[RAQ] Anzahl der möglichen Tonabnehmer-Kombinationen für Tele, Strat und LP

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Hallo zusammen,


ich habe mich mal mit der spannenden, aber selten gestellten Frage (Rarely Asked Question) beschäftigt, wie viele Kombinationen sich mit den üblichen TA-Bestückungen SS (Tele), SSS (Strat) und HH (LP) in der Theorie schalten lassen. Die Aufteilung in Single Coils und Humbucker ist dabei nur als grobe Orientierung zu sehen: im Grunde habe ich die Anzahl der möglichen Kombinationen für zwei, drei und vier Einzelspulen ermittelt. Statt zweier Singlecoils (SS) ließe sich also auch ein einzelner Humbucker (H) einsetzen, statt der SSS- wäre eine HS-Bestückung oder statt der HH- eine HSS- oder gar SSSS-Gitarre denkbar. Ich habe zuerst die möglichen Verschaltungen ohne gegenphasiges Schalten einzelner Spulen bestimmt, was den größeren Aufwand darstellt. Die möglichen Zusatzvariationen durch Phasendrehung einzelner Spulen lassen sich danach einfach berechnen.

Weitere Berechnungen für 5 oder gar 6 Einzelspulen (also z.B. eine HSH oder HHH-Gitarre) überlasse ich aufgrund meiner Resultate gerne einem engagierten Nachwuchsmathematiker.



Abkürzungen:
Ich habe mich von den Bezeichnungen Steg-, Mittel- und Hals-TA gelöst und die Spulen einfach alphabetisch durchnumeriert, um deutlich werden zu lassen, dass es innerhalb dieser Betrachtung keinen Unterschied zwischen zwei SC einerseits und zwei Einzelspulen eines Humbuckers andererseits gibt. Wer mag, kann A, B und C in einer Strat Steg, Mitte und Hals zuordnen und in einer LP den Steg-HB mit A+B und den Hals-HB mit C+D identifizieren.
A/B = Spule A parallel zu Spule B (Standardzwischenstellung in einer Strat)
A+B = Spule A seriell zu Spule B (Standardschaltung eines Humbuckers)
-A = Spule A gegenphasig (out of phase = ooP im Gegensatz zu in phase = iP)

Voraussetzungen:
- Die Reihenfolge, in der Spulen parallel oder seriell verschaltet werden, spielt keine Rolle. Die Kombination "A/B" entspricht "B/A", ebenso ist "A+B" gleich "B+A".
- Bei ooP-Verschaltungen ist nur das Verhältnis der Spulen zueinander von Belang.
A-B = -A+B
A/(-B) = (-A)/B
A+B-C = -A-B+C
- Das ooP-Verschalten einer einzelnen aktiven Spule ist kein neuer Sound:
A = -A




Beginnen wir zum Warmwerden mit 2 Spulen, wie z.B. in einer SS-Telecaster oder ein einzelner Humbucker.
Zwei Varianten "Einzelspule":
1.: A
2.: B
Zwei Varianten "Zwei Spulen":
3.: A/B (parallel, klassische Tele-Zwischenstellung)
4.: A+B (seriell, in der Tele mit einem Vierwegschalter zu realisieren)

Zusätzliche ooP-Kombinationen:
5.: A/(-B) (parallel ooP)
6.: A-B (seriell ooP)

In Summe also 4 Variationen mit 2 zusätzlichen ooP-Kombinationen




Etwas Komplexer wird es bei einer 3-Spuligen Gitarre (SSS-Strat):

Drei Varianten "Einzelspule"
1.-3.: A, B, C
Drei Varianten "Zwei Spulen parallel" (zwei davon in der Strat mit dem Standard-5-Weg-Schalter zu schalten)
4.-6.: A/B, A/C, B/C
Drei Varianten "Zwei Spulen seriell" (in einer Standard-Strat nicht zu haben)
7.-9.: A+B, A+C, B+C
Zusammenschaltung von drei Spulen: trivial sind "alle parallel" und "alle seriell"
10.: A/B/C
11.: A+B+C
zusätzlich lässt sich zu den Parallel-Kombinationen 4.-6. die jeweils dritte Spule seriell, sowie zu den Seriell-Kombinationen 7.-9. die dritte Spule parallel schalten:
12.-14.: (A/B)+C, (A/C)+B, (B/C)+A
15.-17.: (A+B)/C, (A+C)/B, (B+C)/A

Macht 17 mögliche Kombinationen, von denen eine Strat-Standardschaltung immerhin 5 abbildet.

Jetzt drehen wir nochmal an der Variantenschraube und führen ooP-Kombis ein:
Jede Zweispulerkombination hat eine ooP-Variante
18.-20.: A/(-B), A/(-C), B/(-C)
21.-23.: A-B, A-C, B-C
Jede Dreispulerkombination hat DREI ooP-Varianten:
24.-26.: (-A)/B/C, A/(-B)/C, A/B/(-C)
27.-29.: -A+B+C, A-B+C, A+B-C
30.-47.: je 3 Varianten der Pos. 12.-17. Ich erspare Euch Details, das Prinzip sollte klar sein.

Macht also schon recht erstaunliche 30 zusätzliche ooP-Variationen.




Jetzt fängt es langsam an, etwas unübersichtlich zu werden: 4 Spulen, also HSS-Strat oder HH-LP oder SSSS-Hertiecaster:

Viermal eine Spule:
1.-4.: A, B, C, D
sechsmal 2 Spulen parallel:
5.-10.: A/B, A/C, A/D, B/C, B/D, C/D
sechsmal 2 Spulen seriell:
11.-16.: A+B, A+C, A+D, B+C, B+D, C+D
viermal 3 Spulen parallel:
17.-20.: A/B/C, A/B/D, A/C/D, B/C/D
viermal 3 Spulen seriell:
21.-24.: A+B+C, A+B+D, A+C+D, B+C+D
zwölfmal 2 Spulen parallel, 1 dazu seriell:
25.-36.: (A/B)+C, (A/B)+D, (A/C)+B, (A/C)+D, (A/D)+B, (A/D)+C, (B/C)+A, (B/C)+D, (B/D)+A, (B/D)+C, (C/D)+A, (C/D)+B
zwölfmal 2 Spulen seriell, 1 dazu parallel:
37.-48.: (A+B)/C, (A+B)/D, (A+C)/B, (A+C)/D, (A+D)/B, (A+D)/C, (B+C)/A, (B+C)/D, (B+D)/A, (B+D)/C, (C+D)/A, (C+D)/B
(kurz verschnaufen: wir haben schon knapp die Hälfte :)
Jetzt die Varianten mit allen vier Spulen:
alle parallel bzw. alle seriell:
49.-50.: A/B/C/D, A+B+C+D
viermal 3 parallel, 1 dazu seriell:
51.-54.: (A/B/C)+D, (A/B/D)+C, (A/C/D)+B, (B/C/D)+A
viermal 3 seriell, 1 dazu parallel
55.-58.: (A+B+C)/D, (A+B+D)/C, (A+C+D)/B, (B+C+D)/A
einundzwanzigmal 2 parallel, sämtliche denkbaren Anordnungen der anderen beiden (ich kürze das etwas ab):
59.-79.: (A/B)+C+D, ((A/B)+C)/D, (A/B)+(C/D), ((A/B)+D)/C; das ganze x6, abgezogen die doppelten Varianten (C/D)+(A/B)...
einundzwanzigmal 2 seriell, sämtliche denkbaren Anordnungen der anderen beiden:
80.-100.: (A+B)/C/D, ((A+B)/C)+D, (A+B)/(C+D), ((A+B)/D)+C; das ganze x6, abgezogen die doppelten Varianten (C+D)/(A+B)...

Also genau 100 theoretische Verschaltungsvarianten für z.B. eine Les Paul, und dann kommen ja noch die ooP-Kombinationen:

je 1 ooP-Var. für 2 Spulen:
101.-112. = 5.-16. ooP
je 3 ooP-Varianten für 3 Spulen:
113.-208. = 17.-48. ooP
und jede Vierspulerkombination hat SIEBEN ooP-Varianten
(z.B. -A+B+C+D, A-B+C+D, A+B-C+D, A+B+C-D, -A-B+C+D, -A+B-C+D, -A+B+C-D)
209.-572. = 49.-100. ooP

Macht 472 ooP-Variationen zusätzlich zu den 100 "normalen" iP. Die Standard-LP-Schaltung deckt übrigens die Positionen 11., 16. und 82. ab ;)




Bleiben zum Schluss noch die Fragen:

Q: Kannst Du das nochmal zusammenfassen?
A:
  • Tele: 4 iP + 2 ooP = 6 Kombinationen
  • Strat: 17 iP + 30 ooP = 47 Kombinationen
  • LP: 100 iP + 472 ooP = 572 Kombinationen

Q: Wie kann ich die jetzt alle in meine Gitarre einbauen?
A:
  • Tele: Vierwegschalter und ooP-Switch
  • Strat: Eine Schaltung, die alle 17/47 Sounds in einer Strat ermöglicht, habe ich bis jetzt nicht gefunden, aber ich bin da was am Planen dran... Eine Schaltung mit kümmerlichen 15 Sounds habe ich schon mal realisiert, siehe hier: https://www.musiker-board.de/pickup...-schaltung-verstaendnisfrage.html#post6094870
  • LP: Mit "normalen" Schaltern: vergiss es. Da benötigt man elektronische Hilfe, ein Beispiel wäre die "Music Man Reflex Gamechanger". Die hat sogar bis zu 5 Spulen!!

Q: Wer braucht denn sowas?
A: Ich würde kühn behaupten, dass niemand 572 TA-kombinationen in seiner Gitarre braucht, geschweige denn unterscheiden kann. In meiner LP-Kopie habe ich P-Rails mit Triple-Shot-Rahmen und die Möglichkeit, die beiden Humbucker zusätzlich ooP und seriell zu verschalten (Jimmy-Page-Schaltung). Das sind 4+4+4*4*4 = 72 Möglichkeiten und schon eindeutig zu viele.
Aber hier soll es ja schließlich nicht um Sinnhaftigkeit gehen, sondern um Mathematik!

Q: Was soll denn ständig dieser ooP-Unsinn, das klingt doch alles dünn und kraftlos?
A: Grundsätzlich ja, deshalb habe ich das auch getrennt von den "normalen" in-Phase-Varianten aufgeführt. Es gibt allerdings ein paar typische ooP-Sounds, die immer wieder mit den gleichen Namen verbunden werden:
Wer mehr Beispiele kennt, bitte melden.
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass ooP ganz gut klingen kann, wenn eine der Phasen etwas leiser als die andere ist. Also z.B. einen SC mit einem HB ooP schalten, oder bei der LP einen TA leiser drehen.

Q: Klingt doch eh alles gleich, wie soll man damit auf der Bühne zurechtkommen, 3 Sounds reichen vollkommen aus, wer will denn soviele Knöpfe auf der Gitarre haben, mach doch keine Löcher in die teure Gitarre, Du solltest lieber üben, Leo Fender hätte ...
A: Ja, weiß ich alles. Siehe zwei Fragen höher.


Kommentare sind willkommen!
 
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Feines Thema ....

... das unterschiedliche Verschalten von PUs war früher sehr groß in Mode unter Freaks . Man mußte experimentieren , wei man ja so gut wie nix nachlesen konnte . ... und so manches Schlagbrett hatte darunter zu leiden .

Ich selbst gehör auch noch zu dieser alten Fraktion :

ch57cm8p6l6vqmeeo.jpg


Original war das eine SSS Fernandes Japan Strat Copie .

Der 5 Weg Schalter wurde umbelegt so das folgende Möglichkeiten gehen :

Jeder PU alleine
Steg und Hals zusammen
Hals und Mitte zusammen

Mitte ist oop

Der Hals ist oop umschaltbar

Der Steg ist als S oder H umschaltbar

Damit krieg ich alles hin , was ich brauche , ohne immer zum Amp zu rennen um den anders einstellen zu müssen ( der Vogel , ein alter Ampeg , hat nur zwei Kanäle , die aber in der Kombination zur Gitarre " mir " vollkommen reichen ) .
 
Hi,
da staune ich nicht schlecht, was da für Geschütze aufgefahren werden, um einmal von Parallel in Reihe und einmal von iP auf oop zu schalten. Der Kram mit den vielen Ebenen ist doch viel zu störanfällig, und wenn man irgendwo mal einen wackligen Kontakt oder abgenutzten Schalter hat, haut man einfach alles wieder in die Tonne, weil so'n Frickelkram kann keiner ordentlich reparieren. Das Ganze von Parallel auf Serie und ooP funktioniert auch mit Schaltern, die nur zwei Ebenen benötigen, habe für Turbofinger einen Entwurf gezeichnet, den ich gleich noch vorstelle.

Tschau....
 
ich finde die Berechnung rein mathematisch sehr... überflüssig, da die musikalische Seite hier außer acht gelassen wird.

Die unterschiedlichen Beschaltungen sind wirklich ein spannendes Thema, aber es wird hier mit einem Schlag unspannend wenn ich lese
dass es innerhalb dieser Betrachtung keinen Unterschied zwischen zwei SC einerseits und zwei Einzelspulen eines Humbuckers andererseits gibt
dabei klingt das unterschiedlich.

Weiteres Beispiel, ooP ist innerhalb ein und desselben HB-Pickups sinnlos, bei 2 voneinander entfernteren Spulen (2 SCs) wird es dagegen (wenigstens etwas) reizvoller.

Naja.
Aber hier soll es ja schließlich nicht um Sinnhaftigkeit gehen, sondern um Mathematik!
ok. Das ist aber ein Musikerforum hier ;)

mal eine ernsthafte Frage:
Beginnen wir zum Warmwerden mit 2 Spulen, wie z.B. in einer SS-Telecaster oder ein einzelner Humbucker.
Zwei Varianten "Einzelspule":
1.: A
2.: B
Zwei Varianten "Zwei Spulen":
3.: A/B (parallel, klassische Tele-Zwischenstellung)
4.: A+B (seriell, in der Tele mit einem Vierwegschalter zu realisieren)

Zusätzliche ooP-Kombinationen:
5.: A/(-B) (parallel ooP)
6.: A-B (seriell ooP)

In Summe also 4 Variationen mit 2 zusätzlichen ooP-Kombinationen
wie klingt der Unterschied zwischen 5 und 6?
 
[...]

dabei klingt das unterschiedlich.

Weiteres Beispiel, ooP ist innerhalb ein und desselben HB-Pickups sinnlos, bei 2 voneinander entfernteren Spulen (2 SCs) wird es dagegen (wenigstens etwas) reizvoller.

[...]

mal eine ernsthafte Frage:

wie klingt der Unterschied zwischen 5 und 6?

Der Reihe nach...

Ich habe mich vielleicht missverständlich ausgedrückt. Selbstverständlichkeit klingen zwei Singlecoils anders als ein Humbucker. Aber hier soll es nur um die maximale Anzahl an Kombinationen gehen. Und das sind eben für zwei Spulen genau sechs, egal, wie weit die Spulen auseinander liegen. Dass die ooP-Varianten für den Humbucker wegen der fast vollständigen Phasenauslöschung sinnlos sind, bestreite ich doch gar nicht.


Soundbeispiele ooP parallel und seriell:
https://www.musiker-board.de/showthread.php?p=6133858



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thx, die Soundbeispiele sind klasse.
"5 + 6" (ooP parallel und seriell) klingt tatsächlich noch sehr unterschiedlich, was ich gar nicht so erwartet hätte.
 
Hi,
da staune ich nicht schlecht, was da für Geschütze aufgefahren werden, um einmal von Parallel in Reihe und einmal von iP auf oop zu schalten. Der Kram mit den vielen Ebenen ist doch viel zu störanfällig, und wenn man irgendwo mal einen wackligen Kontakt oder abgenutzten Schalter hat, haut man einfach alles wieder in die Tonne, weil so'n Frickelkram kann keiner ordentlich reparieren. Das Ganze von Parallel auf Serie und ooP funktioniert auch mit Schaltern, die nur zwei Ebenen benötigen, habe für Turbofinger einen Entwurf gezeichnet, den ich gleich noch vorstelle.

Tschau....


Klar, die Vorlieben sind unterschiedlich. Ich finde Deine Lösung im anderen Thread sehr elegant (ich kann Dich vom Handy leider nicht bewerten), aber ich mag einfach lieber einen Fünfwegschalter bedienen als 3 Miniswitches. Die angekündigte Verschaltung, die alle 17 SSS-Kombinationen abbildet, wird auch auf Schalter mit mehr als 2 Ebenen zurückgreifen. Für mich ist das auch eine Frage der Übersichtlichkeit auf dem Pickguard. Jeder Schalter weniger ist mehr, wenn man das so sagen kann :)

Aber wie gesagt: viele Wege führen nach Rom. (Und die Allermeisten wollen ja noch nicht einmal bis nach Rom.)



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