So, jetzt komme ich endlich dazu weiterzuschreiben.
Wenn ich richtig gerechent habe, liegt der effektive dynamische Innewiderstand der Ausgangsstufe bei der 8008 bei ca. 24 Ohm und bei der VS 120/120 bei ca. 22 Ohm (hier variierbar).
Den Einfluss eines hohen Quelleninnenwidertands auf das Schwingungsverhalten eines Lautsprechers kann man sich sehr einfach selber vorführen: man nehme z.B. einen 10- oder 12-Zöller mit offenen Anschlüssen in die Hand und schlage mit dem Handballen hinten gegen den Magneten. Man wird ein leicht nachklingendes "dummm" oder so hören. Das wiederholt man jetzt mit kurzgeschlossenen Anschlüssen. Aus dem "dummm" wird ein stimmloses "dhh" oder so ähnlich, wenn sich das hier so beschreiben lässt.
Was passiert? Im ersten Fall kann die Membran durch den Stoss angeregt frei in ihrer Resonanzfreuenz schwingen und erzeugt diesen Ton. Im zweiten Fall wird der in der Schwingspule durch Bewegung im Magnetfeld induzierte Strom kurzgeschlossen und dämpft die Schwingung maximal. Stichworte zum nachlesen: Induktion, Induktive Bremse etc.
Dieses Schaltungskonzept wurde von mehreren Herstellern umgesetzt: von Rocktron in der Velocity 250 (meine Lieblings-Transistorendstufe), von H&K in diversen Amps und Endstufen, von Peavey u.a.
Jetzt kommt noch ein zweiter Effekt hinzu: wer sich schon mal über diese seltsam geschwungene Linie auf den Frontplatten der Velocity-Endstufen gewundert hat, schaue sich bitte mal die typische Impedanzkurve eines Gitarrenlautsprechers über seinen Frequenzgang an.
Gitarren-Lautsprecher haben typischerweise ein Impedanzmaximum bei ihrer Resonanzfrequenz, etwa bei 55-80 Hz, ein Impedanzminimum bei ca. 200-400 Hz, und eine von da an kontinuierlich ansteigende Impedanz. Maximalwerte können da im mittleren bis oberen zweistelligen Bereich liegen.
Zurück zum Endstufeninnenwiderstand: die klassische (Hifi-) Schaltung sieht heir typischerweise einen Emitterfolger vor (nachlesen); d.h. der Emitter (oder besser die Emitter der Komplementärschaltung) liefern den Ausgangsstrom zum Lautsprecher. Dabei ist die Ausgangsspannung der Endtransistoren in etwa immer gleich der Eingangsspannung der Endtransistoren. Wenn nun der Lastwiderstand z.B. durch die hohe Impedanz bei der Resonanzfrequenz (relativ) hoch ist, fließt bei gegebener Ausgangsspannung relativ wenig Strom, also ist die umgesetzte Leistung an diesem Punkt (Leistung = Spannung x Strom) auch (relativ) geringer; ebenso nimmt sie entsprechend der zu hohen Frequenzen hin ansteigenden Impedanz zu hohen Frequenzen auch wieder (relativ gesehen) ab.
Hier verhält sich eine Endstufe mit hohem dynamischen Ausgangswiderstand anders: sie arbeitet an unterschiedlichen Lasten (Impedanzverlauf über die Frequenz) quasi eher wie eine Konstantstromquelle (vereinfacht beschrieben). Vereinfachte Erklärung: der Endstufe mit hohem Innenwiderstand ist es bzgl. der umsetzbaren Leistung an einer Last viel "egaler", welchen Wert die (frequenz-)momentane Last hat, als einer Endstufe mit sehr kleinem Innenwiderstand.
Stark vereinfachtes Rechenbeispiel: bei 40 Ohm Innenwiderstand (Fender Twin) ist der gesamte effektiv wirksame Widerstand an zB. 3 Ohm (Impedanzminimum) 40 Ohm + 3 Ohm = 43 Ohm, an 20 Ohm (Impedanz z.B. bei hoher Frequenz) 40 Ohm + 20 Ohm = 60 Ohm, der relative an der Last umsetzbare Lesitungsanteil sinkt durch den geringeren Stromanteil lediglich auf ~73%.
Bei 0,1 Ohm Innenwiderstand spielt dieser in der Vergleichsrechnung faktisch keine Rolle, sodaß sich der relative Unterschied der umsetzbaren Leistung rein aus den Widerstandsverhältnissen der jeweiligen Impedanzen ergibt: 3 / 20 = 15%, also im Vergleich deutlich weniger umsetzbare Leistung, da nur 15% des Stroms fließen kann.
Jetzt versteht man anschaulich, warum Gitarrenlautsprecher an Endstufen mit unterschiedlichen Ausgangsinnenwiderständen unterschiedlich klingen. Man versteht auch, warum eine Gitarrenbox mit 16 Ohm z.B. an einem Marshall-Röhrentop dynamischer und brillianter klingt als mit 4 Ohm: die Impedanzen sind eben deutlich höher als an der 4 Ohm-Box, sodaß mit dem hohen dynamischen Innenwiderstand der Endstufe an der Resonanzfrequenz und zu den hohen Frequenzen hin mehr Leistung umgesetzt werden kann.
Helmuth Lemme hat das ausführlich in seinen Büchern über Gitarrenverstärker beschrieben (interessenloser Hinweis).
@Pie-314 Das ist auch der wesentliche Grund, warum Dein Sound mit der kleinen Marshall-Röhrenendstufe mit je 2xEL84 noch brillianter als mit der VS 120 wurde: ihr dynamischer Innewiderstand ist deutlich höher als der der VS-Endstufen.
Übrigens verwenden die Marshall-Valvestate-Endstufen normale Bipolar-Leistungsstransistoren und keine FET (oder MOSFET). Das Schaltungskonzept haben Marshall, H&K u.a. allerdings auch in anderen Modellen mit MOSFET umgesetzt.
Fazit: ich liebe diese Endstufen, und besonders die Velocity 250 und die VS 120/120 Pro, weil hier zusätzlich noch Presence und Resonance einstellbar sind, die auch noch in die Gegenkopplung einwirken.
ps: die Erklärungen sind hier stark vereinfacht; die Zusammenhänge sind in der Realität komplexer. Bei Bedarf einfach im Netz oder Literatur nachlesen.