Locker und befreit spielen...?

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Tag auch,

ich möchte in diesem Thread eine Sache adressieren die mich schon länger beschäftigt und auch irgendwo quält. Es geht darum, dass ich grundsätzlich, wenn ich mir andere Keyboarder anschaue, das Gefühl habe als würde jeder seine Lieder wesentlich lockerer vortragen und seine Hände viel präziser unter Kontrolle haben.

Ich weiß gar nicht so recht, wie ichs beschreiben soll...
Wenn ich anderen Pianisten und Keyboardern zusehe, dann scheint es, als würden sie mit ihren Händen geradezu graziös über die Tastatur springen während ich mir mit meinem eigenen Spiel vorkomme als würden sich meine klobigen Finger von Note zu Note wuchten.
Das Problem ist aber, dass das ganze eigentlich reine Kosmetik ist denn obwohl mein Spiel irgendwie langsamer und grober aussieht treffe ich doch immer den Rhythmus und liege perfekt im Timing. Dennoch kommts mir so vor als würde es 100 mal langweiliger sein mir zuzusehen im Vergleich mit anderen.

Das hat gerade im beidhändigen (Piano)Spielen auch Einfluss auf mein Selbstvertrauen und meine Motivation. Es klingt bei mir meistens nicht cool, sondern einfach nur zweckmäßig. Technisch richtig aber irgendwie fehlt einfach das Flair, die Action, der Kick, dieses Gefühl "fuck yeah so muss das klingen", das einen antreibt weiter und weiter zu üben.


Kennt ihr dieses Gefühl? Ich würd gern mal wissen ob irgendwer schonmal das gleiche Problem hatte und wie man dagegen vorgehen kann. Oder bilde ich mir das ganze vielleicht einfach nur ein?
 
Eigenschaft
 
Hi,
ich bin Gitarrist und auf allem mit Tasten mehr als unterirdisch (DAS zu sehen sieht klobig aus ;) ), aber die Frage ist finde ich auch etwas allgemeiner zu beantworten.

Zunächst einmal: Wie lange spielst du denn schon? Ich fühle mich auf meiner Gitarre nach nun knapp 7 Jahren komplett zu Hause, auch mit verbundenen Augen.. das heißt nicht, dass ich den Anspruch habe alles perfekt nachspielen zu können. Viel mehr bin ich mir meiner Schwächen, aber auch meiner Stärken bewusst. Die Schwächen werden im stillen Kämmerlein in Anspruch genommen, auf die Bühne gehören die Parts, die im Schlaf sitzen - und klar, mit einer Gitarre cool aussehen ist natürlich irgendwie einfacher als an den Keys.. allerdings sieht man finde ich schon einen Unterschied, wenn jemand seine Akkorde in cooler Pose durchschlägt zu jemandem, der sich auf dem Griffbrett wohl fühlt und zumindest teilweise weiß was er da macht - dieses freie bewegen halt.
Vielleicht sieht man das aber eben auch einfach sehr viel deutlicher, wenn man selbst auf dem Instrument bewandert ist? Die simpelsten Sachen klingen ja für den Laien oft am besten - und was gut klingt ist halt auch erstmal vermutlich "total schwer" ;)

Was mir total viel geholfen hat (die ersten 4 Jahre gings mir auch ähnlich): Improvisieren, improvisieren, improvisieren. Und zwar nicht nur generell jammen, sondern speziell in den Songs um die's geht. Du musst das Feel des Songs schon verinnertlicht haben und eben auch schon mal hier und da deine gängigen Fills gespielt haben um da sicher rüberzukommen. Wer sich auf der Bühne an Dinge rantraut, die er vorher nie versucht hat, hat oftmals im Hinterkopf das etwas schief gehen könnte.. und das merkt man ganz deutlich :)

Ich halte es für sehr viel wichtiger im Track zu grooven und das auch zeigen zu können als perfekte Technik und 100%iges Timing zu zeigen. Klar sollte letzteres da sein, aber eben im Selbstverständnis, nicht im Vordergrund. Gib den Songs deinen eigenen Swing mit und hab da keine Angst vor!
 
Also ich spiele jetzt seit ca. 4 Jahren Synthesizer.
Das mit dem Improvisieren ist ein guter Ansatz denke ich. Ich kann zwar improvisieren etc. aber gerade rumprobieren mit verschiedenen Fills etc... ja das könnte mir evtl. schon helfen. Ich werd mal versuchen das in die Stücke die ich derzeit spiele einzuarbeiten.

Hhmmm, aber das kann doch eigentlich auch nicht ausschlaggebend für klobiges Movement sein? :gruebel:
Kann denn sonst vielleicht noch wer einen Erfahrungsbericht teilen?
 
Vielleicht ist das auch eine psychologische Geschichte. Mir geht es manchmal so, wenn ich bei einem bestimmten Stück an bestimmten Stellen immer wieder Probleme habe. Da hilft nur eines: für einige Zeit das entsprechende Stück links liegen lassen und etwas anderes anfangen, am besten ein Stück, dessen Anspruch etwas niedriger ist.
Überhaupt ist die Kombination aus Entspannung und erforderlicher Anspannung, die ja ebenfalls notwendig ist, eine der schwierigen Dinge des Klaverspielens. Diese Balance gerät schnell mal aus den Fugen, das Ergebnis ist ein hölzernes, unschönes Spiel.
 
Dennoch kommts mir so vor als würde es 100 mal langweiliger sein mir zuzusehen im Vergleich mit anderen.

Hast du das "Problem" vornehmlich bei Gigs oder auch beim stillen Üben allein zu Hause?
 
Nur bei mir allein zuhause. Gigs hab ich derzeit keine, Band auch nicht also spiel ich eigentlich ausschließlich für mich. Hab allerdings in der letzten Zeit auch 1-2 Videos aufgenommen und mich selbst beim spielen gefilmt, da hat sich der Eindruck nur bestätigt.
 
Also scheidet die Unlocker-wegen-Publikum-Variante aus. Wenn es von dir zu Hause schon als verkrampft empfunden wird, hat das meiner Meinung nach zwei Gründe: zum einen wird deine Technik deinem Anspruch nicht gerecht, zum anderen ist deine Grundstimmung vielleicht belastet und wirkt sich somit auch auf dein Spiel aus.

Das erste Problem kannst du in den Griff bekommen, indem du ganz banal an deiner Technik feilst, eventuell auch unter Zuhilfenahme eines Lehrers. Denn vieles, was locker aussieht, ist nicht locker - sondern gekonnt. Und da kommt dein Anspruch ins Spiel: du siehst etwas, z. B. bei einem anderen Keyboarder und entwickelst unterbewusst eine gewisse Vorstellung von deiner persönlichen Umsetzung. Dann willst du es in die Praxis umsetzen - und scheiterst. "Scheitern" in so fern, als dass deine Technik die gesehene Art der Umsetzung einfach nicht zulässt. Ich hab selbst momentan ein "gutes" Beispiel bei mir (ab 2:14) :



Ich höre und sehe, was Brad Mehldau spielt. Ich "verstehe" vieles von dem sogar irgendwie. Und trotzdem könnte ich vor lauter Frust k*****, wenn ich dann dieses Piano-Solo spiele - weil's natürlich eine ganz andere Lockerheit, Freiheit und gleichzeitig jedoch Bestimmtheit in seiner Version hat. Das sind Welten, der sieht nicht nur cooler aus dabei, der weiß sogar, was er tut. Und da sind wir beim Punkt: kann Brad Mehldau in meinem Falle die Referenz für gesunden Anspruch sein? Mit Sicherheit nicht. Ich kenne jetzt deine konkreten Ansprüche nicht, aber versuche nicht krampfhaft was zu erlangen, was musikalisch in einer völlig anderen Liga stattfindet. Dann kommt der Frust, weil deine Technik und dein Verständnis (noch) nicht dafür ausgelegt sind. Also zunächst Ziele setzen, die erreichbar sind.

Das zweite Problem kann deine grundsätzliche Stimmung oder auch dein Umfeld sein. Hast du wirklich Lust drauf, abends zu spielen? Oder ist der Frust mittlerweile so latent, dass eigentlich ein Scheitern für einen Anspruch an Lockerheit schon vorprogrammiert ist? Planst du dir genug Zeit ein, um langsam anfangen und sich dann nach 20 Minuten leicht steigern zu können? Hast du Ruhe wenn du übst oder stört dich permanent irgendwas? Wenn dein Tag im Eier war und du unausgeglichen bist, wird sich das in deinem Spiel entsprechend widerspiegeln.

Vielleicht hilft's dir, ich persönlich fange ganz gerne mit rhythmischen Figuren in der linken Hand an und improvisiere dann rechts drüber (z. B. ist Stings "Set them free" gut geeignet):

.

Und erst wenn's ohne Konzentration unabhängig groovt, ist die Welt in Ordnung. ;)
 
Vermutlich spielen die von dir erwähnten Keyboarder auch schon länger.

Vier Jahre ist nicht gerade eine lange Zeit.
 
Improvisation, Improvisation, Improvisation...........
Nimm einen Song und spiele einfach eine 10 Minütige Improvisation drüber. Am besten du beginnst mit Blues oder Jazz/Swing.
Spiele in die Improvisationen immer wieder Frasen ein (sich wiederkehrende Melodiefolgen) und erhöhe das Tempo bis zum höchsten Level (bis das du sie perfekt beherrscht). Dann spiele den Song in einer anderen Tonhöhe (z. B. statt G einfach C) und wiederhole das ganze und versuche noch schneller zu werden.

Dabei lernst du, blind und schnell über alle Tonarten ein Solo zu spielen und wirst vor allem locker. Du musst nur viel üben!
Sobald du auf anhieb das spielen kannst , wass dir gerade einfällt, kannst du garnicht mehr "steif" spielen. Das ganze dauert natürlich eine Weile.

Kleiner Tipp noch: Suche dir eine Band! Das macht erstens mehr Spaß und du wirst dadurch routinierter.

Lg, Lukas
 
K
  • Gelöscht von Basselch
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