Karl Brazil (Robbie Williams, James Blunt uva.) - Interview

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Ich möchte hier einmal den derzeit wohl meistgebuchten Sessiondrummer in UK vorstellen: Karl Brazil

Den meisten wohl unbekannt, wird es dann aber denke ich bei den Acts, für die er spielt/bzw. gespielt hat, klingeln:
Robbie Williams, James Blunt, Jason Mraz, Feeder, Leona Lewis, Westlife, Elton John, Jason Mraz...um nur ein paar zu nennen.

Den Acts nach zu urteilen kann man sich folglicherweise natürlich denken, dass der gute Mann weniger durch seine Poser-Skills (welche er natürlich auch besitzt), mehr durch seine Songdienlichkeit und Grooves glänzt.

Damit ihr einen groben Eindruck von ihm bekommen könnt, hier einfach mal ein paar Videos:






Interview vom 15.3.2014

Ich war auf der Musikmesse und hatte die Möglichkeit, den guten Mann zu interviewen.
An dieser Stelle möchte ich mich direkt bei Christian Koch, dem Artist Relation Manager von Sabian bedanken, welcher das Treffen organisiert und ermöglicht hat.

Karl, welcher grade erst aus Russland u.a. für eine Show auf der Agorastage (Hauptbühne der Musikmesse) und ein paar Signingsessions bei seinen Endorsern eingeflogen war und ich trafen uns also Samstag morgens im Mövenpick-Hotel unweit der Messe und plauderten ganz gemütlich eine halbe Stunde lang bei einem Cappuchino über dies und das.
Dabei war es echt schön festzustellen, dass man sehr wohl auf dem Boden bleiben kann, auch wenn man weltweit ausverkaufte Arena-Touren spielt.

Nach dem Interview ging's dann aufs Messegelände, Sound auf der Agorastage checken. Später habe ich mir noch Karl's Gig angesehen, auf welchem er sich durch die komplette Bandbreite seiner Artists und musikalischen Vorlieben getrommelt hat.



Dührssen: Hi Karl. Schön, dass du die Zeit gefunden hast. Wie gefällt's dir hier in Deutschland?

Karl Brazil: Ich komme gerne hierher. Ich habe hier bereits viel mit James Blunt getoured. Deutsche kaufen CD's, besuchen Konzerte und haben einfach die richtige Einstellung gegenüber Musik. Und natürlich sind hier alle sehr pünktlich und organisiert.
Außerdem war ich beim WM-Finale 2006 in Berlin dabei. James (Blunt Anm. d. A.) überraschte uns auf Tour mit ein paar Umschlägen in der Hotellobby. Da waren dann tatsächlich die Tickets für das Endspiel drin. Als Fußballfan habe ich mich natürlich riesig gefreut. Das war eine feine Aktion von ihm, vor allem, da er selbst nicht so auf Fußball steht.
Zusammengefasst kann man sagen, dass Deutschland ein wirklich schöner Ort ist um Musik zu machen.

FD: Da hast du Recht. Wie genau wird man denn professioneller Musiker? Das wird wahrscheinlich die meisten interessieren. Ich tippe mal in erster Linie auf Connections?

KB: In der Tat. Jeder Job kann dich zum nächsten führen. Es geht um's Networking und darum, was du mit deinen Chancen anstellst, wie du dich selbst organisierst.
Der Sympathiefaktor spielt eine große Rolle. Egal, wie gut du als Musiker sein magst, ebenso gut musst du eben auch im Tourbus mit allen zurechtkommen, nebeneinander schlafen und das Schnarchen der Anderen aushalten können.
Alle diese Faktoren kommen da zusammen, vor allem aber musst du anpassungsfähig sein!
Am Anfang habe ich einfach zu allem "Ja!" gesagt: "Hey, hast du Bock in dem Kleiderschrank da vorne zu spielen?" "Na klar, auf geht's!".
Es war einfach wichtig, verfügbar und flexibel zu sein. Bei manchen Gigs hab' ich mich echt gefragt "Warum machst du den Quatsch hier?". Aber mit der Zeit triffst du einfach immer wieder Musiker die besser sind als du, an welchen du dich orientieren kannst und das hebt dich fast automatisch auf's nächste Level.
Und wenn du gut bist in dem was du tust, dann verbreitet sich diese Nachricht sehr schnell und du triffst weitere Leute, kommst an mehr Kontakte; und wenn der erste namhafte Job reinkommt…das ist einfach das aufregendste Gefühl überhaupt.
Ich weiß noch, als ich den Anruf bekam mit der Frage, ob ich für Robbie Williams spielen wolle: Ich war im Garten und fragte so gelassen es irgendwie ging "Kann ich gleich zurückrufen?". Ich legte auf, machte ein paar Luftsprünge, schrie ein paar Mal "Yeaaaahhh!!", und rief zurück [mit möglichst cooler, gelassener Stimme]:"Ja okay, geht in Ordnung." (lacht)


FD: Was ich mich gefragt habe - wie ist es, für einen Solokünstler wie eben Robbie Williams oder Jason Mraz zu spielen, wo die Band selbst doch eher im Hintergrund steht? Kommt man sich nicht irgendwie seltsam vor, nicht wirklich im Fokus zu stehen wie bei einer kleineren Band, in der auch die einzelnen Musiker eher bekannt sind?

KB: Ach, so schlimm ist es eigentlich gar nicht. Mit Jason Mraz sind wir sowieso nur eine relativ kleine Band und auch mit Robbie, welcher auf Drums steht, ist eigentlich jeder immer gut sichtbar.
So, dass sich live auch wirklich jeder als Teil der Band sieht und auch so wahrgenommen wird.


FD: …was mich gleich zur nächsten Frage bringt. Wie ist denn die Beziehung zwischen den "Haupt"-Künstlern und der Band? Steht Ihr euch wirklich nahe und begegnet euch auf Augenhöhe, oder kommen die Acts rein, sagen "Alles klar, ich bin der Chef, ihr seid meine Band und tut was ich sage"?

KB: Nein, überhaupt nicht. Ich hatte weder mit Robbie, noch mit James jemals irgendwelche Ego-Probleme. Beide sind wirklich absolut bescheiden. James beispielsweise hat in einem Panzer gelebt! Er war im Krieg, hat der königlichen Wache gedient und besitzt einfach ein unglaubliches Maß an Respekt und Gleichberechtigung - er schläft im selben Bus wie alle anderen, er benutzt die selbe Umkleidekabine wie alle anderen…er hält die Mannschaft absolut zusammen.
James und ich arbeiten jetzt seit über 10 Jahren zusammen, haben drei Alben aufgenommen. Man kann schon sagen, dass wir gute Freunde geworden sind und er ist echt wie der nette Kerl von nebenan, der dir die Schlüssel zu seinem Haus geben würde während er weg ist.

Ähnlich ist es bei Robbie.
Wir haben vieles Gemeinsam: Wir mögen Fußball, haben den gleichen Humor, kommen aus der selben Ecke Englands und ich denke es ist einfach normal, dass man mit der Zeit eine gute Beziehung zueinander aufbaut.
Es ist also nichts von wegen "Das ist der Künstler, mit dem kann man nicht reden" oder so.

Natürlich gibt es auch Jobs, bei denen es bei der reinen geschäftlichen Beziehung bleibt.
Kürzlich habe ich ein paar Shows mit Lionel Richie und Shania Twain gemacht. Nach dem Job war die Sache gegessen, aber keiner von den Leuten, mit denen ich je gearbeitet habe war irgendwie schwierig oder schräg drauf. Auch, wenn viele Leute das vermuten würden.
Persönlich hätte ich aber auch wenig Respekt vor einem Künstler, der die Crew ständig zusammenbrüllt und rumpöbelt.
Klar, jeder macht mal Fehler. Aber letztendlich sind wir alle nur Menschen und am Ende des Tages zählt vor allem die Performance auf der Bühne. Das ist es, worauf es wirklich ankommt.

Gerade gestern, bei einer Show mit Robbie dachte ich mir:"Meine Güte, wir haben jetzt 75 Trucks, 180 Fahrer, 300 Helfer und wenn DU einen einzigen Stick fallen lässt, wäre das eine so gewaltige Beleidigung all diesen Menschen gegenüber."


FD: Oh ja, eine große Verantwortung. Aber sicher zahlt sich der Aufwand bei jedem Mal am Ende aus, oder? Was war denn die beste Erfahrung, die du jemals auf Tour gemacht hast?

KB: Ich denke mal die erste Erfahrung ist auch meistens die Beste: Glastonbury Festival mit James Blunt. Es war wirklich aufregend, weil er zu der Zeit grade noch ein Newcomer und eben nicht so bekannt war und Festival-Publikum ja gerne mal seinen eigenen Geist besitzt. Man konnte vorher einfach nicht abschätzen, wie die Musik ankommen würde…aber er ging da raus und hatte die Leute direkt fest im Griff! Es war wirklich Wahnsinn! In der Woche darauf schossen die Verkaufszahlen für sein Album in die Höhe.

[Hier das erwähnte Konzert]


Auch sehr cool war der 360°-Gig mit Robbie in der O2-Arena, die Bühne in der Mitte, das Publikum überall darum verteilt. Die Show wurde live in über 45 Länder übertragen…das war schon sehr nervenaufreibend und das einzige was ich dachte war "Bleib bloß auf dem Click, bleib bloß auf dem Click...".

[Ebenfalls hier das Konzert]

Wie gesagt, das erste Mal ist meistens auch wirklich das Beste Mal. Ich erinnere mich, als ich das erste Mal in die Staaten nach Los Angeles geflogen bin um ein Video zu drehen und es war wie in einer neuen Welt. Jedes Mal wenn ich ein Auto hupen hörte dachte ich "Oh, wow!"


FD: Wie sieht's denn mit seltsamen oder lustigen Erfahrungen aus? Kannst du da etwas berichten?

KB: Da gab's mal ne lustige Geschichte mit James Blunt in Chicago. Da waren diese ganzen Securities direkt beim Publikum. Und James springt von der Bühne um sich unter die tobende Zuschauermenge zu mischen. Zwei dieser Securities drehen sich zu ihm um, erkennen ihn aber nicht und tacklen ihn einfach volle Kanne um. Während er mit dem Gesicht auf den Boden gepresst wurde und das halbe Publikum zu buhen anfing hat er denen dann irgendwie versucht zu erklären wer er ist [lacht].
Aber naja, irgendwie ging's dann wieder und er hat die Show weitergespielt [singt]"You're beautifuuhuuul".

Mh, es gibt bestimmt noch einiges anderes, aber mir fällt gerade nichts ein…


FD: Ich denke mal, auf Tour passiert auch so viel, dass man sich einfach nicht alles merken kann.

KB: Es gibt vieles, an das ich mich nicht mehr erinnere und vieles, das ich gern sagen würde aber nicht darf…ansonsten könnte ich in große Schwierigkeiten kommen. [lacht]

Achja. Ich mache gerne mal Scherze. Einer der Gitarristen und ich, wir haben uns gerne mal verarscht. Eines Tages hab ich nach einer Show sein Pedalboard genommen und versteckt.
Und, eh…ja. Ich hab's vergessen.
Am nächsten Tag dann vor der nächsten Location waren wir am Van auspacken und er fragt "Hat irgendwer mein Board gesehen?", und ich meinte nur "Verflucht. Es…ist in Manchester."
Aber ein bisschen lachen musste ich schon.


FD: Wir könnten ja mal ein bisschen über dein Drumming reden. Du bist ein sehr songdienlicher Drummer. Viele überfüllen die Songs ja mit unnötigem Schnick-Schnack, aber du groovst dich straight durch…

KB: Ich würde mich selbst auch eher als Song-Drummer einordnen. Gefrickel kann ich auch, aber bei den Leuten, mit denen ich zusammenarbeite brauche ich so was nicht. Da geht's um's Feel, um den Groove.
Ich kann es selbst auch nicht leiden, wenn Musik überfüllt ist. Wenn ich mir eine Band anhöre und der Drummer kloppt ein Fill über die Gesangsmelodie denke ich mir "Was sollte das denn jetzt sein?"
Und wenn du ein Fill spielst, spiel' es songdienlich. Es muss der Musik dienen und einfach synkopiert sein.
Deswegen ist auch Jeff Porcaro mein Lieblingsdrummer. Er spielte einfach für den Song. Jedes Mal frage ich mich bei seinen Sachen "Oh, wie ist er auf die Idee gekommen?"


FD: Könntest du jüngeren Drummern denn den ein oder anderen Tip geben?

KB: Gib nicht an, sei kein Poser! Das ist eine Sache, die man wohl erst mit der Zeit lernt. Aber wenn du ein guter Session-Drummer sein willst, spiel' für den Song, spiel' für die Musik, orientiere Dich am Sänger.
Vor allem im Studio gilt: Je einfacher, desto besser. Produzenten lieben Einfachheit.
Wenn du mit jemandem wie Robbie Williams oder James Blunt spielst und die sich live zu dir umdrehen, wollen sie natürlich immer noch Ausdruck und Begeisterung sehen, dann musst du dich nicht ausnahmslos zurückhalten, aber generell und vor allem im Studio gilt: Weniger ist mehr!


FD: Noch etwas?

KB:Erschaffe deinen eigenen Sound! Bastel' dir den Sound zurecht, der zum Song passt.
Ich höre mir die Songs an und überlege, welche Becken am besten passen, ob nicht beispielsweise andere Größen eher aus dem Mix stechen würden.
Ich liebe tiefgestimmte Snaredrums. Hat was 70er-artiges, aber es funktioniert.
Der Drummer von Snarky Puppy spielt eine ähnliche Stimmung und wenn ich mir die anschaue denke ich jedes Mal "Oh, wow!".

Was ich vorrangig zu jungen Drummern sage ist: Sage "ja!" zu allem!
Mache, soviel wie es dir möglich ist. Sei flexibel!

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Danke für das tolle Interview. Coole Sache. :)
 

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