Die Pointe der Pointe

  • Ersteller Jongleur
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Falls sich jemand für Metrum interessiert, kann er ja mal diesen Beitrag aus DIE EISERNE LERCHE lesen:

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Nicht erwähnt wird dort der Umstand, dass die meisten geradtaktigen Lieder im Vierertakt sind und dabei eine Haupt und eine Nebenbetonung (auf der eins und der drei) haben. Und da ist es durchaus von Vorteil, wenn die Reime auf den Hauptbetonungen liegen (warum macht man sich sonst die ganze Mühe). Kann man erfolgreich ignorieren (siehe "Griechischer Wein": "Griechischer Wein, ist so wie das BLUT der Erde […], und wenn ich dann TRAURIG werde), muss man aber nicht.

Und dazu
Wieder einer dieser Tage
Ein Blick durchs Fenster klärt die Lage
Wie sie am Kaffeeautomaten
Tränen lachen beim Tratschen
Wie sie unverschämt da stehn
Sich locker in die Augen sehn
Ach, wie er sie dann heimlich mustert
wenn sie sich umdreht -wie bewusst er
Mit ihr das Doppelspiel der Liebe spielt
der Wahn der Welt unterhält bequem
Das Pech der Andern wärmt angenehm
lässt sich zumindest sagen, dass da sehr fahrlässig mit den Pronomen umgegangen wird.

Wer ist "er", wer ist "sie" (dazu einmal in Plurar, einmal im Singular). Das fördert nicht unbedingt das Verständnis. Wenn es denn dem Autor darauf ankommen sollte ...
 
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Falls sich jemand für Metrum interessiert, kann er ja mal diesen Beitrag aus DIE EISERNE LERCHE lesen:

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Auweia, hier geraten wir zwischen Lyrik und Lyrics! :great:

Ich habe mich Jahrzehnte mit der Verslehre beschäftigt, und mich als Musik-Texter immer mehr darin verrannt. Der Lyriker kann sich ja auf EINEN Rhythmus konzentrieren - der Musiktexter muss sein Augenmerk auf ZWEI Rhythmen verteilen: den des Textes und den der Musik.

(Ein internationaler Kongress von Lyriker und Songschreibern scheiterte bereits im Vorfeld an der Unmöglichkeit, beide Betrachtungen theoretisch auf einen Nenner zu bringen. Sehr gern würde ich auf dieses Thema näher eingehen. Aber das sprengt absolut sicher den Rahmen um meinen kleinen Text!!)

Für mich gilt Ähnliches wie vermutlich für Herbert Grönemeyer. Ich benutze manchmal bewusst „falsche“ Betonungen, um die Aufmerksamkeit hin und wieder anzustupsen. Man beachte folgendes Beispiel:

Gröni singt
Hat euch beim Wühlen in den Kissen
Denn nie dein Gewissen gebissen

einfache Alternative wäre:
Hat euch beim Wühlen in den Kissen
Denn dein Gewissen nie gebissen

Für mich ist Grönemeyer hinsichtlich der Form der kreativste und vielseitigste deutsche Texter - und dennoch gibt es auffallend oft „dilettantische“ Betonungen. Ich kam darin nur Absicht vermuten: die Angst vorm Leiern eines Songs. Oder anders gesagt: Ein Bekenntnis zur Dominanz einer anspruchsvollen Musik über den Text.

ich habe tatsächlich Komponisten kennengelernt, die fühlen sich von Text-Vorlagen mit freieren Rhythmen mehr inspiriert als von einer gleichmäßig alternierenden Versform.

Interessiert Euch ein Extrafaden zu diesem interessanten Thema?
 
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Erdmöbel sagten mal, das fand ich gut, sie wollten an den Punkt kommen, dass die Songs am Ende schlauer sind als sie selbst.
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Für mich gilt Ähnliches wie vermutlich für Herbert Grönemeyer. Ich benutze manchmal bewusst „falsche“ Betonungen, um die Aufmerksamkeit hin und wieder anzustupsen. Man beachte folgendes Beispiel:

Gröni singt
Hat euch beim Wühlen

Für mich ist Grönemeyer hinsichtlich der Form der kreativste und vielseitigste deutsche Texter - und dennoch gibt es auffallend oft „dilettantische“ Betonungen. Ich kam darin nur Absicht vermuten: die Angst vorm Leiern eines Songs. Oder anders gesagt: Ein Bekenntnis zur Dominanz einer anspruchsvollen Musik über den Text.
Das ist interessant.

Siehe auch der vermiedene Reim bei Brecht:

Nimm die Pfeife aus dem Maul, du Hund.

Oder die Abhandlung von Max Goldt, dass nicht jede Alliteration gleich absichtsvolle Kunst ist:

"Bring bitte Brötchen mit."

"Da gab Gudrun Gift" (es wäre noch konstruierter, so Goldt, stattdessen zu schreiben:
"Da donnerte Gudrun Toxisches" ;)
 
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Ich habe mich Jahrzehnte mit der Verslehre beschäftigt, und mich als Musik-Texter immer mehr darin verrannt. Der Lyriker kann sich ja auf EINEN Rhythmus konzentrieren - der Musiktexter muss sein Augenmerk auf ZWEI Rhythmen verteilen: den des Textes und den der Musik.
Sehr viele Gedichte sind in vierfüßigen Jamben (oder Daktylen, je nachdem, wo man anfängt zu zählen)) geschrieben. Und dabei wechselt häufig Haupt- und Nebenbetonung (bei diesen Gedichten meist auf der eins und der vier). Wenn man das vertont, sitzt meist der Takt neben der Wortbetonung (das kommt ja noch dazu: Wörter haben ihren eigenen Rhythmus und passen nicht überall in den Takt). Ich würde deshalb jedem Texter, der nicht auf bestehende Musik dichtet, empfehlen, ungeradtaktige Zeilen zu nehmen (also drei, fünf, sieben Haupt- und Nebenbetonungen und damit immer eine Hauptbetonung am Ende). Außerdem neigt Musik dazu, sich in jeweils acht oder sechzehn Schlägen zu organisieren. Das bedeutet z.B. bei fünfhebigen Zeilen (eine Hebung plus eine unbetonte Silbe ergibt so neun oder zehn Schläge), dass am Ende immer sechs Schläge zum Luftholen oder Auftakte zur nächsten Zeile bleiben. Und gerade Auftakte haben den Vorteil, dass sie metrisch freier verwendet werden können, also auch Wörter, die vom eigenen Rythmus her nicht ins Gefüge passen, verwendet werden können.

Und natürlich hat das Dichten in regelmäßigen Silben- und Betonungszahlen den Vorteil, dass man Textbausteine hin- und herschieben kann, bis es passt.
 
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Oh, @Burkhard Ihme persönlich! :great: Hatte ich übersehen.:unsure:
Ich verstand und teile die Gedanken, die du oben zitiert hast. Ich war dazu einige Jahre der LiedermacherSzene verbundener als heute. Damals habe auch ich die Verslehre näher „studiert“..,

Deine Antwort klingt so, als ob dir die metrische Determiniertheit beim Songtexten noch nie im Wege stand. Wie willst du beispielsweise verwirrende und verworrene Gefühle authentisch zeigen und sie gleichzeitig gleichmäßig alterieren lassen?
 
Ich schreibe gerade einen Songtext über einen von der Gegenwart verwirrten Zeitgenossen. Warum sollte ich hier eine durchgehende gleichmäßige Metrik benutzen? Ich kann,, aber muss nicht!
 
Fremde Fehler leicht zu verstehn
@Jongleur
Hier bin ich gestolpert. Fremde Fehler - verstehen? Ich hab im Praktikum damals fast nur Leute kennen gelernt, die sich genießerisch in der eignen Bedeutung suhlten und einem Fehler voller Wonne angekreidet haben. Von Verstehen war da echt keine Spur. :) Wenigstens fängt der Text langsam an, mir zu gefallen. Hat echt gedauert diesmal. Den Thread hab ich jetzt nicht verfolgt, das kreidest du mir bitte nicht an. :) Zum Verständnis für alle: Ich hatte mal versprochen, dass ich mich nicht zu Wort melde, wenn der Thread mich nicht interessiert. Wenn der Text aber nun so gut ist, lieber Dichter, lieber Dichter... :) :) :)
 
Deine Antwort klingt so, als ob dir die metrische Determiniertheit beim Songtexten noch nie im Wege stand. Wie willst du beispielsweise verwirrende und verworrene Gefühle authentisch zeigen und sie gleichzeitig gleichmäßig alterieren lassen?
Ich schreibe gerade einen Songtext über einen von der Gegenwart verwirrten Zeitgenossen. Warum sollte ich hier eine durchgehende gleichmäßige Metrik benutzen? Ich kann,, aber muss nicht!
Da ich meine Lieder in der Vergangenheit meist selber vertont (und oft auch selber vorgetragen) habe, war die metrische Determiniertheit für mich eher ein Vor- statt ein Nachteil, denn ich bevorzuge schon aus Gründen der Arbeitsökonomie Strophenlieder.

Das Thema eines Liedes muss auch keine Entsprechung in der Gestaltung eines Liedes haben, also ein trauriges Lied keine traurige Musik, ein Lied über Langeweile keine langweilige Musik haben und ein Lied über verworrene Gefühle nicht verwirrend sein.

Überhaupt lassen sich Themen vor allem über starke sprachliche Bilder vermitteln.
 
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Da ich meine Lieder in der Vergangenheit meist selber vertont (und oft auch selber vorgetragen) habe, war die metrische Determiniertheit für mich eher ein Vor- statt ein Nachteil, denn ich bevorzuge schon aus Gründen der Arbeitsökonomie Strophenlieder
Ich hoffe, ich verstehe dich richtig. Meine Persönlichen Erfahrungen sind: Ein metrisches Gleichmaß wirkt sich allmählich auf die Gefühle und Gedanken mäßigend aus. die Sicht auf die Idee wird ruhiger, die Figuren handeln schlüssiger, Ursache Wirkung und Folge werden klarer.

Ein unruhiger Rhythmus hingegen erzeugt mE automatisch eine gewisse Unklarheit bzw. Mehrdeutigkeit

Beispielsweise, was das Ziel eines Textes betrifft. Ich bin eher ein temperamentvolker Mensch und Authentizität bedeutet für mich manchmal Krieg und Frieden auf engsten Raum. Ich lehne Gewalt generell ab, misstrauen aber auch den Frieden, der für mich oft nur erzwungene Verhältnisse, also passive Aggressivität spiegelt.

Mit einer solchen Mentalität ausgestattet bevorzuge ich oft eine bewegte Metrik. ;)

Diese mentalen Unterschiede fühle ich als Musiker und Texter, wenn ich zwischen Liedermachere, Popmusik oder Jazz pendle. Letztlich ringt mir die eher variantenarme Metrik der Lyrik andere Bilder und Dramaturgien ab, als krasse Musik mit ihrer fast unbegrenzten Wendigkeit.
 
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