Tonartfremde Töne in Melodyne: Okay? Normal? Teils/teils?

hobz biz-zejt
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Okay, wer mit Melodyne arbeitet, kennt folgende Vorgehensweise:
Man hat eine Gesangsspur und lädt diese in Melodyne. Einzelne Töne der Melodie werden als Blops angezeigt. Melodyne bietet die Option, die Tonart der Melodie zu interpretieren und den Hintergrund von tonarteigenen und -fremden Töne farblich unterschiedlich (hell und dunkel) darzustellen.

Falls ich nun ein Stück habe, das ziemlich eindeutig in einer bestimmten Tonart steht (sagen wir, ich spiele die Gitarrenakkorde C-Dur, G-Dur, a-Moll, F-Dur, Melodyne interpretiert das als C-Dur), was ist dann davon zu halten, wenn einige Blops trotzdem außerhalb des Rasters liegen, also tonartfremde Töne sind?

Wie eindeutig ist bei Melodyne da "richtig" und "falsch"?
Wie sehr kommt es auch auf Länge, Position, Art des Tons an?
Ist der "falsche" Blob einer stimmlosen kurzen Note auf einer unbetonnten Zählzeit irrevelant?

Der Punkt ist der:
Ich hab angefangen, Melodyne zu nutzen und versuche herauszufinden, wie ich es zielführend nutzen kann für hörbare Verbesserung, nicht optische.
Wie finde ich den richtigen Ansatz und das richtige Maß bei der Nachbearbeitung?
 
Ich hab angefangen, Melodyne zu nutzen und versuche herauszufinden, wie ich es zielführend nutzen kann für hörbare Verbesserung, nicht optische.
Wie finde ich den richtigen Ansatz und das richtige Maß bei der Nachbearbeitung?
Und genau da liegt der Punkt. Wenn du Melodyne nur nach optischen Eindrücken verwendest wird es am Ende vermutlich künstlich klingen. Daher am besten dem Gehör arbeiten. Es kann aber gut sein, dass man das erst trainieren muss. Meine Frau kann das z.B. viel besser als ich, da ihr Gehör durch das Studium viel besser geschult ist.
 
Ich verwende Melodyne nur in der 1.0-Version, kenne aber das Szenario, das du beschreibst.

was ist dann davon zu halten, wenn einige Blops trotzdem außerhalb des Rasters liegen, also tonartfremde Töne sind?

Wie eindeutig ist bei Melodyne da "richtig" und "falsch"?
Wie sehr kommt es auch auf Länge, Position, Art des Tons an?
Ist der "falsche" Blob einer stimmlosen kurzen Note auf einer unbetonnten Zählzeit irrevelant?

Deine Frage beinhaltet nur tonartfremde Töne, aber ich würde sehr dazu raten, erstmal die harmoniefremden Töne zu betrachten, da die tonartfremden davon Spezialfälle sind.

Tonartfremde Töne sind, genauso wie harmoniefremde Töne, ein absolut gängiges Gestaltungsmittel. Melodyne urteilt (vermutlich) auch nicht darüber, ob diese Töne falsch sind, sondern zeigt sie auf besondere Weise an, damit man selbst entscheiden kann, wie man damit umgeht.

Wie man damit umgeht, hängt sehr vom Musikstil ab und ob man sich an die etablierten Konventionen bzw. die Tradition halten will:
  • in Kinder- und Volksliedern sind oft einfache und klare Harmonien und Tonarten üblich, sodass sowohl harmonie- wie tonartfremde Töne selten sind
  • in Barock, Klassik und Romantik gibt es tonsetzerische Konventionen, wo und wann harmoniefremde Töne auftauchen können. Viele Hörer kennen diese Regeln intuitiv, ohne sie benennen zu können
  • in der Popularmusik sind harmoniefremde Töne sehr üblich, aber je nach Stil auch nicht immer und überall. So gibt es die Konvention der „avoid notes“, in C-Dur z.B. der Ton f, der in einigen Stilen bzw. Improvisationen nicht exponiert auftreten sollte. Andere Stile, wie z.B. Pop-Piano der 70er/80er nehmen gerade diese Quarte als Stilmittel auf
Das ist insgesamt ein sehr weites Feld, das eher in die Musiktheorie geht, als in die Bedienung von Melodyne.
 
Daher am besten dem Gehör arbeiten. Es kann aber gut sein, dass man das erst trainieren muss. Meine Frau kann das z.B. viel besser als ich, da ihr Gehör durch das Studium viel besser geschult ist.
Hast du ein konkretes Beispiel, was deine Frau besser kann, wo und wie sich das zeigt?
Hört sie vorab, wo sie danach genauer hinschauen will? Oder hört sie, welche optischen "Fehler" wirklich problematisch sind?

Ich versuch ja genau so was zu finden, Erfahrungswerte.
Die Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Arten von Klängen, die die menschliche Stimme machen kann, ist ein Beispiel.

Andere Beispiele:
1. Irgendwas hörte sich nicht falsch an, sieht aber falsch aus. Ich ziehe testweise Blops gerade und merke, dass es danach für mich tatsächlich besser klingt und ich erst im Vergleich die Originalversion als unsauber empfinde.

2. Mehrere gedoppelte Gesangsspuren singen das gleiche, um einen bestimmten Gesangsteil etwas anzudicken. Optisch sind deutliche Unterschiede zwischen den Spuren zu erkennen. Testweise angeglichen, gewinnt das Ergebnis, also der Zusammenklang aber dadurch nicht, eher im Gegenteil.

Ich vergleich es jetzt mal mit anderen Instrumenten.
Bei Schlagzeugaufnahmen hab ich oft gehört, dass Leute sagen, die Aufnahme xyz klingt super gespielt (also technisch sauber), schaut man die Audiodatei an, ist man aber erstaunt, wie ungleichmäßig das tatsächlich ist.
Da kann ich das einordnen, inwieweit gewisse Abweichungen von maschinenhaftem Spiel richtig und gewünscht sind.

Bei der Stimme als Instrument finde ich die Beurteilung aber schwieriger.
 
Deine Frage beinhaltet nur tonartfremde Töne, aber ich würde sehr dazu raten, erstmal die harmoniefremden Töne zu betrachten, da die tonartfremden davon Spezialfälle sind.
Was heißt harmoniefremd genau?
Töne, die zur Tonart passen, aber nicht zum Akkord, der in dem Moment gespielt wird., also der Ton f während ein C-Dur-Akkord gespielt wird?

Tonartfremde Töne sind, genauso wie harmoniefremde Töne, ein absolut gängiges Gestaltungsmittel.
Beides ist gängige Praxis? Bezogen auf Gesang? Oder allgemein auf Musik(instrumente)?

Wie man damit umgeht, hängt sehr vom Musikstil ab und ob man sich an die etablierten Konventionen bzw. die Tradition halten will:
  • in Kinder- und Volksliedern sind oft einfache und klare Harmonien und Tonarten üblich, sodass sowohl harmonie- wie tonartfremde Töne selten sind
  • in Barock, Klassik und Romantik gibt es tonsetzerische Konventionen, wo und wann harmoniefremde Töne auftauchen können. Viele Hörer kennen diese Regeln intuitiv, ohne sie benennen zu können
  • in der Popularmusik sind harmoniefremde Töne sehr üblich, aber je nach Stil auch nicht immer und überall. So gibt es die Konvention der „avoid notes“, in C-Dur z.B. der Ton f, der in einigen Stilen bzw. Improvisationen nicht exponiert auftreten sollte. Andere Stile, wie z.B. Pop-Piano der 70er/80er nehmen gerade diese Quarte als Stilmittel auf
Gute interessante Beispiele.

Das ist insgesamt ein sehr weites Feld, das eher in die Musiktheorie geht, als in die Bedienung von Melodyne.
Die Frage, wo ich mir unsicher bin, ist die, ob Gesang genauso "eindeutig" ist wie z.B. ein Klavier.
Beim Klavier drücke ich die eine oder die andere Taste und es erklingt ein bestimmter Ton. Beim Gesang treffe ich dagegen eine Tonhöhe, die immer mindestens ein klein bisschen abweicht, von der korrekten Tonhöhe in Hertz und hab da auch noch "Bewegung" drin.

Was ich laienhaft versuche zu fragen:
Wenn ein Schlagzeuger ein klein bisschen Timing-Variationen haben darf, die positiv, lebendig und groovig klingen, wieviel Tonhöhen-Variation darf oder soll die Gesangsstimme dann haben, um gut zu klingen?
 
Was heißt harmoniefremd genau? Töne, die zur Tonart passen, aber nicht zum Akkord, der in dem Moment gespielt wird., also der Ton f während ein C-Dur-Akkord gespielt wird?
Ja, genau. Wenn in einem Stück in der Tonart C-Dur ein Am-Akkord klingt, ist der Ton f harmoniefremd, aber nicht tonartfremd, da er in der Tonart C-Dur grundsätzlich vorkommt. Der Ton fis dagegen wäre harmonie- und tonartfremd, da er in der gesamtem Tonart und damit auch in dieser leitereigenen Harmonie nicht vorkommt.

HaraldS schrieb:
Tonartfremde Töne sind, genauso wie harmoniefremde Töne, ein absolut gängiges Gestaltungsmittel.
Beides ist gängige Praxis? Bezogen auf Gesang? Oder allgemein auf Musik(instrumente)?

Allgemein, das gilt für alle Instrumente und Gesang. In der klassischen Musik gibt es 4 Arten von harmoniefremden Tönen: Vorhalt, Vorausnahme, Wechselnote und Durchgang (siehe z.B. hier). Die Begriffe kann man auch in der Popularmusik verwenden. Das ist aber meiner Beobachtung nach ein Thema, über das sich in der Popularmusik nur sehr wenig Leute Gedanken machen - weil in der Popularmusik viel häufiger der Tonsatz eines Musikstückes das Ergebnis sozialer und oft auch zufälliger Prozesse ist (z.B. wenn Produzent und Sängerin erst im Studio spontan am Mikro entscheiden, welche Chorstimmen hinzugefügt werden), in der Klassik dagegen gab/gibt es einen Komponisten, der den Tonsatz herstellt.

Das ist direkt das Arbeitsgebiet eines Arrangeurs, der eine Vorlage hat (z.B. ein Leadsheet) und daraus einen Plan erstellt, wer genau welche Töne singt und spielt. Im Big-Band- und Jazzarrangement ist der Umgang mit harmoniefremden Tönen ein wichtiges Thema, das auch rational behandelt wird. Übrigens werden auch diese Töne harmonisiert, selbst wenn sie selbst harmoniefremd sind. Ein spannendes Feld...

Die Frage, wo ich mir unsicher bin, ist die, ob Gesang genauso "eindeutig" ist wie z.B. ein Klavier.
Beim Klavier drücke ich die eine oder die andere Taste und es erklingt ein bestimmter Ton. Beim Gesang treffe ich dagegen eine Tonhöhe, die immer mindestens ein klein bisschen abweicht, von der korrekten Tonhöhe in Hertz und hab da auch noch "Bewegung" drin.

Das Ergebnis ist aber kein prinzipieller Unterschied: in jedem Fall erzeugst du mit jedem Instrument oder der Stimme eine Tonhöhe, die unweigerlich ein Verhältnis zu den anderen erklingenden Tönen hat. Übrigens darf man sich von den absoluten Hertz-Zahlen der Töne nicht verrückt machen lassen: die gaukeln vor, wir Menschen würden supergenau hören (können). Das tun wir in der Regel nicht, da unsere Ohren schon physiologisch ein ziemlich begrenztes Auflösungsvermögen haben und erst die musikalische Erfahrung uns kritischer werden lässt. Musikalische Erfahrung hat die breite Masse der Musikhörer aber nur sehr begrenzt.

Hinzu kommt die Tendenz, dass unser Gehirn ständig Muster erkennen will (am liebsten symmetrische) und daher Ungenauigkeiten in der Wahrnehmung korrigiert werden. Wir hören uns Musik zurecht. Nur deswegen bekommen z.B. Schüler, auch wenn sie volle Grütze spielen sollten, auch Applaus - weil die wohlwollenden Zuhörer strukturell erkennen, welches Stück es sein soll und wie es wohl gemeint ist.

Wenn du also mit der Stimme einige Hertz neben der Idealtonhöhe liegst, wird jeder Hörer intuitiv sich das zurecht hören und so deuten, dass es für seine Hörerfahrung Sinn macht. Das Ergebnis kann z.B. sein, dass der Hörer eine Blue Note wahrnimmt (wenn du vorher klargemacht hast, dass du dich in der Blues-Tradition bewegst), oder dass es als emotionale Textausdeutung wirkt. Es kann allerdings auch einfach falsch wirken, je nach Dauer und Ausmaß.

Was ich laienhaft versuche zu fragen: Wenn ein Schlagzeuger ein klein bisschen Timing-Variationen haben darf, die positiv, lebendig und groovig klingen, wieviel Tonhöhen-Variation darf oder soll die Gesangsstimme dann haben, um gut zu klingen?

Das kann man, wie ich finde, nicht pauschal beantworten. Timing-Variationen auch beim Schlagzeug klingen in meinen Ohrn nur gut, wenn sie gekonnt ausgeführt werden, d.h. wenn ein in sich schlüssiges und authentisches Klangbild eines Grooves entsteht. Timing-Variationen von Schlagzeug-Anfängern z.B. klingen nicht so, sondern schnell nachlässig oder ungekonnt. Das Gleiche gilt für Tonhöhen-Variationen in einer Gesangsstimme.
 
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Hi :hat:
Die Frage, wo ich mir unsicher bin, ist die, ob Gesang genauso "eindeutig" ist wie z.B. ein Klavier.
Jain.
Bei allen Tönen bei denen du deine Stimmbänder benutzt ja. Da gibts eine eindeutige Frequenz die ermittelt werden kann.

Bei Zischlauten wie S,C,T,Z,P usw wird Melodyne überhaupt keine Tonhöhe finden, denn da gibts keinen Grundton. Melodyne setzt diese Töne jedoch trotzdem irgendwo hin, keine Ahnung nach welchen Kriterien. Solche Zischlaute dann zu korrigieren, weil sie optisch nicht in die Skala passen, ist nicht zielführend. Das klingt eigentlich immer schlechter als wenn man sie unverändert belässt.

Ich persönlich korrigiere am Gesang nur das, was für mich eindeutig falsch klingt. Wie der Rest optisch aussieht interessiert mich nicht. So besteht die Gefahr nicht, etwas "kaputt" zu korrigieren.
 
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Hört sie vorab, wo sie danach genauer hinschauen will? Oder hört sie, welche optischen "Fehler" wirklich problematisch sind?
Im Prinzip genau das. Aber hauptsächlich hört sie auch viel besser wie weit man den Ton korrigieren muss damit er gut klingt. Mir fällt das deutlich schwerer und optisch ist es auch schwer auszumachen.

Schwingt der Gesang zu sehr um den Ton herum kann es sinnvoll sein den Ton in Melodyne aufzuspalten und einzelne Teile separat zu korrigieren.

Was @Zelo01 anspricht ist auch ein wichtiger Punkt. Mit Melodye kann man extrem stark korrigieren ohne dass es wirklich auffällt solange man diese Laute in Ruhe lässt. Wenn man die korrigiert klingt es sehr schnell sehr künstlich.
Ich persönlich korrigiere am Gesang nur das, was für mich eindeutig falsch klingt.
Das ist imho der beste Ansatz. Die Gefahr der Verschlimmbesserung ist allgegenwärtig :D
 
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