Folk Musik oder Volksmusik ? Kommerz dank Klischees ?

olliB.
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… oder Drums noch input kommt.

Vielen Dank für den Hinweis auf diese Diskussion im Percussion-Bereich.

Ich persönlich wäre allerdings dafür, den Begriff "Folk" jenseits von Genres zu begreifen, und stattdessen diskursiv zu spekulieren, warum eine solche Vielfalt überhaupt unter einem Begriff subsummiert wird.

Für das Sortieren sind m. E. also eher die WOM-Platzierungsstrategen zuständig. Mich interessieren bzgl. der hier aufgeführten Genres eher andere Fragen (vor allem weil Folk ja etwas ist, das in Tradition wurzelt):

  • Wie geht man z. B. mit dem reaktionären Ursprung des "Country" um? Ist das wirklich nur eine Musik, die bestimmte Stilistiken aufweist und Fernfahrer wach hält? Ist sie Ausdruck eines bestimmten Lifestyles oder sind in ihr doch noch Symboliken aktiv, die unterbewusst wirken und sich unter bestimmten Bedingungen auswirken können? Wer wollte George W.?

Hier wurde einige Male versucht, sich von sog. volkstümlicher Musik zu distanzieren. An diesem Genre ist ja nicht nur zu bemängeln, dass es sich um schlechte Musik handelt, sondern dass sie als solche auf einer geschäftemacherisch motivierten Analyse beruht und funktioniert(!).

Was steht hinter dem Abgrenzungswunsch zu dieser Art von Musik? Irgendein Bedürfnis nach Beziehung zu etwas "(Noch-)Echtem"? Ist sowas ggf. denn noch möglich? Wo Musik aller Richtungen hochgradig funktionalistisch geworden ist? Wo wir sie als Stimmungs-Droge nach Bedarf einsetzen? Wo ein sog. "Offizieller WM-Song" vom DFB bestimmt wird und uns in kollektiven Taumel versetzt? Und wo von jedem Teenager gefordert ist, sich anhand von Musikgeschmack zu bestimmten Klischee-Konglomeraten zu bekennen und damit die Daten für die Strategien (nicht nur) der Musikindustrie zu liefern?

Ist "Folk" dem gegenüber was anderes bzw. wollen die, die Folkmusik machen, was anderes? Oder doch nur das Selbe, bloß anders? Ist es vielleicht eher eine Haltung als eine Geschmacksrichtung? Wenn ja, kann man die präzisieren?

Grüße
olliB.
 
Eigenschaft
 
Mich interessieren bzgl. der hier aufgeführten Genres eher andere Fragen


Danke für Deinen wichtigen Beitrag! Bevor es mit der Diskussion weitergeht: Dies hier dürfte ein neuer, eigener Thread sein!
 
das denke ich auch. Gebt mir einen Titel und ich ziehe post 43 und 44 raus und mache dafür einen neuen Thread auf.
 
Gebt mir einen Titel und ich ziehe post 43 und 44 raus und mache dafür einen neuen Thread auf.

Hi Akquarius,

hatte ich selber auch überlegt, nachdem´s fertig war. Mir würde irgendwas in Richtung "Ist Folkmusik eigentlich Geschmackssache?" gefallen. Aber ich habe jetzt gar nicht recherchiert, ob´s den in Abwandlung schon gibt.

Grüße
olliB.

P. S.
Dürfte von mir aus gerne auch viel provokanter ausfallen.
 
das denke ich auch. Gebt mir einen Titel und ich ziehe post 43 und 44 raus und mache dafür einen neuen Thread auf.

Würd mich da gern drann beteiligen ...mich juckts gewaltig in den Fingern ... als Österreicher sind wir, was Volks(tümliche)musik betrifft, ja gebrannte Kinder ... den Bayern wirds mitunter ähnlich gehen ...

Wikipedia meint dazu:
http://de.wikipedia.org/wiki/Volksmusik
http://de.wikipedia.org/wiki/Volkstümliche_Musik

LG, Michael
 
Für mich ist eine grobe Unterscheidung diese:

Volksmusik wird vom Volk gemacht, volkstümliche für's Volk ;) :rolleyes:

Greetz :)
 
Für mich ist eine grobe Unterscheidung diese:

Volksmusik wird vom Volk gemacht, volkstümliche für's Volk ;) :rolleyes:

Greetz :)

Meine Interpretation: Volksmusik ist echt, volkstümliche hingegen tut so, als wäre sie echt :cool:
 
… Volksmusik wird vom Volk gemacht, volkstümliche für's Volk

Da ist sicher was dran. Anlässlich der hoffentlich noch recht spannend werdenden Diskussion habe ich mal in meinen Büchern gestöbert und tatsächlich ein ganz spannendes gefunden:

  • Jürgen Frey / Kaarel Siniveer: Eine Geschichte der Folkmusik, Reinbek 1987, ISBN 3 499 17693 9

Darin kommt u. a. Ian Campbell, ein britischer Musiker, zu Wort, der sagt:

  • "Ich habe lange Zeit gebraucht, bis ich herausfand, dass Folkmusik niemals populär war – es war nie die Musik des Volkes gewesen. Ich erinnere mich an die frühen sechziger Jahre, als wir aufgefordert wurden, Folkmusik back to the people zu bringen – dem Volk seine Lieder zurückzugeben. Es gab eine Reihe von Festivals, bei denen man die Gewerkschaften dazu zu bringen suchte, das Folk Revival zu unterstützen – und die Idee, die dahinterstand, war wirklich die, Folkmusik back to the people zu bringen. Also wurde ich aufgefordert, in Kneipen zu gehen und Folksongs zu singen. Man sagte mir, es sei einfach, Folksongs für die zu singen, die ohnehin überzeugt sind – in einem Folk Club, wo du diese spezielle Atmosphäre hast. Aber wenn du wirklich deinen Job machen willst, dann geh in eine Kneipe, wo sie Darts und Domino spielen und ihre Halbe trinken und von ihren Brieftauben erzählen. Wenn du deine Lieder da singst, dann machst du den wirklichen Job. Ich hab´s versucht. Und ganz klar, die Leute waren an Folkmusik nicht interessiert. Es brauchte tatsächlich ein paar Jahre (…), bis man einsah, dass trditionelle Folkmusik niemals im Besitz der Masse der Arbeiterklasse gewesen ist. Es war immer ein Minderheiteninteresse. Es ist zwar eine lebendige Tradition, aber sie wird lebendig gehalten von einer kleinen Gruppe innerhalb der Bevölkerung …"

Hier ist natürlich Folkmusik in seiner politischen Form gemeint, wie sie vor allem in Amerika im Zusammenhang mit der Gewerkschaftsbewegung entstanden ist.

Dem gegenüber die Traditionspflege in der Folklore, wo ich als Kind in den späten 60er-Jahren ein besonderes Erlebnis hatte, als wir uns als Familie auf einem Bauernhof im Salzkammergut eingemietet hatten und jeden Abend die Frauen der Gastgeberfamilie für die Gäste musizierten. Mutter und Tochter singend, sich begleitend mit einer Zither.

Grüße
olliB.
 
Ian Campbells Worte erstaunen mich nicht. Ich werd manchmal das Gefühl nicht los, als sei Folk nur denen zugänglich, die sich auf diese Musik einlassen wollen. Und eben nicht die Butterbrotmusik, die angeblich "des Volkes" ist und zum Volk gehört.
 
Ich schreib mal was ... obs zum Thema paßt oder nicht, trau ich mir nicht zu sagen :)

In Österreich wurde/wird die 'Volksmusik' von der alteingesessenen Bevölkerung (Musikanten für Hochzeiten und andere Festivtäten) getragen, die eigentlich schon seit Jahrhunderten in relativ stabilen Gesellschaftsstrukturen lebt. So vermutlich auch in Zentralfrankreich, wo sich z.B. eigentlich bis heute durchgehend die Drehleier gehalten hat (in Östererreich ist dieses Instrument schon um 1850 herum weitgehend verschwunden), vermutlich auch aus dem Grund, weil gesellschaftspolitische Umwälzungen (von Landarbeiter/Bauern zum Fabriksarbeiter) dort gar nicht wirklich hingekommen sind. Daher hat sich alte/ursprünglich/echte Volksmusik meiner Meinung nach in eher abgelegeneren Regionen Europas eher gehalten als in jenen, die von der Industrialisierung erfaßt wurden. Die Industrialisierung hat quasi viele Leute 'entwurzelt' und sie mußten sich in neue Strukturen einleben, die teils völlig konträr zu den alten sind.
Die Volksmusik war auch schon immer modischen und gesellschaftspolitischen Strömungen unterworfen, die dann natürlich Änderungen im verwendeten Instrumentarium und im Repertoire bewirkt hat.
Man nimmt an, daß weit ins 18. Jahrhundert hinein in Österreich Dudelsack (Bock) und Drehleier weitverbreitete Instrumente waren, Geigen und andere Streichinstrumente sind haben dann sicherlich mit den damals modernen Tänzen wie Walzer, Schottisch (Boarisch Polka), ... Eingang in die Volksmusik gefunden. Im 19. Jahrhundert haben durch die Militärmusik Blechblasinstrumente ungemein an Bedeutung gewonnen, sodaß sie heute eigentlich vielen Volksmusikensembles vorkommen.
in der ersten Hälfte des 20. Jahrhundert kammen dann Weiterentwicklungen wie Ensembles nach Tobi Reiser auf. usw ... Man kann Bücher dazu schreiben.
"Folk" in diesem Zusammenhang würde ich als eine der Weiterentwicklungungen der Volksmusik sehen, die vielleich stärker in die Vergangenheit zurückgreift als vorhergehende Entwicklungen.

Es ist sehr schwierig da irgendeine Positionsbestimmung vorzunehmen.
Aktives Musikmachen war und ist immer eine Sache einer kleinen Minderheit. das
war sicherlich auch schon vor 300 Jahren so.
Volksmusik hatte meiner Meinung nach immer einen "Unterhaltungsauftrag".
Wenn man Volksmusik (was wurde gespielt ?) erforschen möchte, muß man immer die Geschichte der Instrumente (mit was wurde musiziert ?) und der Gesellschaft (wer musizierte und wer konsumierte ?) mit erforschen.

Den heutige "Folk" (wobei es im "Folk" sicherlich dutzende Stömungen gibt, die man getrennt betrachten müßte) muß man, glaube ich, genauso betrachten: Wer spielt was mit welchen Instrumenten für welches Publikum ? Und warum überhaupt das Ganze ?

Mir raucht der Schädel und bekomm Kopfweh wenn ich jetzt diese Gedanken weiter stricke ...

My 2 cents ...

LG, Michael
 
Hi Michael,

… in relativ stabilen Gesellschaftsstrukturen lebt.
Sprich: evt. auch wenig medialen Einflüssen (TV, Internet u. ä.) ausgesetzt ist.

Die Industrialisierung hat quasi viele Leute 'entwurzelt' und sie mußten sich in neue Strukturen einleben, die teils völlig konträr zu den alten sind.
Und es im Zuge der zunehmenden Individualisierung sicherlich auch keine gefestigten Rollen innerhalb des öffentlichen Lebens mehr gibt. Sowas spiegelt sich ja vor allem auch in Trachten, Berufs- und Standesabzeichen. In einer Gemeinschaft, wo der einzelne das Ich-Bin-Was-Ich-Tue für sich nicht mehr akzeptieren mag, gibt´s dann für das eigene Verhalten keine übernehmbaren Muster (Rituale) mehr. Stattdessen entsteht Verunsicherung und ein zunehmender Rückzug im Ausdruck.

"Folk" in diesem Zusammenhang würde ich als eine der Weiterentwicklungungen der Volksmusik sehen, die vielleich stärker in die Vergangenheit zurückgreift als vorhergehende Entwicklungen.
Aber der Begriff als solcher ist ursprünglich doch mit engagiertem Liedgut verbunden, das im Zusammenhang mit der amerikanischen Gewerkschaftsbewegung durch Leute wie Woody Guthrie und Pete Seeger populär geworden ist und in dieser Tradition später dann auch die Jugendrevolten (Bob Dylan, Pete Seeger, Joan Baez) begleitet hat. Oder liege ich damit gänzlich falsch. In meiner Erinnerung hatte das mit dem, was die Dubliners hierzulande populär gemacht hat, eigentlich nur soviel zu tun, als es zu einem großen Teil von den gleichen Leuten gemocht wurde.

Mal nebenbei gefragt: ich hatte letzt mal zwei CD-Compilations von den Dubliners ausgeliehen und fand´s durchgängig recht langweilig, bestenfalls das, was walking gills in einem anderen aktuellen Thread als "einfach nur solide Musik" bezeichnet.


Volksmusik hatte meiner Meinung nach immer einen "Unterhaltungsauftrag".
Wobei die Gemeinschaft auf ihre konkreten Musiker angewiesen war und Lieder in der Weise zu Ohren bekommen hat, wie die sie eben spielten, interpretierten bzw. erinnerten. Heute ist alles als Konserve verfügbar und jede halbwegs bekannte Weise kann mehrfach miteinander verglichen werden (siehe wiederum im anderen Thread: Esther Ofarim und die Pogues).

Wenn man Volksmusik (was wurde gespielt ?) erforschen möchte, muß man immer die Geschichte der Instrumente (mit was wurde musiziert ?) und der Gesellschaft (wer musizierte und wer konsumierte ?) mit erforschen.
"Erforschen" möchte ich sie schon, gleichzeitig möchte ich mit ihr vorbehaltlos "abgehen" können, also nicht immer das Qualitäts-Bewusstsein eingeschaltet lassen. Bei mir ist dann aber das Problem, dass ich das nur kann, wenn ich den Interpreten ihren Standort im Hier-Und-Jetzt grundsätzlich glauben kann. Alles, was nur aus der Intention heraus gespielt wird, Altes vor´m Vergessen zu bewahren, kann ich halbwegs ehrenwert finden, mehr aber nicht. Bei vielen Gruppen kommen die Musiker außerdem hinter dem gewählten Genre als Personen (personare = hindurchtönen) nicht zum Vorschein – es bleibt in der Form des "Vorsingens/Vorführens" stecken. Da wird der Folk-Fan doch oft arg benutzt, denn er ist gemeinhin extrem entschlossen, etwas gut zu finden.

Allerdings entwickle ich anhand (ur)alter Aufnahmen durchaus Empathie, gepaart mit Vorstellungen von anderen Zeiten und gesellschaftlichen Zusammenhängen. Das weitet meinen Blick auf das Leben und die Welt (ohne das es unbedingt richtig sein muss, was ich mir vorstelle). Deshalb denke ich, dass jenseits nachprüfbarer Fakten in "guter/echter" Musik sowas wie "Ewiges Gesetz", quasi das Potential im Lebendigen …:eek: (mit) ausgedrückt ist – man merkt, s´ist Weihnachten! :)

Den heutige "Folk" (wobei es im "Folk" sicherlich dutzende Stömungen gibt, die man getrennt betrachten müßte) muß man, glaube ich, genauso betrachten: Wer spielt was mit welchen Instrumenten für welches Publikum ? Und warum überhaupt das Ganze ?
:(:eek: So kann man´s vielleicht auch ausdrücken (oder meinst Du doch was ganz anderes?).

Grüße
Oliver
 
Eure Diskussion findet auf recht hohem Niveau statt, da sitze ich mit offendem Mund da, und weiß noch nicht so recht, wo ich einsteigen könnte. Das sollte eben ein Lob sein.
Folk hören und Folk selbst zu machen sind zwei verschiedene Themen. In Deutschland Folk spielen, ist für mich zunächst ein Problem der Identität. Die eigenen Wurzeln scheinen durch die Nazizeit irreparabel zerstört zu sein, stattdessen haben wir hier die Entwicklung, dass für Hobbymusiker Pop- und Rocksongs mittlerweile die Funktion von Volksliedern übernommen haben, andererseits spielt und singt man Folksongs aus anderen Ländern, allen voran wohl die irischen und amerikanischen Lieder. Halbproffessionelle Ensembles können damit in ihrer Heimatregion sogar durchaus punkten, ich denke, auf internationale Festivals kann man sich mit diesen geliehenen Lliedern kaum trauen, man scheitert dabei dann doch leicht an den authetischen Interpreten aus den Heimatländern der Songs. Wir können dabei ähnlich skurril wirken wie in etwas japanische Jodel- und Schubbladdlergruppen. Das soll nicht heißen, dass es dabei keine Ausnahmen gäbe, mir fallen bloß leider keine ein...

Die eher politischen Folksänger erweisen sich mit ihrem Impuls im neuen Jahrtausend auch nicht als eine noch vertretbare Lösung, ich meine, dass meist stark ideolgisch gefärbte und unemotionale Weltbild, oft schulmeisterlich und mit erhobenem Zeigefinger zelebriert, löst mittlerweile eher befremdliche Gefühle aus.

Trotzdem lebt Folk erstaunlicherweise immer noch, ich denke, die Orientierungsphase wird in Deutschland halt noch eine Weile andauern.
 
In Deutschland Folk spielen, ist für mich zunächst ein Problem der Identität. Die eigenen Wurzeln scheinen durch die Nazizeit irreparabel zerstört zu sein

Hi Dieter,

hier - denke ich - haben aber Gruppen und Leute wie Zupfgeigenhansel, Hein & Oss, Hannes Wader, Ougenweide, Elster Silberflug und viele andere in den 70ern gute Arbeit geleistet und dem "Volk" seine Wurzeln wieder - wenn vllt nicht ganz zurück - dann doch wieder näher gebracht. - Mir zumindest :rolleyes:

Ich habe es anderer Stelle schon mal geschrieben, ich mag die deutschen Volkslieder sehr gerne, seien es nun die "echten" aus traditionellen Quellen oder auch die aus dem Bereich "Kunstlied" der Komponisten der Romantik.

Greetz :)
 
(…) Die eigenen Wurzeln scheinen durch die Nazizeit irreparabel zerstört zu sein, …
Den Aspekt hätte ich gerne mal ein wenig präziser. Was gab´s eigentlich an musikalischen Wurzeln bis zur Nazi-Zeit? Ist damit das Liedgut – z. B. "ein Jäger aus Kurpfalz" – gemeint, das ich als Kind in der Grundschule im Musikunterricht durchaus habe singen müssen? Oder ist es eher eine Entwurzelung, die dadurch entstand, weil nach dem Krieg die Leute unerträglich waren, die über die Greuel, an denen sie mitgewirkt haben/mitwirken mussten, das Maul nicht aufkriegten und stattdessen umso lieber an altem Brauchtum anknüpfen wollten, um besser verdrängen zu können. Was ich meine: möglicherweise war´s nicht die Nazi-Zeit, sondern vielmehr das Problem, welches Intellektuelle mit einer neuen Fröhlichkeit (in alten Formen) derer hatten, von denen immer noch glaubwürdige Antworten fehlten.

Wobei man aber bedenken muss, dass es im Bereich der Kunst bereits vor dem ersten Weltkrieg eine Menge an Entwicklungen gab, die auf eine Internationalisierung hinzielten.

… stattdessen haben wir hier die Entwicklung, dass für Hobbymusiker Pop- und Rocksongs mittlerweile die Funktion von Volksliedern übernommen haben, …
Beispiel: sitzt ´ne Oma im Altersheim rauchend im Foyer, während im benachbarten Saal eine ehrenamtliche Chorleiterin (ca. 50 Jahre alt) die alten Lieder anstimmen lässt. Auf die Frage, warum sie denn nicht mitmache, kommt die Antwort: "Steh´ ich nicht drauf. Meine Musik, das sind die Rolling Stones."

… ich denke, auf internationale Festivals kann man sich mit diesen geliehenen Lliedern kaum trauen, man scheitert dabei dann doch leicht an den authetischen Interpreten aus den Heimatländern der Songs.
Solange man imitativ und idylle-suchend daran geht, hast Du sicherlich recht. Andererseits kann eine Interpretation aus einem anderen kulturellen Kontext auch Einheimischen die Ohren mal richtig freipusten. Ist ja nicht so, dass die Sachen von innen heraus immer gute Entwicklungen nehmen.

Kennt hier jemand bulgarische Folklore? Das ist Musik mit Klarinette(n), Akkordeonen, Gesang u. a. in manchmal 11/8 teln und oft in einem Höllentempo, das sich jeglichem analytischen Ansinnen entzieht. Fragt man beispielsweise bulgarische Studenten nach dieser Musik, die als Mysterium ein originärer Beitrag dieses ansonsten armen Landes zur Weltkultur sein könnte, erntet man Kopfschütteln. Peter Bastian, ein dänischer (klassischer) Klarinettist (Meisterschüler von Celibidache) hat sich damit mal sehr intensiv beschäftigt und später eine gemeinsame Tournee mit einem ländlichen Ensemble aus Bulgarien (… Jankov) organisiert. Ich möchte sagen, dass es fast lebenserhaltend für die bulgarische Musik wäre, wenn sich Interesse und Begeisterung auch außerhalb des Landes entwickeln würde.

Bei irischer Musik ist das wahrscheinlich was gänzlich anderes. Ihr Wert als "Export-Artikel" und als touristische Attraktion (inzwischen ja auch schon als Pub-Kultur über die Grenzen des Landes hinaus etabliert) ist allgemein bekannt.

Die eher politischen Folksänger erweisen sich mit ihrem Impuls im neuen Jahrtausend auch nicht als eine noch vertretbare Lösung, ich meine, dass meist stark ideolgisch gefärbte und unemotionale Weltbild, oft schulmeisterlich und mit erhobenem Zeigefinger zelebriert, löst mittlerweile eher befremdliche Gefühle aus.
Naja … immerhin sind die Zeiten mittlerweile wieder so, dass ein "Artikulierer" großen Erfolg hätte. Wer jetzt den Ton und den richtigen Gestus findet (natürlich nicht die Belehrung o. ä.), könnte schnell sehr populär werden und damit zeigen, dass wir das bestehende Vakuum vor lauter singenden Comedians, rockenden Geigenvirtuosen und deutsch-textenden Soul-Imitationen nur nicht bemerkt haben.

Grüße
Oliver
 
Ich finde, das Niveau der Folklore wird hier sehr hoch eingeschätzt_vieleicht zu hoch.

Handelt es sich nicht im Grunde um Tanzmusik, die den grauen Alltag hinter sich lassen wollte.
Diese Musik wurde ursprünglich auf Festen gespielt zu allerlei Anlässen. Die Struktur von Harmonie und Rhythmus kann nur zufällig und Instrumentabhängig entstanden sein, denn alles steckte sozusagen in den Kinderschuhen.

Da gab es noch Sänger oder Alleinunterhalter, die wanderten von einer Region zur anderen, um sich mit ihren Liedchen zu ernähren. Die Lieder haben nicht den tiefsten philosophischen Sinn, sie verlauten mehr Zeitgeschehen und Protest, falls es mal einer wagte öffentlich_man hatte ja nur einen Kopf, den man weiterhin behalten wollte.

Gruß,
Joachim
 
Wobei wir hier vielleicht auch noch unterscheiden sollten, dass es von verschieden Völkern gibt. Denn jede Art von Folk hat seine Eigenart. Ich kann jetzt dazu aber nicht viel schreiben, da ich mich nicht so gut in der Theorie auskenne, aber vielleicht kann da jemand was dazu sagen, denn ich finde nicht, dass Folk in den Kinderschuhen steckt. (wie gesagt ich kann es nicht genau sagen, ich habe bis jetzt nur Folk gehört:screwy:)
 
Ich meine den Ursprung der Folklore, der kann 200 - 1000 Jahre zurück liegen, bei manchen Völkern einige 1000 Jahre.
 
hier - denke ich - haben aber Gruppen und Leute wie Zupfgeigenhansel, Hein & Oss, Hannes Wader, Ougenweide, Elster Silberflug und viele andere in den 70ern gute Arbeit geleistet und dem "Volk" seine Wurzeln wieder - wenn vllt nicht ganz zurück - dann doch wieder näher gebracht...
Hallo Peter,
die Leistungen der oben genannten wollte ich in keiner Weise kleinreden, allerdings ist, seit diese Interpreten in den Siebzigern gewirkt haben, nicht mehr viel passiert. Wenn man so will, ist der Funke nicht mehr übergesprungen!

Den Aspekt hätte ich gerne mal ein wenig präziser. Was gab´s eigentlich an musikalischen Wurzeln bis zur Nazi-Zeit? Ist damit das Liedgut – z. B. "ein Jäger aus Kurpfalz" – gemeint, das ich als Kind in der Grundschule im Musikunterricht durchaus habe singen müssen? Oder ist es eher eine Entwurzelung, die dadurch entstand, weil nach dem Krieg die Leute unerträglich waren, die über die Greuel, an denen sie mitgewirkt haben/mitwirken mussten, das Maul nicht aufkriegten und stattdessen umso lieber an altem Brauchtum anknüpfen wollten, um besser verdrängen zu können. Was ich meine: möglicherweise war´s nicht die Nazi-Zeit, sondern vielmehr das Problem, welches Intellektuelle mit einer neuen Fröhlichkeit (in alten Formen) derer hatten, von denen immer noch glaubwürdige Antworten fehlten.
Wobei man aber bedenken muss, dass es im Bereich der Kunst bereits vor dem ersten Weltkrieg eine Menge an Entwicklungen gab, die auf eine Internationalisierung hinzielten.

Hallo Oliver,
Den Jäger aus Kurpfalz habe ich tatsächlich nicht gemeint. Ich denke, vor 1933 gab es eine Entwilcklung bei Arbeiterliedern, wenn man den Film "Kuhle Wamppe" von Berthold Brecht sieht, kriegt man eine Ahnung davon. Außerdem gab es sicherlich den frechen und respektlosen Gassenhauer. Die Texte con Tucholsky, Kästner und Mühsam vermitteln ja einen Eindruck, zu was man damals schon in der Lage war. Einiges der wenigen noch bekannten Zeugnisse aus dieser Zeit mögen die Comedian Harmonists sein mit ihrer Mischung aus Folklore, Kunstlied und Jazz.

Grüße, Dieter
 
... allerdings ist, seit diese Interpreten in den Siebzigern gewirkt haben, nicht mehr viel passiert. Wenn man so will, ist der Funke nicht mehr übergesprungen!

Hi Dieter,

das ist leider nur zu wahr :( Diese Volkslieder sind in eine Nische gerutscht, aus der sie nur noch die "Eingeweihten" ab und an mal hervorholen.

Greetz :)
 

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