
Exp4ndable
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Ich habe mich einmal mehr in die Tiefen des Internets gestürzt, um mir selbst zu einem spannenden Projekt mit ungewissem Ausgang zu verhelfen – das Thema meiner kleinen Ausarbeitung ist der so oft zitierte „Dachbodenfund“.
Unter dieser Rubrik sollen ja immer wieder unermesslich wertvolle Schätze unters Volk gebracht werden, die alle mindestens von Leonardo während einer Privataudienz beim Papst höchstpersönlich entworfen wurden. Ich gebe aber zu, dass der Reiz, aus einer verstaubten alten Klampfe wieder ein brauchbares Instrument zu machen, nicht an mir vorbei geht; irgendwo entdecke ich eine fast schon Zen-hafte Zufriedenheit, solchen alten vergessenen Schätzchen noch ein paar Jahre zu schenken. In diesem speziellen Fall der 12-Saiter eines verstorbenen Musikers aus Mitteldeutschland.
Nach kurzen Vorverhandlungen mit den Nachkommen bekam ich also Anfang der Woche ein Paket zugesandt, um dessen Inhalt ich mich im Laufe dieser Woche gekümmert habe…ein Mysterium sondergleichen, doch seht selbst!
Ich öffne also den Pappkarton und erblicke…einen extrem schweren und hochwertig aussehenden Lederkoffer mit goldenen Schnappschnallen und ohne nähere Bezeichnungen. Definitiv aber ein Koffer für ein Premiuminstrument, sei es nun die Gitarre, die aktuell darin liegt, oder eine andere, früher einmal hier heimische Gitarre – ein Koffer dieser Qualität habe ich für Akustikgitarren tatsächlich noch nicht in der Hand gehabt. Hier braucht sich so mancher Customshop Koffer absolut nicht verstecken. Soweit so spannend und die Aufregung geht langsam in echte Vorfreude über. Die vier Schnappverschlüsse am Leder geöffnet und mir kommt als erstes – kein Witz – eine Spinne entgegen. Dachboden scheint also schon mal zu stimmen. Auf Nachfrage wird klar, dass der Koffer getrennt von der Gitarre gelagert wurde und die Spinne vermutlich schon in der vierten Generation im Inneren des schönen koreanischen Architektenhaus lebte.
Was mich neben dem achtbeinigen Bewohner anlacht, ist eine ganze Menge Staub, unter dem sich eine 12-Saitige Westerngitarre vermuten lässt. Erste Bilder für alle mit starken Nerven, was den Reinigungszustand von Gitarren angeht:
Nach einigen wohlüberlegten Sprühstößen des guten Dunlop-Reinigers und diversen alten Socken kommt langsam aber sicher eine Gitarre zum Vorschein. Die Mechaniken abgebaut, gereinigt und geölt, das Holz vom Staub befreit und zu altem Glanz poliert, das innere entstaubt, das Griffbrett geölt, die Bünde gereinigt und poliert, den Sattel mit Graphit geschmiert und die Saitenpins kontrolliert und schon sind fünf Stunden vergangen und der nächste Tag bricht an.
Der Arbeitgeber unterbricht die Arbeiten.
Ich muss das folgende einschieben:
Leider muss ich immer wieder feststellen, dass diese Foto-Dokumentation nicht mein Steckenpferd ist – ich verliere mich in der Arbeit und habe keine Zeit und auch keine Lust, Zwischenstände zu dokumentieren. Später ärgere ich mich dann natürlich.
Was sich nun mittlerweile aus dem (mittlerweile spinnenfreien und grundgereinigten) Koffer heben lässt, ist eine Career CGW-12, eine 12-saitige Westerngitarre vom Hersteller Career, produziert in Korea. Doch was ist über diese Gitarre im Netz zu finden? Nichts.
Nicht mit der Way-Back-Machine auf der ehemaligen Seite careerguitars.de, nicht beim aktuellen Importeur Knauer – dort teilt man mir mit, Interesse an der Gitarre zu haben, mir jedoch keine Informationen zu eben dieser Serie geben zu können. Es bleibt spannend. Steigen wir also tiefer ein!
Die Gute scheint in den frühen 1990ern im Koreanischen Unsung produziert worden zu sein – dafür sprechen die JinHo-Mechniken der gleichnamigen Koreanischen Firma, welche sich einen Lebensunterhalt mit WILKINSON und GROVER-Style Tunern verdient. Die Firma existiert meinen Nachforschungen nach seit 1990 und Career ließ bis ca. 1990 in Korea fertigen. Datierung: Check.
Was sich über die Materialien sagen lässt: Ein Blick ins Innere des Schallochs zeigt keine Laminierungs-Ränder. Sollte es sich etwa um eine massive Decke handeln? Die Decke scheint – optisch – aus Zeder gefertigt zu sein. Die Seiten sehen mir von Maserung innen und außen nach Mahagoni aus, mit einer fast schon Gibsonesqen Rotfärbung. Die Tuner wurden bereits benannt, der Sattel ist sauber gekerbt und haptisch dem Material der TUSQ Sättel nicht unähnlich – jedoch ohne Bezeichnung.
Im Inneren des Koffers lassen sich noch ein paar D’Addario Saitensätze für 12 Saiter finden. Allerdings ohne Preisschild oder andere Ermittlungsansätze – lediglich mit reichlich Altersspuren trotz Originalverpackung. Der Zahn der Zeit.
Kommen wir jetzt zur Königsdisziplin, sowohl beim Beschreiben, als auch beim „Bewerten“ einer Gitarre: Dem Klang.
Zunächst: Bundrein, spielfreudig und gut eingestellt. Dann: Laut, klar und kräftig. Ich habe noch nicht viele 12-Saiter gespielt und komme ehrlicherweise mit 6 Saiten deutlich besser klar (insbesondere wenn sie auf einer LP oder Tele gespannt sind ;-)), der Klang wirkt auf mich jedoch sehr differenziert, die Oktavierungen lassen sich sehr gut heraushören, sowohl im Picking als auch bei geschlagenen Akkorden. Ein spontaner „Supertramp – Give a little bit“- Anfall kommt schneller als ich gucken kann und die Gute Dame spielt aus, was sie kann: große Töne spucken. Ganz im Positiven! Ich bin erstaunt über die Qualität, die auf diesem Wege bei mir gelandet ist.
Nun ein paar Bilder, nach der großen "Dusche":
Ein paar Tage werde ich mich noch mit ihr beschäftigen, dann geht’s ab in die Kleinanzeigen, denn der große Spaß der Restaurierung will weiter gehen.
Mein Fazit ist, es lohnt sich immer wieder, die Dachböden anderer Menschen unter die (digitale) Lupe zu nehmen, der ein oder andere Schatz findet sich tatsächlich – ob mit Napoleons Beitrag, oder ohne. Danke fürs lesen.
Cheerio - Exp4ndable
Unter dieser Rubrik sollen ja immer wieder unermesslich wertvolle Schätze unters Volk gebracht werden, die alle mindestens von Leonardo während einer Privataudienz beim Papst höchstpersönlich entworfen wurden. Ich gebe aber zu, dass der Reiz, aus einer verstaubten alten Klampfe wieder ein brauchbares Instrument zu machen, nicht an mir vorbei geht; irgendwo entdecke ich eine fast schon Zen-hafte Zufriedenheit, solchen alten vergessenen Schätzchen noch ein paar Jahre zu schenken. In diesem speziellen Fall der 12-Saiter eines verstorbenen Musikers aus Mitteldeutschland.
Nach kurzen Vorverhandlungen mit den Nachkommen bekam ich also Anfang der Woche ein Paket zugesandt, um dessen Inhalt ich mich im Laufe dieser Woche gekümmert habe…ein Mysterium sondergleichen, doch seht selbst!
Ich öffne also den Pappkarton und erblicke…einen extrem schweren und hochwertig aussehenden Lederkoffer mit goldenen Schnappschnallen und ohne nähere Bezeichnungen. Definitiv aber ein Koffer für ein Premiuminstrument, sei es nun die Gitarre, die aktuell darin liegt, oder eine andere, früher einmal hier heimische Gitarre – ein Koffer dieser Qualität habe ich für Akustikgitarren tatsächlich noch nicht in der Hand gehabt. Hier braucht sich so mancher Customshop Koffer absolut nicht verstecken. Soweit so spannend und die Aufregung geht langsam in echte Vorfreude über. Die vier Schnappverschlüsse am Leder geöffnet und mir kommt als erstes – kein Witz – eine Spinne entgegen. Dachboden scheint also schon mal zu stimmen. Auf Nachfrage wird klar, dass der Koffer getrennt von der Gitarre gelagert wurde und die Spinne vermutlich schon in der vierten Generation im Inneren des schönen koreanischen Architektenhaus lebte.
Was mich neben dem achtbeinigen Bewohner anlacht, ist eine ganze Menge Staub, unter dem sich eine 12-Saitige Westerngitarre vermuten lässt. Erste Bilder für alle mit starken Nerven, was den Reinigungszustand von Gitarren angeht:
Nach einigen wohlüberlegten Sprühstößen des guten Dunlop-Reinigers und diversen alten Socken kommt langsam aber sicher eine Gitarre zum Vorschein. Die Mechaniken abgebaut, gereinigt und geölt, das Holz vom Staub befreit und zu altem Glanz poliert, das innere entstaubt, das Griffbrett geölt, die Bünde gereinigt und poliert, den Sattel mit Graphit geschmiert und die Saitenpins kontrolliert und schon sind fünf Stunden vergangen und der nächste Tag bricht an.
Der Arbeitgeber unterbricht die Arbeiten.
Ich muss das folgende einschieben:
Leider muss ich immer wieder feststellen, dass diese Foto-Dokumentation nicht mein Steckenpferd ist – ich verliere mich in der Arbeit und habe keine Zeit und auch keine Lust, Zwischenstände zu dokumentieren. Später ärgere ich mich dann natürlich.
Was sich nun mittlerweile aus dem (mittlerweile spinnenfreien und grundgereinigten) Koffer heben lässt, ist eine Career CGW-12, eine 12-saitige Westerngitarre vom Hersteller Career, produziert in Korea. Doch was ist über diese Gitarre im Netz zu finden? Nichts.
Nicht mit der Way-Back-Machine auf der ehemaligen Seite careerguitars.de, nicht beim aktuellen Importeur Knauer – dort teilt man mir mit, Interesse an der Gitarre zu haben, mir jedoch keine Informationen zu eben dieser Serie geben zu können. Es bleibt spannend. Steigen wir also tiefer ein!
Die Gute scheint in den frühen 1990ern im Koreanischen Unsung produziert worden zu sein – dafür sprechen die JinHo-Mechniken der gleichnamigen Koreanischen Firma, welche sich einen Lebensunterhalt mit WILKINSON und GROVER-Style Tunern verdient. Die Firma existiert meinen Nachforschungen nach seit 1990 und Career ließ bis ca. 1990 in Korea fertigen. Datierung: Check.
Was sich über die Materialien sagen lässt: Ein Blick ins Innere des Schallochs zeigt keine Laminierungs-Ränder. Sollte es sich etwa um eine massive Decke handeln? Die Decke scheint – optisch – aus Zeder gefertigt zu sein. Die Seiten sehen mir von Maserung innen und außen nach Mahagoni aus, mit einer fast schon Gibsonesqen Rotfärbung. Die Tuner wurden bereits benannt, der Sattel ist sauber gekerbt und haptisch dem Material der TUSQ Sättel nicht unähnlich – jedoch ohne Bezeichnung.
Im Inneren des Koffers lassen sich noch ein paar D’Addario Saitensätze für 12 Saiter finden. Allerdings ohne Preisschild oder andere Ermittlungsansätze – lediglich mit reichlich Altersspuren trotz Originalverpackung. Der Zahn der Zeit.
Kommen wir jetzt zur Königsdisziplin, sowohl beim Beschreiben, als auch beim „Bewerten“ einer Gitarre: Dem Klang.
Zunächst: Bundrein, spielfreudig und gut eingestellt. Dann: Laut, klar und kräftig. Ich habe noch nicht viele 12-Saiter gespielt und komme ehrlicherweise mit 6 Saiten deutlich besser klar (insbesondere wenn sie auf einer LP oder Tele gespannt sind ;-)), der Klang wirkt auf mich jedoch sehr differenziert, die Oktavierungen lassen sich sehr gut heraushören, sowohl im Picking als auch bei geschlagenen Akkorden. Ein spontaner „Supertramp – Give a little bit“- Anfall kommt schneller als ich gucken kann und die Gute Dame spielt aus, was sie kann: große Töne spucken. Ganz im Positiven! Ich bin erstaunt über die Qualität, die auf diesem Wege bei mir gelandet ist.
Nun ein paar Bilder, nach der großen "Dusche":
Ein paar Tage werde ich mich noch mit ihr beschäftigen, dann geht’s ab in die Kleinanzeigen, denn der große Spaß der Restaurierung will weiter gehen.
Mein Fazit ist, es lohnt sich immer wieder, die Dachböden anderer Menschen unter die (digitale) Lupe zu nehmen, der ein oder andere Schatz findet sich tatsächlich – ob mit Napoleons Beitrag, oder ohne. Danke fürs lesen.
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