Harmonisierung von alternativen Tonleitern?

  • Ersteller Christian_Hofmann
  • Erstellt am
Ein Studium dieser mittelalterlichen Quellen nur um diese kurze Melodie aus der Renaissance auszusetzen, wäre nicht nur wie ein Schießen mit einer ganzen Batterie Kanonen auf einen kleinen Spatzen, es würde wohl auch keine davon wirklich den kleinen Spatz treffen, um in diesem Bild zu bleiben.
Es mag ja durchaus interessant sein und gewiss auch anregend, ein wenig in der Sekundärliteratur über diese alten Quellen zu stöbern. Dass sie aber für die gestellte Aufgabe eine sinnvolle Anleitung hergeben würden, zweifle ich auch an. Angemessen ist der Rat, sich wegen dieser Melodie mit diesen Quellen zu beschäftigen auf keinen Fall.
 
Angemessen ist der Rat, sich wegen dieser Melodie mit diesen Quellen zu beschäftigen auf keinen Fall.
Auf der anderen Seite findet man in dieser alten Spielweise auch teilweise sehr interessante Klänge welchen man im üblichen Spiel nicht begegnet. Natürlich wäre es alleine schon wegen unseren Hörgewohnheiten Wahnsinn ein ganzes Stück auf einer 800 Jahre alten Praxis aufzubauen. Aber als Element in einem eigenen Stück bestimmt gut einsetzbar.

Ich frage mich gerade ob man vor 400 Jahren an einer Orgel oder anderen Instrument eher gebunden also streng legato oder ungebunden gespielt hat. Mein Gefühl sagt mir das man damals vermutlich weniger streng gebunden hat als wie es heute üblich ist. Zumindest wirken auf mich Stücke aus der Zeit vor 1500 ungebunden gespielt angenehmer bzw. natürlicher. Kann natürlich auch der eigene Geschmack sein. Wobei ich bei alten Stücke immer wieder das Gefühl habe das die Noten(längen) nicht mit dem Gesang übereinstimmen. Vermutlich auch weil diese alten Stücke öfter bearbeitet wurden und vermutlich in anderen Systemen notiert war als heute. Dann vielleicht das eine oder andere Wort neu übersetzt und schon passt es nicht mehr so ganz. Vielleicht hat sich auch die Art wie wir sprechen/singen verändert.
 
Ich frage mich gerade ob man vor 400 Jahren an einer Orgel oder anderen Instrument eher gebunden also streng legato oder ungebunden gespielt hat.

Legato als Artikulationsideal wird erst ab der Mitte des 19. Jh. thematisiert (vergl. dazu z.B. die Ausführungen von Clara Schumanns Vater, Friedrich Wieck: Clavier und Gesang, 1853), allerdings ist damit kein monotones "Dauerlegato" gemeint.
Für die Musik vor 1850 kann das non legato als Hauptartikulation betrachtet werden, mit Abstufungen zwischen den Extremen staccato und legato. Allerdings sind hier auch nationale Unterschiede zu berücksichtigen, wie das bereits im Barock stärker zum legato tendierende Spiel der "französischen Schule" (Couperin, Rameau).

Bei der Orgel ist die Artikulation zusätzlich von den Bedingungen des jeweiligen Instruments (Ansprache, Tastengängigkeit) und der Raumakustik abhängig: Je mehr Raumhall, umso "trockener" sollte die Artikulation sein. Zum Grad der Kürzung von Noten findet sich´ein umfangreiches Kapitel in Bd. II der Orgelschule von M. Dupré (1927), zur historischen Orgelspielpraxis hat Jon Laukvik mehrere Bände herausgegeben (allerdings mit 70 bis 80 EUR pro Band ziemlich teuer).

Auf der anderen Seite findet man in dieser alten Spielweise auch teilweise sehr interessante Klänge welchen man im üblichen Spiel nicht begegnet.

Das ist ja gut und schön, ändert aber nichts an dem Einwand, dass die beiden empfohlenen Werke weder etwas mit "alten Spielweisen", noch mit "interessanten Klängen" zu tun haben. Eine Beschäftigung mit den Vorläufern von Ars antiqua und Organum hat daher bestenfalls einen theoretischen Wert.
 
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Das ist ja gut und schön, ändert aber nichts an dem Einwand, dass die beiden empfohlenen Werke weder etwas mit "alten Spielweisen", noch mit "interessanten Klängen" zu tun haben.
Ja das stimmt. Davon abgesehen möchte man es eigentlich überhaupt nicht lesen wie es geschrieben ist :)

Danke für deine wirklich detaillierten Ausführungen. Das hilft mir wirklich sehr Zusammenhänge zu verstehen die ich nicht sehe/kannte.
 
Enharmonik ist hier keine Alternative, sondern die zwingend notwendige Korrektur einer völlig absurden Schreibweise!
Lokrisch ist heptatonisch, also entsprechend mit den sieben Stammtonbuchstaben zu notieren, woran bekanntlich auch Alterationen nichts ändern: c-des-es-f-ges-as-b (Vorzeichnung 5b, wie Des-Dur).



Sorry - aber man sollte Stuss auch als Stuss benennen und nicht auch noch übernehmen und weiter verbreiten!
Hallo OckhamsRazor,
Du bringst es mal wieder auf den Punkt :cool:
Wenn ich es richtig verstanden habe, kann man doch von H aus die weißen Tasten (lokrisch) nehmen und dann alles einen Halbton nach oben transponieren. Dann kommt man doch automatisch auf c- des- es- f- ges- as- b. Warum wird
manches so verkompliziert?

Gruß
Jürgen
 
Warum wird manches so verkompliziert?

Im konkreten Fall ist die "Verkomplizierung" einfach durch Unkenntnis der Grundregeln musikalischer Orthografie entstanden. Sowas kann schon mal passieren, wenn Webseiten von musikalischen Analphabeten gestaltet werden, die nicht einmal mitbekommen, dass sie Stuss verbreiten.
 

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