Welchen Einfluss hat Wachs auf den resultierenden Akkordeonklang?

Akkordeonengel
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Hallo,

von meinen drei Instrumenten (siehe mein Profil) ist Delicia Carlo im Grunde nur ein nostalgischer "Talisman", dass ich heute nur als dankbare Erinnerung an meine Eltern bewahre. Während ich mein großes Konzertinstrument immer einer gründlichen Wartung und Stimmung in die Hände eines HZIM vertraue, ist Carlo bereits mein eigenes Projekt.

Diskant.jpgIm Kurzen: Nieten von Stimmzungen – niedrigste Maschinenqualität / robuste Resonatoren aus Holz + gewöhnlicher Filzuntergrund / klassische Mischung: Bienenwachs + Kolophonium / alu-Stimmplatten / Holzkorpus / alu-Resonanzboden /

Im Jahr 2018 hat mein Akko-Lehrer, der mich vor vierzig Jahren unterrichtet hat und der jetzt über 80 Jahre alt ist, die Platten des Diskants gereinigt und neu gewachst. Das Wachs war noch original und stammt aus dem Baujahr (1976) des Instruments, und war noch frei von Rissen und Brüchen, aber es gab mehr als zehn beschädigte/zerbrochene Stimmzungen. Deshalb wurden die Stimmplatten ausgetauscht und dann der gesamte Diskant neu gewachst.

Als ich nach Hause kam, war ich erstaunt über den Klang des Instruments. Der Diskant wurde gestummt: deutlich leiser als vor dem Eingriff. Die Klangfarbe blieb unverändert, ebenso die Ansprache der Stimmzungen. Ich habe die Befestigung der Resonatoren überprüft. Alles okay. Alle Stimmstöcke - wie vorher - fest verschraubt. Der Befund wiederholte sich in den folgenden Tagen. Angewidert und enttäuscht legte ich das Akkordeon weg. Nach einem halben Jahr habe ich das Instrument wieder rausgeholt und angefangen zu spielen. Der Sound hatte seine ursprüngliche volle Kraft.

Da es sich um eine alte Gurke handelt, hat mich diese Erfahrung weder Geld noch Nerven gekostet. Im Grunde ist eigentlich nichts passiert. Mich interessieren jedoch folgende Fragen:
  • Inwieweit beeinflusst der Klang die klassische Mischung (Bienenwachs + Kolophonium) ?
  • Hat jemand Erfahrung mit einer solchen Veränderung im Laufe der Zeit, auch bei hochwertigen (Konzert)Instrumenten?
  • Kann auch die aktuelle Vielfalt des Wachsens (neue Mischungen, Verfahren einzelner Hersteller) die Unterschiede in der Klangleistung von Instrumenten verschiedener Hersteller teilweise erklären?
  • Inwieweit beeinflussten das Wachsen und die spezifische Holzart (bzw. Kunststoff), aus der der Resonator besteht resultierende Klang?
  • Inwieweit verbessert (wenn überhaupt) die Fixierung der Stimmstöcke durch Nägel diese Eigenschaften?
Ich entschuldige mich im Voraus, wenn meine Neugier einigen von Ihnen wie dummer Unsinn vorkommt, aber hier in der Slowakei habe ich niemanden, mit dem ich mich beraten könnte. Vielen Dank im Voraus für jeden Einblick.

VG, Vladimir
 
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Vor Jahren habe ich mit einem ähnlich alten und ziemlich wertlosen wenn auch funktionierenden Instrument einen Versuch gemacht. Im Laufe eines Jahres habe ich alles was auch nur irgendetwas mit Kleben bzw. Dichten zu tun hat gesammelt. Mein Standardmaterial zu der Zeit war Bienenwachs mit Zedernharz ca. 2:1. Zusätzlich habe ich noch drei veränderte Mischungen angefertigt . Insgesamt habe ich ca. 20 verschiedene Kleber und Dichtmittel aus aus verschiedenen technischen Bereichen verwendet. Ich konnte keine klanglichen Unterschiede feststellen, weder unmittelbar nach der Verarbeitung noch im Laufe der folgenden 2-3 Jahre. Hoffentlich lag es nicht an den Ohren :)
 
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Hallo von mir sehr geschätzter Engel,

ich bin zwar kein Akkordeonbauer, kann aber deine Fragen trotzdem beantworten, glaube ich.

Beim Grund deiner Enttäuschung tippe ich nicht auf das neue Wachs, sondern auf das neue Ventil.
Ein festeres, weniger biegsames Ventil, behindert die Stimmzunge mehr und das Instrument wird leiser und spricht schlechter an.
Das durfte ich auch schon feststellen.
Das Ventil wird mit der (Spiel-)Zeit weicher, dann bremst es weniger und das Instrument wird wieder lauter und spricht besser an.

Das Wachs, aber auch das Holz, hat die Aufgabe, die Stimmplatte so stabil wie möglich zu halten, denn je mehr die Stimmplatte schwingt, desto weniger schwingt die Stimmzunge.
Das Wachs soll auch abdichten. Wenn es nicht abdichtet, geht die Luft an der Stimmzunge vorbei, die Stimmzunge spricht schlechter an, vor allem ändert sich außerdem die Tonhöhe, je fester man zieht/drückt desto mehr.

Wenn das Wachs die Stimmzunge nicht fest genug hält und/oder nicht die Verbindung Stimmstock-Stimmplatte abdichtet, liegt kein anderes Wachsrezept vor, sondern ein Defekt, der repariert gehört (neu eingewachst).
Verschiedene Wachsrezepte kenne ich nur im Zusammenhang mit der Lebensdauer, also der Zeit, bis es neu eingewachst werden muss.

Holz, Kunststoff etc. im Akkordeon müssen nur stabil sein und anders als beim Klavier und bei Streichinstrument nicht schwingen, im Gegenteil: sie dürfen nicht schwingen.
Solange die Festigkeit gewährleistet ist, ist das Material (Kunststoff, die Holzart, Metalle) völlig egal.
Was jedoch einen Einfluss hat, sind die Oberflächen der Materialien und ggf. Lacke oder Beizen:
Je glatter die Oberfläche, desto mehr Resonanz, desto lauter das Instrument und desto mehr hohe Frequenzen schaffen es aus dem Instrument heraus.
Je rauher die Oberfläche, desto weniger Resonanz, desto leiser das Instrument und desto mehr, vor allem hohe Frequenzen werden im Inneren des Instruments geschluckt, das Instrument wird grundtöniger bzw. dumpfer.

Zu den Nägeln:
Sie waren eine Vorsichtsmaßnahme, weil man früher dem Wachs nicht traute.
Seit Jahrzehnten traut man aber zu Recht dem Wachs alleine.
Wenn man die Befestigung den Nägeln überlassen will, erhöht man die Arbeitsstunden in der Produktion, weil man festnageln muss und zusätzlich abdichten, indem man z.B. Leder unterlegt oder doch wieder einwachst.
Man erschwert sich die Produktion und dem Kunden die Wartung (Ventiltausch) ohne einen Vorteil zu haben, außer vielleicht der Temperaturempfindlichkeit.
 
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Den grundsätzlichen Sachverhalt sehe ich ziemlich genauso wie @Arrigo

Ich habe bei meinen Instrumenten (von denen doch einige mittlerweile generalüberholt wurden - also auch neu gewachst und ventiliert) diese Probleme so noch nicht gehabt. Anfänglich beobachtete Effekte , nennen wir es mal "muffigen Klang", haben sich bei meinen Instrumenten nach ein paar Tagen spielen schnell gelegt.

Den Effekt schreibe ich komplett den Ventilen zu. Dabei gehe ich nicht mal davon aus, dass das Ventil "weich gespielt" werden muss. Denn ich glaube nicht, dass Kunststoffventile irgedwie weicher werden beim Spielen. Ich gehe eher davon aus, das die Klebestelle sich noch in ihre endgültige Betriebspostiion hinrütteln muss und der Kleber auch noch vollständig durch trocknen muss.

Denn was mir aufgefallen sit, wenn ich selber neu ventiliere: Der Klebstoff klebt recht schnell und zuverlässig. noch ein paar Tage danach kann man aber das Ventil noch relativ gut von der Stimmplatte abziehen und der Klebstoff verhält sich hier noch als sehr zäh , aber elastisch. nach ein paar Wochen geht das so nicht mehr. Entweder es brechen dann die Klebstellen komplett ab und/oder das Ventil reißt ab und es bleiben Reste des Ventils an der Klebstelle haften.

Aus dem schließe ich , dass durch den anfangs noch zähelastischen Kleber das Ventil "gedämpft" wird, weil der Dämpfer einerseits als Ausschwingbremse funktoniert und andereseits der "Knickpunkt" des Ventils noch nicht exakt festliegt. Später ist der Kleber hart und das Ventil hat an der Klebstelle keine "weiche" Übergangszone, sondern eine fixen Übergangspunkt und kann somit klarer auf und zu schwingen, was in Folge auch zu weniger Beeinflussung des abgestrahlten Schalls der Zunge führt.

Das , wie gesagt, sind meine Überlegungen und mangels geigneter Messmittel nicht genau überprüft, sondern nur gedankliche Überlegungen meinerseits.
 
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Guten Tag,

@diatoner , @Arrigo , @maxito , vielen herzlichen Dank für euer Feedback zu meinem Fragen! Die Erklärung, die auch die Wirkung der Ventile beinhaltet, erscheint mir logisch und wahrscheinlich:

Aus dem schließe ich , dass durch den anfangs noch zähelastischen Kleber das Ventil "gedämpft" wird, weil der Dämpfer einerseits als Ausschwingbremse funktoniert und andereseits der "Knickpunkt" des Ventils noch nicht exakt festliegt. Später ist der Kleber hart und das Ventil hat an der Klebstelle keine "weiche" Übergangszone, sondern eine fixen Übergangspunkt und kann somit klarer auf und zu schwingen, was in Folge auch zu weniger Beeinflussung des abgestrahlten Schalls der Zunge führt.

Genau in meinem Fall: jetzt ist der Sound vollkommen in Ordnung und in seiner ursprünglichen Stärke. Und da alle grundsätzlichen Unklarheiten bereits geklärt sind, bleibt mir nur noch eins: mit Lust zu spielen ...
:m_akk:

Herzliche Grüße, Vladimir
 
Aus dem schließe ich , dass durch den anfangs noch zähelastischen Kleber das Ventil "gedämpft" wird, weil der Dämpfer einerseits als Ausschwingbremse funktoniert und andereseits der "Knickpunkt" des Ventils noch nicht exakt festliegt. Später ist der Kleber hart und das Ventil hat an der Klebstelle keine "weiche" Übergangszone, sondern eine fixen Übergangspunkt und kann somit klarer auf und zu schwingen, was in Folge auch zu weniger Beeinflussung des abgestrahlten Schalls der Zunge führt.
Tönt plausibel, je nach Kleber und Ventilmaterial - spinnen wir den Faden weiter:
Soll nun eine ganz frisch ventilierte Stimmplatte möglichst oft gespielt werden, damit sich die Ventile "ergeben", solange der Kleber noch nicht durchgehärtet ist oder soll zugewartet werden, bis der Kleber fest ist und die Ventile die ursprüngliche Position beibehalten?

Hintergrund: Ich kriege grad eine Mengascini C120 zurück, bei welcher gestern ein paar Bassstimmplatten neu gemacht (gewachst und ventiliert) wurden. Soll ich da gleich mit vollem Zug/Druck drauflos spielen oder soll ich mich erst behutsam herantasten?
 
Soll ich da gleich mit vollem Zug/Druck drauflos spielen oder soll ich mich erst behutsam herantasten?
Nach meiner bisherigen Erfahrung würde ich sagen: spiel einfach los!

Den Prozess am Ventil kann man eh nicht wirklich von aussen beeinflussen. Der Kleber härtet langsam nach , das Ventil stellt sich drauf ein... Drum würd ich ganz einfach losspielen. die Teile machen ja sowieso was sie wollen.
 

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