Geigenbau zu Stradivari-Zeiten – übertragbar auf E-Gitarre, E-Bass?

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Hallo Miteinander! Meine erste Frage wäre, ob Bautechniken inkl. Werkzeuge des Geigenbaus zu Stradivari-Zeiten gut bekannt sind und es z.B. ein gutes Buch darüber gibt. Darauf aufbauend dann die Frage, ob bzw. wie gut solche Techniken auf den Bau von E-Gitarren und E-Bässen übertragbar sind, wenn man diese weitestgehend händisch herstellen möchte. Bzw. ich würde das gern kombinieren. Halstasche oder Öffnungen für Pickups gern mit einer kleinen Fräse. Mich interessieren aber verstärkt händische Alternativen zu Elektrowerkzeugen bzw. zu modernen Fertigungstechniken. Klar sind heutige Techniken effizienter, es gibt aber sicherlich auch effiziente Techniken aus damaligen Zeiten. Wenn man ganz ohne Ahnung einen Hammer oder so in die Hand nimmt, dann ist man noch weniger effizient, wenn man die erprobten und sich bewährten Techniken von früher nicht kennt. Deshalb die Frage, ob es ein gutes Buch gibt, wo alte effiziente Techniken beschrieben sind, und ich gehe jetzt halt vom Geigenbau aus. Wobei Gitarren, Klaviere oder gar z.B. Möbelstücke auch schon vor Jahrhunderten ohne Elektrizität bzw. moderne Werkzeuge von heute hergestellt wurden. Mein Ziel sind aber keine Möbelstücke oder Klaviere, sondern E-Gitarren und E-Bässe. Ich hoffe, ich konnte mein Anliegen einigermaßen verständlich schildern. Bin gespannt auf eure Antworten! Danke schon mal!
 
Eigenschaft
 
Schau dir mal Martin Kochs Gitarrenbaubuch an, dort wird erklärt, wie du eine E-Gitarre selbst machen kannst, und nur schon aus Kosten- und Infrastrukturgründen musst du vieles von Hand machen. Die Maschinen, die dir das abnehmen (CNC z.B.) sind für einen Bastler oder Kleinserienhersteller nicht wirklich erschwingbar.

Meine ersten Gitarren habe ich mit einer Stichsäge, einer Oberfräse, und ansonsten nur Handwerkzeug ergestellt, und diese Gitarre ist immer noch in Betrieb (nach 15 Jahren....)

Gruss
 
Sicher sind die alten Techniken 1:1 auf die modernen Instrumente anwendtbar. Allerding musst du beachten, dass die Geigenbaumeister ihre Techniken über Jahre hinweg perfektioniert haben. Mal eben schnell eine Gitarre mit den alten Techniken bauen, wird nicht funktionieren. Wenn du allerding 30 Jahre lang jeden Tag 10-14 Stunden übst, wirst du bestimmt eine meisterliche Gitarre hinbekommen. Also prinzipiell steht dem sicher nix im Wege. Wobei ich aber zu bedenken gebe, dass die alten Meister ihre Techniken nicht nur angewendet haben, weil es so toll war, sondern weil sie keine CNC-Fräsen zur Verfügung hatten.

Grüße, Marc
 
Schau dir mal Martin Kochs Gitarrenbaubuch an, dort wird erklärt, wie du eine E-Gitarre selbst machen kannst
Das Buch habe ich schon. :cool: Ich dachte, es könnte ganz interessant und nützlich sein, eine vertiefende Literatur zu lesen, die geschichtlich etwas weiter zurück geht. Also gern, wo ganz genau beschrieben wird, wie und mit welchen Werkzeugen Stradivari gearbeitet hat. ;-) Oder würde das nichts bringen, wenn man E-Gitarren und E-Bässe bauen möchte? :confused:
 
Mir ist noch immer nicht klar, was du da genau ´übertragen´ willst... .
 
Geh zum Geigenbauer deines Vertrauens, der wird dir wahrscheinlich sagen können, welche Werkzeuge und Techniken Stradivari verwendet hat.
 
Eine bekannte war an der "Geigenschule" in Mittenwald und lernte Zupfinstrumentenbau. Sie meinte, dass die Werkzeuge grundsätzlich noch identisch sind wie vor mehreren hundert Jahren. Also hauptsächlich Meißel, Beitel, Ziehklingen, etc.  

Eigentlich die selben Werkzeuge wie in den Schreinereien.
 
Das Wissen WAS benutzt wurde ist natürlich interessant, aber das WIE macht einfach den Unterschied. Sicher alles kein Voodoo, aber viel Übung und handwerkliches Geschick (bendingt durch viel Übung) ist da schon nötig. Werkstoffkunde natürlich auch. Für mich als Metaller ist es faszinierend, wie ein Fachmann ein Stück Holz "lesen" kann. Ich hab einen Heidenrespekt davor.
 
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Wenn das alles in Büchern so genau beschrieben wäre hätte es keiner Überlieferung bedurft und es könnte heute jeder ein Geigenbauer sein, der so ein Buch liest.
Der Instrumentenbau ist ein Lehrberuf und die Schule in Mittenwald wäre überflüssig, wenn man das alles so genau beschreiben könnte.
Da wurde und wird sehr viel Erfahrung vom Meister zum Lehrling weitergegeben.
Es gibt natürlich einige Werkzeuge des Geigenbauers, die auch bei einer Gitarre funktionieren würden, allerdings braucht man bei E-Gitarren und E-Bässen weniger den kleinen Schnitzer, oder den kleinen Hobel, sondern eher die Raubank, die Bügelsäge, die Raspel und Feile, den Bohrer, den Stechbeitel und weitere Werkzeuge die eher im Möbelbau (und auch teilweise im Geigenbau) üblich waren und teilweise noch sind.
Wenn Du mehr über den Geigenbau erfahren willst, kann ich Dir nur @Kylwalda's Thread empfehlen in dem sie sich an manche Technik herantastet, manch Literatur erwähnt und besprochen wird und auch unser werter @fiddle viel von seinem Wissen als gelernter Geigenbauer preis gibt.
 
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Mein Ziel sind aber keine Möbelstücke oder Klaviere, sondern E-Gitarren und E-Bässe. Ich hoffe, ich konnte mein Anliegen einigermaßen verständlich schildern. Bin gespannt auf eure Antworten! Danke schon mal!

Wenn ich das jetzt richtig verstehe, dann geht es dir um die Übertragbarkeit der Arbeitsweise (mit den entsprechenden Werkzeugen) eines Antonio Stradivari - für den Bau von elektrischen Gitarren und Bässen.... hm? Wozu soll das gut sein... Dass man solche Instrumente komplett ohne elektrische Werkzeuge - oder besser - mit traditionellem Werkzeug, wie es z. T. auch im Geigenbau Verwendung findet, gebaut werden können - wäre ja nichts neues... Hier ein schönes Video... (Alles ohne elektrische Geräte). Aber.....

..... wozu sollte man diese Technik (der Geigenbau ist auch heute noch sehr an traditionelle Bauweisen angelehnt) auf die E-Gitarre übertragen wollen... Anders gefragt, was erhoffst du dir davon... ? Dass eine E-Gitarre / Bass dann ebenso meisterlich wird wie eine Stradivari? Für akustische Instrumente mag das ja noch nachvollziehbar sein... oder bei den "dicken" Jazz Ladys, die ja schon in der Art von Violinen gefertigt werden und wo das selbe Werkzeug zum Einsatz kommt... und die z. T. auch sehr virtuos gebaut werden.. Aber bei einer Solidbody Guitar... Was soll das bringen.... Meine persönliche Meinung und Erfahrung schließt sich dem Geist an, der ursprünglich hinter dem Konzept der "Soliden" Gitarren steht... Möglichst wenig akustische Eigenschaften.... Die Kunst im E-Gitarrebau besteht daraus - sämtliche Komponenten so miteinander zu verbinden, dass eine gute Tonübertragung entsteht, die letztlich dann verstärkt wird... und dass dann noch unter Berücksichtigung, dass da sehr viele Musiker unterschiedlicher Auffassung sind...

Mit "Stradivari" wird man im E-Gitarrenbau wohl nicht sehr weit kommen..... ;).... Aber auch das mag Jeder so sehen wie er mag....
 
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Es gibt so etwas, was du suchst: Benedetto hat ein Video veröffentlicht, dass genau erklärt, wie er eine Gitarre baut. Es handelt sich dabei um Archtops, Benedetto ist wohl DER Meister auf diesem Gebiet. Der macht alles von Hand, und vieles davon ist wohl mit dem Geigenbau vergleichbar, halt einfach eine Stufe grösser. Ich hatte das video mal, ich weiss nicht, obs das noch gibt. Es war mehrer Stunden dem Meister über die Schulter schauen.

Aber wenn du Solid-Body Brettgitarren bauen willst: nimm den Koch und vergiss all das Voodoo, das es darum gibt. Grundsätzlich handelt es sich um ein stück holz mit Hals (auch nur ein stück holz), dass du sorgfälltig zusammenschrauben solltest. Fehler werden sich nicht gross auf den Klang auswirken, da ist die Wahl der Pickups z.B. viel wichtiger (HB oder SC ect.). Gerade wenn du das probieren möchtest: Vergiss alles, was du in diesem Board gelesen hast, vieles davon kommt direkt von irgendwelchen Marketinggetriebenen Spezialisten und hat nicht viel mit Gitarrenbau / Klang zu tun.
 
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Danke für die Antworten! Wollte halt allgemein schauen, ob man sich vom Geigenbau inspirieren lassen kann... Wer weiß wofür genau... Für Semiakustik, für etwas spezielle Kopfplatten, für gewölbte Bodys, für gerade Griffbretter usw. Je nachdem könnte man die Techniken dann übertragen, dachte ich. Koch ist auch nicht lückenlos. Z.B. händisch die Bretter für Hals und Griffbrett plan schleifen – wird dort nicht erklärt. Habe heute nach dieser Methode angefangen und dabei gedacht, wie es wohl früher gemacht wurde... ;)
 
Hmm, also plan schleifen und das auch noch von Hand...
...das halte ich eher für schwierig und zu ungenau. Vorallem für eine anschließende Verklebung der beiden Flächen.

Früher und heute hat man dafür eine Raubank genommen.

Das elektrische Pendant ist die Abrichte
 
...und hat hier schon mal jemand erfolgreich ein Ebenholzgriffbrett mit `ner Rauhbank abgerichtet???

Ich finde das Thema übrigens sehr interessant und bin selbst jemand der wann immer es geht alte Handwerkzeuge benutzt. Gibt kaum was schöneres als das Pfeifen eines scharfen Hobels im Holz. Dazu riecht es gut und stählt die Muskeln...
 
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Also die Werkzeuge, die es damals gab, gibt es heute immer noch: Hobel, Säge, Hammer, Stechbeitel... Und ich bin zwar kein Schreiner, aber ich vermute mal, dass man die in der Ausbildung immer noch kennen lernt. Und warum sollte man die nicht verwenden können? Du kannst natürlich eine ganze Gitarre ohne elektrische Hilfsmittel bauen - wenn du genügend Ausdauer hast und ein bisschen Talent.

Du darfst aber nicht außer Acht lassen, dass die Leute damals sehr viel mehr Erfahrung damit hatten - einfach weil sie keine Maschinen zur Verfügung hatten und alles per Hand machen mussten. Dadurch war - vermute ich - das Qualitätsniveau schon deutlich höher als heute, wenn man ohne Maschinen arbeiten würde. Nach 20 Jahren hobeln und schleifen hat man sicher irgendwann den Bogen raus.

Ich habe bei meiner letzte Gitarre übrigens auch mit Stechbeitel, Raspel und Feile gearbeitet, statt mit der Fräse. Ich finde die Handarbeit einfach sehr schön und ich habe ja keinen ökonomischen Druck...
 
Hatte Stradivari auch eine Raubank
Ja, soviel ich weiß schon.
Damals waren das aber tatsächlich noch Bänke, also kein Handwerkzeug, sondern ähnlich zur heutigen Abrichte, eine Bank mit Messerklinge über die das Holz geschoben wurde.
 
Was genau möchtest Du denn übertragen?

Geleimte Hälse => keine Schraubhälse?
Kein Halsspannstab => schlechte Saitenlage?
Holzwirbel => keine genaue und stabile Mechanik?
Resonanzkorpus mit F-Löchern => Feedback / kein Sustain?
Keine Pickups => wo kommt das "E" her?
Schlecht beleuchtete und geheizte Werkstat => macht das Spaß?

Und was genau erhoffst Du Dir davon?
 
Hi!

Nur mal als Anmerkung: Stradivari hat auch Gitarren gebaut. Zugegeben, es waren nur sehr wenige, aber halt doch ein paar. (5 existieren noch heute, eine davon ist spielbar: http://www.gitarrebass.de/akustik-g...uf-der-letzten-spielbaren-stradivari-gitarre/
Mein Punkt dabei: Die sind nicht annähern so berühmt, wie seine Geigen.

jedenfalls stellt sich auch für mich die Frage, was du dir, vor allem für E-Gitarren, erhoffst. Wenn du wirklich an traditionellen Techniken und Werkzeugen interessiert bist, würde ich für Gitarren (=Zupfinstrumente) auch in der entsprechenden Kategorie nach historischen Inspirationen suchen. Das wäre dann der Lautenbau und der Bau akustischer Gitarren.
Dazu gibt es doch einiges an Material, zu nennen wäre hier auf Deutsch Franz Jahnel "Die Gitarre und ihr Bau", das sich sehr mit historischen Konstruktionen und Materialien auseinandersetzt. Wenn Englisch kein Problem ist, erweitert sich hier der Kreis der Literatur enorm. Zum einen wäre hier Roy Courtnall "Making Master Guitars" und andererseits William Cumpiano "Guitarmaking: Tradition and Technology" zu nennen. (Martin Koch hat ganz offensichtlich einiges von Cumpiano übernommen, das "Original" ist aber wesentlich ausführlicher).
Bei Cumpiano werden zwar auch zum guten Teil elektrische Werkzeuge verwendet, aber trotzdem lassen sich daraus recht gut die traditionellen Arbeitsmethoden ableiten.

Hier kann man sich auch einige Ideen für den Einsatz von Handwerkzeugen und historische Gitarren und Lauten anschauen: http://schreinerlutesandguitars.blogspot.co.at/

Markus
 

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