Auf RĂŒckfrage "Oper?" meinte er, er wolle ins Liedfach gehen - er habe keine Lust, sich durch stĂ€ndiges Ăber-das-Orchester-wegbrĂŒllen-MĂŒssen die Stimme kaputt zu machen.
Wenn er tatsĂ€chlich "brĂŒllen" muss, um mit dem Orchester mit zu halten, dann hat seine Stimme nicht die fĂŒr das dramatische Fach nötigen Voraussetzungen und KapazitĂ€ten und seine Entscheidung war zweifelsohne richtig. Jedenfalls stimmlich betrachtet, mit dem Liedfach alleine seinen Lebensunterhalt zu bestreiten ist dagegen ziemlich ambitioniert.
Unter anderem deshalb kommen z.B. bei Wagner eben auch die grossen dramatischen Stimmen zum Einsatz.
Lied und Oper sind stimmlich betrachtet zwei Welten und nur wenigen SĂ€nger war bzw. ist es vergönnt, von ihren stimmlichen Möglichkeiten, ihrer FlexibilitĂ€t und ihrem stilistischen EinfĂŒhlungsvermögen in beiden Welten ĂŒberzeugend zu hause zu sein. Nach wie vor unerreicht darin bleibt fĂŒr mich Fritz Wunderlich. Oper, auch dramatische Rollen, Operette, populĂ€re Schlager (seiner Zeit), Kunstlied - alles genial gesungen und interpretiert (bitte selber googeln, es gibt zahlreiche Aufnahmen von Fritz Wunderlich).
Allerdings gibt es nichts zu beschönigen, "BrĂŒller" gibt es leider tatsĂ€chlich, auch BĂ€sse, die "bellen". Nicht schön anzuhören, aber es kann nicht einmal gesagt werden, dass diese eher grobschlĂ€chtig agierenden ihre Stimmen zwangslĂ€ufig kaputt machen. Manche sicher, aber viele der "BrĂŒller" sind offensichtlich von Natur aus mit einem ĂŒbermĂ€Ăig krĂ€ftigen Stimmorgan ausgestattet, dass sie sich -mindestens bis zu ihrem Ruhestand- einigermaĂen auf den BĂŒhnen halten können.
Ich orientiere mich aber lieber an den wirklich guten SÀngerinnen und SÀngern, bei denen das Zuhören in jeder Hinsicht ein Genuss ist.
Hier zwei Beispiele, die fĂŒr mich absolut heraus ragend sind, vor allem das erste.
Ein Live-Mitschnitt des "Liebestodes" aus R. Wagners "Tristan und Isolde" mit Waltraud Meier. Hier stimmt fĂŒr mich alles (weshalb ich dieses Beispiel schon öfter verlinkt habe). Meier singt nicht nur mit fantastischer MusikalitĂ€t, sondern auch mit geradezu perfekter Stimmbeherrschung. Dabei muss sie beim "Liebestod" noch mal eine Höchstleistung bringen am Ende einer Oper, die rund 3 1/2 Stunden dauert.
Das Orchester spielt ebenfalls fantastisch, auch unglaublich kultiviert und kooperativ mit Meiers Stimme. Und nicht zu vergessen die geniale Komposition Wagners und dessen perfekte Instrumentierung und dynamischen VerlÀufe.
Selbst in den ff Stellen (eine lĂ€ngere Passage im ff geht von 4:15-5:30) bleibt alles transparent und der Solopart wird nicht erdrĂŒckt - wobei Meier schier unglaubliche Reserven hat.
Hier noch ein sehr schönes anderes Beispiel, das Duett "Bess, you is my women now" aus "Porgy and Bess" von George Gershwin.
(Nicht von der Videoproduktion irritieren lassen, die beiden SĂ€nger haben die Aufnahme selber eingesungen und können auch mĂŒhelos auf jeder BĂŒhne live bestehen.) Nicht nur ein herrliches Timbre im piano gibt es hier zu hören, sondern auch wieder ein mĂŒheloses und kraftvoll-sonores ff. Die Orchestrierung Gershwins trĂ€gt ihr ĂŒbriges dazu bei, dass SĂ€nger und Orchester nicht nur gut verschmelzen, sonder die SĂ€nger nie ĂŒberfordert werden.
Es gibt Musiker bei denen es tatsÀchlich durch das hÀufige Spielen in grosser Besetzung zu Tinitus oder anderen GehörschÀden gekommen ist. Die spielen dann nur noch Mozartopern u.À., nicht mehr aber Wagner oder Strauss.
Leider kenne ich mehrere Beispiele, wo die betreffenden Kollegen schlieĂlich gar nichts mehr spielten, sondern berufsunfĂ€hig wurden.
Nicht umsonst sind schon lÀnger Plexiglas-TrennwÀnde und angepasste Musiker-Ohrstöpsel in den OrchestergrÀben vorgeschrieben (je nach Besetzung).