Musiktheorie und Notenkenntnisse notwendig zum Musizieren?

Ich glaube, jemandem wie BDX fehlt das Schlüsselerlebnis, wie ein Stück Theoriewissen sofort ins Musikmachen übertragen werden kann.

Er stellt es sich wahrscheinlich als lauter so abgefahrene Diskussionen vor, ob man über C7#11b13 Phrygisch#6 spielt und ähnliches.
Deshalb würde ich bei Leuten wie ihm immer versuchen, jedes Stückchen Theorie an einem Musikstück zu erklären und sofort anzuwenden.

(Mit Kirchentonarten anzufangen, halte ich deshalb für von hinten durch die Brust, daher meine obige Bemerkung.)
 
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Aber wenn Du merkst, dass Du irgendwo nicht weiterkommst, ist es schon sinnvoll zu fragen, woran es liegt.

Anders als im Handwerk (Tischler, Schweißer, Elektriker), wo auch die fachtheoretischen Kenntnisse unbedingt notwendig sind, sehe ich im Musizieren mehr die künstlerische Freiheit, die keine musiktheoretischen Anforderungen erfüllen muß. Die Funktionalität und Sicherheit einer elektrischen Anlage ist indiskutabel, da ist die Vorschrift verbindlich (Objektivität).
In der Musik geht es um inneres Empfinden (Subjektivität) eines jeden Zuhörers - das gefällt, jenes gefällt nicht, egal wie das Stück musiktheoretisch aufgebaut ist (Parsifal ist nicht besser als Die Zauberflöte, aber das eine gefällt, das andere nicht).
Leider haben wir in der Kindheit gelernt, daß andere Leute (besser) wissen, ob wir etwas falsch/richtig machen, und das Vertrauen in das eigene Können bildet sich erst im späteren (erwachsenen) Alter aus, bei einigen Menschen bleibt diese Fähigkeit sehr verkümmert (kein Selbstbewußtsein).

Nach meiner Erfahrung liegt das "Nichtweiterkommen" vorwiegend daran, daß wir uns nicht trauen, unsere Leistung nach eigenen Kriterien zu beurteilen, und suchen die Meinung außerhalb von uns (Lehrer, erfahrener Musiker usw.). Durch unser Bildungssystem sind wir auf ungesunde Weise abhängig von der Bewertung anderer Leute, dabei wissen wir aus der Geschichte, daß selbst Menschen ohne jegliche Schulbildung wunderbare Musik machen können, einfach deshalb, weil sie von Kindesbeinen gesungen oder ein einfaches Blasinstrument gespielt haben.

Nein, ich bin kein Gegner der Schulbildung/Musiktheorie, im Gegenteil. Aber zum Musizieren führen viele Wege, und der richtige ist der Weg, der dem Musizierenden Spaß macht.

Gruß, Bjoern
 
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Ich kenns eher umgekehrt, aber eigentlich läufts ja trotzdem auf dasselbe hinaus:
Theorie, die nicht mit "echten" Klangbeispielen und -vorstellungen (eben aus konkreten Stücken, nicht einfach nur abstrakt aufgemalt) unterfüttert ist, ist wertlos.
Sobald ein Kind "Heute gehe ich in die Schule" schreiben und lesen kann, kann ich beginnen, ihm zu erklären, was ein Verb und was ein Nomen ist, wobei man in dem Alter (zumindest zu meiner Zeit) eher kindsaffinen Bezeichnungen wie "Tun-Wort" statt Verb verwendet hat.

Aber eben: Zuerst schreiben lernen, dann bringt es auch was, diverse Abstraktionen dieser geschrieben und gelesenen Sätze zu betrachten.
Und ist auf einem Instrument dasselbe, lern zuerst "sprechen", dann "lesen & schreiben", dann die Abstraktion und Theorien.

Es wird ja auch, wie hier schon im Threadtitel, gerne Noten und Theorie irgendwie in einen Topf geworfen. Ich hab schon auf meinem Niveau ganz passabel schon vom Blatt spielen können, als ich von MuTh aus heutiger Sicht ü-b-e-r-h-a-u-p-t keine Ahnung hatte. Einzig, helfen tut es natürlich schon viel, wenn man damit anfängt. Aber "nur", weil ich gut Noten lesen kann muss man damit nicht zwangsläufig mehr von Musiktheorie verstehen - ich kann ja auch (zumindest in der eigenen Muttersprache) vortrefflich lesen und absolut frei von Rechtschreibfehlern schreiben können und trotzdem keinen Plan haben, was ein Hilfsverb, was ein Adverb ist und in welcher Zeitform der Satz steht.

LG
 
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Notwendig würde ich nicht sagen aber nützlich finde ich es schon.

Ist halt wie eine Sprache. Als Muttersprachler braucht man die Grammatik nicht aber ist halt nützlich.

Ansonsten, ich habe Theorie und Praxis anfangs parallel vorangetrieben bis ich merkte, allein um Barre Chords sauber ausklingen zu lassen übe ich seit etwa 1.000h und noch kein Ende in Sicht. Da kann ich ruhig mal 20h pro Jahr in Musiktheorie Webseiten herumschmökern.
 
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Es ist einfach so viel einfacher, wenn ich meinem Gitarristen erklären kann: "Die Bridge hat 8 Takte, beginnt auf der Dominante der Mollparallele und geht dann in einer Dominantkette mit 2-taktigen Akkordwechseln wieder zur Tonika.", als wenn ich ihm erklären muß: "Lege Deinen Zeigefinger auf die E-Saite an den 5. Bund, die A-Saite bitte abdämpfen, dann den Mittelfinger auf die D-Saite am 5. Bund, den Ringfinger auf die G-Saite am 6. Bund und den kleinen Finger auf der H-Saite auf den 7. Bund. Dann für den nächsten Akkord bitte den RingfgrfdaStem5.Bndjhz<uzhjkjk ... [...]." Und wenn ich fertig bin, kommt die Sängerin und sagt: "So hoch komme ich nicht. Können wir es einen Ton tiefer machen?" Dann fange ich wieder von vorne an.

Der Elektro(nik)spezialist sagt ja auch nicht zu seinem Kollegen: "Geh mal in den Elektronikladen und kauf 4 von diesen kleinen zylindrischen Bauteilen, aus denen 2 Drähte herausschauen. Ich zeige Dir mal ein Bild, wie die aussehen. Dann nimm deinen Lötkolben und löte die in das 7. Loch von links Deiner Platine, aber pass auf, daß es nicht verḱehrt herum ist. Oh nein, du hast Widerstände gekauft, statt Dioden." Sondern er sagt: "Bau da noch einen Gleichrichter ein. Hier ist der Schaltplan mit der Teileliste."

Meine Elektrokenntnisse bewegen sich ungefähr auf dem Niveau von Lagerfeuerakkorden und Quintenzirkel. Ich kann messen, ob der Anlasser in meinem Auto Massekontakt hat und die Spulen in meinem Rhodes neu wickeln und anlöten. Aber wenn an meinem 100 Watt Fender-Röhrenamp etwas kaputt ist, lass ich die Finger weg und lass den Amp-Doc ran.

Also: Natürlich kann man ohne Theorie Musik machen, und ohne Fachausbildung eine Sicherung im Küchenmixer austauschen. Aber es gibt halt Grenzen. Und dann gibt es eben andere Leute, die können eine Computerplatine entwerfen, und wieder andere, die können eine Symphonie für ein 40-köpfiges Orchester komponieren. So what?

Viele Grüße,
McCoy
 
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Vielleicht sollte man auch erstmal klären, was man unter Musiktheorie versteht. Wenn man die einfachen Akkordbezeichnungen da mit einbezieht,
oder gar den Rhythmus, ist das schon was anderes als Verständnis für z.B. den Quintenzirkel aufbringen. So gesehen kommt dann jeder mit der Theorie
in Verbindung. Beim Notenlesen verhält es sich so, mMn., das braucht man, wenn man Sachen vom Blatt spielen will. Wenn man, z.B. bei der Gitarre die Töne auf dem Griffbrett zu ordnen kann, ist das ja auch eine Art Notenlesen, um Akkorde oder Tonabfolgen zu verstehen.
Beide Arten muß man erlernen. Wie der/die Einzelne dann vorgeht hängt ja auch damit zusammen, welche Musik er/sie spielen möchte.
Von daher sind Diskussionen dieser Art hier immer wieder wenig ergiebig, da sich keine Allgemeingültigkeiten oder zwingende Gesetze
daraus folgern lassen. Bleibt jedem selbst überlassen, Hauptsache er /sie bringt schöne Klänge zustande:).
 
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Nach meiner Erfahrung liegt das "Nichtweiterkommen" vorwiegend daran, daß wir uns nicht trauen, unsere Leistung nach
zu beurteilen
da bin ich voll bei dir.
Es ist einfach so viel einfacher, wenn ich meinem Gitarristen erklären kann: "Die Bridge hat 8 Takte ....
... kann aber auch sein das er antwortet: Nö, die Bridge hat sechs Saitenreiter ... :LOL:
BDX.
 
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... kann aber auch sein das er antwortet: Nö, die Bridge hat sechs Saitenreiter ... :LOL:
Das wäre dann aber so, wie wenn im Elektronikbeispiel der Angesprochene antwortet: Gleichrichter kenne ich nicht, ich bin Scharfrichter und habe einen elektrischen Stuhl. :rofl:

Viele Grüße,
McCoy
 
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Bleibt jedem selbst überlassen, Hauptsache er /sie bringt schöne Klänge zustande.

Definieren wir mal bitte "schöne Klänge" ;)
Aber ja, das sagen ja alle hier mehr oder weniger.

Genauso wie es mir selbst überlassen ist, meinen Hasenstall oder ein Bücherregal ohne Tischlerausbildung zusammenzuspaxen oder mir mal in Ruhe die Werkzeuge anzuschauen, zu lernen, wie man sie benutzt, usw.
Natürlich kann ich mich persönlich am Ergebnis erfreuen, auch wenn der schief und krumm ist, und es erfüllt seinen Zweck als Hobbyprojekt.

Ob es anderen gefallen soll, ist eine andere Frage. Ob jemand Geld dafür bezahlen soll, eine nächste. Und so weiter.

Zum Zusammenspiel mit anderen Musikern hat @McCoy sehr passend beschrieben, wo die Vorteile liegen.

Nach meiner Erfahrung liegt das "Nichtweiterkommen" vorwiegend daran, daß wir uns nicht trauen, unsere Leistung nach eigenen Kriterien zu beurteilen
Kann ich für mich persönlich so nicht sagen. Ich beurteile mein Zeug durchaus nach eigenen Kriterien.
Manchmal finde ich es ganz OK, was geht, sehr oft merke ich, was mir noch alles fehlt. Aber ich mache trotzdem weiter, weil ich die kleinen Fortschritte schon merke.

Wichtig ist imho a) die Motivation und b) die richtigen nächsten Schritte zu kennen und c) das richtige Material dafür zu finden.
Bei b) und c) kann ein guter Lehrer sehr viel helfen.
 

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