Opern - Thread

  • Ersteller Mr. Key
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Stellt euch vor: ein verbrechen wird begangen, der täter ergriffen, verurteilt und eingelocht. Wo bleibt die spannung, wo die 90minütige sendezeit für einen krimi? Es müssen hindernisse eingebaut werden, sogenannte "retardierende momente": der täter entkommt, es gibt mehrere verdächtige, das fehlende indiz wird gesucht und gefunden oder kommissar zufall kommt zu hilfe !
Um eine oper zu komponieren, braucht man ein textbuch, ein libretto, das italienische wort besagt, ein gutes opern-libretto hat es in Deutschland bis jetzt nicht gegeben, die komponisten mussten sich weidlich plagen, um leidlich mit ihren vorlagen zurechtzukommen. Mozart hatte glück mit Da Ponte und dessen 3 italienischen meisterwerken, was hat Beethoven sich mit "Fidelio" herumgeärgert und welche mühe macht es heute, einen passablen "Freischütz" zu inszenieren ! Oper ist nicht ein drama mit musik, sondern ein musikalisches drama, das nach musikalischen gesetzen gebaut ist. Das verstanden die librettisten Verdis meisterhaft, das ausgewogenste, bis ins kleinste ausbalancierte ist "Rigoletto".
Am anfang muss der zuschauer etwas über die vorgeschichte erfahren, die hauptpersonen kennenlernen, und da wir nun zeugen des geschehens sind, muss die handlung in gang gebracht werden, das ist die exposition. Jetzt muss es verwicklungen geben, konflikte, sonst wäre das werk schon am ende, lassen die konflikte sich lösen, gibt es ein happy end, wenn nicht - - - - -muss der "reitende bote des königs erscheinen" ( Dreigroschen-Oper), ein gott herabschweben wie manchmal in der griechischen tragödie (Deus ex machina) und ein machtwort sprechen, oder alles geht schief. Beliebt ist der konflikt zwischen pflicht und neigung :der junge ägyptische feldherr liebt die äthiopische sklavin, sie gerät in einen konflikt zwischen liebe zu ihm und ihrem vaterland, weiß ihm wider seinen willen den aufmarschplan zu entlocken, das kann nicht gutgehen, und sie sterben miteinander, aber in berückender schönheit. Dazwischen gibt es arien, duette, chöre, mohrenknaben, tempeltänzerinnen, ein großes finale am aktschluss mit einer trompetenmelodie, die jeder fußballfan kennt, eine nächtliche szene am Nil, das priestergericht, die verzweifelte königstochter, die den jungen mann auch liebt und ihn retten will. Eine "nummer" geht in die andere über, und das ganze läuft ab wie ein uhrwerk, unerbittlich dem tragischen ende zu, würdig, den abschluss eines großen, technischen werkes zu feiern, des Suez-kanals.
Nur in der oper ist möglich, dass mehrere personen gleichzeitig ihre geheimsten gedanken offenbaren: ein junges mädchen liebt den gehilfen ihres vaters, der ist eine verkleidete frau, die ihren ehemann retten will und fürchtet, entdeckt zu werden, der vater ist mit der wahl seiner tochter zufrieden und gibt seinen segen, und einen eifersüchtigen nebenbuhler gibt es auch. Die vier personen stehen gedankenvoll auf der bühne und singen "Mir ist so wunderbar - -" "Wie groß ist die gefahr - - " "Sie liebt ihn, es ist klar - -" "Mir sträubt sich schon das haar - -" Beethoven lässt sie im kanon singen, bis die vier stimmen sich vereinigen. Ganz anders verfährt Verdi : ein leichtsinniger herzog, eine "figlia dell'amore" die sich über dessen liebesschwüre lustig macht, ein liebendes mädchen, das über diese szene entsetzt ist und ein besorgter vater, der seine tochter vor dem liederjan retten will: der komponist gibt jeder der figuren eine eigene musikalische identität, und alles klingt harmonisch zusammen : "Bella figlia dell'amore", in der holprigen übersetzung "Holdes mädchen, sieh mein leiden - -"
Beide quartette geschliffene juwelen der opernliteratur!
 
Also die schönste Oper in der ich bisher war, war wohl Tannhäuser, wahnsinns Ouvertüre(richtig?)
Ich liebe es in die Oper zu gehen, leider tue ich das viel zu selten. Ich find es herrlich sich dabei fallen zu klassen undnach zudenken, der waahnsinn :)
 
Ja, "Tannhäuser" hat eine richtige ouverture mit pilgerchor, venusberg, dem so anstößigen preislied, führt sonatenmäßig einen musikalischen "konflikt" durch und gelangt zu einer lösung: allen anfechtungen zum trotz: das gute siegt! (Wenn man das christlich/mönchische dem antik/sensuellen vorzieht, Wagner selbst war seiner sache nicht sicher, wohl auch nicht ganz ehrlich, was ihm Nietzsche nach "Parsifal", dem gebimmel-baumel, übelnahm und einen brief an Oberkirchenrat Wagner adressierte).
Meine töchter liebten die homerischen helden, indianer und als frühe teenager auch Richard Wagner, sie entdeckten den Tannhäuser, und die ältere sprach: "jetzt habe ich die rede des Wolfram dreimal rauf und runter gelesen, aber was 'der liebe reinstes wesen' ist, habe ich noch nicht kapiert!" Ich auch nicht, oper hat auch ihre grenzen.
 
Beim Tannhäuser gefällt mir (u.a.), wie der Papst als menschliches - und damit auch irrendes - Wesen vorgeführt wird. Was der 'Stellvertreter Gottes auf Erden' nicht vergeben konnte, hat sein Vorgesetzter vergeben - natürlich erst, als alles zu spät war... :(
 
Man darf nicht zuviel verlangen. Es gibt sänger, bei denen man jedes wort versteht, aber sie sind alle in tieferen stimmlagen zu finden: der schon sagenhafte Schaljapin, der bass-bariton Ferdinand Frantz, Giuseppe Taddei hatten die seltene fähigkeit, wort, ton, mimik und geste zu einer einheit zu verblenden. Aber Mozart wusste, warum er den halsbrecherischen koloraturen seiner "Königin der Nacht" keine worte unterlegte, es wäre technisch nicht zu machen gewesen, und verstanden hätte sie auch keiner.
Was geschieht beim singen? Vibrierende stimmbänder, - sie sind ein nur paar cm lang -erzeugen eine frequenz, im "ansatzrohr" rachen und mund bekommen die schwingungen eine vokale färbung und werden durch verschluss, reibung, verengung gebremst und behindert. Vokale klingen, konsonanten artikulieren, die sprache hat einen weiten, entwicklungsgeschichtlichen weg hinter sich, und jedes kleinkind muss ihn nachvollziehen, fängt mit "A" an, und wenn die lippen mitmachen, - der saugreflex hilft dabei - wird "Mama" daraus, "Papa" kommt später, "a-a" mit glottisschlag hat auch eine wichtige bedeutung. Wäre sprache binär geblieben, kämen wir mit zwei lauten aus, nur sind wir nicht so schnell wie ein computer, und die information "mammut von links" hätte womöglich zu lange gedauert. So haben wir gelernt, unseren mund - den resonanzraum - mit hilfe von kiefer, gaumen, nase und zunge so zu verformen, dass verschiedene vokale herauskommen, ist alles offen, ein "A", bis zu den vertrackten "Ö" und "Ü", die wiederum einen einstieg in kopfresonanzen bahnen. Die vokale reichten auch nicht aus, und vom glottisschlag bis zum labiallaut wird der luftstrom behindert und gegliedert, um weiter zu differenzieren und zu einer fülle von lauten zu gelangen. Wer gehörgeschädigt ist, weiß ein lied davon zu singen, wie wenig menschen phonetisch halbwegs gut und deutlich sprechen, es wird ja auch nirgends gelehrt, kinder lernen durch nachahmung, und wie die alten sungen, so zwitschern die jungen.
Dass in einem großen raum auch der leiseste ton hinten ankommt, bedarf der tragfähigkeit einer stimme, des "bel canto", der fähigkeit, schwingungen so lange und so weit wie möglich "ungedämpft" abzustrahlen, was einem "bell-canto" sänger nicht gelingt.
Beim singen in extremen lagen werden immer kompromisse eingegangen, und darum - - behandelt die sänger mit nachsicht, manchmal sind die worte auch nicht allzu wichtig, womit wir beim nächsten thema wären : "opernsprache".
 
Es hat sich eingebürgert, opern in der sprache aufzuführen, in der sie geschrieben sind. Das übersetzen ist schwierig, warum? Nicht nur der sinn muss getroffen werden, sondern auch versmaß, rhythmus und silbenzahl, wenn man den notentext unangetastet lassen will. Mit tschechisch oder ungarisch, die konsequent auf der ersten silbe betonen, was sich auch in der musik niederschlägt, ist es besonders schwierig. Es gibt auch andere probleme: jeder kennt die "verleumdungsarie " aus dem "Barbier von Sevilla", gegen schluss "geht der ehrenmann zu grund", und das fis1, das für bassisten sowieso heikel ist, geht auf den vokal "u" schon gar nicht, im italienischen ist es natürlich mit "crepar" ein "a". Der librettist Cesare Sterbini wusste, und Rossini natürlich auch, was man sängern zumuten kann, der übersetzer nicht, und so könnte ich viele beispiele anführen. Italienische oder französische libretti sind oft kunstwerke, die deutschen übersetzungen oft grobes handwerk. Der stierkämpfer singt "Toréador, en garde!", was ganz natürlich klingt, zumal "en garde" auch eine fechtposition ist, wie vergröbert und pathetisch ist "Auf in den kampf, torero!" . Wer je das "là-bas, là-bas", diese verführerischen labiallaute aus dem munde einer Carmen gehört hat, möchte auf sie nicht verzichten. "Ach wie so trügerisch sind weiberherzen"? "La donna è mobile qual pium' al vento" (Eine frau ist leicht wie eine feder im wind), "Holdes mädchen, sieh mein leiden" oder "Bella figlia dell'amore", wobei es sich um "amore" handelt, die vorauszubezahlen ist, da ist doch ein spürbarer qualitätsunterschied. Wieviel witz und bosheit stecken in den texten Da Pontes, die in der übersetzung verlorengehen.
Es gibt auch eine konventionelle italienische opernsprache, und man versäumt nicht allzuviel, wenn man nicht genau hinhört: stürmen soldaten los, singen sie bestimmt "Zum kampfe, auf zum kampfe", wenn zwei liebende sich in die augen schauen, kann man sich das seinige denken. Die verwandtschaftsverhältnisse im "Trovatore" oder die verwicklungen in "La forza del destino" durchschaut man auch nicht, wenn man die sprache beherrscht, man kann eine oper auch genießen, wenn man nur die handlung kennt, und es gibt viele stereotype handlungen.
Der vollständigkeit halber: es gibt noch andere gründe: den gast- und festspielbetrieb, der star aus übersee wird nicht so schnell mal nebenbei eine deutsche übersetzung lernen und am nächsten haus womöglich eine andere, in den üblichen opernsprachen sind profis zuhause.
Und wen die sprache stört, der höre deutsche opern, es gibt genug von Mozart, Lortzing, Marschner, Nicolai, von Flotow, Wagner, Cornelius, d'Albert, Strauss, Orff, Berg und Zimmermann.
Deutsch singt sich übrigens wesentlich schwerer als italienisch, da konsonantenreicher, und was hier ein klares und häufiges "a" ist, ist dort ein unbetontes, tonloses "e", im deutschen musikdrama wird deklamiert, in der italienischen oper gesungen.
 
Wenn Claudia Schiffer bei einem werbespot ins mikro säuselt "Sie sind es wert!", fällt mir ein, wie verschieden die ansprüche von laufsteg und bühne sind. Claudia muss gut aussehen und darf den mund halten, sängerinnen und sänger müssen einen großen raum füllen mit ihren stimmen; auch leise singen, gar pp (wie übrigens auch spielen) kostet viel kraft, sonst hörte man nicht so oft das bequeme, fröhliche aber nervtötende dauer-mezzoforte. Koloratursoprane sind oft zierlich, sie haben es mit kopfresonanzen zu tun, am besten verstärken hohlräume, und die haben wir alle; dass die besagten damen wie auch die tenöre daran einen gewissen überfluss besäßen, ist neidisches kollegengehechel. Über den lyrisch/jugendlichen, den dramatischen bis zum hoch-dramatischen sopran nimmt das stimmvolumen zu. Die genforschung hat sich dieses phänomens meines wissens noch nicht angenommen, aber es scheint einen zusammenhang der volumina zu geben, in nicht wenigen fällen sind stimm- und leibesumfang gekoppelt bis hin zum exzeptionellen. Ein raunen geht immer durch den raum, wenn Kapitän Daland im "Fliegenden Holländer" seine tochter anpreist "Und wie sie schön, so ist sie treu!" Das kommt immer überdeutlich, und wenn auch die regie die Senta anfangs beim spinnerinnen-chor gut versteckt, einmal muss sie sich aus ihrem lehnstuhl erheben, um das bildnis anzusehen und die ballade zu singen. So war es jedenfalls in meiner heimatstadt, und jahre danach hörte ich eine übertragung der "Walküre" aus Rom und die bombenstimme der Brünnhilde, und siehe da, es war Anni H. (nicht zu verwechseln mit Anni S., die auch eine große laufbahn ebendort begann, aber nur halb so viel wog). Über tenöre rede ich besser nicht, sie sind in jeder hinsicht ausnahmeerscheinungen - als man Caruso sezierte, fand man ein eher baritonales stimmorgan -, und die übrigen männer sind halbwegs normal.
Wenn nun eine sängerin nicht nur schön singt, sondern auch noch gut aussieht und komödiantisch begabt ist, stürzt alles über sie her, und sie kann sich vor angeboten nicht retten. Aber : alle guten gaben sind selten beieinander, stimmtechnik entwickelt nicht automatisch schauspielerische fähigkeiten und umgekehrt: ein opernhaus hielt sehr auf darstellungskunst (auch "spielastik" genannt), aber unter den "Meistersingern", lauter guten darstellern, war nur einer, zum glück der wichtigste, der das prädikat verdiente. Eine gute idee hatte man gehabt : außer dem opernchor, der auf der festwiese immer weit hinten steht, hatte man die solistenvereinigung des ansässigen rundfunks in den proszeniumslogen postiert, und so klangen die chöre prächtig, ich empfehle das bei ausgesprochenen choropern zur nachahmung.
Seid froh, dass Claudia Schiffer nicht auf der opernbühne steht und nehmt den sängerinnen nicht übel, wenn sie deren taillen-umfang überschreiten, die anforderungen sind sehr verschieden. Und - - - setzt euch nicht in die ersten reihen, oper ist auf fernwirkung berechnet, und oben ist allemal die beste akustik.
 
Wir benutzen einen nebeneingang:
viele meisterwerke der bildenden kunst hängen in museen, soweit sie nicht in privatsammlungen verschwinden, und besonders bei sonderausstellungen drängen sich die leute und lauschen gruppenweise einem kundigen "moderator". Mir drängt sich der gedanke auf, "ja, können sie denn nicht selbst sehen, was da an der wand hängt?" Ich bin ungerecht, denn nicht jeder hatte das glück einer väterlichen bibliothek und eines künstlerischen berufes, der lebenslang zu ästhetischen betrachtungen und weiterbildungen verpflichtet. In allen künsten interessierten mich das handwerk, - denn alles, ob in stein und mörtel, marmor oder ton, mit kreide oder öl auf leinwand oder holz, mit papier und tinte, als buchstaben oder noten, muss gemacht werden -, und die historischen bedingungen der entstehung. Dass das ganze dann mehr ist als die summe der teile, dass einem kunstwerk auch undefinierbares, unsagbares anhaftet, so dass es "unter die haut geht", "versteht sich am rande", wie Bach gesagt haben soll, als es um den "ausdruck" in seiner musik ging.
Was für das sehen gilt, gilt auch für das hören, sind wir so dickfellig, dass wir diese feinen schwingungen nicht wahrnehmen? Müssen wir auch da immer erklären, interpretieren und propagandieren, "events" veranstalten, damit überhaupt noch jemand aufmerksam zuhört?
Rundfunkredakteure hatten sich die arbeitsbereiche aufgeteilt mit "U" und "E-musik" , und seitdem spukt die "ernste musik", die keiner versteht, die erläutert und nahegebracht werden muss, die "klassisch" hochgestochen und von natur langweilig ist, als ausrede für alle möglichen untugenden in den köpfen.
Das vorige jahrhundert hat viel verändert, das neueste noch keine konturen: das bürgerliche theater, auch das musiktheater kämpfte mit seinen mitteln für menschenrechte und ihre umsetzung : freiheit, gleichheit, ende der politischen zersplitterung, bewahrte sich aber den festlichen charakter: wer im 19.Jh.musik hören wollte, musste hingehen, wo musik gemacht wurde, oder er musste musik selbst machen. Im 20. veränderte sich die medienlandschaft mit grammophon, radio, kino und fernsehen, langspielplatte, CD, DVD, Mp3, die bürgerlichen ziele waren erreicht, neue probleme taten sich auf. War und ist die oper ein geeignetes mittel, sich damit auseinanderzusetzen, mit überbevölkerung, arbeitslosigkeit, ökologie, generationswandel, multi-kulti oder gar kulturschwund ? Waren die komponisten in der lage, die neuen mittel und techniken auf die oper anzuwenden, ist die oper mit ihrem primat des schönen gesanges ein feld für experimentalmusik, was kann man sängern abverlangen, ohne sie zu schädigen?
Daneben war der strom des "populären" breiter und breiter geworden, vom militärmarsch über den gassenhauer, über jazz und swing, über die operette mit tra-la-la-melodik, komik, einem schuss erotik und modetänzen, musikfilmen mit eingängigen schlagern, die dann auch die tanzszene beherrschten bis zum musical. Es war die operette, die das geld einspielte, mit dem stadttheater oper und schauspiel finanzierten, und seitdem wir das heimkino haben, geht auch das nicht mehr, und viele kleine bühnen mussten schließen, womit auch der nachwuchs fehlt, und wenn wir nicht so viele tüchtige, gut ausgebildete ausländer hätten - - - Und so ging es weiter mit pop und rock und disco, und es wird auch weitergehen - - -
Mögen uns museen und opernhäuser (in vielen anderen ländern werden sie nur gelegentlich für eine kurze "stagione" genutzt) zur bewahrung bedeutender und epochemachender kunstwerke noch eine weile erhalten bleiben!
 
Ich habe mein vorhaben erfüllt und gebe das wort an andere weiter. Ich danke allen lesern für ihre geduld, man kann nicht alles in zwei zeilen abhandeln, und ich habe mich um möglichste knappheit des vielschichtigen themas bemüht. Wer ein anderes aufwirft, "er kann geholfen werden", aber dafür nimmt Verona das urheberrecht in anspruch. Bis dann !
 
Zum lob des "Fliegenden Holländers": im 3. akt jammert er, als er von Sentas früherem versprechen erfährt: "vergeb'ne hoffnung, furchtbar eitler wahn, um ew'ge treu auf erden ist's getan!" Und wie steht es mit seiner eigenen? Immerhin hat er es mindestens alle sieben jahre an wechselnden adressen versucht anzulanden.
Oper ist weiblich, nicht immer logisch, aber schön, und - - - -dass männer oft deppen sind (eifersüchtig wie Othello und Co., schwach wie Alfredo oder Rodolfo, schurken wie Giovanni und il duca di Mantova), mit denen frauen viel nachsicht üben müssen, soll auch außerhalb der oper vorkommen.
 
Werden wir erfahren, wer der 1 000. besucher ist? Nun sind es gar 1 003 wie spanierinnen in Leporellos leporello.
Bei öffentlichen vorträgen, vorlesungen oder konzerten kann man an körperhaltung und mimik ablesen, wenn langeweile eintritt oder man über die köpfe hinwegredet oder -spielt. Mein gymnasial-physiklehrer pflegte in solchen fällen den pultdeckel zu heben und krachend niederfallen zu lassen mit den worten "nun sind sie aufgewacht!" Dieses mittel steht virtuell nicht zur verfügung, aber ein "board" lebt nicht von den angeschlagenen zetteln sondern von zustimmung, widerspruch und erweiterung des themas. Das wäre mein weihnachtswunsch !
"Nur eine hoffnung muss mir bleiben, nur eine unerschüttert stehn - - - -" das ist auch "Holländer" - - - - - -
 
Wer Humperdincks werk auf die bühne bringt, sieht sich einigen schier unmöglich zu lösenden aufgaben gegenüber: er muss ausgewachsene sängerinnen dazu bringen, sich kindlich und nicht kindisch auf der bühne zu betragen, er muss den grässlichen eltern einen hauch von sympathie verleihen, die im hintergrund lauernde pädophilie erträglich machen, die bandbreite von kinderlied und Wagner-gesang sowohl musikalisch wie textlich ebenso wie zarteste instrumentation und dickes blech bewältigen wie die ebensogroße bandbreite seiner zuschauer vom schnullerbewehrten kleinstkind (ich übertreibe nicht) bis zum verzückt lächelnden, in erinnerung schwelgenden opa. Es drohen noch weitere gefahren wie die traum-pantomime mit 14 engeln, das verlorengegangene wissen, wie walderdbeeren aussehen und, o weh, die schlussmoral!

Katharina Thalberg hatte das zu bewältigen, und ich hoffe, sie, als theaterkind, durfte selbst einmal kind sein. Sympathisch ihre bemerkung, sie sei schauspielerin, die auch mal regie führe. Da erinnert man sich an den "Hauptmann von Köpenick", wo sie einsprang, wenn der legendäre hauptdarsteller aus bekannten gründen "gegenwärtig nicht momentan" war.
Dresden hat es gut: da gibt es hervorragende kinderchöre, die Palucca-schule ist dichtebei und das orchester hochkultiviert und zurückhaltend.
Ich blieb meinem grundsatz treu: zuschauen, zuhören und nicht daran herumnörgeln.

Übrigens, warum fiel mir beim "Abendsegen" spontan das schlussduett aus dem "Rosenkavalier" ein ? Ich wusste, dass "Hänsel und Gretel" in Weimar uraufgeführt worden war, und wer dirigierte ? Richard Strauss !
 
Hallo,
ich wünsche Euch noch ein Frohes Rest-Weihnachtsfest!

Ich war letzte Woche in Berlin in der Staatsoper zu "La Traviata".
Gesungen haben alle sehr schön,aber die Gesichter der Sänger habe ich bei der Beleuchtung von oben kaum gesehen,
die Violetta war das ganze Stück auf der Bühne,
durfte die Arme ab und zu mal bewegen,mal auf einen Stuhl steigen oder am Boden liegen,
aber ihren Alfred nie anfassen(dafür war allerdings der Vater zuständig,der an ihrem Kleid wühlte,damit sie auf den Stuhl kam....)
oder ansehen oder gar mal küssen......wo ist die Leidenschaft geblieben,die man da eigentlich in der Musik spürt und die Liebe,die alles schaffen kann bis über den Tod hinaus????
Man hätte dazu keinen Regisseur gebraucht,das hätten sie Sänger sicher allein besser gekonnt.
Und das Bühnenbild war auch nicht wirklich eins...
Man geht doch in die Oper,weil man da was sehen will,so war es wie ein Konzert in Kostümen,naja,bei den Herren auch nicht.....

Von mir aus kann auch alles modern sein,aber ich will schon noch verstehen und den roten Faden sehen,oder,was der Regisseur meint...

Ich habe mal wieder gesehen,daß wir an unseren kleinen Theatern uns überhaupt nicht verstecken brauchen,denn unsere "Traviata" vor 3 Jahren war toll,
auch wenn wir danach den Chor abgewickeln mussten,weil die Stadtväter das so wollten ...

Und die Politiker uns bald den Geldhahn völlig zudrehen!

Selbst im Sommer in Schwerin die Inszenierung war liebevoll und mit Stil.

Von der Staatsoper habe ich mehr erwartet.
Aber ich war nun mal drin und bin um 55€ ärmer.....
Aber den Sängern gilt meine Anerkennung!

Ciao
sk13
 
Das erinnert mich daran, was Leo Slezak erzählt: die Staatsoper hieß damals noch "Königliche Oper", und wenn der intendant (intimfreund des Kaisers) spätnachmittags mit dem heldenbariton skat spielte und die flaschen noch nicht alle geleert waren, wurde kurzerhand statt "Walküre" "La Traviata" gespielt, die für derlei gelegenheiten immer bereitstand.
Macht und show gingen auch später manche verbindungen ein, ein dirigent warf während der vorstellung kusshändchen in die präsidentenloge zu Wilhelm Pieck, denselben, sichtlich in "hochstimmung", erlebte ich in einem "Rosenkavalier". Der kostete allerdings erheblich weniger als 55.-EURO, war aber trotzdem zu teuer bezahlt.
Ich wage eine kühne behauptung: in der "provinz" wird für weit weniger geld weit mehr und mitunter besser gearbeitet, aber die metropolen haben die größere auswahl an guten leuten.
 
In "Hoffmans Erzählungen" gibt es das lied von "Klein-Zack", was sich auf "Eisenack" reimt und "sack" und "klick-klack", opernsprache in übersetzung (ist im französischen aber auch nicht viel besser) !
Ich nahm mir die erzählung von "Klein Zaches" während der langen feiertage wieder vor und kann die lektüre nur wärmstens empfehlen.
Hoffmanns satire geht in mindestens 3 richtungen:
1.die reaktion in Preußen: nachdem Napoleon sicher auf St.Helena, die gefahr für Europas potentaten vorbei war, mussten die staatsoberhäupter sehen, wie sie aus dem versprechen einer verfassung wieder hinauskamen, und wie sie das volk, das sie herausgehauen und wieder in den sattel gesetzt hatte, wieder unter die knute bringen konnten ("demagogen"-verfolgungen, Hoffmann als kammergerichtsrat musste in einem prozess mitwirken, der den "turnvater" Jahn verurteilte) .
2.die unter den studenten beginnende "romantik": da nun die freiheit errungen war, trug man sich "altdeutsch", bärtig, säbelte oder florettierte in burschenschaften herum, trank viel bier und wurde gar wieder modisch-katholisch
3.eine rationale aufklärung (auch philistertum genannt), die in bürgerlichen kreisen (das industrielle zeitalter warf seine schatten voraus) mehr und mehr dem brot- und mehr-erwerb huldigte und brotlose künste wie poesie, malerei und musik verachtete

Klein Zaches, von einer armen bauernfrau geboren, ist ein physisch wie psychisch unterentwickeltes wesen, das man früher, wenig feinfühlig, missgeburt genannt hätte. Eine gute fee, die noch im lande verblieben ist, verleiht ihm aus mitleid die gabe, dass alles vortreffliche, das in seiner gegenwart geschieht, ihm zugeschrieben wird, und so kommt es zu ergötzlichen szenen: Klein Zaches, der sich jetzt Zinnober nennt, wird als student für den besten reiter, fechter, physiker und violin-virtuosen gehalten (Paganini ist unschwer zu erkennen), fällt der obrigkeit auf und wird minister. Leider nimmt mit ansehen und macht auch seine bosheit zu, und er endet kläglich im eigenen, goldenen nachttopf. Einen versöhnlichen schluss gibt es dann doch noch.
Und wem das gefallen hat, der lese gleich noch den "Goldenen Topf" des gleichen verfassers, ein kompendium des künstlertums.
Übrigens: der jurist Hoffmann war zeitweilig städtischer musikdirektor in Bamberg, komponierte die oper "Undine" (nicht die von Lortzing) und kammermusik, schrieb kluge gedanken über musik und schuf den verrückten Kapellmeister Kreisler.
Die methode "Zaches" ist als "trittbrettfahrerei" immer noch sehr beliebt, selbst im akademischen bereich gilt als urheber, wer die arbeit bestellt, aber nicht gemacht hat. Sobald jemand erfolg hat, stürzt sich ein rattenschwanz hinter ihm her, um daran teilzuhaben und sich im abglanz zu sonnen, ja ein ganz neuer beruf hat sich daraus entwickelt: der/die moderator/in.
 
Ich habe eine horror-vision: da erklingt eine begleit-automatik, und irgendein Klein-Zaches tippt mit einem spinnenfinger auf der tastatur herum, es dröhnt gewaltig mit wer weiß wieviel watt. Alles steht bewundernd drumrum und jubelt "Ja, so muss musik klingen, was für eine geniale komposition!"
Kommentar: ich gesellte mich neulich in meinem musikgeschäft zu einer gruppe, der ein mitarbeiter (ich sage nicht "verkäufer", weil er selbst musiziert, wie ich weiß) gerade ein keyboard mit begleitautomatik vorführte und sah und hörte interessiert zu. Er sah mich und sprach "Ach Sie, Sie spielen ja noch mit den händen!" Da fühlt man sich manchmal als lebendes fossil, wieviel zeit und aufwand hätte man sich sparen können! :screwy:
Nur, etwa bei Bachs "Chromatischer Phantasie und Fuge" nützt die automatik nichts, und was die hergibt, spiele ich nicht so gern, außerdem habe ich noch eine linke hand.

Nachtrag: Katharina heißt natürlich Thalbach wie ihre mutter. Thalberg war ein klaviervirtuose des 19.Jhs. Hat es keiner gemerkt oder will mich keiner verbessern, muss ich alles alleine tun?
"Er sagte immer 'Agamemnon' statt 'angenommen', so sehr hatte er den Homer gelesen!" (Lichtenberg)
 
Um eine oper zu machen, brauchen wir ein rezept. Folgen wir Jack London, der uns verrät, wie man eine möve brät: nach vielerlei operationen und manchem "ach" und "oh" und "mmmhhh" wie ein richtiger hobby-fernsehkoch werfen wir den vogel weg, da er hoffnungslos nach tran schmeckt. So verfahren die meisten opernkomponisten heute.
Man nehme ein sujet, einen stoff: seit Richard Strauss ist es üblich, ein schon existierendes schauspiel wort für wort zu vertonen , z.b. "Salome" von Oscar Wilde. Richard und seine frau Pauline kannten die gesetze der bühne, oper ist aktion und gesang, schon die ersten worte des Narraboth wollen von einem tenor gesungen werden: "Wie schön ist die prinzessin Salome heute abend!" Auch die verwünschungen und prophezeiungen des Jochanaan aus der zisterne klingen, gesungen von einem stimmgewaltigen bariton viel besser als gesprochen, das gilt auch für das judenquintett, und beim tanz der sieben schleier braucht man sowieso musik. Wer vergisst den gänsehauterregenden flageolett-kontrabass-ton, wenn der henker in die tiefe steigt, um den wunsch der prinzessin zu erfüllen! Es passiert was, das ganze stück ruft nach musik, und es wird kaum mehr ohne sie aufgeführt.
Wenn man ein Débussy ist, kann man zu "Pelléas et Melisande" von Maeterlinck greifen, da tritt die aktion zwar in den hintergrund, und der gesang ist recht eintönig, was den vorteil hat, dass man den text gut verstünde, wenn man denn den dichter verstünde. Aber zauberhafte orchesterzwischenspiele entschädigen für theatralisches manko.
Ich sah vor einiger zeit eine neue oper nach einem stück von Llorca, da passierte auch nicht viel, es war eher ein "seelendrama", der komponist aber kein Débussy, und da die musik den text um mindestens das dreifache verlängert, nahm das gähnen im zuschauerraum von akt zu akt zu. Ja, im letzten wurde ich wieder an die memoiren des schon erwähnten großen sängers erinnert: es war nämlich in manchen metropolen üblich, dass die besucher erst nach dem souper in der oper erschienen, dann aber zu anderen vergnügungen eilten, sodass der letzte akt vor fast leerem hause ablief. Die sänger schonten sich, ja es geht die sage, dass sie nur den mund aufmachten, um den schein zu wahren.
Und wenn komponisten nicht künftig zu aktionsreichen sujets greifen, die nach musik rufen (man stelle sich "Carmen" ohne vor!), den sängern geben, was des sängers ist und eine lebendige musik dazu machen, müssen wir noch auf die oper unseres jahrhunderts warten.
 
Im englischen landschaftspark halten natur und menschenwerk einander die waage, im früheren französischen mit seinen geometrischen formen und zurechtgeschnittenen bäumen triumphiert das künstliche, wohin kunst schon dem namen nach tendiert. Betrachtet man die oper als überzüchtetes kulturprodukt, wird sie noch übertroffen vom klassischen ballett, und spinne ich den faden weiter, fällt mir noch die "Haute Coûture" ein, die samt ihrer schöpfer kaum noch zu überbieten ist an bizarrerie.
Giuseppe Verdi beklagte sich, dass die einstudierung seiner werke in Paris 6 monate, in Italien dagegen nur 6 wochen dauere. Kein wunder, denn die besucher der großen oper in Paris verlangten eine komplette balletteinlage, und wenn Verdi und seine verleger dort tantiemen kassieren wollten (es ist eine sage, dass der applaus das brot der künstler und autoren sei), mussten sie eine besondere fassung liefern.
Das klassische ballett, ein kind des absolutismus, bedient sich der französischen sprache, hat aber nicht zu einer allgemeingültigen schrift, einer im eigentlichen sinne "choreographie" gefunden. In der musik geht es um frequenzen und dauern, mit einem koordinatensystem ist das halbwegs, wenn auch unvollkommen darzustellen, wie aber, wenn ich raum, vielfache körperhaltungen und -bewegungen von solisten und gruppe graphisch festhalten will? Da kommt man mit zwei dimensionen nicht aus, und so hat jeder choreograph eine eigene methode, seine einfälle festzuhalten und zu überliefern.
Klassischer tanz ist sehr stark stilisiert, er ist im gegensatz zu volks- und gesellschaftstanz "schautanz", so berechnet, dass dem betrachter einer guckkastenbühne gewissermaßen die "breitseite" zugewandt ist, die 5 positionen der füße und alle schritte bemühen sich um zwei-dimensionalität. Betrachten wir ägyptische reliefs, fällt uns auf, dass die köpfe im profil, der torso jedoch frontal, die beine wieder seitwärts, meist schreitend, dargestellt sind (sind die beine geschlossen, ist der oder die betroffene tot), man hielt es für die dieser technik gemäßeste darstellung.
Im klassischen tanz ist todsünde, "innewärtse" füße und beine zu haben, wie unter dem theatervolk, "stinknormal" zu sein, und diese auswärtsstellung des ganzen körpers wird im täglichen exercice schweißtreibend antrainiert und vervollkommnet. Kommt noch hinzu, dass durch virtuosinnen wie die Taglioni im frühen 19.Jh. der tanz auf die spitze getrieben wurde, so lasst euch durch das lächeln der tänzerinnen nicht täuschen, eleganz und feenhafte leichtigkeit haben ihren preis! Und bis eine tanznummer "sitzt", von der ersten stellprobe bis zur gewünschten vollkommenheit, dauert es. Der musiker spielt noten ab, der sänger memoriert seine rolle, der tänzer/die tänzerin arbeitet täglich an seinem/ihrem womöglich nur kurzem auftritt, 2 minuten können sehr lang sein, daher auch der häufige wechsel der solisten in einem "divertissement "!
 
Ich frage mich manchmal, wie lange es dauert, bis ein werk "verstanden" und gebührend gewürdigt wird. Bei musik ist es mit dem verstehen so eine sache, da sie sich dem oft zu entziehen sucht und irrtümer, einmal aufgebracht, langlebig sind, man denke nur an die "Mondscheinsonate". Ist das wort mit im spiel wie in der oper, sollte man meinen, der zugang sei leichter, aber vieles wird auch da missverstanden oder durch traditionen verkleistert.
Da ist der marineleutnant Linkerton: ein strahlender tenor, der geradezu vor liebe dahinschmilzt, aber dann leider abberufen wird und was dann folgt, kennt man ja. Ich werde an seinem image ein wenig kratzen.
Die USA waren vor der wende zum 20.Jh.auf dem wege, eine großmacht zu werden, gerade hatte man eine spanische flotte besiegt und suchte im Pazifik nach kolonien, eine geplante militärische aktion gegen China fand dann aber nicht statt. Auf die hatte der im hafen von Yokohama liegende kreuzer wohl gewartet mit besagtem leutnant, im original heißt er "Pinkerton", ein name, der in Deutschland anrüchig war, weil das bekannte detektivbüro in einer comic-serie auf die schippe genommen wurde.
Puccini sah in London ein stück, das er zwar nicht verstand, aber als möglichen opernstoff seinen librettisten übergab. Zum glück vertonte er nicht Daudets "Tartarin von Tarascon" oder Hauptmanns "Weber", die er beide in der schublade liegen hatte.
Im folgenden halte ich mich an die urfassung und übersetze so genau wie möglich. Lernen wir Lieutenant Pinkerton etwas näher kennen: "Wo immer ein Yankee sich rumtreibt, amüsiert er sich und macht gute geschäfte, America forever!" Dazu erklingt kommentierend die US-Hymne. Er mietet ein haus in bester lage für 99 jahre aber monatlicher, einseitiger kündigung, mit der 15jährigen Cho-cho-san wird er ebenso verfahren (wer denkt da an diplomatische pacht- und leih-verträge?). Er lässt sich das hauspersonal vorstellen, aber die namen sind ihm zu schwierig, so nennt er sie einfach "musi", schnauzen, fratzen. Natürlich verlangt er, dass die kleine ihn heiß und innig liebt -sie kennt ihn ja schon seit ein paar stunden -und verspricht ihr "himmlische freuden", doch sie, früh als geisha verkauft, nicht ganz unerfahren trotz ihrer jugend, wünscht sich nur "vogliatemi bene, un bene piccolino!" Doch von ihm kommt nichts anderes als "Komm, komm, sei mein!" Kann man sich einen größeren kontrast und spannungskonflikt vorstellen, eingehüllt in zauberhafte klänge und chöre? Der gestirnte himmel kommt auch vor (o Kant!), aber das waltende, moralische gesetz riecht (nicht nur in der oper!) nach prostitution.
Versteht ihr, warum ich die oper für weiblich halte mit großen (wenn auch kleinen) frauen und möglicherweise hochgewachsenen, aber sehr, sehr kleinen männern? Puccinis musikalische charakterisierungskünste wurden bei der ur-aufführung in Mailand nicht wahrgenommen, missverstanden, und so die nackte, unangenehme wahrheit ("verismo" nennt man das), die in dem stück steckt, bis heute.
Wie wäre es mit einer modernen oper über großmacht-gehabe, überlegenheitsdünkel, menschenhandel, sex-tourismus oder pädophilie mit scheinbar einschmeichelnder musik ? Wann würde sie verstanden werden, in 100 jahren - - oder nie?
 
Ich meine nicht das opernhaus in Berlin, das gerade so tapfer und vehement die freiheit und die hohen werte der abendländischen kunst verteidigt hat, das gibt es, aber ist das fragezeichen berechtigt? Deutschsprachig gab es singspiel, schauspiel mit musik und gesang, musikdrama, musikalisches lustspiel, aber oper? Am nächsten kam Albert Lortzing, theaterpraktiker, sänger, er baute opern mit arien, liedern, ensembles, finali und verband die musikalischen nummern mit gesprochenen dialogen. Es gibt bei ihm musikalische delikatessen wie das sextett aus "Zar und Zimmermann", 6 männerstimmen a-capella (das kann man auch mit 2 "p" schreiben) und wehe, die herren sind nicht intonationssicher, da fühlt man sich beim unvermeidlichen, späteren orchestereinsatz wie von kaltem wasser übergossen. Aber die liebesabenteuer des Grafen von Liebenau, die verkleidungskomödien von baronessen, nicht einmal die tragik des nixenlebens scheinen ein heutiges publikum zu fesseln. Gibt es keine dumm-dreisten bürgermeister mehr, die "oh, so klug und weise" sind, dass sie auf jeden und jedes hereinfallen, keine handwerksmeister, die sich erinnern, "einst jünglinge im lockigen haar" gewesen zu sein? Ich deute das problem an: mit der guten, alten stadttheater-kultur geht auch das inventar verloren.
Das erste durchschlagende musikalische bühnenwerk in deutscher sprache war Mozarts singspiel "Die Entführung aus dem Serail", Goethe hörte auf, an seinen eigenen plänen herumzubasteln, das ging über seine norm. Da haben wir den gesprochenen dialog, den bis heute wenige sänger/innen beherrschen, wir haben eine primadonna, der Mozart sich besonders verpflichtet fühlte. einen ausnahme-bass mit dem "D" unter dem üblichen "F" und einen tenor, dem die "geschnittenen nudeln" behagten, die koloraturen, ein buffo-paar - - -und die eigentliche hauptperson, der Pascha Selim singt keinen ton. Ich fand die version sehr interessant, die ihn und die idee der humanität mit zusätzlichen texten in den vordergrund rückte, was mit einem Brandauer auch sehr gut und überzeugend gelang. Vorsichtig entstaubt, könnte mancher zauber zu retten sein.
Ich trete der "Zauberflöte" nicht zu nahe, wenn ich sie ein musikalisches sammelsurium nenne, es kommt alles vor: von der fugierten ouverture über volksliedhaftes bis zum figurierten choral, aber auch hier wagt niemand mehr, die dialoge ungekürzt wiederzugeben, und Mozart hatte die möglichkeit, mit 3 damen, 3 knaben und dem übrigen personal ensemblewirkungen zu erzielen, wie er in der (italienischen) oper gewohnt war, er deutet auch in der Tamino/Priester-szene schon auf das musikdrama hin, genie ist eben genie!
Über "Fidelio" und "Freischütz" ein andermal.
 

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