Na, das scheint ja endlich mal wieder eine normale Diskussion zu werden!
Zuerst mal vorne weg, ich bin nicht gegen Carbon oder Kohlefaserstoffe und neue Technologien......
aaaaber:
Problem eins, Carbon ist etwas anders zu verarbeiten und auch zu bearbeiten, als Holz. Durch die Struktur kann es durch die auftretenden Zugkräfte und Drücke, die bei einer Gitarre auf Korpus und Decke wirken, genauso zu Rissen oder gelösten Verbindungen kommen, wie bei Holz, nur sind die Ursachen dann andere.
Zweitens, Holz verändert durch die beim Spielen entstehenden Schwingungen seine Molekular-Struktur, was auch im Lauf der Zeit klangverändernd wirkt.
Kohlenfaserwerkstoffe sind härter, können dadurch auch dünner ausgearbeitet werden, als Holz. Der Nachteil ist aber, daß z.B. eine Gitarrendecke aus diesem Werkstoff wesentlich mehr Höhen wiedergeben kann, als eine was-auch-immer-für-Holz-Decke. Das macht diese Gitarren für viele Gitarristen uninteressant, weil zumindest die frühen RainSong eben irgendwie blechern klangen, weil eben viel mehr Höhen durchkamen, als bei einer "Holz-Gitarre". Das ist im Tonabnehmerbetrieb durch die Tonregelung in den Griff zu bekommen, im unverstärkten Betrieb eben nicht so leicht. Deswegen gehen die Hersteller, die Kohlenfaserstoffe für den Gitarrenbau verwenden, jetzt dazu über, Deckenbeleistungen nachzuahmen und diese gleich in die Form für die Gitarrendecke mit einzubauen. Und warum versucht man, mit unterschiedlichen Stärken der Decken in den einzelnen Bereichen des "Soundboards" eine Holzdecke nachzuäffen? Trotzdem wird eine Holzdecke/-Gitarre immer (noch) "wärmer" klingen, als eine aus modernen Werkstoffen.
Eine ähnliche Diskussion gab es mal bei der Einführung der CD, dann bei den MiniDiscs, und dann mit MP3 und M4a. Das mag von den Messwerten alles so in Ordnung gewesen sein, nur lässt sich Klang und menschliches Empfinden eben nicht messen und in starre Schemata pressen.
Wir dürften uns einig sein, daß der Einsatz von Kohlenfaserstoffen im Gitarrenbau noch eine relative neue Entwicklung ist, dem eine über hundertjährige Tradition und Handwerkserfahrungen im traditionellen Stahlsaitengitarrenbau gegenübersteht. Und neue Technologien brauchen Zeit, bis man damit die alten "gewünschten" Ergebnisse imitieren kann. Und an der Technologiefeindlchkeit der Musiker und speziell der Gitarristen kann es nicht liegen, daß sich gewisse Entwicklungen nicht durchgesetzt haben, bzw. nur in Nischen gefragt sind.
Drittens gibt es bei Carbon durch seine elektrische Leitfähigkeit mögliicherweise Probleme mit anderen Werkstoffen, hier besonders Metall. Und das, neben den anderen Punkten, dürfte auch ein Grund sein, warum die Massenhersteller, die ja immer darum bemüht sind, möglichst günstig zu produzieren, noch nicht auf diesen Zug aufgesprungen sind.
Das z.B. Martin mit anderen Verbundwerkstoffen arbeitet, ist eine ganz andere Entwicklung/Baustelle, die aber wieder eine Gemeinsamkeit mit der Kohlefaser hat, und das ist eben die Veränderung der Molekularstruktur, die diese Werkstoffe nicht mitmachen. Und da kann jeder schreien wie er will, hier ist eben eine technische Grenze. Ob diese umschifft werden kann, ist eine andere Frage.
Hier auch gleich noch ein Denk- oder sonstwas-Anstoss: was macht man denn mit den schönen Teilen aus Carbon bzw, Verbundwerkstoffen, wenn die dann aus irgendwelchen Gründen doch mal entsorgt werden müssen? Das heute mögliche Umwelt-Argument, daß man durch die konsequente Ausnutzung des Rohstoffes Holz in Form von Schleifstaub und Sägespänen doch besonders umweltbewußt wäre, relativiert sich durch den Einsatz von chemischen Werkstoffen, die möglicherweise nicht so umweltverträglich sind, doch etwas, oder?
Nur, um das Beispiel der CD wieder aufzunehmen, die machen ja bei der Entsorgung auch gewisse Probleme. Und, zurück zum Thema: warum kriegt man heute immer noch Schallplatten und Schallplattenspieler? Wenn keiner die Dinger verkaufen könnte, würde sie wohl keiner mehr herstellen. Tun sie aber doch noch. Also muss da irgendwas am Klang sein, für das die gerne belächelten "Kenner" noch bereit sind, Geld auszugeben, auch wenn sie dafür für blöd erklärt werden. Man muß es sich halt nur leisten können, und grinst sich dann einen, weil die anderen gar nicht wissen, was ihnen entgeht.
Man könnte es auch mit einem Beispiel aus dem Kfz-Bereich verdeutlichen: neue Autos mögen vieles können, was mit den alten Kisten nicht ging. Aber wer mal in einem alten Sechs- oder vielleicht sogar Achtzylinder aus den 70er des vorherigen Jahrhunderts gesessen hat, bzw. auch mal fahren durfte, und dann bei heftigem Beschleunigen den Druck im Kreuz und die langen Arme erleben konnte, dem fehlt bei den neuen Kisten einfach dieses "Feeling". Und das isses, was die Sache so interessant oder eben für die Jüngeren, die es nicht kennen, uninteressant macht. Und da kann man dann bis Sankt Nimmerlein diskutieren, und wird erst, wenn jeder die selben Erfahrungen machen konnte, einen Konsens finden.
Bis die Tage!