von 0% auf Boogie Woogie, wie möglich??

Hallo an alle,

also ich kann mich Dana nur anschliessen.
Auch ich hatte klassischen Unterricht und was war der Endeffekt, ich hab aufgehört und mir das Keyboardspielen weitgehen selbst beigebracht.

Bei uns gibt es eine Musikschule die sowohl klassisches Klavier als auch modernes Keyboardspiel anbieten. Jedoch suchten meine Eltern im Übereifer für mich einen Privatlehrer der mir klassiches Klavier beibringen sollte. Dabei wollte ich immer nur Pop, Rock und Schlager spielen.
Für mich war es eine richtige Qual wenn Freunde erzählten sie spielen schon Songs aus den Charts und ich quälte mich mit der Schule von Czerny herum.

Also ich kann nur jedem empfehlen sucht Euch einen Lehrer oder eine Musikschule die halbwegs auf Eure Wünsche eingehen.
Sicher führen viele Wege nach Rom aber es sollte bei der Musik der Spaß im Vordergrund stehen.


Gruß

Hubert
 
Problem vieler guter [Hervorhebung H.S.] Boogie oder auch Jazz-Lehrer: Die nehmen nur Leute an, bei denen die technischen Grundlagen schon gelegt sind, haben keine Lust, mit den Schülern bei Null anzufangen.

Aber wieso sind Boogie- und Jazzpianolehrer, die Anfänger ablehnen ausgerechnet gute Lehrer? Wieso sollte das Ablehnen von Schülern für eine Qualifikation des Lehrers sprechen?

Aber inserier mal, vllt. findet sich ein Musikstudent oder so?

Warum sollte ein Musikstudent Anfänger nehmen, ein Lehrer der sein Studium abgeschlossen hat aber nicht? Da sehe ich keinerlei Zusammenhang. Erfahrene Lehrer sind im Regelfall die besseren Lehrer, denn Erfahrung spielt beim Unterrichten nun mal eine große Rolle. Wieso sollte daher ein Musikstudent als Lehrer vorzuziehen sein?

Und ganz allgemein zu diesem Thread:

Der einzig vernünftige (aber nicht immer einfach umzusetzende) Rat für den Fragesteller des 1.Postings ist natürlich, sich einen vernünftigen Lehrer zu suchen, der die Ziele des Schülers akzeptiert und unterstützt.

Klassische Musik auf dem Klavier beinhaltet sehr viel grundlegende Spieltechniken. Die kann man sich natürlich in anderen Stilen zunutze machen. Zum Erlernen anderer Stile aber klassische Klaviertechnik zu benutzen wäre falsch, denn man sollte generell keine Musik als Mittel zum Zweck für eine andere Musik sehen. Boogie-Woogie erfordert einen grundsätzlich anderen Umgang mit dem Instrument als Klassik.

Wer für sich selbst entscheidet, ausschließlich Boogie zu spielen, sollte das auch von Anfang an machen. Aber vielleicht ist der Schüler ja auch bereit oder willens, mal über den Tellerrand hinaus zu schauen und grundsätzlich Klavier spielen zu lernen. Die Herausforderung ist also für den Lehrer eine didaktische: im Unterricht die Ziele des Schülers zu verfolgen, pianistische Grundlagen zu vermitteln und dabei Perspektiven für andere Musikstile zu eröffnen.

Für didaktische Herausforderungen braucht man halt einen guten Musikpädagogen, der seine Didaktik beherrscht. Das ist ja nicht umsonst ein Studienfach, an dem manche Leute lange und intensiv lernen.

Wenn der Schüler nichts anderes als Boogie-Woogie will und "sein Ding" schon gefunden hat und ausschließlich das durchziehen will - okay, aber diesen unverrückbaren Standpunkt wird wohl kaum jemand auf Dauer einnehmen.

Harald
 
Aber vielleicht ist der Schüler ja auch bereit oder willens, mal über den Tellerrand hinaus zu schauen und grundsätzlich Klavier spielen zu lernen.

Vielleicht ist es für einen vielbeschäftigten Menschen mit mannigfaltigen Interessen schon ein "über den Tellerrand springen", überhaupt ein wenig Boogie spielen können zu wollen ;)

Die Herausforderung ist also für den Lehrer eine didaktische: im Unterricht die Ziele des Schülers zu verfolgen, pianistische Grundlagen zu vermitteln und dabei Perspektiven für andere Musikstile zu eröffnen.

Solange die Eröffnung von Perspektiven keiner Verführung gleicht im Sinne einer Entfremdung der Ziele nach dem Gusto des Didaktizierenden, bin ich da vollkommen bei dir. Jemand, der sein ganzens Leben "dann doch keine Klassik spielen möchte", ist wohl weder ein schlechterer Mensch noch ein schlechterer Musiker. Es soll sogar Menschen geben, die in abgefahrenster synthetischer Technomusik ihre Erfüllung finden.

Wenn der Schüler nichts anderes als Boogie-Woogie will und "sein Ding" schon gefunden hat und ausschließlich das durchziehen will - okay, aber diesen unverrückbaren Standpunkt wird wohl kaum jemand auf Dauer einnehmen.

Warum nicht? Ich kenne genug hobbyistische Rock- oder Pop-Sängerinnen, die überhaupt nicht daran denken mögen, auch klassisches Liedgut zu singen, und wahnsinnig Spaß dran haben. Frau muss ja nicht immer alles können.

Was mir bisher ein wenig zu kurz kam: spezielle Technik-Übungen sind ja erst einmal Stil-unabhängig. Und die sind wichtig, egal welchen Stil man spielt. Dabei finde ich ganz persönlich eine gezielte Auswahl aus den "puren" Übungen, wie sie z.B. von Cortot aufgeschrieben wurden, viel praktischer um technische Defizite aufzuarbeiten, als Czerny-Etüden oder klassisches Sprint-Training à la Hanon, grade weil es Basis-Übungen sind, die mir nicht das Gefühl geben, mich in einem Musik-Raum zu bewegen, der mir eigentlich gar nix sagt.

Liebe Grüße

Dana
 
"Klassischer Klavierunterricht hat noch nie jemandem geschadet".

Das kann schon schaden, wenn man es selbst nicht will und dann womöglich gezwungen wird. Gibt´s auch heute noch.
 
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Ich bin Bj. 60 und habe von 8 - 14 Jahren eine klassische Klavierausbildung "genossen". Davon waren die letzten 4 Jahre unter Druck meiner Eltern. Klavier fand ich ja nicht schlecht, aber immer diese Etüden, Fantasien, Sonaten usw... einfach ätzend! Wie habe ich mich nach Boogie oder Rock/Pop gesehnt!

Mit 14 habe ich kein Tasteninstrument mehr angefasst, sondern nur noch Gitarren, Bässe, Mandolinen und sonstige Zupfinstrumente, weil mir Klassik und Klavier bis Oberkante Unterlippe standen.

Der Versuch, nochmal Gitarrenunterricht zu nehmen, ist auch wieder kläglich gescheitert, weil ich doch wieder bei einem Klassiker gelandet bin, der nebenberuflich als Hobbygitarrist Rhythmusknecht in einer Big Band war. Also wieder nicht das, was ich wollte.

Es hat fast 30 Jahre gedauert, bis ich wieder Interesse an Tasteninstrumenten hatte. Aber bleibt mir nur mit Klassik fern! Die höre ich mittlerweile ganz gerne mal, aber spielen? Nee!

Es wurde schon öfters angesprochen, dass man z.B. auf Boogie oder Jazz spezialisiert Probleme mit der Klassik hat, wenn man später umsteigen oder sich erweitern will. Das ist aber umgekehrt genauso! Ich kenne niemanden, einschließlich aller Instrumentenlehrer und Profimusiker (Klassiker), die ohne Probleme irgendeinen anderen Stil konnten! Ganz schlimm war es z.B. bei rein klassischen Geigern, die mal ein Country- oder Bluegrassstück spielen wollten. Ging gar nicht!

Ich bin kein Klassikhasser, aber wenn jemand definitiv was anderes möchte, soll er das lernen. Die Grundagen, wie Fingerhaltung, Dur- und Moll-Tonleitern, Beginn mit einfachen Melodien und Stücken usw. sind sowieso gleich. Kein Mensch würde jemandem, der Klassik spielen will, empfehlen, erst mal 5 Jahre Jazzunterricht zu nehmen. Wieso also andersrum?

Viele Grüße
Thomas
 
"Mister, your eyes are full of hesitation
Sure make me wonder
If you know what you´re looking for
Baby, I wanna keep my reputation
I´m a sensation
You try me once, you´ll beg for more, oh


Yes Sir, I can boogie!!!"

:D:D:D:D:D
 
Ich spiele gerade ein Stück (Maple Leaf Rag von Scott Choplin), ich denke wenn man es hört kennen es auch die meisten, täusche ich mich oder geht das in Richtung Boogie Woogie?

Egal, auf jeden Fall habe ich vorher einen Walzer von Brahms als Vorbereitung gespielt, wegen Akkordsprüngen mit Spreizungen in der linken Hand.

Was ich sagen will ist, dass man auch in der Klassik gut Sachen lernen kann, die man später in anderen Stilrichtungen gut anwenden kann.
 
Dabei finde ich ganz persönlich eine gezielte Auswahl aus den "puren" Übungen, wie sie z.B. von Cortot aufgeschrieben wurden, viel praktischer um technische Defizite aufzuarbeiten, als Czerny-Etüden oder klassisches Sprint-Training à la Hanon, grade weil es Basis-Übungen sind, die mir nicht das Gefühl geben, mich in einem Musik-Raum zu bewegen, der mir eigentlich gar nix sagt.

Dabei habe ich noch nichts besseres gefunden, um seine skalen zu lernen als hanon. außerdem muss man der schule einfach lassen, dass sie die technischen schwachstellen doch ganz gut abdeckt. und skalen pauken muss ich ja so oder so.
 
Ich spiele gerade ein Stück (Maple Leaf Rag von Scott Choplin), ich denke wenn man es hört kennen es auch die meisten, täusche ich mich oder geht das in Richtung Boogie Woogie?

Ragtimes sind mit dem "Stride Piano" verwandt. Boogies verwenden in der linken Hand üblicherweise andere Figuren.

Liebe Grüße

Dana
 
Aber wieso sind Boogie- und Jazzpianolehrer, die Anfänger ablehnen ausgerechnet gute Lehrer? Wieso sollte das Ablehnen von Schülern für eine Qualifikation des Lehrers sprechen?


Harald

@ Harald: Der Umkehrschluss wäre natürlich Quatsch: Wenn man also bei jedem x-beliebigen Lehrer sagt: Oh, der Lehrer hat mich als Anfänger nicht angenommen, dann muss er gut sein.

Ich rede hier von dem tatsächlichen Umstand, dass die Jazz-Dozenten an einer städt. Musikschule (meist auch parallel an Uni beschäftigt) als Aufnahme-Kriterium haben: "Bedingung. 2 Jahre Klassik-Unterricht".

Diese Lehrer sind gut in ihrem Spezialgebiet und die haben halt keine Lust, mit den Schülern bei Null anzufangen. Die leisten sich das eben so. Und sie sind nicht "schlecht", weil man sagen kann: "Das ist aber unfair, dass die mich als Anfänger nicht nehmen"

Ein Musikstudent ist dazu eher bereit, einen Schüler auch von Null an zu unterrichten z.B. speziell in Boogie Woogie, wobei er natürlich entspr. Rhythmik und Technik-Übungen vorab machen lassen wird, wenn er "gut" ist.
 
Im "Das Jazz-Piano-Buch" von Mark Levine steht ein toller Satz:

sinngemäß:

"Wenn Sie nur sture Technik-Übungen machen, Tonleiter auf- und abwärts, so ist das ebenso sinnlos, wie wenn Sie, um eine Sprache zu lernen, üben, ganz schnell das ABC aufzusagen. Es kommt auf den Verwendungszusammenhang an".

Konkret: Um das von mir gern zitierte Hornsby-Solo von "The way it is" zu üben brauchte ich keine Tonleiter-Vorübungen.

Stoße ich jedoch während dieser konkreten Hornsby-Übung auf Schwierigkeiten, dann muss ich schon an der Technik feilen, um die Geschwindigkeit hinzubekommen.

Die 3 Gottfried Böttger Bücher zum Thema Boogie möchte ich noch einmal empfehlen!

Sicher gibt es auch Lern-DVDs dazu, oder?
 
nabend zusammen!
Nun, ich bin auch einer, der als kleines Kind Klassik-Klavierunterricht genossen hat. Meinst war eigentlich gar kein Druck nötig, aber mit der Pubertät wars dann auch vorbei, bis vor einigen Jahren, also ich über Akkordeon (neu gelernt) wieder zu Klavier und Keyboard gekommen bin.
Meine Meinung bzw. meine Art von Musik:

- mich interessiert (fast) jede Musikrichtung
- auch wenn ich eigentlich was anderes spielen möchte, spiele ich oft ein paar klassische Stücke, einfach, um die Finger warmlaufen zu lassen (nicht nur Geläufigkeit, sondern auch Ausdruck)
- Boogie: ist für mich persönlich fast die Königsdisziplin in sachen Klavier, weil: Klassik kann man lernen, für Boogie braucht man scheinbar noch etwas mehr, wenn es wirklich gut sein soll. Jedenfalls kämpfe ich schon seit 2 Jahren darum, einen Boogie nicht nur runterzuspielen, sondern auch so zu spielen, dass er sich wirklich geil anhört.

Wer neu anfängt und Boogie hauptsächlich oder ausschließlich spielen will, kann sich durchaus in diese Richtung spezialisieren, vielleicht gelingt es damit besser. Ich bin zwar schon lange von der Notenabhängigkeit abgekommen (früher war ich ohne Noten aufgeschmissen, konnte nix improvisieren etc., das ist der Fluch der Klassikausbildung), aber mal so locker flockig sich hinhocken und ne geile Boogie-Mucke machen, derzeit no Chance. Wenn man also gleich in eine andere Richtung lernt, vielleicht gehts besser.
Allerdings denke ich, ähnlich wie umgekehrt: wenn man eine Richtung lernt, verbaut man sich zwar nicht andere Wege, aber andere Wege zu beschreiten, heißt, vieles neu lernen.
Inwieweit der Weg von Boogie zu Klassik (falls erwünscht und/oder erforderlich) schwieriger ist als umgekehrt, kann ich natürlich nicht sagen. Ich krieg Boogie technisch schon gebacken, keine Frage, da ist Klassik schon anspruchsvoller, das Wesentliche ist aber der Ausdruck, und da tickt Boogie halt ganz anders. Daran knabbere ich derzeit. Bin auch auf der Suche nach einem geeigneten Lehrer, aber in meiner Umgebung leider noch nicht fündig geworden ...
Echte Marktlücke, wie mir scheint.
 
ich würde anfangen mit 5-10 jahren klassischem unterricht. danach gibts es bestimmt unzählige bücher, in denen ausgeschriebene Boogies stehen, aber auch erklärt wird, wie man selber darüber soliert

Das ist vielleicht in der Theorie ein lobenswerter Ansatz, im wahren Leben aber totaler Käse. In meinen Augen ein Trugschluss. Leider ist diese Ansicht viel zu sehr verbreitet, insbesondere bei ambitionierten Eltern. Denn sonst würden heute vermutlich viel mehr begnadete Boogie/Blues/Jazz Klavierspieler unter uns weilen. Um das zu begründen muss ich etwas weiter ausholen. Normalerweise bin ich in Internetforen immer nur stiller Mitleser, diese Aussage hat mich aber dazu bewegt, mich hier in diesem Forum anzumelden. An der Stelle noch ein kurzes "Hallo" an alle.

Ich denke mir geht es wie vielen anderen auch. Als Kind und in der frühen Jugend wurde man mehr oder weniger zum Klavierspielen gedrängt. Mein Vater ist ein sehr musikalischer Mensch, deshalb lag ihm viel daran, dass die Kinder natürlich auch eine gute musikalische Ausbildung erhalten. Obwohl mein Vater selbst Jahrezehnte lang als Keyboarder in einer Band für Unterhaltungsmusik gespielt hat, galt bei der musikalischen Ausbildung der Kinder der Grundsatz: Erst Klassik, dann Klassik, dann vielleicht etwas Anderes. Ich konnte mich zwar mit den Stücken die ich lernen musste abfinden und in gewisser Hinsicht auch anfreunden, so richtig einer abgegangen ist mir dabei aber nie. Man hat es halt so hingenommen. Gespielt habe ich viel von Bach, Schumann und Beethoven.

Mit ungefähr 14 Jahren verging mir dann allmählich die Lust am Klavierspielen. Es kam mir einfach zu Altbacken vor, wenn man in der Schule im Musikunterricht oder sonst wo nur klassische Lieder spielen konnte. Während andere die dicke Show abzogen, saß man selbst da und hat trostlose klassische Musik gespielt. Das zwar sehr gut, aber das interessiert doch niemand - den Vater, die Oma und den Musiklehrer vielleicht. Echt coool!

Daher habe ich im Alter von 14 bis 17 Jahren fast nur noch einmal die Woche Klavier gespielt, nämlich im Unterricht. In der Freizeit hatte man bei Gott anderes zu tun, als Lieder zu üben, hinter denen man garnicht richtig steht. Das Üben war einfach nur eine Pflicht, so wie Schule oder Hausaufgaben. Es war kein eigener Antrieb dahinter. Die logische Folge war, dass ich das Klavierspielen mit 17 ganz aufgehört habe.

Mit 28 habe ich dann bei Youtube zufällig ein Video vom Maple Leaf Rag von Scott Joplin gesehen. Kurz darauf die ersten Videos von Boogie Woogie Stücken. Gefesselt von dieser Musik und der damit verbundenen Spielweise, habe ich mich über Nacht dazu entschieden ein E-Piano zu kaufen, über 10 Jahre nachdem ich das letzte Mal eine Taste auf einem Klavier gedrückt habe. Ein E-Piano deshalb, weil ich mir noch nicht ganz sicher war, wie sich die Dinge entwickeln werden - also ob ich am Klavier spielen dran bleibe oder nicht.

Als erstes habe ich ein paar alte Klassiklieder geübt, die ich in der Kindheit gespielt habe. Einfach nur um ein schnelles Erfolgserlebnis zu haben. Es vergingen keine zwei Wochen, dann hatte ich einige dieser Lieder wieder drauf. Ich habe sie gespielt, als hätte ich mit Klavier spielen nie aufgehört. Ich war zufrieden. Doch jetzt wird es interessant. Denn das E-Piano habe ich mir ja nicht gekauft, um wieder die alten Schinken zu spielen, sondern um den Maple Leaf Rag und Boogie Woogie zu lernen.

Im guten Glauben, dass man durch die klassische Ausbildung quasi den Grundstein zu Allem gelegt hat, wagte ich mich als erstes an den Maple Leaf Rag und an ein Boogie Woogie Stück aus einem Einsteigerbuch. Zugegeben, mit dem Maple Leaf Rag kam ich sehr gut zu recht. Dass man in der Kindheit schonmal Klavier gespielt hat, auch wenn es nur Klassik war, hat also definitv etwas gebracht. Beim Boogie Woogie sah die Sache schon wieder anders aus, obwohl es wirklich die totalen Einsteigerstücke waren.

Durch die klassische Ausbildung kann man zwar alles was von der Spielart ähnlich ist recht schnell lernen, dazu zähle ich übrigens auch den Maple Leaf Rag, doch Boogie Woogie zu spielen ist etwas anderes. Den Maple Leaf Rag kann man mehr oder weniger so vom Blatt spielen wie er dasteht. Es hört sich nach etwas an, auch in den Ohren derer, die etwas von Musik verstehen.

Beim Boogie Woogie sieht die Welt wie angedeutet ganz anders aus. Es ist eine völlig andere Spielweise notwendig. Das Festklammern an den Noten wie man es von der klassischen Musik kennt bringt hier überhaupt nichts. Damit meine ich nicht, dass man beim Boogie Woogie gezwungenermaßen improvisieren muss, vielmehr meine ich damit, dass Noten von Boogie Woogie Stücken, die Betonung und den Rythmus in keinster Weise abbilden. Man kann sich nicht einfach an Tönen, Legato, punktierten Noten, Achteln oder Triolen festhalten. Boogie Woogie kommt allein aus dem Körper heraus, man muss das Feeling fest in sich drin haben. Und genau das lernt man mit 32 nicht mehr so schnell als mit 15. Ob man es überhaupt noch lernen kann weiß ich nicht. Darauf setzen würde ich jedenfalls nicht.

Unterm Strich habe ich in den letzten Jahren vermutlich mehr Klavier gespielt und effizienter geübt als in der gesamten Kindheit und Jugend. Besessen von dem Gedanken, mal einen echten Boogie Woogie raushauen zu können. Ein anspruchsvolleres Boogie Woogie Stück kann ich aber bis heute nicht. Es ist wie in diesem Thread bereits geschildert wurde. Man kann den Boogie Woogie im Prinzip fehlerfrei und in der richtigen Geschwindigkeit spielen, nach etwas anhören tut es sich aber nicht. Ich habe ein Notenbuch, dem eine CD beiliegt, auf der die Stücke eingespielt wurden. Der Pianist spielt die exakt gleichen Noten wie ich, es sind dennoch zwei verschiedene Lieder. Während man beim richtig gespielten Boogie Woogie fast von alleine zu tanzen beginnt, hört sich meine Version wie von jemand an, der gerade erst angefangen hat Klavier zu spielen oder von Musik nicht viel versteht. Wenn ich klassische Stücke spiele, habe ich diesen Eindruck nicht.


Ich bin der festen Überzeugung, dass Klassik und Boogie Woogie zwei völlig unterschiedliche Dinge sind. Weder kann man durch Erlernen klassischer Musik, Boogies spielen, noch andersrum. Ich gehe sogar soweit zu behaupten, dass einem die klassische Ausbildung sogut wie gar nichts bringt, wenn man darauf abzielt ein Boogie Woogie oder Jazz Pianist zu werden. Man kann auch genau so gut gleich mit Boogie Woogie anfangen können. Man hätte dann zwar Schwierigkeiten klassische Stücke zu lernen, aber wenn einem die klassische Musik in den Anfangsjahren schon generell nicht zusagt, ist davon auszugehen, dass das grundsätzlich auch so bleibt. Um wirklich flexibel zu sein, müsste man in der Kindheit wahrscheinlich mehrere Spielarten lernen. Die Klassik wäre dann halt ein Teil von 20% oder so.


Mit meinem Beitrag oder dieser kleinen Geschichte möchte ich andere dazu ermuntern, nicht nur auf andere zu hören, wenn es um dieses Thema geht. Spielt was ihr spielen wollt. Spielt nicht Jahre lang Klassik, nur weil man euch einredet, dass man mit einer klassischen Ausbildung sich in allen anderen Bereich leichter tut. Das ist zwar nicht generell falsch, aber für Musikrichtungen, die sich grundsätzlich von der Klassik unterscheiden, nützt es leider wenig bis garnichts. Ich kenne kein klassisches Lied, bei dem man die Technik die man speziell für Boogie Woogie haben muss, lernen könnte.

Sollten übermotivierte Eltern zufällig hier reinschauen, dann lasst eure Kinder einfach spielen was sie möchten. Seid froh, dass überhaupt ein Instrument gelernt wird. Andernfalls werden es euch die Kinder eines Tages vorhalten, auch wenn sie es wahrscheinlich nicht aussprechen werden. Was würde es auch nützen. Der Zug ist dann so oder so schon abgefahren.


Soweit die Meinung von jemand, der zu diesem Thema aus eigener Erfahren berichten kann.
 
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Hallo frz,

erstmal herzlich Willkommen im Musiker-Board und vielen dank für Deinen ausführlichen und interessanten Beitrag. Ich möcte Dich zunächst darauf hinweisen, daß der Thread, in dem Du gepostet hast, von 2007 ist und seit fast genau 7 Jahren brach liegt. D.h. daß viele derjenigen, die oben geschrieben haben, sich evtl. gar nicht mehr aktiv hier im Board beteiligen.

Aber das macht ja nichts, vielleicht gelingt ja eine Wiederbelegung des Threads.

Ich persönlich habe ebenfalls mit klassischem Unterricht begonnen und mich später mehr mit der populären Musik beschäftigt. Ich hatte dann später allerdings einen interessanten Lehrer, der nämlich in seiner Jugend auch sehr viel Jazz - auf hohem Niveau und auf den verschiedensten Instrumenten - gespielt hat, sich dann aber irgendwann dazu entschlossen hat, nur noch Klassik zu spielen. Er ist also genau den umgekehrten Weg gegangen wie die meisten anderen, die von der Klassik weg zur Popularmusik wollten. Dieser Lehrer hat es geschafft, daß ich mich für die Klassik ebenso begeistern kann wie für den Jazz. Interessant ist dabei zu wissen, daß die großen klassischen Komponisten ja auch alle große Improvisatoren waren: Bach, Haydn, Mozart, Beethoven, Czerny, Liszt etc., improvisierten genauso wie heute die Jazzmusiker.

Interessant war für mich auch, daß ich gelernt habe, die klassische Musik unter dem Blickwinkel des Jazz ganz anders zu verstehen, und daß das Festklammern an Noten, wie Du es oben beschreibst, eigentlich ein Phänomen der heutigen Zeit ist und den damaligen großen Musikern und Komponisten wahrscheinlich völlig fremd war.

Ich selbst bin daher heute in der glücklichen Lage, beide Bereiche unterrichten zu können. Boogie Woogie ist jetzt nicht gerade mein Spezialgebiet, und auf der Bühne spiele ich hauptsächlich Jazz und artverwandtes, u.a. auch deshalb, weil der Übeaufwand in der Klassik für mich deutlich höher ist.

Viele Grüße,
McCoy
 
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Für Boogie braucht man eine gute und solide technische Grundlage, sowohl links als auch rechts. Und bis man eine gute und solide technische Grundlage drauf hat, dauert das, und zwar nicht nur ein halbes Jahr, sondern viel viel länger. Boogie sieht einfach aus, ist es aber nicht.

Theoretisch ist es egal, woher man diese notwendigen Fertigkeiten kriegt. Der bewährte Weg - und höchstwahrscheinlich der einzige, ist jedoch leider, anständig Klavier zu lernen. Leider deswegen, weil es mit großem Zeitaufwand und mühseliger Arbeit verbunden ist.

Sich einen Boogiepianisten zu suchen, ihn zu engagieren und zu sagen "hey, zeig' mir 'mal, wie das geht!", das funktioniert nicht. Da fängt man sich höchstens eine Sehnenscheidenentzündung nach der anderen ein und kommt trotzdem nicht zum Ziel.

CW
 
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Hallo,

der erste Beitrag ist, wie ich auch ziemlich spät bemerkt habe, aus dem Jahre 2007. Der Fragesteller hätte also sieben Jahre Zeit gehabt, Klavierspielen zu
lernen. Wenn man in seinen aktuellen Beiträgen nachschaut, sieht man, dass er im Gitarren-Forum ziemlich aktiv ist. Er hätte also auch mal hier reinschaun
können, um sich zu informieren, wie große seine Chancen sind.
Das war dann wohl nur ein Schnellschuss / eine Schnapsidee von ihm in der Hoffnung, auf die Schnelle Boogie-Pianist werden zu können. Manche Gitarristen
meinen, wenn man ihnen ein paar TABs gibt, können sie alles spielen.
So geht´s "leider" nicht ! Darüber freut sich einer, der mal vor langer Zeit mühsam am Klavier dressiert wurde und heute für den Eigenbedarf ganz brauchbar
spielen kann.
Da meine Finger für die Begleitung der linken Hand fast etwas zu kurz sind, hab ich den Boogie bald wieder aufgegeben. Außerdem ist Boogie auf die Dauer
zumindest für mich etwas langweilig. Vor Jahren habe ich mal eine Veranstaltung eines bekannten Boogie-Pianisten nach einer Stunde verlassen.
 
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@Papsi:

Du sprichst mir aus der Seele.

CW
 
Hallo CW,

das freut mich. Manche Leute sollten schön auf dem Teppich bleiben, sonst müsste man sie "an die Leine nehmen".
 
Wenn du durch die Beiträge hier durch bist ..dann geh mal in Yourtube und gib mal ein ...How Play Boogie oder Boogie Lesson

vielleicht hilft das.
 
as Folgende hab ich hier schon mal jemandem geschrieben (Quelle), für vorläufige Tips ohne Lehrer:

"
Ja, wenn du mit dem Begleitpattern in der linken hand unsicher bist, wirklich genau üben!
Hier is ein Kanal mit Jerry-Lee Lewis Tutorials:





Da sind noch mehr Videos von dem.

Hier der meiner Meinung nach beste Boogie Kanal, mit Tutorials zu Begleitpattern und auch Material für die rechte Hand, sowie ganzen Songs:
http://www.youtube.com/watch?v=b8ZsyuRxfYI&list=PLC7C5886949E70A6D

Wenn man unsicher ist lohnt es sich bevor man anfängt zu improvisieren nur eine Taste (z.B. den Grundton des jeweiligen Akkordes) mit einem festgelegten Notenwert durchgehend gegen die Begleitung zu spielen. Das fördert somit die Unabhängigkeit der linken und rechten Hand.
Also Begleitpattern links,und dann rechts:
- ganze noten durchgehend
- halbe noten durchgehend
- viertel
-achtel
-sechzehntel
- dann synkopisiert also mit Lücken in den Schzehntel, ist jetzt schwer zu beschreiben, lässt sich aber durch ausprobieren ganz gut was rausfinden. "



Ansonsten bin ich absolut Danas Meinung! Wenn du wirklich schnell lernen willst, unbedingt einen Lehrer suchen, der Boogie und Ragtime spielen kann und dir lernen will. Ein Buch, das ich mir mal gekauft habe ist z.B. http://www.amazon.de/Rockn-Roll-Piano-Patterns-Klavier/dp/3795756367
Für Noten lesen Lernen sind Ragtimes (Musik, die etwas früher als Boogie entstanden ist, aber auch so aufgebaut ist und voll aus notiert wurde) geeignet. Da muss man für den Anfang aber vereinfachte gekürzte Versionen nehmen, die sind sonst viel zu schwer. Aber machen Spaß zum üben.

Ansonsten kann ich nur noch jedem Fortgeschrittenen in dem Genre, der sich für Boogie interessiert Ari Kast - Stride Piano Tricks und John Valerio - Stride & Swing Piano ans Herz legen. Das sind gigantische Bücher.
 
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