passives Gehörtraining, sozusagen „en passant”

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brennbaer
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Hi Leute,
ich hab da mal eine vielleicht etwas seltsam anmutende Frage.
Aktuell befinde ich mich in einem Beschäftigungsverhältnis, bei dem ich den Kopf mehr oder weniger ausschalten, bzw. die Gehirnaktivität auf Sparflamme setzen kann.
Das heißt, dass ich Ohrhörer einstöpseln und mich während der Arbeit berieseln lassen kann, ohne dass es die Arbeitsqualität beeinflussen würde.
Jetzt die entscheidende Frage: habt ihr irgendwelche Ideen, ob und wie man in der Situation seine Zeit sinnvoll nutzen könnte, um nebenbei das Gehör auf irgendeine Weise zu trainieren?
 
Eigenschaft
 
Hi,
das klingt vielversprechend ... 😀
Kannst Du dabei auch leise (bzw. laut) singen oder summen?
Dann könntest Du Tonleitern, Melodien etc. hören und nachsingen.
Ansonsten könntest Du versuchen, Töne oder Intervalle herauszuhören. Oder welche Instrumente was genau spielen. An Rhytmusparts und rhythmischen Übungen gibt es ja auch einiges ...

In welche Richtung würdest du denn dein dein Gehör schulen wollen? Welche Instrumente spielst Du oder geht es um Gesang? Welche Musikrichtungen machst Du bzw. magst Du.

x-Riff
 
Aus eigener Erfahrung und Erfahrung mit Schülern in meinem Theoriekurs muss ich leider ´Wasser in den Wein gießen´. Nur mit "Ohren berieseln lassen" wirst du keine musikalisch verwertbare oder auch nur relevante Gehörbildung betreiben können. Eine echte Gehörbildung, die auch eine dauerhafte Schulung des Gehörs darstellt, die dir beim Musizieren hilft, erreichst du nur mit möglichst voller Konzentration auf das Gehörte. Das schließt selbst einfache und nebenbei zu erledigende Arbeiten so gut wie aus.

Dennoch: genieße die Möglichkeit, nebenbei gute Musik hören zu können, summe mit, wie schon empfohlen. Die Musik wird dich entspannen und zumindest auf einer unterbewussten Ebene wird da auch etwas passieren im Gehirn und in einem unterschwelligen Bereich auch etwas hängen bleiben.
Immerhin kann man so durchaus seine Repertoire-Kenntnisse ein wenig vertiefen.
 
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Eine echte Gehörbildung, die auch eine dauerhafte Schulung des Gehörs darstellt, die dir beim Musizieren hilft, erreichst du nur mit möglichst voller Konzentration auf das Gehörte.
Zumindest, solange Du keine Routine darin hast, Musik analytisch hören zu können, auch, wenn dies nur nebenbei geschieht.
 
zumindest auf einer unterbewussten Ebene wird da auch etwas passieren im Gehirn und in einem unterschwelligen Bereich auch etwas hängen bleiben.

Das kann ich aus eigener Erfahrung bestätigen. Ich hatte mich mit dem Ton von Gitarrenlehrvideos auf dem Walkman regelmäßig über längere Zeit auf dem Arbeitsweg berieseln lassen. Mit dem Erfolg, dass bestimmte Phrasierungen in Fleisch und Blut übergegangen sind.
 
bei dem ich den Kopf mehr oder weniger ausschalten, bzw. die Gehirnaktivität auf Sparflamme setzen kann.

Eine echte Gehörbildung, die auch eine dauerhafte Schulung des Gehörs darstellt, die dir beim Musizieren hilft, erreichst du nur mit möglichst voller Konzentration auf das Gehörte. Das schließt selbst einfache und nebenbei zu erledigende Arbeiten so gut wie aus.
Ich wäre da nicht so pessimistisch. Wir wissen ja nicht, was er macht, und es gibt ja tatsächlich Jobs, wo man nur herumsitzt. (Nachtwächter im Leichenschauhaus? :w00t: :ugly:)

Ich habe extensiv viel Gehörbildung beim Autofahren gelernt. Z.B. der Tipp, den ich von Frank Haunschild bekam: Einen Stick voll mit Aebersold-mp3s ins Autoradio und auf Shuffle stellen, nicht aufs Display schauen und anhand der Changes den Standard erraten. Das hat er mit Norbert Gottschalk wohl immer auf den Autofahrten zum Gig gemacht.

Was Du auf jeden Fall machen kannst:
1. Singen, singen, singen! Z.B. Kadenzen oder sonstige Akkordverbindungen.
2. Musik hören und dabei die Grundtöne heraushören und mitsingen.
3. Musik hören und Dreiklänge heraushören und mitsingen.

Ich würde das nicht gerade mit einer Mahler-Sinfonie machen, sondern mit Popsongs, Beatles z.B.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Was noch so nebenbei hängenbleibt bei dauerhaften, aber nicht voll konzentriertem Hören:
  • Texte (inklusive Aussprache, übliche grammatikalische Wendungen etc. - was insbesondere beim Erlernen einer Fremdsprache - oder eben einer Annäherung beim Singen, wo Aussprache und Artikulation eine Rolle spielen - förderliche sein kann) und Vokabeln
  • songs (sowohl in ihrer Gesamtheit - Aufbau, Komposition, Wechsel, Dynamik - als auch in Bezug auf einzelne Instrumente - Einsatz, Phrasen, Effekte)
  • Rythmik, Takt (song als Metronom, Grundtakt/zählzeit sowie darüber Variationen legen: wie man das halt kennt: halbe, volle, achtel, sechzehntel etc. 2 auf 3, 3 auf 4 etc.) - insbesondere auch das drum ist meist gut heraushörbar, jedenfalls bei einiger Übung
  • Wirkung unterschiedlicher musikalischer Mittel - wenn ich mir immer wieder unterschiedliche covers eines songs anhöre, wird mir mit der Zeit - auch bei nebenbei-Hören - bewußter, welche Variationsmöglichkeiten ein musikalisches Material eigentlich bietet - damit erlange ich eine intuitive Kenntnis über die Bandbreite an Möglichkeiten, mit denen ich mich dann bewußt auseinandersetzen kann
Spannend hier noch mal die Fragen an brennbaer:
  • Wie ist die Situation konkret, was ermöglicht sie (eigene Aktivität wie singen, rhytmische Begleitung mit Händen etc.)? Wie lange hält die Situation an? (ein paar Wochen oder eher Monate?)
  • Was ist Ziele der Gehörbildung - was soll dabei ermöglicht oder verbessert werden?
  • Wie sind die eigenen musikalischen Vorlieben, Interessen, Neigungen?
Klingt alles sehr spannend - und erinnert mich irgendwie an die Zeit, in der ein Kumpel von mir Zivildienst gemacht hat ... :)

x-Riff
 
Jetzt die entscheidende Frage: habt ihr irgendwelche Ideen, ob und wie man in der Situation seine Zeit sinnvoll nutzen könnte, um nebenbei das Gehör auf irgendeine Weise zu trainieren?
Wie schon mehrfach nachgefragt ist wohl die essentielle Frage die des Ziels.

Aber egal mal wie/was genau, man braucht in irgendeiner Form Übung und Kontrolle. Einfach nur anhören wird wenig bringen, eine Playlist mit z.B. wirklich vielen Intervallen, wo zwei Töne erklingen, dann 5 sec. Pause ist und dann "aufgelöst wird" - also im Sinne von *Es klingen e' und f#'* - 5sec Pause, in denen man sich geistig für eine Antwort entscheidet - *"große Sekunde"* - auf Shuffle stellen kann ich mir schon vorstellen, dass man da was machen kann, was eben über schlichte Berieselung hinaus geht.

Ähnliches etwa mit Akkordgeschlechtern, Umkehrungen, ....
Jedenfalls müsste man aber auf jeden Fall irgendwas machen, was eben über Berieslung hinaus geht. Sonst hätte es ja auch im Matheunterricht gereicht, nur dem Lehrer beim Rechnen auf der Tafel zuzuschauen und selbst keine Beispiele zu rechnen. Wer sich nicht die Möglichkeit schafft, Fehler zu machen und diese zu erkennen wird kaum was lernen.

LG
 
Sorry für OT, aber ich weiß jetzt gerade nicht, ob ich den TE mehr ob der "gewonnen" (und bezahlten) Zeit für Gehörtraining beneiden, oder eher wegen der stupiden Arbeit bedauern soll...

Gruß,
glombi
 
Gehörbildung ist ja extrem vielfältig: man kann musikalische Strukturen versuchen zu erkennen und spontan zu benennen, man könnte versuchen mitzuspielen (geht im Job wahrscheinlich nicht, hat mir aber sehr viel gebracht), man kann neue Strukturen kennenlernen, oder man kann seine Präzision beim Hören verbessern (z.B. indem man Intonationshören übt).

Wie Palm Muter angemerkt hat ist es eine Frage des persönlichen Ziels.

Mit meinen Theorieschülern mache ich vor allem ersteres: das Erkennen und Benennen von musikalischen bekannten Strukturen. Also Intervalle, Tongeschlechter, Umkehrungen, Kadenzverläufe, leitereigene Drei- und Vierklangsfortschreitungen. Dann als zweites Themenfeld das formale Hören und Benennen: in welchem Fomteil befinden wir uns gerade?

Was ich noch vorhabe ("was man eigentlich mal machen müsste" ;) ) ist eine Gehörbildungseinheit mit Schwerpunkt Rhythmik. Also neben den üblichen Rhythmusdiktaten rhythmische Muster in gehörter Musik schnell zu identifizieren, aber auch Timingauffassungen schnell und begründet in angemessene Worte zu fassen: "dieser Funk-Groove wirkt entspannt, weil...", "in diesem Chanson wird der drängende und fordernde Textinhalt durch die folgende rhythmische Gestaltung unterstützt..." .
Sowas findet bisher nur am Rande musikalischer Analyse statt.
 
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Einen Stick voll mit Aebersold-mp3s ins Autoradio und auf Shuffle stellen, nicht aufs Display schauen und anhand der Changes den Standard erraten.
Was genau sind die Aebersold-mp3s? Sind das Instrumentalversionen/Playalongs von Standards?
 
Was genau sind die Aebersold-mp3s? Sind das Instrumentalversionen/Playalongs von Standards?
Die ganze Liste findest Du hier: https://www.jazzbooks.com/mm5/merchant.mvc?Screen=CTGY&Category_code=aeball

Man hat meistens eine echte(!) Rhythmusgruppe, die Changes eines Standards spielt. Das sind auch immer wieder sehr bekannst Jazzmusiker (u.a. Ron Carter, Kenny Barron, Louis Hayes, Sam Jones). Klavier und Bass sind jeweils nur auf einem Stereokanal, Schlagzeug auf beiden. D.h. man kann auch als Pianist oder Bassist üben, indem man den betreffenden Kanal wegdreht. Zu jedem Album gibt es ein Notenheft mit den Noten der Stücke in C-Stimme, Bb-Stimme, Eb-Stimme und im Baßschlüssel.

Ich hatte die ersten in den 80ern noch als Vinyl direkt in den USA bestellt. Die kamen dann erst Wochen später bei uns an. Das Zeug habe ich ohne Ende geübt. Am Anfang hörte die Band komischerweise immer auf, wenn ich noch in der Hälfte der Form war. :rofl: Dann habe ich beschlossen, mal nur zuzuhören und Takte zu zählen. Danach ging es besser.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Ich hatte die ersten in den 80ern noch als Vinyl direkt in den USA bestellt.
Hut ab. Da hast Du bestimmt ordentlich Kohle hingelegt.

Mit irealpro geht das z.B. heutzutage auch.

Aber die Aebersold-Stücke sind wirklich gut eingespielt und von daher musikalisch wertvoller. Von einigen Heften gibt es sogar Transkriptionen fürs Klavier.
 
Ich hatte die ersten in den 80ern noch als Vinyl direkt in den USA bestellt.
Etwa Mitte der 80-er Jahre hatte ich nach dem Abschluss meines ersten Studiums einige Jazz-Kurse und Workshops, unter anderem bei Joe Viera gemacht (ein wohl nicht so bekannter deutscher Jazz-Saxophonist, es gibt einige Lehrhefte von ihm beim UE-Verlag - er hat immer sehr viel Kurse gegeben, insbesondere gerne und viel mit Jugendlichen gearbeitet). Dort bekam ich klasse Tipps und die ersten Hinweise auf die Aebersold-Reihe, die ich bis dahin noch nicht kannte.
Bestellt habe ich die ersten Bände damals soweit ich mich erinnere bei Maas in München. Der war die erste und einige Zeit wohl auch die einzige Quelle in Deutschland für diese Reihe und hat die Hefte direkt aus den USA importiert. Die ersten Bände, die ich hatte, waren auch noch mit Vinyl-Schallplatte.
 
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Hut ab. Da hast Du bestimmt ordentlich Kohle hingelegt.
Ja, das ging per Postanweisung in die USA. Und dann wußte man erstmal nicht, ob das Geld angekommen ist und ob die Leute dort überhaupt Bock haben, die Ware über den Teich zu schicken. Da hing man ein paar Wochen in der Luft, und als man es schon halb vergessen hatte, klingelte der Postbote: Paket aus Amerika. Das Ganze in einem 2000 Einwohner-Dorf im Schwarzwald. Das war schon cool.

unter anderem bei Joe Viera gemacht
Sehr cool. Die Hefte waren unter Jazzern schon bekannt, aber selten aufzufinden. Bei uns gab es nur mal einen Nachmittagsworkshop mit Sigi Busch an der Schule, an dem ca. 50 Schüler teilnahmen.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Noch cooler und vor allem total abgefahren war aber Ilse Storb [https://de.wikipedia.org/wiki/Ilse_Storb noch aussagekräftiger sind einige der Bilder: Bilder I. Storb], die ich in diesem Zusammenhang kennenlernte. Sie war in der Zeit Professorin an der Hochschule Duisburg, wo sie zusammen mit Viera das "Jazzlabor" ins Leben rief und darüber Kurse und Workshops anbot.
Bei Joe Viera hatte ich bereits mehrere Kurse und Workshops mitgemacht und wollte dann an diesem Jazzlabor teilnehmen. Dabei hatte ich aber leider das große Pech, dass ausgerechnet in dieser Zeit Viera ziemlich schwer erkrankte und schon nach einigen Terminen der weitere Kurs ersatzlos ausfiel. Ilse Storb konnte den Kurs nicht übernehmen weil sie keine Termine mehr dafür frei hatte.
Immerhin konnte ich sie einige male mit ihrem gut eingespielten Studenten-Ensemble/Big-Band live erleben. Da war sie ein total exzentrisches enfant terrible - im guten Sinne! - und hat mich, der ich aus der gediegenen Klassik kam (aber immer mit Neugierde) regelrecht vor den Kopf gestoßen. Aber das war gut, denn so wurde mir das Brett davor, von dem immer noch Reste vorhanden waren, vom Kopf gerissen.
 
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Wie kommst du darauf? Du unterstellst doch hier eine stupide Arbeit! Ich habe nichts in dieser Hinsicht geschrieben. Du kannst es natürlich jetzt persönlich nehmen und das ist OK aber erwarte bitte nicht, dass derart stupide Aussagen von dir nicht kritisch kommentiert werden könnten. Es gibt auch andere Lebenseinstellungen als "beneiden" oder "bedauern" und man kann auch voll im Flow Tätigkeiten ausüben und dabei das Gehirn auf Sparflamme laufen lassen. Für mich ist das alles andere als stupide. Aus diesem Blickwinkel heraus kam meine kritische Rückfrage, zumindest habe ich dich so verstanden.
 

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