Beim Flamenco gibt es keine verschiedenen Tonarten, die gespielt werden. Man arbeitet mit der Cejilla (Capo).
Auch wenn wir jetzt arg
off topic gehen - das muss ich korrigieren: Ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal der Palos
sind die verschiedenen "Tongeschlechter" (Modo de MI, Dur, Moll) und die sich aus deren Tonarten ergebenden Klangfarben!
Ein "modo de MI" (vergleichbar mit Phrygisch) in E klingt definitiv anders, als der gleiche Modus in H oder Fis. Anhand dieser Unterschiede hört ein Flamencomusiker sofort, was kommt - so ist z.B. H-Phrygisch für die
Granaínas typisch, Fis-Phrygisch hingegen für
Tarantas.
Soleares bevorzugen E-Phrygisch,
Bulerías hingegen A-Phrygisch.
Caracoles stehen meist in C-Dur, die musikalisch verwandten
Romeras aber in E-Dur, während die
Alegrías de Córdoba Passagen in E-Moll enthalten. Es gibt im Flamenco also ein durchaus ausgeprägtes und differenziertes Tonartenbewußtsein.
Was du meinst, ist die Transposition einer Tonart mittels Kapodaster, wobei sich die
Tonhöhe ändert, der Charakter der
Tonart aber erhalten bleibt. Es gibt also keine Verbindung von Tonarten mit absoluten Tonhöhen, d.h. "C-Dur" bezieht sich auf das gitarristische Griffrepertoire dieser Tonart in der I. Lage, egal in welchen Bund man es aus gesangspraktischen Erwägungen transponiert. C-Dur mit Kapodaster im zweiten Bund erklingt zwar in der Tonhöhe von D-dur, wird im Flamenco aber aufgrund der charakteristischen Akkordgriffe nach wie vor als C-Dur wahrgenommen.
Schon passt ein wildfremder Sänger mit einem wildfremden Gitarristen zusammen, ohne dass der Sänger weiß, welche Kapriolen der Gitarrist gleich bringen wird oder der Gitarrist weiß, welches Lied der Sänger gleich darbieten wird. Trotzdem passt dann alles zusammen.
Das ist eine etwas romantisch-naive Vorstellung von dem, was wirklich passiert. Flamenco-Palos sind durchaus mit den "Standards" des Jazz- oder Bluesrepertoires vergleichbar, d.h. die Beteiligten haben hinsichtlich Form, Metrum/Rhythmus, Melodieverlauf und Akkordfolgen durchaus eine klare Vorstellung von dem, was zu singen, zu spielen oder zu tanzen ist.
Wenn ich als Gitarrist der Meinung bin, die traditionelle Akkordfolge bei einem
Fandango abändern zu müssen, wird das nicht als Ausdruck von Kreativität empfunden, sondern als stilistisches Unvermögen. Im Normalfall "passt alles zusammen", weil sich Flamencokünstler weniger über ihre individuelle Kunstfertigkeit definieren, sondern über die Beherrschung des zugrunde liegenden und für alle Beteiligten verbindlichen Regelwerks. Wer hier ohne Kenntnis der Spielregeln mitmischen möchte, fliegt ganz gewaltig auf die Nase.
Nebensächliche Details dürfen zwar spontan der Situation angepasst werden, allerdings ist der Anteil echter Improvisation im Flamenco relativ gering, weil zu viele individuelle "Kapriolen" die musikalische Interaktion stören und daher nicht gerne gesehen werden.
Die Texte (und die sind eigentlich das Allerwichtigste beim Flamenco!!! ) sind gesungene Poesie.
Naja, es gibt da aber auch jede Menge "Poetisiererei" mit schwülstigem Wortgeklingel und hohler Attitüde ...
Und die "allerwichtigsten" Innovationen der letzten Jahrzehnte haben
de facto überwiegend im harmonischen, rhythmischen und formalen Bereich des Flamenco stattgefunden - dazu hat die eher rückwärtsgewandte "Poesie" des Flamencogesangs herzlich wenig beigetragen.
Alleine die verschiedenen Takte sind schon zum Verzweifeln: Betonungen 1-2-3-4-5-6-7-8-9-10-11-12 sind üblich in verschiedenen Palos.
Ich weiss zur Genüge, wie methodisch absurd und unorganisch der
compás flamenco teilweise unterrichtet wird - aber wenn man das zugrunde liegende Prinzip verstanden hat (was z.B. absolut nichts mit der starren und kontraproduktiven Tanzschul-Zählerei nach der
reloj flamenco zu tun hat), erweist er sich als nicht entscheidend leichter oder schwieriger als in jeder anderen Musik, die kreative Spielräume bietet.