Warum gibt es so viele verschiedene Akkordeontypen?

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radobo
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Hallo, die Titel-Frage meine ich nicht wörtlich, da könnte ich auch fragen, warum gibt es so viele verschiedene Automodelle:D Ich könnte mir vorstellen, dass die verschienenen Typen Regionalbezug haben, und wer einmal diatonisch gelernt hat und damit zurecht kommt, bleibt dabei und steigt nicht auf chromatisch um, und umgegekeht? Aber was ich eigentlich gerne wissen würde: offenbar gibt es klangliche Unterschiede zwischen z.B. einer diatonischen Harmonika und einem chromatischen Akkordeon. Wodurch entstehen die, sind die derart bauartbedingt, dass es anders nicht möglich ist? Noch krasser offenbar das Bandoneon und Konzertina - was macht den besonderen Klang aus, warum kann dieser Klang nicht mit anderen Akkordeons erzeugt werden? Worin haben die wecheltönigen Instrumente ihre Daseinsberechtigung, von der erforderlichen besonderen Spieltechnik abgesehen?
 
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Hallo radobo,

die klanglichen Unterschiede zwischen diatonischen Harmonikas, chromatischen Akkordeons und Konzertinas/Bandoneons sind wohl durchaus konstruktionsbedingt.

Bandoneons haben meines Wissens keine einzelnen Stimmplättchen, sondern es sitzt eine größere Anzahl Stimmzungen zusammen auf einer größeren Metallplatte (wie beim Bajan).

Bei den Diatonischen ist der Unterschied vor allem im Baßbereich sehr deutlich, denn durch die wenigen benötigten Stimmzugen hat man viel mehr Platz zur Verfügung als bei einem Stradella-Baß. Besonders deutlich ist das bei den Steirischen, denn echte Helikonbässe passen beim besten Willen nicht in ein chromatisches Akkordeon.
Aber auch schon bei meiner Hohner Ouverture (Club-System) fallen die riesigen Stimmplatten auf, die ohne Gewichte an den Zungenenden der tiefen Töne (wie bei Stradella üblich) auskommen. Außerdem sind diese Riesen-Platten auf Lederrähmchen geschraubt und nicht verwachst.

Im Diskant-Bereich mag es eher um Feinabstimmung gehen, da hat meine Ouverture die selben Stimmplatten und eine ähnliche Konstruktion wie viele ihrer chromatischen Kollegen. Ich kann da auch keinen wesentlichen Klangunterschied feststellen.

Letzten Endes wird auch die Spielweise eine Rolle spielen - z. B. bei einreihigen Diatonischen muß man ja ständig (auch mal sehr abrupt und auch mal nur für eine Sechzehntel ;)) die Balgrichtung ändern. Aus der Not eine Tugend gemacht und sogar bei gedrücktem Knopf einfach durch Balgwechsel den Ton zu ändern, das klingt sehr eigen, bringt (richtig gemacht) Drive in die Sache und ist eine Spielart, die mit chromatischen Akkordeons schlichtweg unmöglich ist.

Ich kann mir auch gut vorstellen, daß eine traditionell in der Volks- bzw. Folk-Musik eingesetzte diatonische Box auch eher auf "Krawallschachtel" ausgelegt ist als ein vergleichsweise riesiges und schweres chromatisches Edel-Instrument mit Cassotto-Bauweise.
Die kleinen Dinger können für ihre Größe schon ganz schön Alarm machen... :D

Viele Grüße
Torsten
 
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Ungeordente Überlegungen:

Ich denke auch, es ist die völlig andere Spielweise bei "diatonischem" und "chromatischem" Akkordeon, insbesondere die Balgwechsel, wie es Be-3 beschrieben hat. Je mehr man versucht, diese schnellen Balgwechsel aus dem Spiel herauszunehmen (z. B. bei der Club-Harmonika), desto ähnlicher wird der Klang beim Spielen den "chromatischen" Akkordeonen und desto eher kann man zu einem "chromatischen" Instrument wechseln, das dann flexibler ist. Man sieht das auch bei den Spielern aus dem französischen Bereich, die häufig lange Phrasen ohne Balgwechsel spielen, ein nur noch sehr dezentes Tremolo und eine erweiterte Bassbelegung bevorzugen. Da scheint mir dann im Klang häufig nur noch die Eigenheit zu bleiben, dass es vergleichsweise kleine und leichte, sehr intime Instrumente sind, die trotzdem hochwertig verarbeitet sind (TaM-Stimmzungen, sehr leichte Ansprache, kein Plastik usw.), während so kleine "chromatische" Akkordeone häufig als Einsteigerinstrumente konzipiert sind. Den Klang könnte man dann vielleicht auch ebensogut auf "chromatischen" Akkordeonen erzeugen.

Vielleicht hat das auch mit dem zu tun, was im Strang Wann ist Musik Musik? von Klangbutter herausgekommen ist, als er mit einem elektronischen Rolandakkordeon verschiedene Instrumente simulierte. Für bestimmte Musik (Cajun, französische Folk-Musik, …) erwartet man ein "diatonisches", für andere ein "chromatisches" Akkordeon?

Viele Verzierungen auf dem "chromatischen" Akkordeon, die den Klangeindruck prägen, werden auf dem "diatonischen" nicht gemacht, wie etwa harmonisch angereicherte Akkorde (sind nämlich häufig gar nicht möglich). Umgekehrt sind manche Spielweisen, die sich auf dem "diatonischen" Akkordeon ganz natürlich ergeben, auf dem "chromatischen" nicht naheliegend und daher unüblich.

Die Stimmzungen für die typisch englischen kleinen Konzertinen sind deutlich anders geformt und verbaut als Akkordeonstimmzungen und haben daher auch einen deutlich anderen Klang. Billigere englische Konzertinen mit Akkordeonstimmzungen klingen eher wie ein ("diatonisches") Akkordeon. Allen Konzertinainstrumenten (auch dem Bandoneon) bleibt aber eigen, dass sie keine vorgefertigten Akkorde haben und daher fast per se anders spielen.

Das Klangbild von Bandoneon und den anderen "großen" Konzertinen orientiert sich heute deutlich an den alten Instrumenten, die (wahrscheinlich wegen höherer Fertigungstoleranzen) einen weicheren Klang haben. Charakteristisch ist für sie auch der Schallkasten auf der linken Seite, der keine genaue Entsprechung bei Akkordeonen hat.
 
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Ich denke, die Daseinsberechtigung schöpfen diatonische Handzuginstrumente in erster Linie aus ihren sehr kompakten Abmessungen und des geringen Gewichtes, was sich ebenfalls günstig auf den Preis auswirkt => Gut transportabel und preislich attraktiv, das ideale Volksinstrument.

Hinsichtlich der unterschiedlichen Klangentfaltung: Na ja, da spielen offenbar alle Konstruktionsabmessungen und Anordnungen der Bauteile eine Rolle. Am eindrucksvollsten zeigt sich das, wenn man einen Ton an einem ausgebauten Stimmstock anregt. => jämmerliches Piepsen; erst eingebaut ins Instrument ergibt sich ein brauchbarer Ton.

Gruß
Herbert
 
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Daseinsberechtigung
»Daseinsberechtigung« scheint mir ein gefährliches Wort. Das war mir schon im Ausgangsbeitrag von radobo aufgefallen. Im Zeitalter von Midi und ausgezeichneten Samples: Was ist die Daseinsberechtigung irgendeines Instruments neben einem Midikeyboard mit angeschlossenem Synthesizer. Oder noch deutlicher: Angesichts von Samples, Sequenzern und KI: Welche Daseinsberechtigung haben Musikinstrumente überhaupt noch abgesehen von sentimentaler Nostalgie? ;)
 
Sorry, ich habe die Frage von radobo nur auf akustische Handzuginstrumente bezogen, aber ich glaub so war die Frage auch gemeint, oder?

Ja, eine Daseinsberechtigung haben ja eigentlich alle Instrumente gleich ob elektronisch oder akustisch, für die ein Markt da ist. Man kann auch fragen, warum für diatonische Instrumente trotz Vorhandensein von chromatischen Instrumenten so ein beträchtlicher Markt da war/ist. Warum waren diese Dinger einfach nicht totzukriegen??

Na ja, weil sie für bestimmte Anwendungsfälle echte Vorteile bieten. Das finde ich toll.

Ich kenne Leute, die ihr chromatisches 5-chöriges schweres Akko an den Nagel gehängt haben, weil sie hauptsächlich im Oberkrainer-Genre aktiv waren und auf eine steirische Harmonika umgestiegen sind, u.a. wegen des viel geringeren Gewichtes, so nach dem Motto, ich hab jetzt keine Rückenschmerzen mehr und das Instrument passt ins Handschuhfach ... ist ne Riesen-Gaudi!

Gruß
Herbert

P.S.: Da fällt mir ein, wir haben hier ganz in der Nähe sogar einen Verein mit steirischen Harmonikas:
http://www.youtube.com/watch?v=UCXBxQD8Avs
 
Zuletzt bearbeitet:
Sorry, ich habe die Frage von radobo nur auf akustische Handzuginstrumente bezogen, aber ich glaub so war die Frage auch gemeint, oder?
Ja, klar, du hast natürlich Recht. Sorry. Ich war wieder mal zu vorlaut.
gi66.gif
 
Ich könnte mir vorstellen, dass die verschienenen Typen Regionalbezug haben
Das ist, denke ich, ein wichtiger Grund. Die diatonischen Akkordeone weisen ja eine große Vielfalt an Bauformen auf, und in den verschiedenen Landstrichen werden traditionell ganz unterschiedliche Instrumente gespielt. Mir scheint das im Wesentlichen Tradition - und eine gegenseitige Anpassung von Musik und Instrument; denn in den verschiedenen Regionen spielt man auch ganz unterschiedliche Musik in ganz unterschiedlichen Stilen damit. Mal drei Beispiele von vielen (weil ich pro Beitrag nicht mehr einbinden kann):

Saratover Harmonika:


Petersburger Harmonika (heute noch in Litauen, ein wenig ähnlich dem estnischen Lõõtspill):


Organetto in Süditalien (hat dort teilweise den großen Dudelsack ersetzt):


Ich meine, in manchen dieser Settings wäre ein chromatisches Akkordeon vielleicht nicht ganz so passend.
 
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Warum gibt es so viele verschiedene Akkordeontypen?

Musik ist ein Ausdruck der Lebenskultur, von der sie erzeugt wird und rund um den Erdball gibt es sehr viele verschiedene Kulturformen - und das zeigt sich dann auch in der Musik.

Und das Akkordeon wurde jeweils daran angepasst und hat sich in der Form jeweils gehalten, in der es für die jeweiligen Kulturform am besten geeignet war.Und so gibt es eben jede Menge klanglich und auch von der Bauart her sehr unterschiedliche Akkordeons.

So sehe ich das. Ich glaube nicht, dass da mehr dahinter war und ist.

Gruß, maxito
 
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Klar liegt es an der Tradition/Lebenskultur. Wo es nicht komplett durch ein anderes Instrument ersetzt wurde (wie das Cembalo vom Klavier), da hat ein Musikinstrument noch immer den Platz, den es immer schon hatte oder sogar einen größeren, wenn es sich als für andere Musikarten als geeignet gezeigt hat.

Aber warum ich mich hier einschalte: Ich verstehe nicht, wie ihr diese diatonischen Instrumente im Vergleich zu einem Akkordeon für klein, leicht und billig halten könnt. Vergleicht mal den Tonumfang eines kleinen Akkordeons mit dem einer gleich großen Steyrischen. Schaut mal in die Liste, die man hier im Forum zum Thema "Wieviel wiegt mein Akkordeon?" findet, was wir aus dem Akkordeonbereich mit 7-8 kg bekommen. Besonders erschreckend: für weniger als 1 kg mehr gibt es 120 Bässe statt weniger als 20. Zu den Preisen: Früher war das mal in Ordnung: Eine Club-Morino kostete weniger als die Hälfte einer chromatischen, auf dem Gebrauchtmarkt ist das Verhältnis bei den Morinos immer noch so. Aber neu zum Preis eines diatonischen Instrumentes bekomme ich in jeder Preislage ein qualitativ gleichwertiges Akkordeon mit größerem Tonumfang. Und bei Instrumenten für 8-9 Tausend Euro könnte man wirklich meinen, A-Mano-Stimmzungen, Bass-Mechaniken etc. bekommen die Akkordeonhersteller geschenkt, weil sie sie offensichtlich nicht in Rechnung stellen.
zusammengefasst: Diatonische Handzuginstrumente sind größer als nötig, im Verhältnis viel zu schwer und neu geradezu unverschämt teuer.
Wie man da auf die gegenteilige Ansicht kommen kann, ist mir ein Rätsel.
Wer mit seiner Diatonischen glücklich ist, soll es bleiben. Das verstehe ich gut, aber ich verstehe keinen, der von einem Akkordeon auf eine Diatonische wechselt statt auf ein kleineres Akkordeon. Zugegeben, ein Akkordeon von der Stange darf man dann nicht kaufen, die klingen anders als die meisten Diatonischen, weil sie anders klingen sollen. Wenn man aber auf den Bau seines Akkordeons Einfluss nehmen kann, glaube ich nicht, dass man gegenüber einer Diatonischen auch nur einen einzigen Nachteil hat.

Viele Grüße. Arrigo.
 
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Ich verstehe nicht, wie ihr diese diatonischen Instrumente im Vergleich zu einem Akkordeon für klein, leicht und billig halten könnt.
Eine Steirische Harmonika ist in der Regel groß und schwer. Auch viele Club-Harmonikas sind groß und schwer. Schottische Dreireiher mit Stradellabass stehen chromatischen Knopfakkordeonen da auch in nichts nach. Steirische Harmonikas und manche italienische Zwei- und Dreireiher kosten mehrere Tausend Euro. Umgekehrt gibt es auch billige chromatische Akkordeone. Ja, da hast du Recht.

Zugegeben, ein Akkordeon von der Stange darf man dann nicht kaufen, die klingen anders als die meisten Diatonischen, weil sie anders klingen sollen. Wenn man aber auf den Bau seines Akkordeons Einfluss nehmen kann, glaube ich nicht, dass man gegenüber einer Diatonischen auch nur einen einzigen Nachteil hat.
Man könnte wahrscheinlich für jedes der drei Videobeispiele, die ich oben angeführt habe, auch ein ungefähr entsprechendes chromatisches Akkordeon bauen lassen. Aber wozu? Es kämen entweder eben doch drei unterschiedliche Instrumente dabei heraus oder ein Universalinstrument mit deutlich weniger individuellem Charakter.

Vielleicht ist das ein bisschen vergleichbar: Im Blues verwenden nur wenige Spiele eine chromatische Mundharmonika. Die meisten benutzen diatonische Mundharmoniken, schleppen häufig ein ganzes Set mit sich herum und mühen sich ab, mit Bendings und Overblows die fehlenden Töne irgendwie zustande zu bringen, die aber doch nie die gleiche Qualität haben wie die fest eingebauten Töne, basteln und pimpen ihre Mundharmoniken mit halber Ventilierung usw. usf. Warum nehmen die denn verflixt nochmal kein chromatisches Instrument? Damit haben sie dann alle bisherigen Möglichkeiten und zusätzlich noch ein ganzes Universum von neuen.

Aber diese Rechnung geht eben nicht auf. Ich habe jahrelang Jazzimprovisation mit chromatischen Mundharmoniken gemacht (weil ich eben gedacht hatte, mit einem chromatischen Instrument habe ich alle Möglichkeiten eines diatonischen + noch viel mehr). Ab und zu kamen da auch mal Bluesstandards vor. Aber du kriegst den echten Klang damit eben kaum hin, auch nicht mit wirklich guten (und teuren) chromatischen Instrumenten. Die Läufe klappen nicht so, die Slurs kriegst du praktisch nicht hin, du hast mit dem Schieber eine technische Schicht zwischen dir und dem Ton, Tongue Blocking funktioniert anders (und schlechter), der Klang stimmt einfach nicht. Also, du kannst mit ner chromatischen Mundharmonika natürlich wirklich gute Musik machen und hast theoretisch viel mehr Möglichkeiten. Aber es klingt immer wie eine chromatische, fast nie wie eine Blues Harp. Und das liegt nicht nur am fehlenden Bending, sondern auch an der anderen Mundhaltung, Atemtechnik usw. Irgendwann habe ich dann, mehr aus Zufall, so eine "Kindermundharmonika" in die Hand genommen und gemerkt: Hopla, das klingt und spielt sich auf einmal viel authentischer, selbst als ich noch keine spezielle Technik dafür kannte. Und übrigens nicht nur Blues, sondern auch ganz billige Polkamusik.

Ähnlich bei den meisten diatonischen Akkordeonen: Da gibt es Passagen, wo du mit dem Balg kräftig rütteln musst, und welche, die du in einem Zug spielen kannst. Manchmal geht der Knopfwechsel mit einem Wechsel der Balgrichtung einher, manchmal sind beide unabhängig voneinander. (Das hat Be-3 ja schon gesagt.) Das sind vom Instrument diktierte Unregelmäßigkeiten oder "Eigenheiten", die aber charakteristisch für den Klang sind. (Das Instrument diktiert sie allerdings nicht völlig willkürlich.) Dann gibt es unterschiedliche Spieltraditionen: In England und Skandinavien bleibt man traditionell tendenziell häufiger auf einer Reihe und hat daher mehr Balgwechsel; in Frankreich und Deutschland spielt man häufiger über die Reihen hinweg, um Balgwechsel zu minimieren. (Das führt nach meiner Überzeugung, nebenbei gesagt, auch dazu, dass in Frankreich und Deutschland Instrumente mit mehr als zwei Reihen dominieren, weil man eben 1. alle Tonfolgen ohne Balgwechsel spielen will und 2. die Beschränkung auf ganz wenige Tonarten umgehen will. Damit werden die Unterschiede zu den chromatischen Akkordeonen deutlich geringer und der Wechsel auf chromatische drängt sich mehr und mehr auf, was etwa in Deutschland dazu geführt hat, dass neue Spieler praktisch immer gleich mit dem chromatischen Akkordeon beginnen, Ausnahme: die spezielle Musik der Steirischen Harmonikas, aber davon verstehe ich nichts.) Ein bisschen ähnlich ist es bei Tex-Mex-Musik: Die spielen ihre diatonischen Dreireiher fast ausschließlich auf Zug, könnten also wahrscheinlich auch relativ leicht auf chromatische Instrumente wechseln. (Aber warum sollten sie?)

Für die Musik, die ich auf der diatonischen Quetsche spiele, ist die diatonische Quetsche das genau passende Instrument. Jedes andere wäre nur Ersatz. Wenn ich feststelle, dass mir dieser Klang gefällt und ich solche Musik spielen will, dann lege ich das chromatische Instrument in den Schrank und lerne statt dessen das diatonische. Genauso wie ich es bei der Mundharmonika gemacht habe. Sollte ich eines Tages feststellen, dass ich wieder Jazz spielen will, dann werde ich das dazu passende Instrument nehmen. Es gibt eben nicht die eierlegende Wollmilchsau. Selbst die Kirchenorgel, die ja nun wirklich fast alle theoretischen Möglichkeiten bietet, ist kein solches Universalinstrument; denn ich kann darauf nicht ein einziges der oben angeführten Videobeispiele interpretieren. Ich kann nicht mal Mozart auf einer Orgel spielen; denn das klingt dann immer sofort wie Jahrmarktsorgel. Habe ich ausprobiert.

Wie willst du denn z. B. Cajunmusik mit einem chromatischen Akkordeon hinkriegen? Ich kann mir nicht vorstellen, wie das gehen soll. Die akkadische Musik bestand ursprünglich vor allem aus Fidelstücken. Der Einreiher (und zwar gerade in der dort üblichen vierchörigen Version) passt sich in die typisch "schmierende" Spielweise der Fideln ein (und prägt das Klangbild seinerseits durch seinen Schnarrbass). Ein chromatisches Akkordeon verändert die Spielweise und damit den Klang per se. Ich habe mich lange bemüht, zwei vergleichbare Stücke zu finden, eins mit Einreiher, eins mit chromatischem Akkordeon. Das ideale Vergleichsstück habe ich nicht gefunden, aber vielleicht gibt das hier so ungefähr einen Eindruck, was ich meine:



Hier ein Beispiel, wie Zydeco mit einem Pianoakkordeon klingt:

 
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Musik ist ein Ausdruck der Lebenskultur, von der sie erzeugt wird und rund um den Erdball gibt es sehr viele verschiedene Kulturformen - und das zeigt sich dann auch in der Musik.

Das kann ich nur unterstreichen. Eine sehr wechselhafte Koexistenz der Extreme findet man in der Musik in Louisiana. Während sich im traditionellen Cajun das einreihige Melodeon seit dessen Einführung in Amerika standhaft in seiner ursprünglichen Form hält, gab es im Zydeco Mitte des 20. Jahrhunderts eine Splittung. Einige Musiker, die vom R'n-Blues zum Zydeco wechselten, begannen, diese Musik mit dem Chromatischen zu spielen. Durch die Aufhebung der bisherigen Limitierung dieser Musik durch die doch etwas eingeschränkten Möglichkeiten einer One-Row ergab sich eine Weiterentwicklung im Stil selbst. Durch die geographische Nähe zu Mexico und Texas gab es in diesen bereichen dann auch sehr viele Musiker die auf (mehrreihigen), diatonischen Harmonikas spielen. Erstaunlicherweise kann man in den letzten Jahren verstärkt eine "Rück-Traditionalisierung" feststellen und es wird wieder vermehrt "geknöpfelt", meist diatonisch.

Gruß, Jochen
 
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Schaut mal in die Liste, die man hier im Forum zum Thema "Wieviel wiegt mein Akkordeon?" findet, was wir aus dem Akkordeonbereich mit 7-8 kg bekommen. Besonders erschreckend: für weniger als 1 kg mehr gibt es 120 Bässe statt weniger als 20.
Danke für den Hinweis auf die Liste. Ich hatte vergessen, dazu noch was zu schreiben: Das schwerste diatonische Akkordeon, das ich habe, wiegt etwas über 7 kg. Das ist mir schon deutlich zu schwer und ist eigentlich schon unspielbar. Die beiden diatonischen Akkordeone, die ich in der Regel spiele, wiegen 2,9 kg bzw. 2,7 kg. Das sind die Größenordnungen, um die's geht, wenn davon geredet wird, dass diatonische Instrumente klein und leicht seien.
 


zydeco mit buckwheat spielt auch eines meiner lieblingsakkis: eine Hohner morino VS.

Das Teil muss aber heftig kaputt sein, es braucht luft wie sau. Da gibt's noch andere videos, wor er mit dem balg nur noch am auf- und zurudern ist.

Ich hab aber dieses gewählt, weil da die morino gleich am anfang zu sehen ist.
 
Danke für die interessanten Beiträge! Ich kam drauf, weil ich erst kürzlich mit dem Akkordeonspiel begonnen habe. Weil ich von klein auf nichts anderes kannte, wählte ich den "Standard" - Tasten mit Stradella-Bass. Die Knopf-Variante kannte ich auch, habe sie oft gesehen, finde sie auch schick, las aber, dass das zu schwer zu spielen sei. Mein Vater hatte eine Ziehharmonika (wechseltönig diatonisches, zwei Knopfreihen, 8 Basstasten, davon 4 mit Akkorden). Damit ist man spielerisch sehr eingeengt - ich möchte mich nicht von vornherein auf eine Musikrichtung festlegen. Welch unerschöpfliche Menge an anderen Typen es gibt, habe ich erst jetzt so nach und nach erfahren, und bin ganz begeistert davon. Klar, von einem Bandoneon hatte ich schonmal gehört, sogar mal eines in der Hand gehabt, aber viel weitreichender war mein Horizont wirklich nicht. So ein bisschen frage ich mich, ob es sinnvoller ist, sich vor der Instrumentenwahl mit dieser Auswahl näher zu beschäftigen. Aber das würde bedeuten, sich direkt musikalisch festzulegen. Aber reizen würde es mich schon, mal so ein handliches kleines Knopfgerät zu beherrschen...Ist leider alles ziemlich teuer:(

Dass es unterschiedliche Stimmzungen gibt, die den Klang z.B. eines Bandoneons ausmachen, wusste ich nicht. Danke für die Aufklärung. Das war genau so etwas, was ich wissen wollte. Klingt denn eine wechseltönige Stimmzunge prinzipiell anders als eine gleichtönige?

Diatonisch und wechseltönig scheint mir übrigens in einigen Beiträgen hier begrifflich durcheinanderzugehen, wenn es um die Balgtechnik geht.
 
Klingt denn eine wechseltönige Stimmzunge prinzipiell anders als eine gleichtönige?

..nö!...

Was du meinst, ist der unterschiedliche Einbau. Die Stimmzunge klingt per se erst mal nicht anders. Erst durch den unterschiedlichen Aufbau des Instruments und damit verbunden die mitunter unterschiedliche Stimmung ergeben sich die unterschiedlichen Klangtypen. Eine steirische Harmonika ist anders aufgebaut, als ein Bandoneon und ein chromatisches Akkordeon wieder anders.

Und jeweils zu der Musik, die darauf gespielt wird, sind die Instrumente in aller Regel auch unterschiedlich gestimmt und dadurch enststeht die ganze Vielfalt an unterschiedlichen Instrumenten. Schon alleine durch die Größe ergeben sich Unterschiede. Cajun Musik wird auf den kleinen Squeeze Boxes einfach anders klingen, als auf einem großen Instrument, weil durch die kompakte Größe und das geringe Gewicht ganz andere Bewegungsabläufe möglich sind, bzw. automatisch entstehen und in die Musik mit einfließen. Das lässt sich auf einem großen Konzertinstrument teilweise so gar nicht nachmachen.

Andersum sind getragene Melodiebögen und gleichmäßige langsam sich aufbauende und abschwellende Melodiebögen auf so einem kleinen Cajuninstrument Instrument eine regelrechte Katastrophe. Aber das macht ja nichts, denn die Musik, die typischerweise drauf gespielt wird und für die diese kleinen Kisten gemacht sind, ist ja eine ganz andere!

Drum betrachte ich es als müßig einen Instrumententyp als dem anderen überlegen oder minderwertig zu betrachten - jedes hat seinen Wirkungskreis, wo es perfekt passt. Und eben so kann jeder Vorteil auch gleichzeitig ein Nachteil sein:

Ein Diatonisches Instrument hat nunmal nur eine Tonart - schlecht, wenn man einen Tonartwechsel machen mag - aber der Vorteil liegt darin, dass, egal was man spielt, man erwischt niemals eine falsche Tonart! Alle Töne passen eigentlich immer!

Und egal, ob man 20 72, 96 oder 120 Bässe hat - mehr als 12 unterscheidliche Töne hat man trotzdem nicht. Nur Melodiebassinstrumente oder Konverterinstrumente haben einen deutlich größeren Tonumfang im Bass... Dafür sind die dann meist wieder ziemlich groß und schwer.

Die Vergleicherei kann man noch beliebig weitertreiben, aber es wird keinen Sieger geben. Alle Instrumente haben ihre Daseinsberechtigung und ihr Gebiet, in dem sie perfekt dazu passen. Im Endeffekt wird es immer wieder darauf hinauslaufen, dass man irgendwann bei dem Instrument landet, das für die Musik ideal ist, die man spielt.

So ein bisschen frage ich mich, ob es sinnvoller ist, sich vor der Instrumentenwahl mit dieser Auswahl näher zu beschäftigen

Das würde ich nicht überbewerten. Wichtig ist, dass man überhaupt erst einmal angefangen hat - egal mit was für einem Instrument. Wechseln geht immer. Wer von vornherein alles abwägt um mit dem "richtigen " Instrument anzufangen, fängt wahrscheinlich gar nie an, weil es im Grunde nie ein eindeutiges Ergebnis geben kann!

Diatonisch und wechseltönig scheint mir übrigens in einigen Beiträgen hier begrifflich durcheinanderzugehen, wenn es um die Balgtechnik geht.

Stimmt!

.. aber das wird man nicht mehr ausrotten können... das ist ungefähr genauso, wie man zum Schwebeton beim Akkordeon auch immer "Tremolo" sagt, obwohl das streng genommen nicht stimmt...Es hat sich einfach so im Sprachgebrauch so eingebürgert und in den Köpfen festgefressen!:redface:

Gruß, maxito
 
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In den heute üblichen diatonischen Akkordeonen sind prinzipiell dieselben Stimmzungen drin, wie bei den chromatischen, ja.

Abweichungen gibt es bei den hochpreisigen kleinen Konzertinas aus England, die andere Stimmzungen haben (allerdings sowohl die gleichtönigen als auch die wechseltönigen) und bei den hochpreisigen großen Konzertinen/Bandoneonen, die üblicherweise eine ganze Reihe von Stimmzungen auf einer einzigen Stimmplatte in Reihe angeordnet haben (wie bei einer Mundharmonika), aber die gibt es ja ebenfalls sowohl wechseltönig wie auch gleichtönig.

Und jeweils zu der Musik, die darauf gespielt wird, sind die Instrumente in aller Regel auch unterschiedlich gestimmt
Dazu noch was: Dadurch, dass z. B. Einreiher mehr oder weniger an eine Tonart gebunden sind, kann man sie "rein" stimmen und muss sie nicht von vornherein unrein stimmen wie modulationsfähige Instrumente.

Ein Diatonisches Instrument hat nunmal nur eine Tonart - schlecht, wenn man einen Tonartwechsel machen mag - aber der Vorteil liegt darin, dass, egal was man spielt, man erwischt niemals eine falsche Tonart! Alle Töne passen eigentlich immer!
Das möchte ich ein wenig relativieren. Man kann auch auf den meisten diatonischen Instrumenten "falsch" spielen, also unpassende Begleittöne, -bässe, -akkorde. Und das klingt dann genauso Müll. Gib mal ein diatonisches Akkordeon jemandem, der keine Ahnung hat. Da kommt dann garantiert auch nur Krach bei raus. :eek:

Ein diatonisches Instrument hat bestimmte Tonarten, für die es optimiert ist, wo alles zusammenpasst. Das heißt nicht unbedingt, dass es nicht auch in anderen Tonarten spielen kann. Hier müsste man vielleicht wirklich mal zwischen wechseltönig/gleichtönig und chromatisch/diatonisch unterscheiden. (Die russische Garmoschka ist z. B. gleichtönig, aber diatonisch.) Abgesehen von Club-Akkordeon und ähnlichem ist auch ein kleines zweireihiges "diatonisches" (= wechseltöniges) Akkordeon in der Regel über eine Oktave hinweg vollchromatisch. Allerdings fallen immer mehr Begleitmöglichkeiten weg, je weiter man sich von den Kerntonarten entfernt, und man muss sich auch von der üblichen Spieltechnik entfernen.

Das Beispiel hier illustriert das vielleicht ganz gut (ich hatte es schon mal irgendwo angeführt). Das ist ein Zweireiher in D/G. Die Melodie kann man (evtl. teilweise oktaviert) durch C-, Cis-, D-, Es-, E-, F-, Fis-, G-, As-, A-, B- und H-Dur spielen. Nur mit der Begleitung klappt's schon bald nicht mehr. (Es gibt übrigens auch Stile, in denen der Bassteil eh kaum genutzt wird bzw. wo der ganze Bass sowieso häufig ausgebaut wird, um das Instrument leichter zu machen.)

 
Zuletzt bearbeitet:
Nachgehakt:
»Daseinsberechtigung« scheint mir ein gefährliches Wort.
Falsche Wortwahl von mir - was da ist, ist nicht ohne Grund da, einer Berechtigung bedarf es nicht.

Arrigo erwähnt in #10 Klavier/Cembalo: das ist ein guter Vergleich. Das Cembalo hat als Randerscheinung überlebt, aber die ganzen Entwicklungsstufen des Klaviers (Tafelklavier, Hammerklavier etc.) sind verschwunden. Es gibt nur verschiedene Bauarten, die hinsichtlich Preis und Größe variieren, aber sich nicht grundsätzlich unterscheiden. Wärend beim Akkordeon zig Varianten in Gebrauch sind. Nun, das wurde hier ausgiebig diskutiert, und ich habe dabei nebenbei noch seltsamere Instrumente kennengelernt als mir vorher bekannt.

Etwas irritiert mich, dass auf dem Instrument in #17 (Melodeon?) sämtliche Halbtöne im Diskant vorhanden sind. Die Grifftabellen, die ich bisher für diatonische Instrumente sah, waren alle unvollständig. Aber egal, für so etwas exotisches muss man vermutlich geboren sein. Mein Interesse ist momentan eher durch die hierzulande gängigen gleichtönig-diatonischen geweckt, auf denen sich offenbar flott spielen lässt bei kompakter Größe und geringerem Gewicht. Aber erstmal muss ich mein Standard-Akko vernünftig spielen lernen...
 
Arrigo erwähnt in #10 Klavier/Cembalo: das ist ein guter Vergleich.
Also, na ja, das erste bekannte chromatische Pianoakkordeon stammt bereits von 1854, beide Typen existieren also schon lange Seite an Seite.

Hammerklavier und Cembalo nutzen im Gegensatz dazu ja den gleichen Klaviaturaufbau, sie werden mehr oder weniger gleich gespielt, man kann also ohne etwas komplett anderes zu lernen von einem auf das andere Instrument wechseln. Der Ton des Hammerklaviers (mit den Möglichkeiten der stufenlosen dynamischen Gestaltung) entsprach dem Zeitgeschmack irgendwann mehr als der des Cembalos. Der Unterschied liegt in der Tonerzeugung. Die ist aber bei diatonischem und chromatischem Akkordeon gleich.

Etwas irritiert mich, dass auf dem Instrument in #17 (Melodeon?) sämtliche Halbtöne im Diskant vorhanden sind.
("Melodeon" ist der im Englischen übliche Name für ein diatonisches Akkordeon. Allerdings denken die dabei in erster Linie an ein- und zweireihige Instrumente, nicht an eine Steirische Harmonika.)

Das ist die übliche Belegung für Zwei- und Dreireiher. Das ist wirklich nichts Exotisches: Der jeweils letzte Knopf am Ende der Reihen zum Kinn hin ist mit den in den diatonischen Reihen fehlenden Halbtönen belegt. Der Diskant ist dadurch über mindestens eine Oktave hinweg üblicherweise vollchromatisch. Im Prinzip. ;)

Hier findest du die z. B. die Belegungstabellen von Hohner. Für die normalen diatonischen Zweireiher kuckst du unter "Fingering Charts Erica Corso HOHNER 2 Row Button Diagrams" und für die normalen diatonischen Dreireiher unter "Fingering Charts Corona II III Hohner 3 Row Button Diagrams". Die haben das alle.

Bei Steirischen Harmonikas kenne ich mich nicht aus.
 
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Hier findest du die z. B. die Belegungstabellen von Hohner. Für die normalen diatonischen Zweireiher kuckst du unter "Fingering Charts Erica Corso HOHNER 2 Row Button Diagrams" und für die normalen diatonischen Dreireiher unter "Fingering Charts Corona II III Hohner 3 Row Button Diagrams". Die haben das alle.
Hm, das sind offenbar alles wechseltönige Instrumente. Gut, da ist genügend Spielraum, doppelt so viele Tasten wie Töne, scheint auf den ersten Blick immer eine kleine Terz zu sein auf Zug bzw. Druck, dann ist klar, da kriegt man alle Töne hin. Schon interessant!
Ich hatte eine Belegungstabelle einer gleichtönigen gedacht. Hatte mal die von einer russischen Weißnichtmehrwas in der Hand, da waren nur drei leiterfremde Töne extra dabei, damit wäre es nicht gegangen. Müssen wir aber auch nicht weiter vertiefen....
 

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