[Effekt] - Marshall Regenerator RG-1

Uli
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Für kleinere Party- oder Kneipensachen nehme ich ungern mein Riesen-Multi mit, zumal, wenn wir (ohne Bühne) quasi mitten im Volk stehen müssen. Für solche Zwecke bin ich ständig auf der Suche nach Einzeltretern, die zumindest für eine ganze Effektfamilie verwendet werden können. Für Verzerrer-Effekte bin uch vor längerer Zeit schon mit dem DF-7 von Digitech fündig geworden, für Modulations-Effekte habe ich mir zu diesem Zweck vor einiger Zeit den Regenerator, Kurzbezeichnung RG-1, von Marshall angelacht. Ich werde in der folgenden Einschätzung die Dinge, die ich besonders gut finde, grün hervorheben, was ich weniger gelungen finde markiere ich rot. So finde ich hoffentlich am Ende für ein Resummée die Punkte schneller wieder und man kann umgekehrt von dort aus die entsprechenden Textstellen leichter auffinden. Falls diese Darstellung mit den persönlichen Einstellungen des ein oder anderen users kollidiert, bitte ich um entsprechendes feedback und werde das dann zumindest künftig berücksichtigen.

Das RG-1 bietet für den stolzen Preis von rund 100€ laut Beschreibung 6 wahlweise abrufbare Effekte die da wären:

  • Vintage Chorus (was immer das sein mag)
  • Multi Chorus
  • Flanger
  • Phaser
  • Step-Phaser
  • Vintage-Vibe

Insbesondere durch die letzte Möglichkeit könnte ich mir vielleicht das bisher für diese Zwecke verwendete Nobels TR-X Tremolo-Pedal sparen, einen Effekt, den ich nur für einige wenige alte Stücke brauche. Bisher habe ich mit Marshall-Effekten keine Erfahrung, für mich klingelt da nur was bei Verstärkern. Also mal sehen, was es für den Preis gibt.

Das Gerät kommt in einer schicken Verpackung mit einem kleinen Anleitungsheft, das sogar einen deutschen Teil hat und imho ausreicht. Man geht wohl zu Recht davon aus, daß sich der Käufer eh etwas intensiver mit den Möglichkeiten beschäftigen wird und beschreibt, abgesehen von ein paar Einstellungsbeispielen auf der Ausklapp-Seite, im Prinzip nur die Grundfunktionen.

Hardware

Das RG-1 macht auf den ersten Blick einen sehr soliden und wertigen Eindruck. Es wiegt für den stabilen Stand ein halbes Kilo, hier aber nicht durch zusätzliche Gewichtsplatten erreicht wie z.B. bei Behringer, sondern durch das massive Gehäuse aus Zink-Druckguß, das im edlen Understatement-silbergrau lackiert ist.

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Der Effekt-Schalter ist nicht als Wippe ausgelegt, wie bei den meisten Mitbewerbern, sondern als stabiler Fußschalter, der seine Arbeit mit fühlbarem Umschaltknacks verrichtet. Für die Potis werden vollgekapselte Ausführungen mit Metallachsen verwendet, die Drehknöpfe sind ebenfalls aus verchromtem Metall. Durch die abgestufte Bauweise und die dadurch 'versenkte' Position der Knöpfe, kann es nicht bei Betätigung des Fußschalters zu Kollisionen mit den Reglern kommen. Etwas unglücklich finde ich, daß der Strich nur auf der Oberseite des Knopfes angebracht ist und nicht auch an der Längsseite. Zumindest bei dem 6-stufigen Umschalter mit seinen recht kurzen Abständen führt das zu uneindeutiger Ablesbarkeit, was zumindest nicht sonderlich roadtauglich ist.

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Ein klares Plus gegenüber ähnlichen Digitech-Geräten (DF-7, Crossroads) ist der von oben ablesbare Aufdruck der einzelnen abrufbaren Effekte. Hier hat man löblicherweise etwas Schönheit zu Gunsten der Funktionalität geopfert.

Dreht man das RG-1 um, blickt man auf eine ca. 2mm dicke Gummiplatte, die zwei klare Nachteile des Gerätes offenbart:
Aus dem Hersteller-Label geht nicht hervor, wieviel Strom das Gerät im Durchschnitt zieht, dafür muß man die technischen Daten der Anleitung bemühen. Hier steht das aber sehr geschickt formuliert: Minimaler Stromverbrauch 80mA, was bei einigen Anbietern zu der Fehlinterpretation führt, das sei ein geringer (minimaler) Stromverbrauch, was es nicht unbedingt ist. Tatsächlich bedeutet es, daß der Stromverbrauch entprechend der Arbeit, die der Prozessor im Inneren verrichten muß (also des eingestellten Effektes und dessen Parametern), stark schwanken kann und im günstigsten (minimalen) Fall 80mA beträgt. Welches der maximale Stromverbrauch ist, wird leider nicht gesagt. Auch hätte mich der Ruhestrom beim True-Bypass-Betrieb interessiert, da dieser ja elektronisch klickfrei gehalten wird, infolgedessen natürlich auch Strom verbraucht.

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Ein weiteres, noch größeres Manko ist das Batteriefach. Während Boss, Digitech und diverse andere, die das Boss-Format 'übernommen' haben, den Batteriewechsel durch Abnahme der Schaltwippe realisieren, haben andere Hersteller unterschiedlichste Lösungen gefunden. Die Lösung von Nobels mit eigenem Batteriefach hinter der (dadurch etwas kürzeren) Schaltwippe finde ich ganz angenehm, unmöglich hingegen, wenn das ganze Gehäuse geöffnet werden muß oder wie hier bei Marshall mit einer Münze (falls zur Hand ) eine Schraube mit etlichen Umdrehungen herausgedreht werden muß. Ein Bajonett-Verschluß mit einer Vierteldrehung wäre noch akzeptabel, aber dieses endlose Gefummel ist absolut nichts für die Bühne, zumal es auch bestimmte kleine Münzen sein müssen, denn größere erreichen mit dem Rand gar nicht den Schraubenschlitz, weil sie bereits seitlich auf dem ins Gummi gestanzten Loch aufliegen.
Hat man die Schraube endlich rausgefummelt, stellt sich heraus, daß das Scharnier des Batteriefachs nur aus einer Materialverjüngung in der Gummiplatte besteht, die einem dann entgegenschlabbert und den Blick auf ein gänzlich unausgekleidetes Batteriefach freigibt, wo diese dann zwischen Gehäuse- und Platinenkanten herumfallen kann. Das riecht für meinen Geschmack doch etwas zu viel nach 'außen hui, innen pfui'!

Derart vorgewarnt, kann ich es dann doch nicht lassen und schraube den Boden ab! Ein kleines Highlight am Rande: durch das massive Zinkgehäuse lassen sich vernünftige metrische Gewindeschrauben verwenden, die nicht bei jedem Rausdrehen etwas Material vom Gehäuse mitbringen, wie das die verbreiteten selbstschneidenden Blechschrauben so gerne machen! Zugegebenermaßen spielt der Aspekt keine nennenswerte Rolle, im Normalfall wird der Boden wohl nie abgeschraubt werden.

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Löblich, der Boden ist durch eine abschirmende Metallplatte mechanisch verstärkt und hat eine Klarsicht-Isolation, um Berührungen mit der in unmittelbarer Nähe liegenden Prozessorplatine zu vermeiden. Ein paar 'nachgestrickte' Bauteile sehe ich auf den ersten Blick auf der Lötseite (im oberen Bereich des Bildes), was aber nicht sofort negativ bewertet werden müßte. Stellen sich bei einer Erstserie gewisse Kinderkrankheiten heraus, wird bei wirklichen Kleinigkeiten deshalb nicht sofort die ganze Produktion eingestampft, sondern erst einmal das vorhandene Kontingent an Leiterplatten verwendet, die dann von Hand 'gefixt' werden, das ist üblich und imho auch ok.

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Nach Herausnahme der Prozessorplatine, stelle ich zu meiner Verwunderung fest, daß dort ein in meinen Augen uralter DSP (Digitaler Signal Prozessor) verwendet wird. Der TMS320VC5401 von Texas Instruments stammt afair aus dem Jahr 2000, sein eigentlicher Vorgänger, der TMS32010 stammt sogar aus dem Jahr 1983, auch wenn er damals der schnellste DSP am Markt war.
Links neben dem Prozessor, sieht man den herausnehmbaren Speicherbaustein, in dem das 'Programm' sitzt, das der CPU sagt, was sie mit dem digitalisierten Eingangssignal bei welcher Schalterstellung und jeweiliger Poti-Einstellung machen soll. Für heutige Verhältnisse macht das auf mich ein bißchen den Eindruck von 'wir basteln uns einen Effekt mit einem DSP-Bausatz von Conrad' oder so ähnlich.

Bei näherer Überlegung kann ich mir dafür allerdings schon eine Ursache vorstellen. Marshall will auf dem Effektmarkt mitmurmeln, hat aber nicht wie Roland/Boss oder Digitech eine eigene Entwicklungsabteilung für diesen Bereich, auf den sie bequem zurückgreifen können. Schraubt man z.B. einen Roland-Verstärker auf, findet man darin einen speziellen Effektprozessor von Boss. Ein Rückgriff auf solche Konzern-internen Resourcen ist für Marshall wahrscheinlich nicht möglich, weshalb man auf Universal-Prozessoren zurückgreift (die z.B. auch für Industrie-Steuerungen genommen werden) und diese mit externer Firmware für die eigenen Bedürfnisse programmiert.

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Verarbeitungstechnisch gibt es an der Elektronik m.E. nichts auszusetzen. Hat man, wie beschrieben, die Prozessor-Platine entnommen, sieht man auf eine weitere Platine, die neben drei Op-Amps noch eine Handvoll disktreter Bauteile enthält und durch den Fußschalter (Kreis) festgehalten wird. Alles ist sauber miteinander verkabelt, Verarbeitung und Bauteile wirken nicht wie aus der letzten Waschküche, insofern wie gesagt, nix zu meckern!

Features


Daß man, gerade in Zeiten digitaler Möglichkeiten, auf die naheliegende Möglichkeit kommt, artverwandte Effekte in einem Gehäuse unterzubringen, liegt auf der Hand. Um mit einer einstellbaren Schwingung ein Signal auf verschiedene Art zu modulieren, bedarf es bei einer DSP-Lösung im Wesentlichen nur eines gewissen Programmieraufwandes des Entwicklers und einer halbwegs intelligenten Auswahl und Anordnung der beeinflussenden Peripherie (Regler etc).
Ganz wichtig ist für mich eine vernünftige Bypass-Schaltung, was hier vorbildlich gelöst wurde. Allerdings muß man sich darüber im Klaren sein, daß der einzige Bypass, der im 'Ruhezustand' des Pedals keinen Strom frißt, der mechanische Schalter ist, der allerdings leider meistens zu hören ist. Sicher werden viele das Stromproblem als untergeordnet ansehen, weil sie eh mit Netzteil arbeiten, in meinem Fall soll der Treter aber nicht Teil eines mehr oder weniger großen Effektparks sein, sondern die absolute Minimal-Lösung darsetellen, für die mir dann eigentlich auch ein Netzteil zu viel wäre.

Nettes Feature ist der durch getrennte Buchsen erreichbare Stereo-Ausgang, wobei sich beide Kanäle beim Ausschalten in der Art der Signalbehandlung unterscheiden. Der linke Kanal schaltet dabei den erwähnten True Bypass, das Signal schaltet also übergangslos von Modulation auf clean. Der rechte Kanal hingegen bietet ein interessantes Gimmick, den sog. 'Spill-Over', der beim Ausschalten bewirkt, daß der zuletzt eingestellte Effekt auch nach dem Abschalten noch langsam ausklingt. Nach dem Schaltzeitpunkt gespielte Töne sind dabei bereits nicht mehr von der Signalbehandlung betroffen. Das ist eine schöne Sache, wenn man den Effekt halt nicht während des ganzen Liedes benötigt, weil die Übergänge von Effekt/kein Effekt nicht so bewußt wahrnehmbar sind.

Neben der Eingangsbuchse befindet sich noch ein Anschluß für ein Expression-Pedal, auf den auch mein Alesis F2 passt. Im Promo-Video von Marshall wird offenbar auch so ein Expression-Pedal verwendet, worauf man eigentlich hätte hinweisen müssen, denn so entsteht der Eindruck, daß man den dort zu hörenden Sound allein mit dem RG-1 hinbekommt. Für mich eh keine Alternative, da ich ja sonst auch wieder mein Multi mitschleppen könnte, andere haben aber vielleicht ein Verwendung dafür.

Sound

Aufgrund besagter Hörbeispiele im Netz spare ich mir, hier eigene einzustellen, zumal ich kein begnadeter Recording-Mensch bin. Mein persönlicher Eindruck der einzelnen Effekte, die in bestimmten Grenzen über die Regler Speed, Depht und Regeneration beeinflußt werden können, ist dieser:

1. Vintage Chorus
Ganz brauchbar, wenn man die eigene Einstellung gefunden hat. Mir fehlt etwas Wärme, als Standard-Anfettung, wenn ich nicht clean spielen will, ist er aber geeignet.

2. Multi Chorus
Natürlich nicht überall zu gebrauchen, aber nach meiner Einschätzung ganz gut gelungen. Wie bei den anderen Effekten auch, drängt sich mir der Höreindruck schon etwas auf, daß es sich hier um einen digitalen Effekt handelt, vielleicht ist das auch etwas Einbildung.

3. Vintage Flanger
Den finde ich persönlich völlig daneben. Ich habe mehrere analoge Flanger gebaut, die sich allesamt anders und nach meiner subjektiven Einschätzung besser angehört haben. 'Purple Rain' von Prince mit diesem Flanger wäre ein Rausschmeißer.

4. Phaser
Ich kann mit dem Effekt 'Phaser' an sich nicht viel anfangen, finde ihn aber trotzdem ganz gut gelungen. Wo es reinpaßt, ist er sicher brauchbar.

5. Step Phaser
Ein pfiffiges Spielzeug, das man aber einzusetzen und auch zu bedienen wissen muß. Im Promo Video kommt es ganz gut rüber, ich habe das so nicht hinbekommen, was aber sicher an mir liegt.

6. Vintage Vibe
Ein Tremolo-Effekt, den ich bei einigen Stücken benötige und da muß ich sagen, er ist brauchbar, aber mein Nobels TR-X ist da um Klassen besser. Letzterer ist zwar ein One-Trick-Pony aber entgegen meiner ursprüngliche Absicht werde ich ihn jetzt wohl doch nicht zugunsten des RG-1 abstoßen, dafür ist letzterer dann doch zu schlecht.

Fazit:

Der Regenerator von Marshall ist ein optisch ansprechendes und gut verabeitetes Gerät, das 6 artverwandte Modulationseffekte beherbergt.

Gefallen hat mir:
  • Tolle Optik, wertiger Eindruck
  • Zwar kleine, aber immerhin deutsche Bedienungsanleitung
  • saubere Verarbeitung
  • Stereo-Möglichkeiten

Weniger gut finde ich:
  • Markierungsstriche der Drehknöpfe
  • fehlende Angabe der Stromstärke
  • Unmöglicher Mechanismus am Batteriefach

An ein Gerät mit dem Namen Marshall geht man mit hohen Erwartungen ran. In meinem Fall waren sie vielleicht zu hoch. Ich werde mich nach dem Digitech Chorus-Factory CF-7 umschauen und vergleichen, ob die es besser können, mich hat der RG-1 nicht wirklich überzeugt.
 
Eigenschaft
 

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