Stormy & Spooky - Classics IV / ARS

wolbai
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Einleitung

Meine Geschichte mit der Atlanta Rhythm Section (ARS) hat mit dem folgenden Cover eine Fortsetzung gefunden - und genauer gesagt, sind es nun, unvorhersehbarer Weise, zwei Cover in einem Song geworden :D

Meine ursprüngliche Idee war es, mich noch an Spooky in der ARS-Version zu versuchen.

Dabei bin ich dann auch auf das Original der US-amerikanischen Softrock-Band Classics IV von 1967 gestoßen und habe, als alter Musikperlentaucher, bei dieser Gelegenheit auch ein paar sehr hörenswerte Classics IV Oldie-Schätzchen entdeckt, u.a. Songs wie „Traces“ und „Stormy“. (Der damalige Produzent Buddy Buie hatte in dieser Zeit ein Faible für Songtitel mit sechs Buchstaben :rolleyes:).

Den Song „Stormy“ kannte ich bereits in einer Coverversion von einem Santana-Album Ende der 70er Jahre, aber eben nicht in dieser sanft-melancholischen Stimmung der Classics IV, mit ihrem damaligen Sänger Dennis Yost.
Die Art seiner Gesangsmelodie berührt mich sehr und hat bei mir ein paar „innere Saiten“ zum Schwingen gebracht.

„Stormy“ (Platz 5 in den US-Billboard Hot 100) war der Folgehit der Classics IV nach „Spooky“ (einer ursprünglichen Jazz-Instrumentalnummer, was man auch an der Akkordprogression merkt), der Platz 3 der US-Billboard Hot 100 erreichte.
Wie im damaligen Single-Markt üblich, wollte die Plattenfirma einen Folgehit, der sich musikalisch an ihrem vorhergehenden Single-Chart Erfolg orientierten sollte. (Die von der Plattenfirma damals gesetzten „musikalischen Rahmenbedingungen“ kann man dann auch am Songarrangement der beiden Songs in Teilen ganz gut „ablesen“.)

Die Ähnlichkeit der Akkordprogression und insbesondere der Umstand, dass es mit J.R. Cobb (Classics IV – Gitarrist, erfolgreicher Songwriter und späterer Rhythmus-Gitarrist von ARS), Dean Daughtry (Classics IV und späterer ARS-Keyboarder) und Buddy Buie (Produzent und Songwriter der Classics IV und ARS) drei musikalische Bindeglieder gab, hat mich dann letzten Endes dazu motiviert, aus „Zwei mach Eins“ anzugehen.

Allerdings muss man diese spezielle und melancholische US-Softrock-Musik der Classics IV aus den späten 60er Jahre einfach auch mögen.

Mit dem zunehmenden Aufkommen der US-Rockmusik in den 70er Jahren hatte sich das Zeitfenster der Popularität der Classics IV dann auch gegen Mitte der 70er Jahre wieder geschlossen.

Mit Dennis Yost (2008), Buddy Buie (2015) und James R. Cobb (2019) ist die Mehrzahl der erwähnten Hauptakteure bereits verstorben. Und es ist leider eine traurige Wahrheit, dass viele weitere musikalische Wegbereiter der heutigen U-Musik aus dieser Zeit in den nächsten 5 bis 10 Jahren noch folgen werden …



Songarrangement

Da beide Bands jedoch in unterschiedlichen Musik-Genres zu Hause waren, ist das in punkto stimmiges Songarrangement allerdings eine gewisse Herausforderung. Und ich bin mir dabei auch bewusst, dass das Zusammenfügen dieser beiden unterschiedlichen Songs, trotz einiger Gemeinsamkeiten, nicht jeden Musikgeschmack treffen wird. Die große Unterschiedlichkeit beider Bands – trotz des vergleichsweise geringen Zeitabstandes - kann man bereits ganz gut an den beiden Bandfotos im Videovorspann nachvollziehen.

Das „Stormy & Spooky - Cover“ ist in einigen Teilen (insbesondere hinsichtlich der Instrumentierung, Groove, Tempo) kein Note-für-Note Cover und hat aus meiner Sicht damit eine etwas stärkere Eigennote.

Das Tempo ist auf 110 bpm und entspricht damit dem Spooky- (End)-Tempo (das mit ca. 107 bpm beginnt und gegen Ende dann in Richtung 110 bpm endet).
Der Original-Stormy-Song ist hingegen bei ca. 120 bpm.

Die Strophen sind meines Erachtens schön abwechslungsreich gestaltet und variieren u.a. über den geänderten Groove, einsetzende Gitarren Fill-Ins und den überwiegend 3-stimmigen BackVocals.

Gegen Ende der Chorusparts steigert Dennis Yost jeweils die Gesangsintensität, in dem er in eine kehlige und volltönende Stimmlage wechselt. Wie ich gelesen habe, war er auch ein sehr guter „James Brown – Imitator“.
Die Gesangsmelodielinie von Stormy ist sehr ungewöhnlich, herzergreifend und beginnt mit der None des Am9-Akkordes.

Und eben dieser Noteneinstieg gibt dem ganzen Songpart seine sanft-melancholische-Verlorenheit, die ich einfach liebe.

Auch die Basslinie des Stormy-Parts hat seinen besonderen Reiz, da sie nicht nur den Grundton der Akkordprogression im Fokus hat, sondern in den Strophen variiert, die Gesangslinie unterstützt und gelegentlich auch die Terzen (u.a. auch als erste Bassnote im Chorus) der Akkorde betont. Damit setzt die Basslinie einen harmonisch eigenständigen Beitrag, der sich ganz prima in das Songarrangement einwebt.


Die Akkordprogression des Stormy-Parts ist – wie bereits erwähnt- mit Akkorden wie Am9, Em9, Gmaj7, Cmaj7, A13, eher in Richtung „jazzy“ einzuordnen.
In der Akkordprogression des Spooky-Parts geht es mit Fm7, H13 und C-dim entsprechend jazzy weiter.

Der Spooky-Part des Covers umfasst im Prinzip den Solopart des ARS-Songs (ohne E-Pianosolo), der mit einem Halbton-Tonleiterwechsel eingeleitet wird. Ein derartiger Tonleiterwechsel mit dem ARS-typischen ¼ Triolen-Break ist auch ein musikalisch passender Ansatzpunkt, beide Songs möglichst stimmig ineinander übergehen zu lassen. Ergänzend hierzu habe ich gegen Ende des Stormy-Chorusteils die Drums über mehrere Takte in der Intensität gesteigert.

In diesem zweiten Coverteil ändert sich dann auch die Instrumentierung und wird – bekanntermaßen – merklich rockiger.



Instrumentierung

Die Instrumente sind selbst eingespielt. Die Unterschiede zwischen dem verträumt-sanften Stormy-Part und dem eher rockigen Spooky-Outroteil habe ich dabei zu berücksichtigen versucht.

Bei den Vocals habe ich mich ziemlich „in’s Zeug“ gelegt, um eine passende Atmosphäre für den ersten Coverteil herzustellen.

Ein wenig 60er/70er Jahre-Patina sind mit Rickenbacker-Gitarrensounds und Sitarsounds über meine James Tyler Variax Modelling-Gitarre eingeflossen.
Das Saxophonsolo des Stormy-Originals wurde durch einen cleanen (Picking)-Soloteil mit zwei 12-String Rickenbacker-Gitarren (laut Line 6 ist es das Modell 360 von 1966) ersetzt, die jeweils auf dem Bridge- und Neckpickup gespielt sind.
Rickenbacker-Gitarrensounds und Sitar-Klänge haben die U-Musik der späten 60er und 70er Jahre mit geprägt und eine Vielzahl eingängiger Gitarrenriffs aus dieser Zeit hinterlassen.

Meine umgebaute JTV69-Variax (mit Warmoth-Hals, Suhr Doug Aldrich Pickups und Kinman Pickups), die mir zu Live-Bandzeiten gute und verlässliche Dienste geleistet hat, spiele ich auch heute gelegentlich beim Home Recording noch sehr gerne.

Im Gegensatz zum Spooky-Basspart, ist die Basslinie des Stormyteils mit einem „Fingered Bass-Plugin“ eingespielt. Im Spooky-Part ist ein Bass mit Plektrumspiel nachempfunden. (Der Rickenbacker-Bass war Paul Goddards Instrument, das er am meisten spielte. Er war begeisterter Fan des britischen Progressivrock; sein damaliges musikalisches Vorbild war u.a. Chris Squire von Yes).

Im Outro-Soloabschnitt von Spooky sind im ersten „Barry Bailey“-Teil dessen typische Stilmittel (wie Pinchharmonics, Double Stops und abgefahrenen Rhythmik-Licks) eingeflossen. Er hatte eine Art Solos zu spielen, die man als „Komposition in der Komposition“ bezeichnen kann: sehr durchdacht, in sich außerordentlich stimmig und ganz wunderbar im Songkontext verankert. Er war eher keiner, der gerne mal so drauf los spielte.

(Aus dem Buch „Atlanta Rhythm Section – The Authorized History von 2019“, das ich z.Z. lese, weiß ich, dass sich bei Festival-Auftritten der Band, Ende der 70er Jahre immer wieder Gitarristen der anderen Bands am Bühnenrand aufgehalten haben, um ihm auf die Finger zu schauen.)

Ich verneige mich vor diesem großartigen Gitarristen und wünsche ihm, trotz seiner MS-Erkrankung, noch viele gute Jahre …

Der zweite Teil des Outro-Solos wurde vom ARS „Rhythmus-Gitarristen“ James R. Cobb gespielt. Der „jazzy Wes Montgomery-Teil“ hat für mich einen musikalisch sehr geschmackvollen Kontrast zu Barry Baileys Rocksound.
Gegen Ende des Covers finden sie sich dann in einem gemeinsamen ARS-typischen Gitarrenharmoniepart zusammen.

Und J.R. Cobb war eben nicht nur ein überaus versierter Rhythmus-Gitarrist, der auch Slide-Gitarre und Harp spielte, sondern einer der beiden maßgeblichen Songwriter der Classics IV und der Atlanta Rhythm Section.
Er hatte es verstanden, sich banddienlich einzubringen und Barry Bailey als Gitarrist „die Bühne zu überlassen“, da dieser der bessere Solist war.
Als „kleine Entschädigung“ hatte er dafür sehr wahrscheinlich ein Vielfaches mehr über seine Songwritertätigkeit verdient:D.

Die zwei Bassspuren und zwei E-Pianospuren sind mit einem Midi-Keyboard und Cubase Halion-Plugins eingespielt. Die Drumspur wurde mit Toontrack EZ Drummer 2 erstellt und an die diversen Breaks entsprechend angepasst. Ich bin in der Überlegung, auf Superior Drummer 3 zu wechseln. Kann hierzu jemand über konkrete Wechselerfahrungen was sagen?


Die Besonderheit und außerordentlich große musikalische Livequalität von ARS lag vor allem im Erfahrungshintergrund der Musiker begründet:

So waren nahezu alle Bandmusiker vor ihrer ARS-Zeit bereits gestandene und überregional anerkannte Musiker aus anderen Bands wie z.B. bei den Candymen (der damaligen Begleitband von Roy Orbison) oder eben den Classics IV.
Darüber hinaus engagierte Buddy Buie die Bandmitglieder Anfang der 70er Jahre als Studiomusiker in seinem „Studio One“ in Doraville, in dem auch einige Lynyrd Skynyrd – Aufnahmen entstanden sind.
Dort hatten sie ein geregeltes Einkommen, lernten Timing und Präzision im eigenen (Zusammen)-Spiel und konnten parallel dazu ihr eigenes Musikrepertoire aufbauen. Es war damals ein, zu diesem Zeitpunkt, einmaliges „Bandkonzept“.

Ein entscheidender Nachteil dieser Band, die sich sehr stark auf die Darbietung ihrer Musik fokussierten, der ihrer Popularität Grenzen setzte, war jedoch der damit einhergehende Mangel an Show- und Bühnenpräsenz. Als besonders introvertierter ARS-Musiker und am wenigsten Rockstar-like galt Paul Goddard, der häufig mit dem Rücken zum Publikum sein Bassspiel zelebrierte. Er starb 2014 an Krebs.



Recording / Mixing / Mastering / Videoerstellung

Das Cover habe ich mit meinem neuen Audient iD14 – Audiointerface aufgenommen. Mein Eindruck ist, dass sich der Wechsel von meinem vorherigen Behringer UMC404HD gelohnt hat: ich nehme mehr Klarheit und Transparenz im Klang wahr.

Der Gesang und die Akustikgitarre wurden einmal mehr mit dem häufig geschmähten Rode NT1-A aufgenommen. Ich bin mir weiterhin nicht sicher, ob bei meinen eher mäßigen Gesangskünsten ein besseres Mikro ein echter Mehrwert darstellen würde.

Die diversen E-Gitarren wurden mit dem Clean (Green)- und Crunch (Yellow)-Kanal des Marshall JVM410 aufgenommen.

Zum Anhören und für maximalen Hörgenuss bietet sich ein guter Kopfhörer an, da ich den Eindruck habe, dass mir ein ausgewogener, transparenter und räumlicher Audio-Mix gelungen ist.

Die Videoerstellung besteht im Wesentlichen aus Gesangs- und Instrumentenaufnahmen, weil bei diesem Cover einfach sehr viele Gitarrenparts eingeflossen sind.





In der Hoffnung, dass meine Geschichte und die Hintergrund-Infos zum Cover dennoch für die meisten kurzweilig war, hier nun - für umsonst und drinnen - der Audio-Link:


https://www.soundclick.com/music/songInfo.cfm?songID=14067252


und Video-Link:





Über Eure Rückmeldungen freue ich mich - wolbai :great:
 
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Reaktionen: 3 Benutzer
Hi Wolbai, finde deinen Song großartig, wenn ich in den frühen 60ern mit meinen
Eltern am Ami- Camp vorbeiging stand manchmal ein Fenster auf und aus den Barraks
hat es dann so ähnlich geklungen. Als ich den Anfang deines Songs hörte fühlte ich mich
in diese Zeit versetzt ,als die Welt noch in Ordnung war.

Grüße
 
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Ein schönes Feedback, das mir was gibt - Danke dafür:great:

Freut mich, wenn Dich der Song auf eine angenehme Zeitreise geschickt hat.


Grüße aus Franken - wolbai
 

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