Lampedusa

Jed
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Hallo, zusamen!
Da wir es im Thread Brennender Boden gerade mit der "Flüchtlingspolitik" zu tun haben, hier ein etwas früherer Text von mir. Im April 2014 bekam ich einen sonderbaren Auftag: einen Text für ein Eurovision Song Contest-Lied zu schreiben - Thema "Lampedusa"! Ich lehnte ab - Popsongs sind nicht mein Ding - aber das Thema gärte in mir, und zuletzt fiel mir dieser Text ein. Eine Melodie gibt's auch. Eher im Bereich Folk/Songwriter, also singbar zu was ich gerade in der Hand habe, ob Gitarre, Banjo, Autoharp, Waldzither oder Concertina.
Der Zeitrahmen: die ersten Flüchtlingswellen landeten auf der Insel Lampedusa. "Wir schaffen das" war noch nicht ausgesprochen worden. So gesehen ist mein Text näher an die Ursachen der Problematik dran, als der von @Captain Knaggs.

Hier der Text, Übersetzung darunter. Was meint ihr dazu?

Lampedusa

When the waves of oppression rolled over our homeland,
And a tyrant took over the helm of our state,
We took to the boats, and we steered for the dry land,
And we soon will be free – “Lampedusa, ahoy!”

Lampedusa, ahoy! There’s peace and prosperity;
Lampedusa, ahoy! There’ll be strong arms to help us.
Lampedusa, ahoy!
Lampedusa, ahoy!

When our frail nutshell foundered, the lifeboatmen scrambled,
And their strong, caring arms fished our dead from the sea.
But we living again felt the scorn of the mighty,
As they turned us back from Lampedusa that day.

Lampedusa ahoy! Your lifeboatmen rescued us!
Lampedusa, ahoy! Tell our tyrants to spare us!
Lampedusa, ahoy!
Lampedusa, ahoy!

Lampedusa, ahoy! There’s peace and prosperity;
Lampedusa, ahoy! There’ll be strong arms to help us.
Lampedusa, ahoy!
Lampedusa, ahoy!

Lampedusa ahoy! Your lifeboatmen rescued us!
Lampedusa, ahoy! Tell our tyrants to spare us!
Lampedusa, ahoy!
Lampedusa, ahoy!
© John Dallas, April 2014

Wörtliche deutsche Übersetzung:
Lampedusa

Als die Wogen der Unterdrückung unsere Heimat überrollten,
Und ein Tyrann das Steuer unseres Staatsschiffs übernahm,
Ließen wir die Boote zu Wasser und steuerte Richtung Ufer,
Und bald werden wir frei sein – “Lampedusa, ahoi!”

Lampedusa, ahoi! Dort gibt’s Frieden und Wohlstand;
Lampedusa, ahoi! Dort wird’s starke Arme geben, die uns helfen.
Lampedusa, ahoi!
Lampedusa, ahoi!

Als unsere zerbrechliche Nussschale sank, stachen die Rettungsmänner in See,
Und ihre starken, helfenden Arme fischten unsere Toten aus dem Meer.
Doch wir Lebenden spürten wieder die Verachtung der Mächtigen,
Indem sie uns an dem Tag von Lampedusa abwiesen.

Lampedusa ahoi! Eure Rettungsmänner retteten uns!
Lampedusa, ahoi! Sagt unseren Tyrannen, sie sollen uns verschonen!
Lampedusa, ahoi!
Lampedusa, ahoi!

Lampedusa, ahoi! Dort gibt’s Frieden und Wohlstand;
Lampedusa, ahoi! Dort wird’s starke Arme geben, die uns helfen.
Lampedusa, ahoi!
Lampedusa, ahoi!

Lampedusa ahoi! Eure Rettungsmänner retteten uns!
Lampedusa, ahoi! Sagt unseren Tyrannen, sie sollen uns verschonen!
Lampedusa, ahoi!
Lampedusa, ahoi!

Cheers,
Jed
 
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Ja, ist näher am zeitlichen Ursprung der Ursachen.. Dein Text hat für mich etwas pathetisches und verherrlichendes. irgendwie. Wahrscheinlich wegen dem "ahoy". So wie es um 1900(?) war, als die Leute in die USA ausreisten um dort ein besseres/goldenes Leben zu haben. Hmm ... Sorry, bei dem Wort "Ahoy" denke ich eher an ausgebildete trainierte Leute im Matrosenanzug, als an die Menschen im Schlauchboot darauf hoffen, das dort wo sie hinfahren, die Freiheit (und auch das Geld) ist. Aber ein für mich fas militärisches Ahoy. Hmm,... oder steht ich auf dem Schlauch und du zielst auf was anderes ab?


Lampedusa

When the waves of oppression rolled over our homeland,
And a tyrant took over the helm of our state,
We took to the boats, and we steered for the dry land,
And we soon will be free – “Lampedusa, ahoy!” // wie funktioniert das "Lampedusa, ahoy!" vor der Refrain ? Ist das ein vereinzelter hook innerhalb von 4 bars?

Lampedusa, ahoy! There’s peace and prosperity;
Lampedusa, ahoy! There’ll be strong arms to help us.
Lampedusa, ahoy!
Lampedusa, ahoy!

When our frail nutshell foundered, the lifeboatmen scrambled,
And their strong, caring arms fished our dead from the sea.
But we living again felt the scorn of the mighty, // Meinst du sprachlich so: But we, the living, feel the scorn of the mighty again?
As they turned us back from Lampedusa that day.

Lampedusa ahoy! Your lifeboatmen rescued us!
Lampedusa, ahoy! Tell our tyrants to spare us!
Lampedusa, ahoy!
Lampedusa, ahoy!

© John Dallas, April 2014
 
Sorry, bei dem Wort "Ahoy" denke ich eher an ausgebildete trainierte Leute im Matrosenanzug, als an die Menschen im Schlauchboot

Danke für dein Kommentar!
Bedenke, dass der durchschnittliche Brite weitaus näher - geographische wie sprachlich - an der Küste wohnt, als der durchschnittliche Deutsche, sogar näher, als die meisten Norddeutschen. Das nautische Vokabular ist weitaus tiefer in die englische wie in die deutsche Sprache eingedrungen.

Im der 1. Strophe steht der Ruf "Lampedusa, ahoy!" (bewußt in Anführungszeichen gesetzt und auch entsprechend als Ausruf zu singen. Wenn du willst, stell dir vor, dass der einzige ausgebildete Matrose an Bord es ruft) für ein Zeichen, dass die Fahrt in die Freiheit bald am Ziel ist. Der 1. Refrain greift die Phrase auf und verknüpft den Landfall mit den Erwartungen der Bootsleute.

Im 2. Refrain ist das "Ahoy" eher ein Aufruf an die Menschen an der Küste von Lampedusa, nach der Seenotrettung nun auch die Rettung aus der misslichen politischen Lage zu versuchen.

Cheers,
Jed
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
But we living again felt the scorn of the mighty, // Meinst du sprachlich so: But we, the living, feel the scorn of the mighty again?

Ja, genau so! (Aber "felt" bleibt in der Vergangenheitsform.)

Jed
 
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Danke für dein Kommentar!
Bedenke, dass der durchschnittliche Brite weitaus näher - geographische wie sprachlich - an der Küste wohnt, als der durchschnittliche Deutsche, sogar näher, als die meisten Norddeutschen. Das nautische Vokabular ist weitaus tiefer in die englische wie in die deutsche Sprache eingedrungen.

Im der 1. Strophe steht der Ruf "Lampedusa, ahoy!" (bewußt in Anführungszeichen gesetzt und auch entsprechend als Ausruf zu singen. Wenn du willst, stell dir vor, dass der einzige ausgebildete Matrose an Bord es ruft) für ein Zeichen, dass die Fahrt in die Freiheit bald am Ziel ist. Der 1. Refrain greift die Phrase auf und verknüpft den Landfall mit den Erwartungen der Bootsleute.

Im 2. Refrain ist das "Ahoy" eher ein Aufruf an die Menschen an der Küste von Lampedusa, nach der Seenotrettung nun auch die Rettung aus der misslichen politischen Lage zu versuchen.
Ah, ok. Jetzt leuchtet es mir ein. Mir fehlt halt das Wissen. Für mich war bis heute, das Ahoy eher ein Gruß der aus dem militärischen kommen könnte.

Ja, genau so! (Aber "felt" bleibt in der Vergangenheitsform.)
autsch. Ja, sorry, war ne typo.
 
Hi Jed,
finde den Text gut.
Für mich erzählt er die Geschichte einer Flucht, gestartet voller Hoffnung, am Ende scheiternd: nur die Toten dürfen bleiben - die Lebenden werden zurückgeschickt und dem Tyrannen ausgeliefert, dem sie entfliehen wollten.

Ihre Anrufung an die Gütigen, die Mächtigen in Europa bleibt ungehört, ihre Hoffnung auf eine Teilhabe an ein Leben in Sicherheit, Frieden und Wohlstand bleibt unerfüllt.

Die geschilderte Ursache der Flucht ist glaubhaft, weil sie eine bestehende Möglichkeit und Realität neben anderen darstellt und keinen Absolutheitsanspruch erhebt.

Der erzählte Auschnitt verknappt, verdichtet, läßt aus - dies ist erkennbar und deshalb behauptet der song auch nicht, "die Flüchtlinge", "die Migration" oder "die Integration" oder was auch immer zu thematisieren, sondern er bleibt dabei, eine Geschichte zu erzählen, die eine derer sein kann, die Regalbretter füllen könnten, machte sich jemand die Mühe, sie zu sammeln.
So ähnlich wie ein Feldpostbrief nicht "den Krieg" darstellt, aber ein kleines Mosaiksteinchen, ein Teil eines erlebten Lebens im Krieg.

Ich frage mich, ob im letzten Refrain nicht eine Frageform noch stärker wäre, die den Fokus auf die erzwungene Rückkehr legt: Welches Schicksal erwartet sie in ihrer Heimat? Was werden ihre Familien sagen, für die sie ja auch Hoffnungsträger waren?

x-Riff
 
Hi, x-Riff,
Danke für die Rezension!

Die Verknappung, die du positiv hervorhebst, ergab sich aus dem Auftrag: "Schreiben Sie einen Songtext zum Thema Lampedusa!"

Lampedusa ist weit weg von Deutschland. Als Lampedusa in der Presse allgegenwärtig war, waren die Merkelsche Flüchtlingspolitik und der Bau von Flüchtlingsheimen in deutschen Gemeinden noch kein großes Thema. Lampedusa war eine Ikone für die Hoffnungen zukunftsloser Afrikaner - und für die Enttäuschung dieser Hoffnungen. So gesehen war das lyrische Wir naheliegend und entband mich der Verpflichtung, Wertungen oder gar Lösungsangebote bieten zu müssen.
Ich habe lediglich einen Satz aus meiner politischen Stellungnahme den Flüchtlingen in den Mund gelegt: "Tell our tyrants to spare us." Ich denke, dass es dem durchschnittlichen afrikanischen Flüchtling egal ist, ob das diktatorische Regime in seinem Land eine Folge schlechter Kolonialpolitik oder der Raffgier der Konzerne ist. Er wird schlicht und ergreifend unterdrückt - und wenn das Fass überläuft, dann flieht er. Und Lampedusa ist nun mal der nächste Punkt im freien Europa. Symbol der Hoffnung - und leider auch der Enttäuschung.
Und Hoffnung und Enttäuschung sind sehr persönliche Empfindungen. Wir als Bürger eines aufnehmenden Landes können sie kaum ermessen. Deshalb kommen Deutsche oder sonstige Europäer im Lied nicht vor. Höchstens die italienischen Seenotrettungsmänner. Die aber sind unpolitisch und reagieren reflexartig: ob Fischkutter, Luxusyacht, Frachter oder Flüchtlingsboot, Seenot ist Seenot, und sie fahren hinaus! Ein Beispiel für die Gesellschaft im allgemeinen[Fragezeichen].

Cheers,
Jed
 

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