Also, sie (GAX30 TCR, die letzte E-Gitarre im '21er Katalog vor dem Jumstart Set, wohl das "kleinste", was Ibanez zu bieten hat, wenn man nach der Reihung im Katalog geht) kam statt Freitag erst heute, Dienstag an. Dafür war sie mit € 220,- nochmal 9,- billiger als erwartet.
Review Stand 14.09.21
Erster überraschter Eindruck beim Auspacken im Laden: "Wow, da hat sich was getan". Sofort war klar, dass ich sie nehme. Zumal es eben die letzte war, die bei Meinl lagernd war.
Die "neue" GAX30 beerbt eher die alte "70er" denn die früheren GAX30. Schraubhals zwar, aber asynchroner "AANJ" Übergang. Der Hals ist ein einteiliger Ahornhals der schnellen, sehr komfortablen Sorte, 12" mit 20-22mm. Erinnert mich an die Artist und Performer der 70er und 80er Jahre. Der Hals ist zart matt lackiert und sehr angenehm zu spielen, das weiße Bindig und die Block Inlays wirken wertiger als der schlichte Hals früher. Am Headstock gibt es außer der Beschriftung und der eleganten Artist-Form kein Binding oder weiteren Zierrat. Die Halsstab-Abdeckung ist die inzwischen übliche Schiebeklappe. Überrascht haben mich die guten (wenn auch 08/15) Mechaniken und ein GraphTech-ähnlicher Sattel (Im Prospekt steht "black plastic", aber es ist ein sehr fein strukturiertes Material, sieht aus wie BlackTusq und verhält sich auch so, zumindest bisher).
Weiter runter, am leichten, wohlgeformten 3-teiligen Linden-Body fallen die Formen auf, die an die S-Serie erinnern. Am rechten Unterarm ist der Korpus knappe 2cm schlank. Die leicht transparente rote Lackierung ist tadellos ausgeführt und steht der Gitarre gut. Die mit Gummibeilagscheiben montierten Gurtpins in Strat-Position (oberes Horn & hinten Mitte) sind ok, da gabs schon schlimmeres. Trotz des leichten Korpus, gibts keine Kopflastigkeit. Die beiden Potis (leider keine SureGrip Knöpfe sondern normale "Custom" Knobs), Volume und Tone, waren wie der Wahlschalter mit Schaumstoff geschützt und alles arbeitet sauber und angenehm. Vor allem der Umschalter ist besser als erwartet. Sattes klacken ohne Geräusche im Amp. Die Potis sind, wie bei einer geraden "Decke" auch nicht anders zu erwarten, in gleicher Höhe mit etwa 1,5mm Abstand montiert.
Als Brücke kommt hier nun die Gibraltar Performer mit dem Quickchange Tailpiece zum Einsatz, was mir sehr gut gefällt. So eine Tom mit weitem Weg lässt viel Spielraum und passt gut zum Instrument, die alte 30er hatte ja eine einfache feste Brücke. Die beiden einfachen "Infinity R" Pickups sind dank unterschiedlicher Breite passend zum Verlauf der Saiten, was zwar nur optisch relevant ist, aber ich lege Wert drauf. Das Pickguard ist übrigens passend zum einfachen Binding 3-lagig. Sieht gut aus. Einziges Manko, das aber gut verschmerzbar ist, ist die Klinkenbuchse, die auf einem nicht 100% passgenau gebogenen Blech sitzt. Sie hält aber gut und gibt sonst keinen Grund zur Beanstandung. Die größeren Modelle mit teureren Buchsen kosten auch deutlich mehr.
Da ich die Gitarre im Laden abgeholt habe, bekam ich sie ordentlich eingestellt. Das ist ja derzeit immer wieder mal problematisch bei den Gios. Hier gibts aber nix zu meckern. Die "Medium" Bünde sind perfekt abgerichtet und "natürlich" die Enden gut gefeilt. Nur die Oberflächen sind kaum bis gar nicht poliert. Hier brauchts entweder ein paar Stunden Spiel oder, wie in meinem Fall etwas Stahlwolle. Da das Griffbrett recht hell und staubtrocken war, habe ich hier gleich mit dem Aufziehen neuer Saiten auch noch die Bünde poliert und dem Griffbrett dunkles Öl gegönnt. Immer mehr erinnert mich der Hals die alte Performer. Wirklich super.
Nach einer halben Stunde begutachten, ölen und polieren gings dann an den Amp. Und da kam die Überraschung Nummer 2: Die Infinity R, die sonst nie gut klingen, passen hier super zum Holz. Halsposition druckvoll knackig bis laaaangatmig singend mit zunehmender Zerre, Stegposition trocken, sauber, aber nicht rachitisch dünn. Nur die Mittelposition ist absolut "nichtssagend". Es gibt aber nur wenige Gitarren mit zwei Humbuckern, wo die Mittelstellung besonders gut klingt. Die Dosierung der Zerre mit dem Poti funktioniert an allen Amps sehr gut, das Tone-Poti wird bei mir wohl nur sehr selten Verwendung finden, vielleicht setze ich dort ja mal stattdessen einen Killswitch rein oder was anderes...
Als "Vergleich" in der Kategorie geben sich übrigens die "kleine" SG Fusion (ums dreifache Geld) und die Epiphone SG Special (die dafür noch billiger ist) deutlich geschlagen. Die Gibson war mit bedingt brauchbarer Verarbeitung und "unangenehmem" Hals gestraft und die Epiphone zeigt sich als Inkarnation der 70er, als billig gemachte Kopie einer SG eher zum an die Wand hängen geeignet.
Die GAX30 würde ich am ehesten mit der Revstar von Yamaha in Konkurrenz sehen, die ebenfalls einen angenehmen (wenn auch dickeren) und "sogar" eingeleimten Hals hat und damit annähernd gleich viel Sustain und Punch bietet, dafür aber bei ca. dem doppelten Preis beginnt.
Also um mein Fazit abzugeben, nach jetzt etwa 3 Stunden spielen auf der Gitarre:
Hoffen wir, dass da noch welche nachgeliefert werden!
Mit dem Hals, der Brücke und dem, was da rauskommt, kann ich die GAX30 '2021 auf jeden Fall jedem Einsteiger, der eine SG-ähnliche Gitarre sucht, jedem Freizeitgitarristen der in die Richtung schielt, allen Eltern, die für die Kids was einfaches suchen, aber auch jedem anderen, der zum Beispiel eine leichte Reise-Gitarre, eine 7. oder 8. Gitarre sucht, voll und ganz empfehlen.
Pro:
Preis, Haptik, Optik, Verarbeitung, Sound, Gewicht, Hardware
Con:
eigentlich genau gar nix in Hinblick auf den Preis. Im Vergleich zu teureren Instrumenten vielleicht die sehr einfachen Pickups, wenig Zierrat, günstiges Holz (aber überraschend klangstark).
Oh und noch was zur Verarbeitung: diese € 220,- Gitarre kommt aus China, nicht Indonesien, Korea oder Japan und es gibt keinen einzigen Verarbeitungsmangel. Die Intonation ist perfekt (der gute Mann im Laden hat nur den Hals begradigt und sie durchgestimmt), die Sattelkerben perfekt, die hochwertige Brücke perfekt eingestellt (1,3mm Saitenlage ab Werk ohne Schnarren oder Deadspots ist doch ne Ansage, oder?). Merkliches Schnarren gibts übrigens erst mit 10ern und C Stimmung oder 9ern schon bei C#. Damit kann man auch gut leben.
Wen also die Frage plagt, ob sie eine gute Gitarre ist: Ja ist sie.
Nur die Geschmacksfrage muss jeder für sich klären.