Hi,
als Zeitgenosse der Gitarre versuche ich mal, ein bisschen was zusammenzubringen... Gibson hat damals meines Wissens eine SG, eine Flying V und die Explorer in dieser Art gebaut, jeweils als 90 Single mit einem HB und als 90 Double mit einem HB und einem gestackten HalsHB im SC-Format. Besonderheiten waren der etwas verkleinerte Korpus (das "90" steht für 90 %, zumindest bei Explorer und V), das Ebenholzgriffbrett mit 24 Bünden und mMn sehr schönen Einlagen, die lange Mensur mit Fender-Maß (25,5") sowie die Saitenaufhängung. Matthias Jabs spielte die Dinger gerne, angeblich war es sogar seine Anregung, die Ex zu verkleinern. Die Halsform ist nach meiner Erinnerung zwar etwas flacher und breiter als bei einer Paula üblich, aber eben schon Gibson-individuell. Sie unterscheidet sich jedenfalls im Spielgefühl vom üblichen Flitzefinger-Profil.
Von allen gab es verschiedene Varianten - einmal die feste Aufhängung in Z-Form bei SG und Ex, in V-Form bei der V, und dann jeweils eine Tremolo-Variante. SGs hatten in dem Fall das grauenhafte Steinberger KB-Tremolo, das sich auch auf etlichen Hohner aus dieser Zeit findet. Grauenhaft weniger wegen der Konstruktion, die mit einer kleineren Fräsung und einfacher Einstellung der Federspannung durchaus interessant war, als vielmehr wegen des Materials. Das war so weich, dass sich der Teil mit den Aufhängungsbolzen schon nach kurzer Zeit irreparabel verbog. Ersatz zu bekommen ist extrem schwer, nur ein kleiner Hersteller hilft da weiter und baut ein stabilieres Ersatzteil. Auf Ex und V fand sich das Teil auch, aber wohl manchmal auch ein Floyd Rose. Könnte aber sein, dass das manche im Tausch gegen das KB nachgerüstet haben (was aber nicht ohne Zusatzfräsung geht).
Zurück zu Deiner Gitarre, die ja eh keins hat. Diese Gitarren wurden aus Mahagoni gebaut wie normale Explorers, habe aber aufgrund des Griffbretts und auch des kleineren Korpus' einen etwas schlankeren, strammeren Sound mit ordentlich Biss. Die lange Mensur macht sie auch für Tiefstimmer interessant und fördert ebenfalls eine stramme Tonbildung. Dazu kommt bei Dir die Ausstattung mit einem EMG-Pickup. Ob es den ab Werk gab, weiß ich leider nicht mehr, muss aber selten gewesen sein. Normalerweise wurden die damals von Bill Lawrence entworfenen Gibson-HB verwendet, die aber oft ebenfalls geschlossene Kunststoffkappen aufwiesen. Ob der EMG Original ist, kannst du sehen, wenn er ein extra Batteriefach hat. Falls der versenkte Teil für das Deckelchen mitlackiert wurde, muss das Fach logischerweise schon vorher dagewesen sein.
Das war so ungefähr das, was ich zusammenkramen konnte, ich hoffe mal, es hilft Dir weiter. Alles in allem sind das tolle Gitarren, wobei ich selber die SG am schönsten finde, die gabs in diesem schönen Metallic Turquoise mit Perloid-Schlagbrett. Die Gebrauchtpreise sind sehr uneinheitlich, da sie weniger für den typischen Gibson-Fan interessant sind. Es gibt einige Liebhaber, die im Originalzustand ganz gut was dafür bezahlen, aber oft werden sie halt von Leuten gekauft, die einen "Player" suchen - im Vergleich zu einer ESP mit vielleicht ähnlichen Eigenschaften sind sie regelmäßig billiger zu bekommen und haben dann eben doch etwas besonders, weil sie relativ selten sind - und eben eine Gibson. Die Gitarre hier scheint optisch in sehr gutem Zustand zu sein, der Koffer ist wahrscheinlich auch Original, Du solltest sie aber trotzdem unter 1.000 € zu bekommen versuchen, vielleicht sogar deutlich.
Gruß, bagotrix
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