Hallo Trumpet Joe,
Fontanas Beitrag sagt eigentlich schon ziemlich viel über die Vorgehensweise Changes zu erlernen. Ein weiterer Ansatzpunkt zu diesem Thema wären auch folgende Überlegungen:
90% aller Harmoniefolgen gebräuchlicher Jazz-Standards können auf ein paar wenige Formeln (Kadenzen) reduziert werden. Es wäre daher ratsam Changes nicht blindlings auswendig zu erlernen, sondern sie zunächst auf ihren harmonischen Zusammenhang hin zu analysieren. Dazu sind natürlich Harmonielehrekenntnisse unbedingt erforderlich.
Nehmen wir als Beispiel den A-Teil von Autumn Leaves.
Changes:
||: C-7 | F7 | Bbmaj7 | Ebmaj7 | A-7b5 | D7b9 | G-maj7 | G-6 :||
Analyse:
(BbDur) ||: II-7 | V7/I | Imaj7 | IVmaj7 = (G Moll)bVImaj7 | II-7b5 | V7/I- | I- maj7 | I-6 :||
Reduziert gedacht:
Es handelt sich hierbei lediglich um zwei II V I Kadenzen. Einmal in Dur und die zweite in der parallelen Molltonart. Verbunden werden beide durch die Subdominante der Durtonart, die als modulatorischer Kern dient und in der folgenden Molltonart einen SDM Akkord darstellt.
Wenn ich mir diesen Ablauf verinnerliche, bin ich in der Lage das Stück aus dem Stehgreif in jeder beliebigen Tonart zu spielen. Ein weiterer Vorteil auf diese Weise zu arbeiten ist die Zuordnung der Tonleitern, die sich wiederum aus der Analyse ergibt. Außerdem öffnet mir diese Denkweise den Weg zur Reharmonisation die ein essentieller Bestandteil des Jazz darstellt. Wie gesagt, zu all dem sind jedoch profunde Harmonielehrekenntnisse von Nöten.
Natürlich war das Beispiel Autumn Leaves eines der leichtesten Übungen. Das Prinzip ist jedoch auch auf komplexere funktionsharmonisch aufgebaute Standards anzuwenden, wobei die Analyse dann unter Umständen sehr kompliziert werden kann. Ich erinnere hierbei nur an Sikoras Ausführungen zu Miles Davis Komposition Nardis oder auch zum B-Teil von Girl from Ipanema.
Des Weiteren, wie oben schon gesagt, kann ich dem Beitrag von Fontana nur zustimmen, mit einer Ausnahme. Er sagte:
"Falls hier jemand Giant Steps spielen möchte oder ähnliche Intervallstrukturen: vergesst das mit den Guidelines, funktioniert nicht."
Das mit der Guidetonlinie würde ich nicht so eng sehen. Klar, die überaus am häufigsten gebrauchten Töne dieser Linien sind die Funktionstöne der jeweiligen Akkorde, die da wären: b3, M3, sus4, 6, bb7, b7 und M7, da diese die stärkste Vorwärtsbewegung erzeugen.
Es gibt aber sicherlich auch die Möglichkeit Grundton (bzw. T9, Tb9, T#9) und Quinte (bzw. T13, Tb13) in eine Guide Tone Line mit einzubauen und insofern ist es dann auch nicht weiters schwer eine stimmige Linie für Coltranes Giant Steps zu finden.
Ich habe mir an dieser Stelle erlaubt Giant Stepsetwas langsamer als gewöhnlich zu spielen, um eine der vielen möglichen Guide Tone Lines dadurch besser hörbar zu machen. Zunächst spiele ich die reine Guide Tone Line um aus ihr dann im weiteren Verlauf des Stückes eine Improvisation heraus zu entwickeln.
CIAO
CUDO