Kawai ES8 Review

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chaltechalte
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Nach langer und ausführlicher Suche habe ich endlich meine neue pianistische Erfüllung gefunden - hier der Testbericht dazu.

Was ich gesucht habe:
- Sehr gute Tastatur
- Guter Klang
- Transportables Gerät (damit ich es auch mal zu einer Jam Session, Ständchen auf Familienfeier etc mitnehmen kann)
- mit eingebauten Lautsprechern (weil externe Lautsprecher immer eine Bastellösung sind, und es erstaunlich schwierig ist, passende Lautsprecher zu finden)
- einfache Bedienung (sollte ein Klavier sein, kein Masterkeyboard-Synthie)


Was ich nicht gekauft habe:
- Yamaha CP5. Hatte ich schon mal, wieder verkauft. Die Bedienung war einfach grauenhaft kompliziert und undurchsichtig, und die Klavier-Klänge waren gut aber zu zahnlos.
- Yamaha CP4. Hat alles, was am CP5 mau war, verbessert (graduierte Tastatur, leichter, einfachere Bedienung, neues besseres Sample). Wäre gut in Frage gekommen, aber halt leider ohne eingebaute Lautsprecher
- Roland FP-80. Gutes Gerät, aber ich persönlich wurde weder mit dem Klang noch mit der Tastatur warm.
- Nord Piano 2. Ganz viele verschiedene Samples, und die klingen auch noch genial... aber halt ganz weit weg von meinem Bedarf (mittelmässige Fatar-Tastatur, keine Lautsprecher, nicht mal ein Metronom eingebaut). Und beim längeren Hinhören sind die Samples auch nicht mehr sooo gut, eher durchsetzungsfähig für die Bühne, als für Solo-Klavier
- Kawai ES-7. Alles super - bis auf den Klang. Weniger von der Qualität des Klangs her, als von der Charakteristik. Klingt mir viel zu glockig und poppig, da fehlt mir die Fülle, die Wärme und das Holz.

Also war ich echt glücklich, als das ES8 angekündigt wurde als im wesentlichen ein ES7 mit den Sounds aus dem CA67.
Gekauft hab ich beim Musicstore Köln im Gesamt-Bundle mit Ständer und Zubehör.

Zum Test:

Sounds:

SK-EX: Perfekter Allround-Sound, damit auch völlig richtig auf erster Position, einschalten loslegen und wohlfühlen. Etwas Spitzigkeit im Diskant, aber runder, voller und wärmer als der EX. Schön abgestimmt, weder zu wuchtig noch zu dünn, weder zu kalt noch zu verwaschen. Recht nah am Steinway.

EX: sehr spitz und hell, hätte blind auf Yamaha getippt. Schön für Pop-Piano zwischen Elton John und Billy Joel, oder auch für Band/Begleitung gute Durchsetzungsfähigkeit. Ansonsten gefällt er mir für Solo-Piano am wenigsten. Aber auch deutlich besser als im ES7 - das drahtig-glockige in der rechten Hand hatte mich da ziemlich gestört.

SK5: deutlich "kleiner" und wärmer. Aber trotzdem durchaus allround brauchbar (im Gegensatz z.b. zum kleinen Flügel im CP4, der so zimperlich klingt, dass man ihn kaum brauchen kann). Schön für sanften Jazz oder Kammermusik. Oft nehm ich dann aber trotzdem den SK-EX.

Upright Piano: Auch erstaunlich gut, auch wenn es kaum erwähnt wird. Klingt schon deutlich nach Upright-Klavier, also definitv kein Flügel, aber nicht so klischeehaft nach "billiges, ungepflegtes Musikschul-Klavier", wie manch andere Upright-Samples. Weniger edel als die Flügel, aber z.B. als Begleitung einer Solosängerin gut geeignet.

Epianos: Überraschend gut. Ich bin definitiv kein epiano-Profi, und ein Epiano-Spezialist wird sich schon lieber einen Nord Electro o.ä. holen - aber für mich klingen die richtig gut, mit amtlichen Standard-Epiano-Sounds. Für jemand wie mich, der eher selten Epiano spielt, aber hin und wieder einen epiano-sound für einen bestimmten Song braucht, mehr als nur gut brauchbar.

Orgeln: Enttäuschend. Eine Drawbar-Regelung hatte ich jetzt natürlich nicht erwartet, aber die zwei Sounds, die es gibt, sind eher mittelmässig. Man kann immerhin das Leslie per linkem Fusspedal zwischen fast und slow umschalten - komischerweise braucht das aber im Vergleich zu anderen Hammond-Simulation sehr lange zum umschalten, eher 2 volle Takte als die gewohnten 2-3 Taktschläge. (Nachtrag: wenn man die Verzerrung der Ampsimulation hochdreht, kann man doch noch was aus den Hammond-Sounds rausholen. Die ungezerrt eher langwelige Jazz Organ geht mit voller Zerre durchaus überzeugend Richtung Sweet-Child-in-Time-Deep-Purple.)

Restliche Sounds: Die werden ja viel gescholten, aber ich fand sie gar nicht schlecht. Die Strings, Bässe und Pads reissen jetzt niemand vom Hocker, aber zum Layern voll OK. Die Marimba- und Vibraphon-Sounds haben mir auch richtig gut gefallen - weiss nur nicht, wofür ich sie brauchen soll.

Tastatur:
Trocken angespielt wirkt sie erstmal sehr "flach", also mit geringem Tastenhub. Mit Sound gespielt fühlt sie sich aber völlig normal an. Hat relativ hohen Widerstand; ein Klavierstück, das auf dem Akustik-Flügel kräftezehrend ist, fühlt sich auf dem ES8 ähnlich kräftezehrend an. Gefällt mir aber gut, man kann dadurch sehr fein die Lautstärke modulieren. Gewichtung oder Graduierung habe ich jetzt nicht extra pro Taste geprüft, ich sage einfach mal, dass sich die Tastatur für mich grossartig anfühlt. Mir gefällt sie sogar auch besser als die Tastatur im MP11, die mir etwas zu schwer und recht langsam repetierend vorkam. Gegenüber dem ES7 merke ich (aus der Erinnerung, kein Direktvergleich) keinen Unterschied.

Features:
- Split, Layer, Transponierung etc funktioniert alles so wie gewohnt.
- Eingebauter Recorder ist wirklich cool, Midi oder MP3, direkt auf USB-Stick. Super praktisch, um sich mal eben schnell zur Kontrolle selbst aufzunehmen, oder auch nur mit einem Tastendruck ein Stück auf USB_Stick aufzunehmen. Komischerweise geht das Speichern eines Stücks sehr schnell (2 Sekunden), aber das verwerfen dauert eine kleine Denkpause.
- Die Begleitautomatik ist super! Klingt erstmal komisch, weil ich will ja ein Klavier und keine Tischhupe - ist aber echt gut als unkomplizierter Jamtrack zum Improvisieren üben. Man kann auch z.B. die Begleitautomatik für eine Akkordfolge aufnehmen, und dann zweihändig dazu improvisieren.
- Die Klang-Einstellungen zu Hall sind so, wie man sich das vorstellt. Schön, dass man nicht nur die Menge an Hall zuschalten kann, sondern als getrennte Parameter die Art des Raums, die Menge an Hall, und die Dauer.
- Virtual Technician: Brauch ich eigentlich nicht. Manche Einstellungen haben recht dezente Auswirkungen, die meisten sind auch in der Grundeinstellung schon optimal und lassen sich nur verschlimmbessern. Höchstens für den EX-Flügel die weicheren Hämmer, oder alternativ ein leicht geschlossener Flügel, finde ich eine Verbesserung ggü. dem Grundsound. Die Flügel-Stellung (geschlossen, voll offen und 2 Mittelstufen) klingt aber bei den weniger offenen Stellungen leider recht unnatürlich, so als würde man eine dämpfende Decke über den Ohren haben. Man kann übrigens im Virtual Technician auch einzelne Töne z.B. in der Lautstärke anpassen - keine Ahnung ob das je jemand braucht.

Zubehör (aus dem Musicstore-Bundle):
Der Kawai-Original-Ständer ist sehr schön - definitiv aufgeräumter und schicker als der übliche Stagepiano-auf-Keyboardständer-Look. Piano ist fest mit dem Ständer verschraubt, und damit stabil. Lässt sich aber auch problemlos lösen, sind Einhandschrauben. Ist allerdings kein Wunder an Stabilität, wackelt bei heftigem Spiel seitwärts ein bisschen. (Nachtrag: war nur auf der linken Seite, und möglicherweise ist dort mein Fußboden leicht uneben. Rechts steht der Ständer bombenfest).
Die Pedale sind super, fest stehende Pedale sind ein total unterschätztes Upgrade ggü. einem Stagepiano, bei dem immer das Pedal wegrutscht.
Der Notenständer ist schick, könnte aber höher sein, lose A4-Blätter biegen sich schon mal nach hinten, und auch meine Klemmampe würde gerne noch ein wenig höher sitzen.
Die Fame-Klavierbank ist für die Billig-Eigenmarke überraschend gut, ist schick, stabil, Höhenverstellung funktioniert gut, voll zufrieden.
Die Tasche brauche ich nicht, ist aber sehr schön, z.B. als Aktentasche. Das Musicstore-Logo ist gestickt, lässt sich also abmachen.
Den Kopfhörer bitte sofort wegwerfen! Einmal ausprobiert, das ES8 klang damit wie ein altes Küchenradio. Bitte tut euch den nicht an.


Gute kleine Details:
- Die Kopfhöreranschlüsse sind auf der Vorderseite, und am linken und rechten Rand, sehr schön, wenn man z.B. vierhändig spielt.
- Die Tastenoberfläche ist sehr angenehm, ein wenig angerauht um nicht zu rutschen, aber glatt genug, um nicht hängenzubleiben.
- Der Klang im Kopfhörer ist fantastisch! Beim ES8 ist jetzt nicht die Rede von den speziellen Kopfhörer-Anpassungen, die das CA67 bekommen hat, trotzdem war ich total angenehm überrascht - beim ersten Ton über den Kopfhörer hab ich erstmal den Kopfhörer wieder abgenommen, um zu sehen, ob nicht doch die Lautsprecher an sind, es klingt über Kopfhörer wirklich so, als ob man vor einem klingenden Instrument sitzt.
- Das Metronom hat einen angenehmen Klang, ein "Bing-Klack-Klack" wie bei einem alten mechanischen Metronom, kein unangenehmes Syntetik-Piepsen wie bei anderen. Ja, ist nur ein kleines Details, finde ich aber wichtig.
- Die Bedienung ist sehr einfach, fühlt sich an wie ein Klavier, nicht wie ein Klavier-Synthesizer. Alles, was man ständig braucht (Klang, Lautstärke, Metronom, Recorder) ist im Direktzugriff. Tiefgreifendere Einstellungen wie z.B. der Virtual Technician sind dann auf dem kleinen Display ein wenig umständlich, aber das braucht man ja auch nur selten. Für manches muss man das Handbuch lesen, um draufzukommen (z.B. Tasten gedrückt halten für tiefere Einstellungen), das ist dann aber auch immer logisch umgesetzt (alles, was man mit kurzem Druck einschaltet, lässt sich nach langem Druck konfigurieren).
- Die Standard-Abstimmung der Sounds ist sehr gelungen, weder langweilig-trocken noch effekt- oder hallüberladen. Einfach eine gute Standardabstimmung, warm aber klar. Ich hatte also noch gar nicht das grosse Bedürfnis, an Hall oder Virtual technician rumzuschrauben (und das, obwohl ich zu den Leuten gehöre, die eigentlich immer an allem was man schrauben kann rummachen...)


Kleine Beschwerden:

- Die Lücken zwischen den weissen Tasten sind relativ gross. Wenn man Magisches-Auge-mässig schielt, sieht man von oben durch die Tasten durch und in das Plastikgehäuse hinein.
- Es gibt kein Scrollrad oder Slider, man muss bei Metronom oder Styles in Einzelschritten per Taster durchsteppen. Spätestens beim Eingeben eines Dateinamens für Aufnahmen wird man damit blöd und sehnt ein einziges billiges kleines Scrollrad herbei (man muss aber nichts zwingend manuell eingeben, sondern kann den vorgeschlagenen default-Namen nehmen).
- Die Pedale sind nicht höhenverstellbar,es gibt nur ein Rad, um sie am Boden zu fixieren, aber der Abstand zum Ständer ist fix. Die Pedale sind etwas zu hoch, um die Ferse auf dem Boden zu haben, wenn man in dünnen Hausschuhen spielt. Mit Schuhen, die einen Absatz haben, dann wieder perfekt - ist halt für Konzertpianisten gedacht ;-)
- Das Display könnte grösser oder höher auflösend sein
- Beim Metronom lässt sich zwar die Taktart flexibel einstellen, aber die Betonung auf der 1 lässt sich nicht abschalten.
- Mehr als 2 Hammond-Orgel-Sounds wären schöner gewesen, hätte dafür gerne auf Varianten von Cembali oder Kirchenorgeln verzichtet.


Fazit:
Für meine Anforderungen bis auf ganz kleine Kritikpunkte perfekt - 9 von 10 Punkten.
 
Eigenschaft
 
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Hallo chaltechalte,

toller Bericht. Hast'de Dir ja mächtig Mühe gegeben. Das ES-8 gefällt mir optisch mit dem tollen Ständer und der 3-fach-Pedaleinheit sehr gut. Das einzige, was es m.M.n. noch gebrauchen könnte, ist eine Staubschutzklappe, welche man geöffnet als Notenständer nutzen könnte, die aber für den Bühneneinsatz abnehmbar sein muss. Selber habe ich das CA-67 und spiele eigentlich ausschließlich den SK-5. Ein schönes Bild wertet Deinen Bericht noch einmal auf!

Andreas :hat:
 
Sehr guter Bericht. Besitze seit 6 Wochen den ES-8 und bin ebenfalls sehr zufrieden. Hatte kurz auch das Nord Piano 2 hier, fantastisch leicht - aber mit keinem der Pianosounds (so gut die auch alle sein mögen) bin ich persönlich warm geworden. Der ES-8 Sound (SK-EX) ist prima - seit ich ein "echtes" Instruments besitze ist es sehr schwer geworden, mich für die E-Pianos zu begeistert. Der ES-8 ist gemessen an seinem sehr günstigen Preis ein tolles Gerät. Das einzige ist das hohe Gewicht, aber dass das nicht anders geht mit Lautsprechern ist klar - diese sind meiner Meinung echt ok.
 
Auch von mir Thumbs Up für den Review.

Mein ES8 ist seit Montag im Haus - mein PC3LE8 musste weichen, da ich eine "Power-On und losspielen" Lösung benötigte, um meinen Sohn ad hoc beim Üben auf der Klarinette zu begleiten. Und in der Tat gefällt mir die Tastatur vom ES8 um Längen besser, als die TP40L im PC3. Gewichtung, Spielgefühl, Nuancierungsmöglichkeiten, Dynamikkontrolle - alles m.E. eine Klasse besser. Und die Vielfalt der eingebauten Piano-Klänge und der in meinen Ohren tolle Klang des Instruments überzeugen mich auch - und trösten mich gut darüber hinweg, dass die Layersounds des ES8 logischerweise nicht an die heranreichen, die ich im PC3 so geschätzt habe. Dafür habe ich jetzt eben mal schnell einen Drum-Track zur Hand, wenn ich Lust darauf habe - geht fix und macht Spaß. Und die Recording-Möglichkeiten bewerte ich ebenso positiv wie chaltechalte. Insgesamt ein gelungenes DP mit einem wie ich finde sehr guten Preis-Leistungs-Verhältnis.
 
Eine Anmerkung:
Beim ES7 kann man die Betonung der 1 ausblenden, wenn man den Takt auf 1/4 Takt stellt!
Würde mich wundern, wenn diese Funktion nicht mehr vorhanden wäre.
 
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Ja, stimmt, das hab ich erst jetzt gemerkt: "Keine Takt-Betonung" geht schon beim Metronom, heisst nur "1/4-Takt" ;-)

Cool ist übrigens auch, dass man bei der Begleitautomatik die Parts (Drums, Bass, Akkorde) separat an- oder abwählen kann - damit lässt sich die Begleitautomatik durch Reduktion auf nur das Schlagzeug auch super als Drumcomputer bzw Metronom deLuxe missbrauchen...

Auch noch neu herausgefunden: Die Begleitautomatik lässt sich auch auf feste Akkordfolgen einstellen, dass man also nicht selbst die Akkorde vorgibt, sondern ein festes Akkorschema abgespielt wird - da sind die Jam Tracks also schon eingebaut. Schade nur, dass einem im Display immer nur der aktuelle Akkord angezeigt wird, der im nächsten Takt folgende Akkord hat auf dem kleinen Display keinen Platz mehr- so muss man sich zum Üben immer noch selber nochmal die Akkordfolge aus dem Handbuch als Leadsheet abschreiben.
 
Die Akkorde hören wir Checker ja, welche das sind ;-)
Da fällt mir der beste Spruch zum real book ein: “wunderbar für alle, die endlich die originalmelodie und akkorde spielen wollen. Ebenso gut für jene, die bisher immer nach gehör gespielt gespielt haben - so wie du sicherlich, lieber Leser dieser Zeilen“ (Ron Carter)
 

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