Mir wurde das Gefühl, mich für mein Instrument verteidigen zu müssen, sicher auch von Schul-Musiklehrern antrainiert. Richtige Musik machte man eben nur mit Klavier, Geige, Flöte oder im Chor. Ich durfte bei Schulfesten manchmal mein Akkordeon mitbringen und dann zu einem gemeinsam gesungenen Lied ein Ostinato spielen. Ich hatte aber auch nicht das Selbstbewusstsein, einfach mal vorzuführen, was ich sonst noch hätte spielen können.
Ich glaube nicht einmal, dass meine Lehrerin es böse meinte. Sie war sicher froh über jeden Schüler, der sich überhaupt selbst betätigte. Es war eher Nichtwissen über die Möglichkeiten. Denn die meisten, die nicht jemanden kennen, der anderes spielt, oder zufällig in eine Konzert mit anderen Stilrichtungen hineingeraten, kennen eben nur das Schifferklavier oder das Ländler-Instrument oder vielleicht noch die Musik der 50iger mit den Tanzenden-Fingern und all dies oft mit wenig Spielkultur dargebracht.
Das Bild von Akkordeonisten wird halt sehr oft von Musikern geprägt, die sich irgendwann mal ein Instrument gegriffen und im Selbststudium solche Stücke erarbeitet haben.
Ich stehe diesem Selbststudium, etwas zwiespältig gegenüber. auf der einen Seite ist es immer gut, wenn man etwas tut und lernt. Und wenn man es wirklich nur zur eigenen Freude und Entspannung macht, ist es vollkommen ok und reicht es sicher auch aus. Auf der anderen Seite glaube ich aber, dass zu einer vorführbaren Leistung egal auf welchem Gebiet in der Regel auch ein gewisse Kenntnis der Technik und Kritik eines Kenners/Lehrers gehören.
Als Beispiel: Es mag Maler geben, die einfach drauflosmalen und ohne jede Kenntnis der Farbenlehre und Mischtechniken tolle Bilder produzieren. Die meisten müssen aber doch erstmal lernen, wie man Aquarellfarben mischt und von hell nach dunkel anlegt oder worauf man bei Ölfarben zu achten hat u.s.w..
So ist es auch bei unserem Instrument. Wer es sich selbst alleine beibringt, ist immer in Gefahr, die Schlusstöne ganz fürchterlich nachzuziehen oder die Akkorde so wummdada mäßig breit zuspielen beliebte Fehler, der mir oft aufgefallen sind. Leider haben diese Spieler oft kaum Selbstkritik, weil sie gar nicht wissen, welche Technik ihnen fehlt, sind eifrig in Altenheimen oder auch sonst unterwegs und tragen so das Bild des Schifferklaviers immer weiter fort. Das Verhältnis zu gut gespielt ist dann ein bisschen so wie Gospelchor zu Fangesängen prima für die Akteure, aber nicht unbedingt für die Zuhörer.
Die andere Seite sind dann die Lehrer, die mit ihren Schülern ausschließlich neue und moderne Musik einstudieren. Technik lernen die Kinder sicher genügend und ganz prima, aber ob sie auch die Freude an ihrer Musik lernen? Ob sie lernen, dass Musik mehr ist als für den Lehrer fehlerfrei und musikalisch richtig zu interpretieren, dass sie auch dazu da ist, einen über Tiefpunkte im Alltag zu retten oder einfach sich und anderen Freude zu machen?
Dazu kommt dann noch der Streit

Solo oder Orchester, wo es übrigens auch die beiden Varianten der Spielpraxis gibt.
Ich empfinde mich oft als zwischen diesen beiden Polen stehend. Bei denjenigen, die nur die Schifferklavier-Musik kennen, muss ich mich zwar nicht verteidigen, aber doch erklären, warum diese Art der Musikdarbietung nicht die ist, weshalb ich Akkordeon spiele. Auf der anderen Seite finde ich aber auch nicht, dass wir jetzt nur noch Bach und Piazzolla spielen sollten. Alles hat zu seiner Zeit seine Berechtigung.
Nur etwas mehr Spielkultur unabhängig von dem Schwierigkeitsgrad der Stück- und gestimmte Instrumente wünsche ich mir schon. Dann bräuchten wir uns auch nicht mehr so oft für unser Instrument zu verteidigen.