Mollsubdominante

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Harrisson
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Hallo,

ich habe eine Frage zum Ausdruck "Mollsubdominante". Ich verwende ihn im Zusammenhang von Dur, wenn dort die Subdominante in Moll auftritt. Zum Beispiel bei folgender Akkordfortschreitung:

|C |F |G7 |C |F |Fm |C |

Fm ist für mich die Mollsubdominante.
Natürlich weiß ich, dass es in C-Moll ebenfalls eine Subdominante gibt, die auch Fm lautet. Diese würde ich im Zusammenhang von Moll aber "Subdominate in Moll" nennen.
Meine Frage ist, ob meine Verwendung der Begriffe ok ist, oder würdet ihr bei einer Subdominate in C-Moll auch von "Mollsubdominante" sprechen?

Viele Grüße
Harrisson
 
Eigenschaft
 
Du verwendest in Dur Tonart die Mollsubdominante aus dem gleichnamigen Moll.
Somit trägt sie auch den gleichen Namen.
 
Hallo Cudo II,

vielen Dank für deine Antwort.
Du meinst also, dass man in Moll auch von einer "Mollsubdominante" sprechen kann?
 
Hallo Harrison,

Ich finde Deine Frage gut. Am Ende vom Lied wird es wohl auf eine feinsinnige Begriffsdebatte herauslaufen. Die man meiner Meinung nach aber berechtigterweise führen kann. Es geht, oder sollte es, um das, was man hört. Und wie man es dann benennt.

Cudo's Antwort interpretiere ich so, dass er die Mollsubdominante (im Folgenden kurz MSD) in Dur als MI-Funktion analysiert. Das geht und man kann es auch so hören. Historisch betrachtet hat die MSD in Dur jedoch einige hundert Jahre auf dem Buckel und entstand wie andere harmonische Entwicklungen auch aus Durchgängen, Vorhalten oder anderen beliebten Stimmführungen (z.B. der V7-Akkord oder die Doppeldominante). Die Sicht- und Analyseweise ab ca. der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezogen auf die Popularmusik, einen Akkord aus einer anderen Tonart zu leihen (MI-Funktion = borrowed chord), hat folglich nichts mit der Entstehung oder gar des Geburtsverständnisses eines Klanges, hier der MSD in Dur, zu tun. Genauso wenig analysiert man ja z.B. eine Doppeldominante als MI-Funktion, obwohl man könnte.

In der klassischen Funktionstheorie spricht man auch davon, eine Subdominante in Dur zu vermollen und eine Subdominante in Moll zu verduren (Bach). Diether de la Motte, ein toller Musiktheoretiker für meinen Geschmack, vermeidet soweit mir bekannt ist, in seiner Harmonielehre das Wort MSD.

Ich sehe und höre wie folgt: Die MSD ist ein aus Stimmführungsgründen heraus entstandenes jahrhunderte altes Klanglischee in Dur und sollte, obwohl nicht-diatonisch,
zum harmonischen Sound von Dur hinzugezählt werden. (Folglich nicht als MI-Funktion zu analysieren, sondern lapidar als IVm-Akkord in Dur.) Dies alles letzten Endes vor allem deshalb, weil ich finde, das eine MSD in Dur anders klingt, als eine in Moll!

Welchen Song in Dur mit einer MSD ich auch höre, ich habe kaum das Gefühl, für einen Moment aus Dur bugsiert worden zu sein, wie dass eine Analyse als MI-Funktion nahelegt. Meine Ohren bleiben einigermassen unirritiert in Dur, weil sie gar nichts Überraschendes vernehmen, sondern eine sehr alte Hörkonvention.
Eine MI-Funktion soll kompositorisch normalerweise das Gegenteil bewirken, nämlich ein kurzes Ablenken von der vorherrschenden Tonart, oder, aus Sicht der klassischen Funktionstheorie, eine Ausweichung. Soweit mir bekannt ist, analysiert auch die klassische Funktionstheorie eine MSD in Dur nicht als Ausweichung, sondern als zur Dur-Familie zugehörig (nur eben vermollt).

Aus den genannten Gründen, bzw. nach meinem Hörempfinden (ich höre im Übrigen nicht als einziger so), fände ich es gut, wenn man die vermollte Subdominante in Dur als Mollsubdominante bezeichnen würde, und, um auf die klangliche Unterschiedlichkeit hinzuweisen, die "reguläre" Subdominante in Moll als Subdominante in Moll oder SubdominantMoll-Akkord.


Mich würde sehr interessieren, wie das hier andere noch beurteilen.

Grüße!

Mathias
 
Welchen Song in Dur mit einer MSD ich auch höre, ich habe kaum das Gefühl, für einen Moment aus Dur bugsiert worden zu sein, wie dass eine Analyse als MI-Funktion nahelegt.
Das habe ich so noch nie gehört, dass ein Modal Interchange Akkord mich raus bugsiert.
MI - Akkorde sind immer temporäre Erscheinungen in einer Tonalität. Sie werden immer sofort zurückgeführt und bilden so keine eigenständige Modalität.
 
Hallo Cudo,

leider ist Dir versehentlich entgangen, dass ich "für einen Moment" schrieb.
In meinem Sprachgebrauch und in diesem Zusammenhang bedeutet "für einen Moment" und "temporär" das Gleiche.

Wenn es Dir und der (leider noch nicht begonnenen) Debatte dienlich ist, kann ich gerne auch wie folgt formulieren:

Welchen Song in Dur mit einer MSD ich auch höre, ich habe kaum das Gefühl, temporär aus Dur bugsiert worden zu sein, wie dass eine Analyse als MI-Funktion nahelegt.

Grüße!

Mathias
 
Meine Frage ist, ob meine Verwendung der Begriffe ok ist, oder würdet ihr bei einer Subdominate in C-Moll auch von "Mollsubdominante" sprechen?
Ich würde von einer "vermollten" Subdominante oder Mollsubdominate sprechen, wenn sie in Dur auftritt, ansonsten einfach nur von von einer Subdominante (in Moll wäre das natürlicherweise die s bzw. IVm, in Dur die S bzw. die IV).
Die Sicht- und Analyseweise ab ca. der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bezogen auf die Popularmusik, einen Akkord aus einer anderen Tonart zu leihen (MI-Funktion = borrowed chord), hat folglich nichts mit der Entstehung oder gar des Geburtsverständnisses eines Klanges, hier der MSD in Dur, zu tun.

Die vermollte Subdominante in Dur kann man auf zweierlei Weisen erklären: systematisch/didaktisch und historisch

Systematisch/didaktisch würde man von der Durtonleiter ausgehen und den Hauptfunktionen T, D, S. Es werden zunächst nur leitereigene Töne verwendet.
Im nächsten Schritt würde man Moll aus der äolische Molltonleiter bilden. Leitereigen würden sich die Funktionen t, d und s ergeben.
Da d eine kaum akzeptable Dominante darstellt (Leitton fehlt), wird der 7. Ton erhöht, so daß D und harmonisches Moll entstehen.

Die aus äolisch-Moll stammende "Dominante" d wird also zu D "verdurt". Der erhöhte (Leit)-Ton strebt zur Auflösung nach oben.

Symmetrisch kann man in Dur die Subdominante "vermollen"/erniedrigen und erhält dadurch ebenfalls einen Leitton, der jetzt nach unten zur Auflösung strebt ("Gleitton"). Auflösungen von Leittönen erscheinen plausibel, also auch die Auflösung der vermollten Subdominante s zur D oder T.

Der Charakter von Dur wird durch die Vermollung der Subdominante vergleichsweise gering beeinträchtigt, verglichen mit einer Vermollung von D oder T.

Daher wird er als interessante Farbvariante gerne in den Akkordfolgen der Popularmusik eingesetzt:

Elvis Presley - Love Me Tender (1956)
Ken Darby (Bearbeiter):
.................. S..... s........ T
.................. All my dreams fulfilled


George A. Poulton (Komponist des Originals) setzte an der Stelle keine vermollte Subdominante ein:
................... S............... T
Aura Lee, Aura Lee, birds of crimson wing

Frances Farmer - "Aura Lee"
97th Regimental String Band - Aura Lee (Civil War Music)

Beatles:
When I'm Sixty Four with Lyrics
S............. s
Will you still need me,

In My Life- The Beatles [HD] (with lyrics)
.......... S.. s......... T
... all my li--ife though some have changed,

Das Wort "Farbvariante" führt zu dem Begriff Variantklang, den die klassische Harmonielehre verwendet.

Die Akkordfolge S-s bzw. (IV-IVm oder IV-iv) wird zwar gerne auch aus melodischen Gründen genommen (siehe u.a. obige Beispiele), doch es wird natürlich eine Eigenschaft der Moll-Tonart verwendet. Die Einführung der vermollten Subdominante kann daher auch als Einstieg in Moll-Tonart dienen:

Ivo Robic - Morgen (1959), Komponist: Peter Moesser (1915-1989)
Der Schlager wurde auch in Amerika gern gehört, wie youtube-Kommentaren zu entnehmen ist:
Matt Reese vor 6 Monaten
A #1 song back in 1959 in Toronto, Canada, believe it or not.
endeavor53 vor 3 Monaten:
I first heard this song when I was a kid, a long time ago, since I'm 61 now in 2014, at my uncles house. His last name was Morgan. I guess that's one reason he had the record. I like it.
Wikipedia: Robić—often referred to as "Mr. Morgen" - US-Cover (Leslie Uggams)

Vers:
...
S....... s ...... T
Gestern, gestern, liegt
...
Chorus:

s
sind wir ...

t
sind wir ...
s
sind wir ...


Eine abschließende Anmerkung zur Harmonielehre von De la Motte:
Er geht darin historisch vor und sagt auf S. 134, daß der Leitton älter war als Dur und Moll und die obige Sichtweise nicht der geschichtlichen Entwicklung entspricht, sondern eher dem Aufbau von Lehrbüchern "von leicht zu schwer".

Die "Mollsubdominantklänge in Dur sind für die Bachzeit nicht Bereicherung von etwas ursprünglich schlichtem, sondern Übernahme aus früherer bunter Klangfülle". Er belegt dies mit einem Beispiel von Haßler aus dem Jahr 1601.

Beide Betrachtungsweisen habe m.E. ihre Berechtigung im jeweils passenden Kontext.

Viele Grüße
Klaus
 
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Der Charakter von Dur wird durch die Vermollung der Subdominante vergleichsweise gering beeinträchtigt, verglichen mit einer Vermollung von D oder T.

Die Absenkung von Ton 7 zu Ton b7 stellt keinen Eingriff in die Wahrnehmung von Dur dar. b7 erlaubt eine T7 , was eher als Bekräftigung der Tonika, quasi als Ausrufezeichen gesehen werden kann denn als Verlassen der Tonika. Auch dann, wenn die S nicht direkt folgt. Außerdem können wir dank Ton b7 problemlos eine SS (bzw. eine dP) im Kontext Dur erhalten und verwenden. Eine Vm kann ebenso problemlos in eine S überleiten - b7 ist dann Gleitton zur Terz der S - wir sind weiterhin in Dur. ( mit Vm als Zwischen-IIm zur S).

Ton b3 zusammen mit b7 erlaubt eine tP im Dur-Kontext. Ein Parallelklang, der die Tonika direkt vertritt. Bis dahin haben wir Dur nicht verlassen. Solange wir nur Dur-Akkorde verwenden, kann auch eine bVI noch untergebracht werden (Parallelklang zur S und Gegenklang zur T).

Allerdings ist IVm kein Dur-Akkord und Ton b6 ist höchst ambivalent. Er ist völlig symmetrisch erreichbar sowohl über drei Quint-Fälle als auch über drei Quint-Anstiege - er gehört enharmonisch sowohl zu A-Dur als auch zu Es-Dur. (Man könnte ja auch eine s in eine III überleiten - die dann als Dominante zur tP aufgefasst wird und auch so gehört wird, unabhängig davon, ob die tP nun folgt oder nicht. b6 wäre dann als #5 "entlarvt". ) Es ist genau diese Ambivalenz, die Ton b6 zu einem starken Spannungston macht (b6 baut die zugrundeliegende Tonika in einen Neapolitaner um). Das rechtfertigt auch, die Akkorde, welche b6 enthalten, in einer extra Gruppe, nämlich SDM, zu führen.
 
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