Zunächst mal hoffe ich, daß du deine Gitarre besser stimmen kannst als der im Video
Spaß beiseite, es gibt ein paar Möglichkeiten, sich das Leben etwas leichter zu machen.
Man kann das Stück "zerlegen" und die einzelnen Bestandteile, z.B. Melodie und Bass einzeln einüben. Dabei ist es wichtig, die Einzelheiten festzulegen, vor allem Notenlängen, Pausen und Fingersätze für beide Hände. Wenn die Einzelteile gut klappen, kann man wieder zusammensetzen, wobei es auch einen "Trick" gibt: Man kann sich erstmal auf die Töne beschränken, die gemeinsam gespielt werden, oder man spielt eine Stimme komplett und dazu nur die Töne der anderen Stimme (wenn zweistimmig), die mit einem Ton der ersten Stimme zusammenfallen. Das muß man dann erstmal wirklich langsam einstudieren und dann Schritt für Schritt die restlichen Töne dazunehmen. Und man macht das in sehr kurzen Abschnitten, z.B. taktweise.
Wenn Bass und Melodie kaum gleichzeitige Töne haben, ist es eigentilch immer so, daß der Baß die Melodie anstößt oder ergänzt. Dann muß man diese Zusammenhänge finden und als Ausgangspunkt zum Üben nehmen. Zum Beispiel könnte der Baß einen Auftakt spielen und dann auf 1 den Grundton, und die Melodie setzt auf 1+ in der Quinte ein. Oder die Melodie hat eine Schlußsequenz und der Bass leitet über zum nächsten Teil. Von da aus arbeitet man sich dann langsam vorwärts oder auch rückwärts.
Im Übrigen ist der Ausdruck "Unabhängig von Daumen und anderen Fingern" mißverständlich, denn selbstverständlich sind die von einander abhängig, allerdings nicht in der Bewegung (das muß man natürlich üben), sondern darin, daß sie das selbe Stück spielen, nur mit unterschiedlichen Aufgaben. Aber daraus ergibt sich, daß sie musikalisch immer eine Einheit bilden und deswegen zusammenspielen, nicht gegeneinander. Und deswegen ist es vor allem schwer, zu einer kurzen dauernd wiederholten Basssequenz eine Melodie zu spielen, die Basssequenz ist natürlich nicht so klar mit der Melodie verbunden wie z.b. Kontrapunkt und Thema in einer Fuge. Der Trick ist also, die Zusammenhänge zwischen Daumen und den anderen Fingern zu finden. Eine beliebige Bassfigur zu einer beliebigen Melodie zu spielen, ist zunächst mal reine Hirnakrobatik und hat nichts mit Musik zu tun. Andererseits kann man auch die Fähigkeit schulen, mehrstimmig zu denken und das ist der eigentliche Schlüssel zu diesem Thema. Leider kann das ziemlich lange dauern, also muß man sich erstmal anders behelfen.
Noch eine Eselsbrücke: Man kann Musik immer auf zweierlei Weise sehen, einmal horizontal und einmal vertikal. Horizontal bedeutet, daß man z.B. Baß, Begleitung und Melodie als separate Stimmen betrachtet, die gleichzeitig ablaufen. Vertikal sieht man stattdessen immer alle Töne auf einmal (quasi als Akkord, wenn es mehr als ein Ton ist), die gemeinsam angeschlagen werden. Die vertikale Sicht ist einfacher aber dafür gehen Rhythmus und Ablauf etwas verloren, insbesondere für die Melodie. Aber man kann erstmal vertikal üben und hinterher die einzelnen Stimmen "herausarbeiten".