Feeling und Technik. Hmm. Feeling hat nichts mit Freiheit oder Unabhängigkeit zu tun. Es sind z.B. Faktoren, die darauf einwirken, wie wir spielen, wenn wir weit genug sind. Also ich weiß, dass ich einfach irgendwie spielen kann und dann kommen da manchmal extrem gute Ergebnisse heraus und manchmal nur Mist. Das hat aber nichts damit zu tun das ich besonders gut feelen kann. Das hat etwas damit zutun, dass ich das, was ich irgendwann einmal gelernt habe in neuen Kontexten, neu probiere, ganz unbewusst. Vielleicht heißt das sogar einmal gerade so zu klingen, wie man noch nie geklungen hat und baut dann einfach irgendwelche Sachen ein, die vielleicht in gewissen Situationen total passend sind. Dann freuen wir uns über unsere Leistungen und steigern uns allmählich da rein.
Was glaubst du warum z.B. ein Stevie Ray Vaughan oder ein Jimi Hendrix so, allgemein gesprochen, gut spielen konnte? Erstmal hatten sie eine Menge Erfahrung in den Fingern, wenn ich das so sagen darf. (daher: viel Übung, viel Talent, was sich durch spezielle phänotypische Merkmale äußert) Ihr sogenanntes "Feeling" prägte sie aber meist zu einer ihrer Stilistik entsprechenden Art und Weise aus. Das heißt wohl, irgendwo, behalten sie ja doch die Kontrolle, über dass was sie tun, denn sie tun es offensichtlich ähnlich. Ich hab Jimi z.B. nie in einer Art improvisieren gehört, wo er alles ganz fein säuberlich abgespielt hätte. Er hat individuell auf seine Spielart und Technik gehandelt. Unterbewusst läuft in unserem Kopf viel mehr ab. Reize werden versendet. Jemand der nie Gitarre oder ein Instrument gespielt hat, wird nicht "feelen" können auf der Gitarre, bis auf relativ undkoordinierte Klänge, Verhederungen und natürlich Dissonanz on mass. Das ist natürlich ein Ausdruck, aber auch wirklich ein Ausdruck den dieser Spieler wirklich versenden will? "Feelen" ist ein Pseudonym für unterbewusstes handeln, verpackt in einem wunderschönen Mythos, um ein wenig Schein und Sein zu verewigen.
Wir spielen nicht einfach nur irgendwie. Wir phrasieren, weil es uns langsam ins Blut übergeht und zu unserer fast schon motorischen Einheit gehört, wieder sehr individuell. Wir spielen die zumindest für uns passenden Töne, weil wir die Variabilität unseres tonalen Könnens ausdrücken, was auch heißt, dass wir vieles nicht kennen. Wie auch immer Jemand das Feeling begutachtet, wir spielen immer so, wie wir es uns angewöhnt haben, bleiben oft in Konformen und bekannten Scales, benutzen eventuell einmal andere Wege. Denn "Feeling" ist Gefühl....und damit nicht nur ein Affekt, sondern ein ganzer Gedankengang, der aus einer fülle von Grundbausteinen eine Form kriegt.
Wenn wir uns jedoch darauf konzentrieren möglichst technisch zu spielen. Schnell, sauber und gerade. Fast schon starr, ist es klar, dass nicht wirklich viel Produktivität hineinfließt. Unser Kopf beschäftigt sich nämlich mit einem für diesem zum Automatismus langsam eingreifenden Aspekt. Der Automatismus sollte vor allem in unsere Spieltechnik eingreifen, damit der Kopf frei wird, um zu äußern, was diesem wichtig zu äußern erscheint. Gefühle muss man daher nicht immer Ausdrücken, in Worten, nichtmal in Gedanken. Sie finden statt. Mit Gründen. Hochgefühle, Tiefgefühle, Neutralität. Aber nicht immer erklärlich, weil die Handlung viel schneller erfolgen muss, als die Gedanken uns Zeit lassen.
Dazu gibt es ein, wie ich finde, sehr schönes Zitat:
"Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber zu schweigen unmöglich ist." - Victor Hugo
mfg Ser