem Fall auf ausreichend Auslauf in lautere Übungsräume oder auf Bühnen.

Zur Aufzucht: E-Gitarren werden teils in Massentierhaltung etwa in chinesischen Fabriken gezüchtet, es gibt aber auch Handaufzuchten von speziellen Züchtern (Nik Huber u.a.). Dies schlägt sich ebenso im Preis nieder, wie die Güte des genetischen Ausgangsmaterials, hier im wahrsten Sinne des Wortes: des Stammbaums.

E-Gitarren sind Herdentiere. Am wohlsten fühlen sie sich in kleinen Horden und großen Herden (Fachbegriff: Sammlungen). Es grenzt schon an eine erschreckende Empathielosigkeit, wenn ein Gitarrist einen einzigen E-Gitarr in seiner Wohnung hält, ohne ihm nicht zumindest ein paar Artgenossen zur Seite zu stellen.

;)
 
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LoOOO0oL:D
Schöner Text ..Jetzt noch die Vorstellung dass Heinz Sielmann das ganze Narratiert :rofl:
 
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grandios! :great::rofl:
 
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bravo! grossartig & famos und danke, eröffnet dies doch eine wundervolle Spielwiese, denn wie ich jüngst vom Internet gehört habe, gibt es bereits in den USA in Corona ein kleines Startup im Bereich Genforschung und Zuchtbetrieb die es gewagt haben entgegen aller moralischer Bedenken auch im eigenen Land (bibeltreue Egitar Evangelisten) einen Egitar mit einer Agitar zu kreuzen. Jüngst erst trat ein Jünger eines anderen Startups im Egitar-Sektor auf solch ein chimärenhaftes Neuwesen und beschmutze sich den Schuh arg mit diesem Zuchtergebnis. Dieses Unternehmen in Corona kreuzt derzeit sogar die eigenen traditionellen Zuchttiere miteinander in der Hoffnung auf Mehrertrag. Wir alle wissen ja was Überzüchtung unter Egitaren bedeutet, nicht selten das Aussterben einer ganzen Rasse, weil sie nicht überlebensfähig sind, allein unter Artgenossen die Jahrzehntelang im darwinistischen Sinne vom Leben ausgemendelt wurden.
 
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Sehr schön. Ich muss dabei an den kleinen Tierfreund von Radio FFN denken!
 
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Hoppla, vielen Dank, mit der Resonanz hatte ich wirklich nicht gerechnet! :D :great:

(Und dabei habe ich spannende Themen, wie die Vermehrung, noch gar nicht angesprochen.)

Nur ergänzend:
Leider greift die Unsitte, E-Gitarrs an Autobahnraststätten auszusetzen, sie nach einem Konzert zu zertrümmern, sie anzuzünden und auf sonstige Weise zu foltern, weiter um sich. Zur Abwendung dieser barbarischen Untaten betreibe ich nach den Grundsätzen der Genfer Gitarr-Rechtskonvention eine Auffangstation für gestrandete Gibsons, Fender, PRSi und andere E-Gitarrs, die gern kostenlos bei mir abgegeben werden dürfen. ;)
 
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:D:D:D

Ich hab auch Befall mit diese Viecher. Waren irgendwann einfach da...

Kann mich aber damit ganz gut abfinden, ich hab herausgefunden, daß mein Habitat nur auf bestimmte Rassen attraktiv genug zur dauerhaften Besiedelung wirkt. Daß sich dabei mal Bastarde entwickeln könnten, dem sehe ich gelassen entgegen, es wohnt ja inzwischen so Einiges hier. Kürzlich ist mir ein tschechisches Viech zugelaufen, ein enger Verwandter des Egitarr, ein Bassgitarr. Macht auf mich den Eindruck, als fühle er sich wohl mit seinen neuen Kumpels, die schon länger da sind.

... man muß aber aufpassen - adoptiert man ein Agitarr, ist manchmal ein Agitarr-Tor dran befestigt ... diese Lebensgemeinschaft wirkt nach außen hin dann als eine Einheit und wird "Folk-Singer-Songwriter" genannt, oder "Liedermacher" - wesentlich schwerer wieder wegzukriegen. Ist man des Egitarr überdrüssig, muß man nur n paar Wochen die Hauptsicherung rausnehmen oder umlegen und dann wandern die irgendwann wieder aus (... jetzt mal davon abgesehen, daß man ruhig ein wenig solidarisch sein kann, was die Verwendung des Lebensraumes betrifft und sich dieser zu entledigen mitunter an Egoismus nicht überbietbar und demzufolge widerlich ist), aber der Agitarr, und erst Recht der Agitarr-Tor (manchmal "Agitator" geschrieben, da soll wohl was mit vertuscht werden, vonne Verwandterie her oder so), der ist quasi zäh und klebrig im sozialen Sinn ("Sendungsbewußt", "Gesellig" und "Kontaktfreudig", sagt man beschönigend dazu, fast als sei das garkein Problem ... schlimm, ich werd da immer voll fassungslos davon...). Gern wandern damit auch sogenannte Votzenhobel mit ein, aber trotz dieser Bezeichnung scheuen sie den Kontakt zu Männern nicht nur nicht, sondern sind äußerst selten im zunächst und naiv vermuteten Bereich weiblicher Körper anzutreffen, sogar völlig ungeeignet, hier die Anatomie spanabhebend nachzubearbeiten ... was der Name ja zweifelsfrei impliziert. Aber das soll hier nicht ablenken.

Hm, ich hab die, obwohl sie ja schon irgendwie eine leicht parasitäre Lebensweise praktizieren, mittlerweile richtig liebgewonnen - ich hab sogar ein Transportkörbchen für jedes Exemplar und nehme immer eines mit, wenn ich am Arsch der Welt zum Arbeiten geschickt werde ... liegt vielleicht daran, daß derzeit keine Katze mit mir zusammenwohnt und Egitarrs besser mit temporären Ortswechseln klarkommen, man kann die ja sogar n ganzen Arbeitstag lang allein lassen, und, genau wie beie Katze, streichelt man die, so vom Kopf weg den Hals lang, machen sie Geräusche und man tut sich darüber freuen. Selbst Knurr- und Fauchlaute lassen sich aus so einem Egitarr herauskraulen.

Die sind sogar alle stubenrein! Ohne jegliches Training oder Erzieherei oder so ... ist das bei Euch auch? Ich nehm die inzwischen wirklich nicht mehr als Parasiten oder ungeziefer wahr, ich mag die richtig gern, ich hab mir sogar die medizinischen Grundkenntnisse draufgeschafft, so daß ich viele evtl auftretende Auas und Wehwehchen daheim behandelt bekomme (nachdem ich mit dem örtlichen Veterinär nicht zufrieden war, aber es was zu behandeln gab ... einer muß es ja machen...). Das ZNS bau ich ohnehin i.A. selbst ... auch wenn das erstmal nach einer steinernen und fränkischen Aktivität klingt, so komplex sind deren Hirne meist nicht aufgebaut, Nervenfasern krichste überall, und sone Art Nervenheißkleber auch ...

Aber, also ... was ich mich dann doch immer wieder frage ... das ist ja klar eine domestizierte Spezies - ist die Wildform mittlerweile ausgestorben?

Und ... die sind wechselwarm! Bitte laßt sie nie zu arg frieren oder überhitzen, das bekommt ihnen im orthopädischen Sinn nicht immer so gut, Manche vertragen das garnicht!
 
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Du solltest den Lippenbekenntnissen auch Taten folgen lassen. Der wahre Gitarrenschützer kauft auch E-Gitarrs aus der Gefangenschaft frei, wenn ihnen dort kein artgerechtes Leben vergönnt ist. Ich hätte da so ein oder zwei gequälte (weil praktisch nie gespielte) Exemplare im Angebot ....
 
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E-Gitarren sind Herdentiere. Am wohlsten fühlen sie sich in kleinen Horden und großen Herden
Das ist der allerwichtigste Satz in der Gattungsbeschreibung.
Leider greift die Unsitte, E-Gitarrs an Autobahnraststätten auszusetzen, sie nach einem Konzert zu zertrümmern, sie anzuzünden und auf sonstige Weise zu foltern, weiter um sich.
Ich finde da sollte man geschlossen jeden Freitag auf die Straße gehen,um ein Zeichen zu setzen. Frideys for E-Gitarr oder so.

Nicht zu vergessen sind die vielen traurigen Geschichte, vergessene Exemplare auf dem Speicher oder im Keller. Räumlichkeiten die den notwendigen Haltungsbedingungen nicht gerecht werden und teilweise zu Pilzbefall oder Fehlbildungen wie verzogenen Hälse führen können. Oftmals sind die Exemplare dann nicht mehr zu retten oder der ehem. Besitzer wird sich ihrer überdrüssig und entsorgt sie lieblos auf dem Sperrmüll oder bietet sie als Vintage bei Ebay Kleinanzeigen an.
Ebenso besteht der verdacht auf zahlreiche Fälle von illegalem Handel auf Parkplätzen oder Hinterhofen.
 
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(Und dabei habe ich spannende Themen, wie die Vermehrung, noch gar nicht angesprochen.)

..Dabei kann man beobachten wie ein Kontrabassistenmännchen mit seiner Possierlichen Art versucht ein Weibchen zu ergattern , Von ihnen gibt es nicht mehr viele , denn ihr Instrument ist viel zu gross und wird gerne vom Holzwurm als Nahrungsquelle angenommen ..
 
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Aus einem anderen thread, paßt hier aber ganz gut ...
"Das Plektron zählt zu den faszinierenden, bislang noch wenig erforschten Arten. Auf Grund seiner einfachen Form, ein nahezu vollkommenes Dreieck, oft in der Mitte sich leicht absenkend und geriffelt, wird eine sehr frühe Herkunft vermutet, etwa zeitgleich mit dem Auftreten des Plankton.
Obgleich einige Forscher das Plektron nicht den Lebewesen, sondern eher den anorganischen Formen zurechnen, nimmt die Mehrzahl der interdisziplinär arbeitenden Wissenschaftler zunehmend die Eigenschaften zur Kenntnis, die es für ein Lebewesen prädestinieren: obschon auch Einzelgänger bekannt sind, halten sich Plektren zumeist in kleinen Rudeln auf und siedeln nicht selten in der Nähe von anderen Lebewesen, vorwiegend dem Menschen, weshalb man die Plektren zu den Kulturfolgern zählt.
Sie reagieren auf ihre Umgebung, insbesondere auf Töne, die sie auf nicht ungeschickte Weise auch selbst bzw. insbesondere in Symbiose mit besaiteten Begleitern hervorzubringen wissen und dabei eine große Bandbreite an tonalen Äußerungen erreichen.
Sie sind dennoch recht scheu, so dass ihr Sozialverhalten, ihre Fortpflanzung sowie ihr Ableben derzeit noch weitgehend unerforscht sind und rätselhaft erscheinen.

Was allerdings Menschengruppen, vorwiegend Musiker, nicht davon abhält, sie in großer Anzahl zu beheimaten, wobei sie sich ihrer musikalischen Eigenschaften auf wohlfeile Art zu bedienen wissen. Man nimmt an, dass die große Artenvielfalt der Plektren recht jungen Datums ist und ihren Ursprung in Nordamerika hat. Einige Sagen verweisen auf das Gebiet derer von Gibson oder verweisen auf den Kult des großen Fender, diese konnten aber bislang nicht genauer verortet oder gar bestätigt werden."

"Unbekannte Lebewesen - Reichtum der Natur", Kap. III, Zeilen 25-39, Vai "van Halen" Malmsteen, 1989, London
 
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Kannte ich noch gar nicht, passt aber gut!

Ich sehe schon, bei diesen Themen braucht man Nerven wie Stahlsaiten...….;)
 
Ja,sehr gut recherchiert!Wenngleich du die edle Herkunft der altamerikanischen Züchtungen nicht ohne Weiteres mit neueren japanischen oder noch schlimmer....chinesischen Querzüchtungen vergleichen solltest.Das lähmt den Lachmuskel der Giddarpuristen.:evil::ugly::ugly:

Auch sollte man sich als Retter eines Gitarrs nicht um Anfeindungen scheren.
Unbille Kommentare wie : " Oh Barde,mir dünkt euer Laier ist verstimmt "sollten an einem abprallen.
 
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