Frage zur Stimmführung:

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Anna 13
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Ich habe gerade im Internet die gepostete Aufgabe plus Lösung gefunden und habe eine Frage dazu: Wieso bleibt in der Lösung vom 5. zum 6. Akkord das G nicht in der Tenorstimme liegen? Ich hätte da G1-C2- E2 geschrieben? Wäre das falsch?
 
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Erst mal Willkommen im Musiker-Board!

Der Lösungssatz folgt (ziemlich) konsequent dem Prinzip der Gegenbewegung der Oberstimmen im Verhältnis zum Bass. Wenn du den 6. Akkord G1-C2-E2 notierst, gehen alle Stimmen nach oben und du bekommst zwischen Bass und Alt eine verdeckte Oktavparallele. Da es sich beim Alt um eine Mittelstimme handelt und da der Alt schreitet und der Bass springt, nicht so wild, kann man machen. Aber in der Gegenbewegung klingt es etwas schlüssiger.
 
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Wow, danke!
Mir ist einfach nicht ganz klar, welche Stimmführungsregeln gewichtiger sind als andere...gibt es da irgendwo eine Zusammenfassung? Also Auflösungen stehen an erster Stelle, dann Gegenbewegung?
 
Eine gute Zusammenfassung findet sich u.a. in dem Buch "Harmonielehre im Selbststudium" von Thomas Krämer (Verlag Breitkopf & Härtel).
Wobei sich diese nur auf den strengen, sozusagen "klassischen" (vierstimmigen) Satz beziehen. Wer diese Regeln ´befolgt´, wird im Ergebnis normalerweise mindestens einen korrekten und ordentlich klingenden Satz fertig bekommen.

Aber die Regeln sind nicht alles. Es gibt zwar durchaus eine Art Hierarchie dabei, so sind offene Quint- und Oktavparallelen unbedingt zu vermeiden, aber eine Regel wie die, dass die Terz nicht verdoppelt werden sollte, ist dagegen ganz schwach, denn oft ist das wegen anderer Stimmführungen, die sinnvoller und wichtiger sind, nicht nur nicht vermeidbar, sondern vor allem die klanglich bessere Lösung (z.B. bei der Auflösung eines Dominant-Septakkordes mit Septe im Bass).
In diesem Fall die Terzverdopplung vermeiden zu wollen, hätte ggf. kuriose und unschön klingende Sprünge in den Stimmen zur Folge, auf jeden Fall aber eine schlechter klingende Folge. Daher wird wenn man so will gegen diese Regel "verstoßen", und weil das oft geschieht, ist diese Regel nur eine sehr nachgeordnete Regel. Sie gilt aber dann, wenn es keine solchen übergeordneten Stimmführungen gibt wie bei der beispielhaften Auflösung des Sekund-Akkords.

Dabei geht es stets um den guten Klang.

Die Regeln sind historisch betrachtet fast immer im Rückblick aus der geübten und vorherrschenden Praxis abgeleitet worden, sozusagen als "Bestandsaufnahme", in der sich der zum jeweiligen Stil und Genre gehörende "gute Klang" eben in der Praxis entwickelt hat, zudem üblicherweise eingebettet in den vorherrschenden Zeitgeschmack.
 
Wenn du das für eine Aufnahmeprüfung vorbereitest (ist ja jetzt gerade die Zeit dafür), dann gibt es durchaus eine Hierarchie, in der die Regeln des vierstimmigen Satzes beachtet werden müssen. Es gibt im Rahmen von Aufnahmeprüfungen Generalbass- und Kantionalsatz-Übungen, für die im großen und ganzen aber die gleichen Regeln gelten. Trotzdem solltest du deinen Theorielehrer nach seiner Einschätzung der Wichtigkeits-Hierarchien befragen. Ich schlage folgende Abstufung in "Basics" (=wenn du da da deutliche Fehler machst zeigst du fehlendes Grundverständnis) und "historische Ideale/Regeln" vor (=Fehler dort zeigen "nur" Unkenntnis der spezifischen Ästhetik und Tradition):

absolute Basics:
1. Akkorde sollten grundsätzlich vollständig sein, d.h. Grundton, Terz und Quinte sollten vorhanden sein
2. Gesetz des nächsten Weges: die Stimmen sollen sich möglichst wenig bewegen
3. Tonumfänge von Gesangsstimmen einhalten, keine extremen Lagen
4. Vermeidung von Prim-, Quint- und Oktavparallelen


die historischen Ideale bzw. Regeln:
1. Septimen im Dominantseptimakkord nach unten auflösen, Leittöne immer nach oben, Quarten in Quartvorhalt-Situationen nach unten zur Terz
2. Dissonanzen vorbereiten
3. Abstand Bass-Tenor höchstens zwei Oktaven, nicht mehr!
4. Verdopplung der Terz soll möglichst vermieden werden. Ist die Terz im Bass, ist die Verdopplung verboten
5. Quartsextakkorde dürfen nur in einer Kadenz vorkommen und sind als Vorhaltsquartsextakkorde zu betrachten ( siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Quartsextakkord#Vorhaltsquartsextakkord )
6. Dissonanzen am besten in die Mittelstimmen legen (Quartvorhalt, Septimen, Sixte ajoutée)
7. im Bass darf nur Grundton oder Terz des jeweiligen Akkordes stehen (Ausnahme: wenn der Bass einen Durchgang oder ein eigenständiges Motiv hat. Das ist im Rahmen von Aufnahmeprüfungen aber fast nie möglich oder sinnvoll)


Die zwei Mittel, mit dem du viele Problemsituationen in den Griff bekommst, sind die enge Lage der drei Oberstimmen (und damit die Eigenständigkeit des Basses) und die Stimmführung, dass die drei Oberstimmen sich idealerweise parallel bewegen und die Bassstimme gegenläufig (natürlich nur, wenn die Oberstimmen sich nicht in verbotenen Parallelen bewegen). Das letztere ziemlich entscheidende Prinzip ist die Gegenbewegung,
 
Vielen Dank für die ausufernden und sehr hilfreichen Antworten! Das Buch werde ich mir besorgen!
Es wird eh schon leichter.. das Ganze ist ein bisserl wie Sudoku..es muss halt in alle Richtungen passen...macht eigentlich Spaß!
LG
 
:LOL::rofl:

das Ganze ist ein bisserl wie Sudoku..es muss halt in alle Richtungen passen...macht eigentlich Spaß!

Das ist toll, wenn es dir letztlich doch Spaß macht!
Ich mache auch viel Sudoku, aber ich vergleiche Tonsatz lieber mit Kreuzworträtsel: es gibt die beiden Richtungen "waagrecht" und "senkrecht", Und in beiden Richtungen gibt es mehrere Randbedingungen bzw. Vorgaben. Ganz oft liegen die Randbedingungen und Vorgaben so, dass es sowieso nur eine oder zwei mögliche Lösung gibt (wo es beim Kreuzworträtsel i.d.R. nur eine gibt). Beim Tonsatz gibt es dann halt noch die ästhetische Bewertung, welche Lösung einem selbst gefällt (wenn wir über Harmonisationen reden würden, was in deinem Beispiel nicht der Fall ist).

Auf jeden Fall braucht man eine Lust am Tüfteln, die sehr vergleichbar zum Lösen von Rätseln ist.

Viel Erfolg!
 
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