Dass man mit der Randstimme nochmal 'ne Oktave oben drauf hauen kann, habe ich auch schon öfters gehört. Bei mir geht's mit der Randstimme inkl. Twang gerade bis Bb'' (ist klingend dann wahrscheinlich ein Bb', wenn man vom Klavier ausgeht, aber eben das Bb ĂŒber dem normalen hohen Tenor-C). Ist das dann auch ein Hinweis darauf, wie weit man theoretisch mit der Vollstimme kommen könnte (also eine Oktave tiefer)? Im Prinzip wĂ€re das dann ja die Grenze, bis zu der die Stimmlippen im geschlossenen Modus diese Mehrspannung noch aufbringen können, oder nicht?
Der Umkehrschluss ist etwas gefĂ€hrlich. Wichtig ist halt auch, wie deine Tessitur oder ich sag mal "komfortable Range" aussieht. Lies dir dazu mal den Thread zur "Blubber-Range" durch und teste wie hoch deine ist. Es ist eher unwahrscheinlich, dass das Bb'' noch innerhalb deiner komfortablen Range liegt, da kommst du wahrscheinlich nur mit viel Atemdruck hin. Dass die Randstimme nicht mehr so gut klappt nach einigem Singen liegt hĂ€ufig daran, dass die Vollstimme zu weit nach oben genommen wird. FĂŒr SĂ€nger, die die Randstimme sowieso nicht verwenden ist das u.U. okay. Aber wenn du dir mal die Power-Metal-SĂ€nger genau anhörst, wirst du feststellen, dass die sehr frĂŒh in die Randstimme wechseln (egal ob Tenor oder hoher Bariton).
Die allermeisten wechseln bei etwa f'/g' in die Randstimme (Baritone eher bei f', Tenöre eher bei g'), deshalb ist das auch so eine magische Grenze, weil hier im Prinzip unabhÀngig vom Stimmfach Randstimme angesagt ist. Du kannst es selbst mal ausprobieren, indem du eine Sirene machst von deinem tiefsten Ton zu deinem höchsten und darauf achtest, ab welchem Ton du in der Randstimme bist. Es gibt sogar Leute die sagen, dass man genau daran Tenöre und Baritone unterscheiden kann, nÀmlich ob sie bei f' (Bariton) oder bei g' (Tenor) in die Randstimme wechseln.
Denn das mit dem psychischen Faktor merke ich zuweilen extrem - wenn man eben weiĂ, jetzt kommt gleich einer der höchsten Töne, die man in der Vollstimme singen kann, und dann verkrampft man. Wenn ich's aber schaffe, nicht drĂŒber nachzudenken (und das ist ja gar nicht so einfach, wie man denkt, man kann das Wissen ĂŒber die Grenzen der eigenen Range ja leider nicht einfach "abschalten"), dann klappen die Töne auch recht locker und entspannt. Leider ist das entsprechend auch auf Aufnahmen oft hinderlich, weil man sich da ja, obwohl man es ganz in Ruhe zuhause aufnimmt und endlos viele Versuche hat, doch unbewusst ein wenig unter Druck setzt.
Kenn ich alles, da hilft echt nur Kopf aus und nicht ĂŒber Begriffe wie Voll- oder Randstimme nachdenken. Wenn du merkst es wird eng, geh halt in die Randstimme.
g' scheint mir trotzdem tatsÀchlich eine Art
magische Grenze zu sein, liegt wahrscheinlich auch noch an dem viel beschworenen "Tilt" usw.
Ich habe es jetzt in letzter Zeit damit versucht, beim Einsingen mal mit Absicht leicht ĂŒber die Range hinauszugehen (z. B. bis a'). Der Ton liegt dann auĂerhalb bzw. klappt ganz selten, dafĂŒr gehen aber die anderen, wie etwa g' und g#', anschlieĂend leichter, nur, weil man an dem Tag schon einmal "da oben war". XD
Trotzdem glaube ich, dass ich, auch wenn ich den Tilt offenbar manchmal unbewusst hinbekomme (wenn eben ein g' mehr oder weniger problemlos klappt, dann merke ich auch, da kippt was), nicht viel höher kommen werde.
Das mit dem Tilt ist so eine Sache. Im Prinzip ist es so, dass der Tilt bedeutet, dass du auf diesem Ton eigentlich schon in der Randstimme sein mĂŒsstest. Ab dem "Zwangs-Tilt-Punkt" noch in der Vollstimme zu singen ist extrem unangenehm. Wenn der Tilt tatsĂ€chlich kommt (ohne das du ihn bewusst einsetzt) ist es eigentlich ein Zeichen: Bis hierhin und nicht weiter (was die Vollstimme angeht).
Interessant. Wenn's tatsĂ€chlich fĂŒr Tenöre ab g' so schwierig wird, wie du gesagt hast, wie schaffen die es dann, auch mit noch so viel Technik, die ganze Zeit in der Lage zu singen (z. B. zwischen f' und c'')?

Bzw. fĂŒr MĂ€nner ist es ja eigentlich schon eine Ausnahme, wenn sie eine derart hoch liegende Range haben, die meisten liegen ja eher entweder im unteren oder oberen Bariton-Bereich.
Aber die meisten Frauen singen doch, selbst, wenn sie gesanglich noch nicht besonders viel Ăbung haben, auf jeden Fall oberhalb von g', mindestens bis a', oder? Zumindest hatte ich jetzt bei unserem Schulmusical den Eindruck. Da gab es halt eine, die tat sich schwer mit dem Tenor-C (c''), dafĂŒr mussten andere mit weit weniger technischer Erfahrung (=keine ChorsĂ€nger o. Ă€.) rauf bis zum d''

. Aber bis a' oder bb' kamen die alle mit der Vollstimme.
Du kannst es dir so vorstellen: tiefe Stimmen haben Stimmlippen mit gröĂerer Masse. Um einen bestimmten Ton (auf speech-level Atemdruck) zu singen, braucht es eine ganz bestimmte Schwungmasse. Ein tieferer SĂ€nger muss also um einen bestimmten Ton zu singen einen gröĂeren Teil seiner Stimmlippen "festhalten" als ein höherer SĂ€nger. Deshalb stehen die Stimmlippen des tieferen SĂ€ngers tendenziell immer unter höherer Spannung. Ab einem bestimmten Punkt, und der ist gerade etwa bei f'/g' ist die Schwungmasse einfach so gering, dass sie auf speech-level-Atemdruck nicht mehr in Schwingung versetzt werden kann.
Der Unterschied an diesem Punkt ist dann halt nur, dass die Stimmlippen eines Basses, der ein f' singt unter wesentlich höherer Spannung stehen als die eines Tenors, der ein f' singt. Trotzdem ist die Schwungmasse bei beiden zu gering, um noch weiter ausgedĂŒnnt zu werden. Nun gibt es zwei Möglichkeiten:
1. Randstimme: Die Randstimme erlaubt sozusagen das Singen mit einem kleinen Teil der Stimmlippen
ohne dabei den Rest festhalten zu mĂŒssen. Deshalb wird beim Wechsel in die Randstimme das Singen erstmal plötzlich deutlich weniger angespannt, weil die Stimmlippenspannung dann wieder klein ist und der AusdĂŒnn-Vorgang von vorne beginnen kann.
2. Belt: Beim Belting wird die Schwungmasse wieder vergröĂert und der Ton dann nicht mehr durch Verkleinern der Masse erhöht, sondern durch Erhöhung des Atemdrucks. Der Unterschied zwischen Bass und Tenor ist an dieser Stelle aber, dass die Stimmlippen beim Bass auch bei gröĂerer Schwungmasse noch so stark unter Spannung stehen, dass ein astronomischer Atemdruck nötig wĂ€re, um die Stimmlippen noch in Schwingung zu versetzen. Dieser wĂŒrde wahrscheinlich den Kehlkopf schĂ€digen. Der Tenor hingegen steht noch nicht so stark unter Spannung, sodass er sich eine dezente Erhöhung des Atemdrucks erlauben kann und diese auch noch ausreicht, um die Stimmlippen in Schwingung zu versetzen. Bei Frauen ist der Effekt halt noch ein wenig intensiver, deren Spannung ist auf f' noch so gering, dass sie relativ leicht noch ein paar Töne darĂŒber belten können. Deswegen liest man auch oft, dass das Belting primĂ€r fĂŒr Frauen von Belang ist, denn selbst die höchsten MĂ€nnerstimmen haben maximal eine halbe Oktave "Belting-Range", wĂ€hrend Frauen durchaus eine ganze Oktave haben können.
Im Ăbrigen halte ich es aber fĂŒr einen weit verbreiteten Irrglauben, dass Tenöre spielend im Bereich zwischen f' und c'' belten können. Das erfordert eine groĂe Anstrengung und fĂŒhrt auch nicht selten zu geschĂ€digten Stimmen. In der Klassik (wo auch gebeltet wird) ist es oft so, dass eine Tenor-StĂŒck nur ein oder zwei einzelne high notes ĂŒber f' hat und sich der Rest des StĂŒckes unterhalb von f' aufhĂ€lt (gutes Beispiel das bekannte "Nessun Dorma"). Im Rock gibt es Songs die tatsĂ€chlich in diesen Höhen ĂŒber lĂ€ngere Passagen gebeltet werden. Die SĂ€nger solcher Songs haben aber auch hĂ€ufig Stimmprobleme (Prominentes Beispiel: Chester Bennington).
Ansonsten ist es eigentlich meistens so, dass bei lĂ€ngeren Passagen in diesem Bereich die twang-gestĂŒtzte Randstimme verwendet wird, auch von Tenören (gutes Beispiel: Power-Metal).
Irgendwie gibt es da so einen falschen Ehrgeiz, dass viele meinen jeder Tenor mĂŒsse auch ein C-Tenor sein. Insbesondere die schweren Tenöre (die bei Weitem am hĂ€ufigsten sind), belten halbwegs
komfortabel eher so bis a'. Die sehr schweren Baritenöre tun sich oft beim g' schon schwer.
Nur die (seltenen) höheren Tenöre und Frauen belten etwas angenehmer in diesen Höhen, wobei viele Frauen aber auch angeben (siehe auch Blubber-Range-Thread), dass das Belten ĂŒber c'' doch zu anstrengend wird.
Letztendlich kann ich dir nur raten, wenn du gerade das Singen lernst,
lern erstmal einen ausgeglichenen Mix! Ich weiĂ selbst, dass Belten meist einfacher ist, aber man tendiert doch leicht dazu zu hoch zu belten und vernachlĂ€ssigt oft das Ausbilden der Randstimme (was du ja glĂŒcklicherweise schon machst). Zum Anderen legt man sich leicht die schlechte Angewohnheit zu, schon ab dem unteren Passagio (das bei den meisten ab c' beginnt) zu belten. Belten ist mMn eine "advanced technique" fĂŒr geĂŒbtere SĂ€nger/-innen, die zudem nur fĂŒr höher veranlagte Stimmtypen wirklich Sinn macht. Als Bariton gewinnst du mit Belten maximal 1-2 Vollstimmentöne dazu.
Meiner Meinung nach ist bei der Gesangsausbildung fast schon
der entscheidende Faktor, dass man den Bereich zwischen den beiden Passagios (also etwa c' bis f') im Mix singen kann und eben nicht beltet. Wenn man das kann ist das ein groĂes Zeichen dafĂŒr, dass man das "Einpflegen der Randstimme" beherrscht, was so ziemlich das wichtigste Konzept beim Gesang ist.
Versuch ein GefĂŒhl dafĂŒr zu bekommen (anhand der StĂ€rke der Angespanntheit), wann du in die Randstimme wechseln solltest,
ohne zu wissen, wann du es solltest oder welche Töne ĂŒberhaupt vorkommen in dem Lied. DafĂŒr kann es ganz nĂŒtzlich sein einfach mal ein paar Songs nachzusingen, die im Original von Frauen gesungen werden. Bei MĂ€nner-Songs tendiert man nĂ€mlich leicht dazu die Wechsel in die Randstimme zu "imitieren".