Auswendig spielen - verschiedene Ansätze ?

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Mich würde mal interessieren, welche Techniken Ihr zum Auswendiglernen eines Stückes anwendet und wie Eure Erfahrungen dabei sind ?

Einiges ist ja schon in diversen threads über "repertoire erhalten" geschrieben worden und ein schöner link von balgseele ist auch dieser hier http://heidruns-musikerseiten.de/workshops/auswendig.html

Mir fällt es eher nicht leicht, ein Stück auswendig zu lernen wobei es auch Unterschiede gibt und einige bemerkenswerte Dinge in unserem Körper / Kopf geschehen müssen, die ich gerne besser verstehen würde.

hier mal ein paar Sätze als Diskussionsgrundlage:

a) Ein Stück, welches ich so oft gespielt habe, dass es im "Fingergedächtnis" ist kann ich zwar auswendig spielen aber sobald ich auf die Tasten gucke, ist es aus. Ist das umgekehrt auch denkbar ?

b) manche Stellen in einem Stück merke ich mir als "Linie" oder "Melodiebogen" auf den Tasten wo ich dann genau weiß jetzt ein Halbton runter und und dann der gleiche Lauf nochmal aber das funktioniert nur bei einigen Stellen und nicht immer gleich gut. Warum ?

c) Könntet Ihr ein Stück, das Ihr auswendig spielen könnt sofort aufschreiben ?

d) wie sind Eure Erfahrungen damit ein Stück ohne Instrument in der Hand nur mit den Noten zu lernen ? Ist das Bild im Kopf die Tastatur sind es die Akkordfolgen oder das Notenbild ? Spielt der Fingersatz hier eine Rolle ?

e) ist es leichter ein Stück zu lernen, beim dem die Diskantseite offensichtlicher mit den Akkorden der linken Hand einhergeht als bei chromatischen passagen oder spannungsreichen jazzklängen oder eventuell gerade umgekehrt, dass man sich ausgefallene Bilder und Klänge besser merkt ?

f) ist es leichter ein Stück auswendig zu lernen, wenn man schon 10 auswendig kann ?

g) manche Akkordfolgen in der rechten Hand kann ich mir besser im Muskelgedächtnis merken, andere indem ich weiß "die beiden finger muss ich verschieben, dann die beiden" und manchmal habe ich als bild im kopf die position der hand auf den tasten.

h) ist es vielleicht sinnvoll ein stück erst auswendig zu lernen und dann am ausdruck zu arbeiten, bevor es ins muskelgedächtnis schlüpft und ich es dann erst wieder "umbetten" muss ?

manche Punkte mögen redundant sein aber das soll auch nur eine Diskussionsgrundlage sein, denn dieses Thema ist definitiv komplexer als eine Frage mit einer Antwort.
ich freue mich auf rege Beteiligung an diesem spannenden Thema

fröhlichen Gruß
Ben
 
Eigenschaft
 
zu a) wie umgekehrt? Dass es nur geht, wenn Du sehen kannst? Ja, das kann abhängig machen. Viele Studenten behaupten, Klavier sei viel einfach als Akkordeon, weil man alles sehen kann.

b) ich glaube, so viele Strukturen es gibt, so viele Methoden gibt es auch. Noch dazu lernt und fühlt jeder etwas anders. Die Melodie, die Du beschreibst, setzt sich vielleicht auch aus abstrakten Spannungen zusammen, die Du fühlst. Je höher der Ton desto größer die Spannung, oder desto heller die Farbe oder desto hochgezogener die Augenbrauen... Die Verbindungen mit Geühl und Körper sind wahrscheinlich sehr individuell. Wenn die Melodie ein Ende findet, muß ein anderer Mechanismus greifen.

c) unterschiedlich - je nach Stadium. Wenn ich es wirklich drauf habe - ja.
Bei einem Zwischenstand (der durchaus auch bedeutet, es sicher auswendig auf die Bühne zu bringen) kann es auch "rekonstruiert" werden. D.h. Wissenslücken werden mit theoretischen Kenntnissen oder mit Try und Error im Kopf reproduziert. So etwas passiert sowieso nie in Echtzeit. Beim Spielen setzen sich aber verschiedene Gedächtnisformen zusammen, die meistens NICHT jedes Detail kognitiv mitdenken. Das ist selbstverständlich eher intuitiv.

d) Kommt auf das Stück an. Eine Bachfuge würde ich nicht im Flugzeug lernen und dann auswendig vorspielen. Aber ein finnisches Volkslied mit Intro, 3 Strophen, Refrains, Zwischenspiel und Ending ... das geht schon. Wenn Du so anfängst zu lernen, spielt die Tastatur wohl kaum eine Rolle, sondern Du siehst zuerst die Noten vor Augen, summst es vor Dich hin und vergißt vermutlich ziemlich schnell auch das Notenbild - je nach Gefühlslage zum Lied. Akkordfolgen werden dann immer mitgedacht, vielleicht auch die Finger bewegt. So bleibt da auch schon etwas hängen.

e) Zusammenhang, Logik und Gefühl spielen da eine Rolle, weniger die Art der Musik.

f) die 10 Stücke nützen wahrscheinlich beim 11. Stück nichts. Aber wenn Du schon jahrelang auswendig lernst, also bewußt bei der Sache bist, dann nützt das etwas, auch wenn Du von 50 nur noch 10 kannst.

g) gibt sicher noch mehr Möglichkeiten, z.B. 6-2-5-1 Grundtöne denken... oder ein kleiner Schüler von mir würde dann sagen "grün, orange, gelb, blau..."

h) absurd! Der Ausdruck hilft doch beim Lernen!!!

Übrigens, komplexe und noch unsichere Sachen Note für Note theoretisch und absolut ohne Instrument und ohne Noten zu durchdenken ist sehr sehr quälend und ich schlafe gnadenlos dabei ein. Es geht so lange, bis man an eine Wissenslücke gerät, denn dann ist es vorbei. Man hat dann keine Chance und ist auch frustriert. Ich sehe auch keinen Sinn darin. Wenn z.B. das Körpergedächtnis schon funktioniert, die Gedanken aber noch nicht, kann doch der Geist vom Körper lernen ... warum muß es der Geist allein schaffen? Man sollte keine künstlichen Steine in den Weg legen aber auch nicht vorzeitig aufhören. Die Gedächtnisse sollten sich durchdringen und ergänzen. Je besser das gelingt, desto unabhängiger funktionieren sie am Ende auch wieder und man kann das komplexe Stück eben auch ohne Instrument aus dem Gedächtnis aufschreiben oder man kann ohne Verstand spielen.

Der einzige Grund für das unbedingte Ablösen des Fingergedächtnisses ist, wenn eben das mechanische Gedächtnis ncoh nicht funktioniert. Dann muß man notgedrungen nocheinmal in die Noten schauen, um die Stelle zu analysieren und langsam im Kopf zusammensetzen, die Finger dann aber auch gleich wieder dazu nehmen. Immer die kürzesten Wege gehen und alles mitnehmen, was in dem Zusammenhang beeindruckt.

Am Montag versuche ich im Zug 12 Stunden lang eine 3 minütige englische Rede zu lernen, die ich am Midi-Akkordeon mit Schlagzeug vertone.
Ich weiß noch nicht, worauf ich mich da einlasse, denn eine Rede ist natürlich unsynchronisiert, also nicht wirklich sinnvoll notierbar. Es gibt keine Tonhöhen und kein Taktraster. Aber es wird schon irgendwie funktionieren.
 
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Hallo, Ben,

zu a) natürlich ist es hilfreich, da Stück so oft zu spielen, daß einige Abläufe automatisiert sind.
zu b) das merken von Melodiebögen hat viel mit meiner Methode des Auswendig lernens zu tun, ich eräutere das mal am Schluß.
zu c) ja, weitgehend und nein. Ja, wenn ich den ersten Akkord/Griff präsent habe oder, wenn ich die Tonart noch weiß. Wenn das nicht gegeben ist, ich aber tonartrichtig und vollständig aufschreiben soll gilt nein.
zu d) es heißt, daß man eine Musik, die man singen kann auch spielen kann. Das ist nur in Grenzen richtig (sing mal eine Händel-Suite:D) hat aber einen logischen Hintergrund: Vorausgesetzt, Dein Instrument ist Dir ähnlich vertraut, wie Deine Stimme, kannst Du eine Musik darauf wiedergeben, die Du im Kopf hast, das ist der Anfang des Auswendiglernens.
zu e) ich denke, das ist von Typ zu Typ verschieden und hängt noch von der persönlichen musikalischen Vorliebe ab.
zu f) nein, aber die Routine bei der Analyse eines Stückes beschleunigt die Sache etwas
zu g) ?
zu h) niemals, der Ausdruck ist Teil des Stückes, wenn Du ohne Berücksichtigung des Ausdrucks lernst, lernst Du ein anderes Stück. Ich könnte ein Musikstück gar nicht ohne irgendeinen (evtl. falschen) Ausdruck spielen.

Für mich gilt: nach Möglichkeit erfassen, wie das jeweilige Stück musikalisch aufgebaut ist. Wo erkenne ich Zusammenhänge, bestimmte Floskeln, wiederkehrende Abläufe, wie verlaufen die Stimmen, wie ist der Rhythmus (für mich oft ein Problem), all das versuche ich zu erfassen und zu verstehen. Je mehr ich davon verstanden habe, desto einfacher fällt es mir, das Stück auswendig zu spielen. Dann könnte ich es (je nach Umfang) in jeder Tonart notieren, aber nicht spielen, weil bei Taste, je nach Tonart die Fingersätze ja sehr verschieden sind. Auswendig lernen ist also bei mir ein Vorgang der aus dem Verstehen der Musik und dem Einüben der mechanischen Abläufe besteht. Naturgemäß gelingt das bei kurzen, einfach strukturierten Musiken eher, als bei Bachs Präludien. Es wäre wohl auch vermessen von mir mit meiner musikalischen Halbbildung Bach-Stücke wirklich vollständig erfassen zu wollen.

Gruß
Reini2
 
Interessant, dass Dir das transponierte Aufschreiben scheinbar nichts ausmachen würde.
Das könnte ich zwar auch, würde mir aber einiges abverlangen. Der Umfang spielt dabei weniger eine Rolle, eher die Komplexität der Harmonien.
 
Wenn ich so etwas aufschreiben muß, das geschieht selten genug, denke ich in Tonabständen / Intervallen. Ich summe mir das zu Schreibende vor, akustisch hörbar oder auch nur im Kopf, und schreibe das dann auf. Da ich nicht weiß, ob ich gerade ein a oder ein c summe, habe ich eben kein Notenbild vor Augen, sondern einen Klang, eine Klangfolge, die durch die Abstände der Töne, durch die sie gebildet wird, charakterisiert ist. Und die ist, wenn ich die übliche temperierte Stimmung voraussetze, für alle Tonarten gleich.
Das liest sich jetzt so, als wenn ich da säße und schreibe, wie ich an der Computertastatur schreibe. So flüssig ist das bei weitem nicht, aber immerhin bekomme ich das zusammen, zumindest den Tonhöhen nach. Beim Rhythmus und damit bei den Notenwerten habe ich weit größere Probleme, wie im letzten Post schon angedeutet.
Mit Umfang meinte ich auch Komplexität, da habe ich mich falsch ausgedrückt.
Akkorde, deren einzelne Töne ich nicht hören kann, kann ich nur schwerlich aufschreiben, da mir ein großer Teil des musiktheoretischen Unterbaus fehlt. Mir ist es weitgehend (noch) nicht gegeben, einen Akkord zu hören und zu sagen: aha, das ist dieser XY Akkord in der soundsovielten Umkehrung.
Daran habe ich noch viel zu üben.


Gruß
Reini2
 
Uwe:
Wenn z.B. das Körpergedächtnis schon funktioniert, die Gedanken aber noch nicht, kann doch der Geist vom Körper lernen ... warum muß es der Geist allein schaffen? Man sollte keine künstlichen Steine in den Weg legen aber auch nicht vorzeitig aufhören. Die Gedächtnisse sollten sich durchdringen und ergänzen. Je besser das gelingt, desto unabhängiger
das ist eine schöne Sichtweise, weil ich mir immer denke wie doof, wenn ich an einer Stelle hängenbleibe, dann aber 3 Takte vorher wiedereinsteigen muss, um den Faden wiederaufzunehmen.

Reini:
zu d) es heißt, daß man eine Musik, die man singen kann auch spielen kann. Das ist nur in Grenzen richtig (sing mal eine Händel-Suite) hat aber einen logischen Hintergrund: Vorausgesetzt, Dein Instrument ist Dir ähnlich vertraut, wie Deine Stimme, kannst Du eine Musik darauf wiedergeben, die Du im Kopf hast, das ist der Anfang des Auswendiglernens.
das mit dem Singen ist für mich auch eines der großen Mysterien, mein Instrument ist mir vertrauter als meine Stimme, habe neulich mal beim Earmaster versucht Intervalle mit der Stimme zu treffen, ich sag es mal so, bei einer Trefferquote von unter 10% ist das Vertrauen in die eigene Stimme vielleicht nicht der beste Ratgeber :weep:
Gehörbildung ist bestimmt sinnvoll aber bei der Wiedergabe setze ich eher auf die Stimmzungen


wie ist es eigentlich wenn Ihr Standards auswendig lernen möchtet, prägt Ihr Euch die Stufen als Abfolge ein und wenn dann z.B. V7 kommt denkt ihr mixolydisch oder wissen die Finger ohne den Gedankenumweg über die Skala wo sie hinmüssen ?

lustigen Sonntag

Ben
 
Der 'Internet Chang' hat da in seimem Werk zum Klavierspielen einiges an Ideen.

Bei mir ist es einfach so, dass ich ein Stück, das mich wirklich interessiert, irgendwann ohne Noten kann. Speziell die Stücke, zu denen ich keine fertigen Noten habe und die ich mir schriftlich mit einem Stück Notenpapier erarbeitet habe. Wenn ich damit fertig bin, kann ich es auch ohne Notenhilfe.

Ich sehe Noten auch eher als notwendiges Übel, die man eigentlcih gar nicht braucht. Das Instrument ist wichtig, die Noten nicht.

vom Chang habe ich gelernt, dass es unterschiedliche Gedächtnisse für Musik gibt. Bisher habe ich wohl sehr viel mit dem Fingergedächtnis gearbeitet, was aber viele Nachteile hat, wenn ich da z.B. einen Interrupt bekomme, gibt es Probleme beim weiterspielen. Von daher ist es besser, zu wissen, welche Noten gespielt werden, damit ist man dann völlig unabhängig, auch wenn mal ein anderes Instrument wie z.B. ein klavier dasteht, das hatte ich jetzt auf einem Geburtstag. Links gehts dann uf-ta-ufta, aber der einäugige ist dann König unter den Blinden. Und das geht nur bei den Stücken, von denen ich die Noten im Kopf parat habe und nicht die Finger wissen, was sie zu tun haben .

Das Fingergedächtnis funktioniert aber besser in geselliger Runde, bei der es feucht-fröhlich zugeht. Mit steigendem Alkoholspiegel gehen dann diese Stücke immer noch, wohingegen es mit 'Denken' und 'Wissen' zunehmend schwieriger wird.:D

Ich denke, es wird immer eine Kombination von mehreren Möglichkeiten sein und jeder muss sehen, was zu ihm passt.

Viele Grüße
Wolfgang
 
Aber schon völlig absurd und erstaunlich, dass das Fingergedächtnis total versagt, wenn ich meine Melodica auf den Tisch lege und spielen möchte. Wenn ich Sie in der Position Akkordeon halte geht es. Das finde ich sehr verwunderlich und hätte meinem Körper ein größeres Abstraktionsvermögen zugetraut...

Gruß Ben
 
ja, genau das funzt eben nicht, weil es anders ist...
 
Habe die Ehre,

Manomann starker Stoff hier, da ist viel richtiges dabei, aber "just my five cent":

Mein Zugang zum auswendigspiel ging vor vielen jahren ganz einfach über "Hören" => Nachspielen probieren, ohne noten
aus dem gedächtnis oder von aufnahmen nachgespielt.
und zwar wichtig mit ganz einfachen sachen beginnen: ein volkslied, ein schlager, ein gassenhauer - mit höchstens 1. 5. 4. stufe und dann mal ein zwei mollersetzungen das reicht für den anfang, das muss man tief in sich aufnehmen. irgendwann "spürt" man dann tatsächlich wie die melodie läuft und welche stufe kommt.
das erste stücklein muss man am besten kennen also pfeifen oder singen können, was gaaaanz einfaches und schon kann man das erste stück
von mir aus hänschenklein oder alle meine entchen - das geht einfach so - und zwar so spielen das man es auch schön findet, von anfang an wichtig

dann kommt das nächste - wichtig dafür ist das man die ersten stücke stück "liebt" man muss sie förmlich können wollen - um jeden preis, weil man es so toll findet
dann kommt schnell mehr und mehr "gefühl" dazu, für tonleitern, terzen, quarten, sexten, modulationen ...
neuronale vernetzung würde man hier bestimmt nachweisen können :)
und man kann sich so toll selbst zuhören, wenn man einfach frei probiert
so entsteht kein finger- oder notengedächtnis sondern ein gefühl für die musik selbst ohne geistige zwischenschritte
später vermischt sich das mit dem auswendigspielen von schwierigeren stücken die man zuerst mit noten spielt, das wird ein hin- und her, ein geben und nehmen
aber die basis muss mM. einfach sein und frei

Wer sich schämt zuerst einfache stücke auswendig zu spielen wird es mM. nie richtig lernen.
Ich kann nur immer traurig den kopfschütteln bei akkordeonisten die sich nach drei jahren durch z.b. piazolla, galliano, marokko, deuringer oder Bach quälen und gar nicht checken das sie lichtjahre vom musizieren entfernt sind.
Diese Krankheit wird durch besagtes "freies nachspielen einfacher stücke" komplett geheilt.

schönen Gruß
balgseele

man beachte in diesem Zusammenhang die Zitate meiner Signatur ;)
 
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Ich möchte hier Balgseele mit allem Nachdruck beipflichten - auch wenn ich selbst erst am Anfang einer solchen Lernkarriere stehe. Ich übe ganz einfache (Kinder-)lieder zu singen und zu spielen und finde, es ist ein großartiges Gefühl, wenn ich anfange, den "Kern" der Musik zu spüren, also wie die jeweiligen Melodietöne im Zusammenhang mit der jeweiligen Begleitharmonie klingen und sich anfühlen.

Ganz großartig finde ich zu diesem Thema das folgende Buch:
https://www.amazon.de/Ohren-Buch-mu...ör-Praktischer-autodidaktischer/dp/3921729858
Einfache Lieder im großen Zusammenhang erklärt ... Alle meine Entchen mit Jazz-Harmonien oder so ähnlich ... sehr spannend - und erstaunlich anspruchsvoll.

Na ja und als Ergebnis stelle ich mir vor, ist dann Auswendigspielen nur noch langweilig. Bzw. ist die Origialmelodie eben nur noch eine Variante von den unendlichen Möglichkeiten, die ich in diesem Moment spielen könnte. Und alles ist in mir gleichzeitig präsent.

Ok, ich bin schon 41, aber angeblich habe ich gute Chancen 90 zu werden, das heißt vielleicht habe ich dann noch 10-20 Jahre in diesem wunderbaren Zustand ...

lg,
Christian
 
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Hallo zusammen,

beim Auswendigspielen ist für mich unabdingbar, neben der Tonart und dem jeweiligen Melodiebogen (beides unabdingbar) ganz besonders die jeweilige Harmonie vor dem geistigen Auge präsent zu haben. Die Harmonie bestimmt die linke Hand (die selten führend ist) sowie die rechts ergänzend zum Melodiebogen zu wählenden Akkorde oder Akkordfamilie. Ich habe beim Auswendigspiel nicht das Notenbild im Kopf, sondern stets eine aus meist mehreren Takten bestehende Phrase. Demzufolge kann ich nach einer Unterbrechung auch nicht an beliebiger Stelle einsetzen sondern nur am Beginn einer Phrase. Der Vorgang des Auswendiglernens erfolgt bei mir auch Phrasen- oder Satz-weise.

Ich habe in letzter Zeit an mir selbst 3 Beobachtungen gemacht, wenn ich mittlere bis (für mich) anspruchsvolle Stücke notengetreu auswendig gelernt und gespielt habe:

1. Oberkrainer-Stücke kann man auf vielfältige Weise bezgl. den zu greifenden Harmonien richtig spielen. Aber so wirklich nett tuts in meinen Ohren nur, wenn man, wie in den Noten vorgegeben, in manchen Akkorden die Terz oder Quarte oder sonst was weglässt. Da muss ich immer sehr aufpassen, nicht zu voll zu greifen. Aber vielleicht fehlt mir auch nur das Oberkrainer-Gen.

2. Bach, Mozart etc. fallen mir vergleichsweise leicht, auswendig zu spielen - wenn ich's mit Noten mal technisch im Griff habe.

3. Bei Jazz, sei es Gaillano, Marocco oder sonstwer, brauche ich ziemlich Aufwand, um es gemäß der Noten auswendig zu spielen, und zwar auch dann, wenn ich's mit den Noten vor der Nase im Griff habe. Vielleicht liegt es daran, dass man bei Jazz-Akkorden mehr Freiheiten zu Abwandlungen hat. Da ich aber nicht so genial bin wie die Meister, will ich mich bei meinem Spiel an deren Notenvorgaben halten.

Hat jemand eine Erklärung oder zumindest Vermutung, woran meine Beobachtungen liegen könnten. Mit einer schlüssigen Erklärung könnte man ja evt. sein Verhalten optimieren.

Man mag einwenden, ich soll nicht so an den Noten kleben, dann ginge Vieles leichter. Was ich mache, wäre der Versuch des sterilen Interpretierens und keine Musik. Ich bin da ganz bescheiden und sage, dass mir eine gelungene, aber werkgetreue Interpretation besser gefällt als mehr oder weniger gelungene eigene Abwandlungen. Dass meine eigenen vielleicht sogar spontanen Abwandlungen gute Musik sind, davon bin ich ein gutes Stück entfernt. Und bei klassischen Stücken möchte ich das aus Ehrfurcht auch überhaupt nicht tun.

Viele Grüße

morino47
 
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Hallo Balgseele, Du hast einen wichtigen Punkt getroffen!
Als Ergänzung zum Lernen nach Noten:
manchmal lernt man die Sachen erst lieben, wenn man sie sich zu eigen macht, denn vorher kennt man sie ja nicht... Bei diesem Prozess gehört das Auswendigspielen dazu. Ich finde, wir dürfen hier nicht Auswendiglernen mit Gehörbildung verwechseln. Was für eine Rolle das Gehör und das Gefühl spielt, hast Du sehr schön beschrieben. Aber es gibt durchaus Situationen, bei denen man durch blosse Erkenntins der Musik und ohne emotionale Bindung auswendig lernen kann (muß). Der emotionale Zugang kommt manchmal erst später, wenn man es z.B. schafft, dem eine eigene Note zu geben oder sich selbst wieder zu finden, manchmal auch wenn man merkt, dass es andere gut finden etc.

Gaga Signor: Du beschreibst wieder einen anderen Ansatz, Du merkst Dir eine Art Essenz und willst damit frei umgehen. Früher habe ich mal gestaunt, als Frank Marocco zu mir meinte, er könne etwa 1000 Titel auswendig. Aber es ist so wie Du es meinst. Er kennt lediglich die Themen, den Rest übte er in Improvisationen. Da schließt sich der Kreis. Das Fingergedächtnis ist in dem Zusammenhang auch nicht zu verteufeln!!! Bestimmte Licks und Phrasen liegen so im Hirn, dass man sich beim Improvisieren nur noch zwischen passenden Modulen entscheiden muß, die Module liegen aber in den Fingern und wurden gewiss nicht mit so viel Hingabe und Liebe trainiert. Das ist einfach harte Arbeit.

morino47: die letzten Worte lassen sich bestimmt auch auf Deine Oberkrainer Griffe anwenden. Es ist schlicht Gewohnheit, einen Akkord auf eine bestimmte Weise zu greifen. Da denkt der Oberkrainer überhaupt nicht mehr nach. Terz und Oktave zack zack - genau an der Stelle im Durchgang wird die Lage gewechselt. Das ist seit 100 Jahren so und bleibt Regel.

2. Erstaunlich - Mozart ist sicher nicht so schwer auswendig, aber Bachs Polyphonie verlangt einem schon einiges ab.

3. Geht mir auch so! Je freier ich bin, desto länger fummele ich herum und suche den perfekten Klang. Durch die vielen Veränderungen ankert sich das nicht so schnell, aber dafür lernt man ne Menge anderes.
 
Hallo,

ich möchte diesen Thread mal wieder an die Oberfläche zerren, ich habe nämlich aktuell ein entsprechendes Problem.

Früher war es so, dass ich Stücke, die ich gerne und deswegen auch häufiger gespielt habe, irgendwann auswendig konnte. So habe ich ein Repportiore aufgebaut, mit dem ich einen Abend Musik (von einfachen Mitsingliedern bis zu Stücken zum Zuhören) machen kann, ohne dass ich Noten brauche.

Jetzt bin ich ja durch Anregungen hier durch das Forum wieder auf den Geschmack gekommen, neue Gefilde zu erkunden.:)

Dies bedeutet nun für mich 'Jazz', den ich bisher eher stiefmüttlerich behandelt habe, obwohl ich die Stilrichtung in vielerlei Ausprägung absolut klasse finde.

Nun hat das Treffen in Thüringen diesbezüglich Wünsche geweckt. Der Einführungskurs mit morino47 hat ein übriges dazu getan und die Noten hatte ich ja aufgrund des Weihnachtsliederfadens vom letzten Jahr auch schon bestellt.

Nach ein wenig Rumspielen habe ich diese aber wieder zur Seite gelegt, weil ich irgendwie damit nicht klar gekommen bin.
Warum ich damit nicht klar kam wurde mir durch morino47 klar. Durch seine 'kleine theorie' habe ich dann in Ansätzen kapiert, worum es dabei geht und habe dann angefangen, mich mit 'Autumn Leaves' arrangiert von Kölz zu beschäftigen.
Die Spielart, die dort verlangt wird, insbesondere die Bässe waren mir bis dato völlig fremd.
Jetzt nach fast 2 Monaten kann ich das Stück soweit spielen, dass mir mitunter ein schmunzeln auf die Lippen gerät, aber und jetzt kommt das große aber:

Ich habe jetzt so viele Stunden in das Stück investiert was bisher immer dazu führte, dass ich so ein Teil auch ohne Noten spielen kann, aber dieses Stück widersetzt sich bei mir dem auswendig spielen völlig. Keine einzige Zeile geht ohne Noten.
Jetzt suche ich danach, warum das bei dem Stück so ist.

Eine ähnliche Schlappe habe ich schon vor 25 Jahren mit dem Tango 'Jalousie' von Gade erlitten. Den zweiten Teil kann ich absolut nicht ohne Noten. Bei dem Stück habe ich jetzt aber analysiert, dass es vielleicht daran liegt, dass der zweite teil das thema 4x in leichter Abwandlung wiederholt und vom technischen Aspekt eher einfach ist.

Bei autumn leaves ist es aber so, dass ich mich allein vom Spieltechnischen her schwer tue und wirklich ochsen muss und nicht verstehe, warum das nicht ohne Noten geht.
Morino47 hat ja weiter oben auch schon geäußert, dass es ihm bei Jazz ähnlich geht.

Ich hatte an den letzen Wochenenden längere Autofahrten und hatte da stundenlang Zeit, mich mit den Noten zu beschäftigen, habe dann auch 2 Tage völlig Pause vom Musizieren gehabt, wovon ich glaube, dass das auch sehr gut ist, mal völlig abzuschalten.

Hat da jemand eine Idee, wie man da weiterkommt?

viele Grüße
morigol
 
Ich glaube (ohne die Noten je gesehen zu haben), dass die Töne verschiedene Funktionen erfüllen und dabei nicht linear sind.
D.h. In vielen Stücken sind mehrere Elemente gleichzeitig wichtig: Melodie, Bass, Harmonie, Fills, Bläser - Riffs, usw.
Verteilst Du die Stimmen an die jeweiligen Experten:
SängerIn
BassistIn
GitarristIn
PianistIn
FlötistIn
3 Blech - und Holz BläserInnen

wird das ein Spaziergang.

Nun schreibt er aber alle diese Elemente in Deine Noten. Daraus entstehen mehrere Schwierigkeiten:
Du mußt erkennen, welcher Ton, welche Funktion hat, nicht nur harmonisch sondern im Bandkontext.
Dieser Ton gehörte ursprünglich dem Bassisten, dieser Ton ist vom Sänger, das ist ein Fill von der Flöte, diese fetten Akkorde sind von der Bläsersektion...
usw. Das bedeutet, jede Note braucht ne entsprechende Phrasierung, die dem ursprünglichen Instrument entspricht. Manchmal ist es schlicht nicht möglich, alle Töne zu spielen und Kölz hat das alles ausgelotet und schreibt "nur" die wichtigsten und spielbaren Sachen hinein.
Dadurch hoppt es aber ständig zwischen verschiedenen Funktionen hin und her und dies meine Damen und Herren ist ne richtig schizophrene Angelegenheit ;).
Es ist eben nicht nur technisch schwierig (volle Griffe, Umgreifen, Sprünge und dazu noch ständig die Tonformung wechseln), sondern vor allen Dingen das Verständnis für die Struktur.

Ich rate mal: Da beginnt sicher irgendwo auch mal eine Melodie deren Länge entweder gekürzt ist weil man wegen einer anderen Stimme irgendwo hin springen muß oder man hält brav an der Melodie fest, kann aber die andere Stimme dann nicht mehr so schön gestalten.
Oder wahrscheinlich wird der Rhythmus unterbrochen, damit eine interessante Rhythmik gespielt werden kann, die in der Band trotz laufendem Rhythmnus die Bläser mit genug Kraft hingepfeffert hätten.
Der Bass kann auch mal rhythmisch eigene Wege gehen oder versuchen mal eine Linie zu spielen sonst würde er sich ja langweilen. Aber wenn Du ständig noch die Gitarre in den Akkorden bedienen mußt (die sich eigentlich mit 8 gleichen Vierteln auch schon gepflegt langweilt und beginnt auch auf ihr Recht zum Ausbrechen zu pochen), dann wird ein Walkingbass sehr schwer und man merkt ihn sich eben auch nicht so ohne weiteres, wenn noch andere Sachen zu beachten sind.
Das kommt von der demokratischen Emanzipation des Stimmen-Individuums.

Hilfe? Ich glaube es ist wie immer ... Analyse und zerlegen sowohl in horizontale als auch vertikale Linien, kleine Einheiten vornehmen und aufspüren, was die Töne zu sagen haben, damit Du selbst davon beeindruckt bist.

Also was weiß ich ... z.B. Der Bass spielt auf 2 und 4, aber lang und übergebunden, nicht auf einfach auf 1234. Das ergibt ein Feeling, das Dich beeindrucken muß und Dir schließlich gefällt weil es groovt wie ein Bassist. Dazu eine Gitarre, die synkopierte Achtel spielt und am Ende jeder Gruppe ausklingen will, ohne dem Bass seine Attacke zu nehmen - damit dieser auch weiterhin groovt.
Aber bitteschön - das ganz nur zwei Takte lang, weil dann ein Abschluss mit fetten Bläser Synkopen kommt, die im Gegensatz zur Gitarre sehr kräftig und spitz anklingen dürfen, aber trotzdem bis auf den letzten Ton breit sein sollten.
Das ergibt sich alles aus der Analyse und aus den Hörgewohnheiten, die man mittels Phantasie auf die Noten überträgt.
 
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[...] und habe dann angefangen, mich mit 'Autumn Leaves' arrangiert von Kölz zu beschäftigen.
Die Spielart, die dort verlangt wird, insbesondere die Bässe waren mir bis dato völlig fremd.
[...]
Keine einzige Zeile geht ohne Noten.

Hallo Morigol,

ich habe fast den Eindruck, in diesem Fall wird Dir Deine jahrzehntelange Spielpraxis und Geläufigkeit eher zum Hindernis... ;)

Ganz konkret sehe ich die "revolutionäre" Baß-Technik der linken Hand als Hauptproblem. Du kennst seit Ewigkeiten den Stradella-Baß in- und auswendig, es gibt feste Verknüpfungen sowohl motorischer als auch geistiger Art. Ich kann mir vorstellen, daß genau diese Automatismen jetzt insgeheim dazu führen, daß Dir die völlig wilden und auf den ersten Blick zusammenhanglosen Kombinationen (z. B. A-Baß mit C-Moll-Akkord als Am7b5 oder Bb-Baß mit D-Moll als Bbmaj7 usw.) innerlich dermaßen gegen den Strich gehen, daß sie den gesamten Spielfluß hemmen. Das mag ja alles intellektuell klar sein, aber ich kann mir vorstellen, daß der Körper sich (noch) gegen solche scheinbar absurden Kombinationen wehrt.
Und wenn wir in tiefster Seele nicht verinnerlicht haben, was da eigentlich passiert, müssen wir am Notentext kleben, weil wir sonst keinen Plan haben, was wir da drücken müssen (überspitzt formuliert).

Kann es sein, daß Dir das Intro, rubato und balladesk, mit Solo-Baß-Quintfall aus dem Bilderbuch (aber ohne Akkorde) leichter fällt, als der anschließende Swing-Teil mit den "bösen" Akkord-Kombinationen?

Hinzu kommt noch:
Ganz allgemein bin ich der Meinung, daß sich Jazz in der Regel schlecht zum Aufschreiben eignet - zumindest, wenn man über ein gewisses Niveau hinauswill. Das Stück (wenn ich die richtigen Noten gefunden habe, s. unten) ist so gesetzt, als würde man völlig frei vor sich hinspielen - da sind tatsächlich Einwürfe usw. drin, die man eigentlich so improvisieren würde, zumindest mit der entsprechenden Spielpraxis in diesem Genre. Und wenn der Einwurf dann mal anders oder überhaupt nicht kommt, ist das völlig normal.
Nun ist es aber nach meinen eigenen Erfahrungen so, daß ich Schwierigkeiten hätte, exakt nach Noten genau das zu spielen, was ich eine Woche davor ganz locker "frei" gespielt habe. :)

Wäre es eine Idee, mal gezielt Übungen nur mit links und solchen Akkorden zu machen, z. B. die typischen II-V-I-Verbindungen usw. bis zum Umfallen spielen (so, wie man das noch als Kind gemacht hat), um das innere Sträuben und die Blockade zu überwinden?


Ich glaube (ohne die Noten je gesehen zu haben), dass die Töne verschiedene Funktionen erfüllen und dabei nicht linear sind.

Das glaube ich auch, und einen Eindruck vom Stück können sich interessierte Leser hier holen, da gibt es die erste Seite von "Autumn Leaves" in der Kölz-Version zur Ansicht.

Viele Grüße
Torsten
 
Hallo,

danke für eure Hilfen.

Der angegebene link von thorsten stimmt. das sind die Noten.

Die Übungen für links habe ich gemacht, sonst wäre das ganze Stück ja gar nicht spielbar. Hauptsächlich sind das die maj7 Akkorde die beim Greifen erst mal Schwierigkeiten gemacht haben. Das klappt jetzt aber. Auch bin ich mit der entwicklung meiner speilerei zufrieden. Es geht massiv vorwärts :)))

Nur brauche ich eben immer noch die Noten, aber da habt ihr wahrscheinlich recht, dass Jazz so völlig anders funktioniert als das was ich bisher so gespielt habe. Parallel zu dem autumn leaves habe ich auch andere Jazz-stücke die nur in transscription notiert sind rausgesucht und bin hellauf begeistert, wie das klingt. Von freier Improvisation auf die Stücke bin ich noch weit entfernt, aber die Finger jucken schon, sich von den Noten zu lösen.

Das ist ja auch mein Ziel, die Arrangements von Kölz möchte ich hauptsächlich als Anregung benutzen.

Vielen Dank - es geht voran :great:
morigol

Nachtrag:
Ich habe jetzt das Stück analysiert, was ich denn ohne Noten kann und was nicht:
So wie Torsten vermutet hat, funzt das Intro. Das geht ohne Noten.
Im weiteren Verlauf gibt es dann schon Passagen die gehen und irgendwo klemmt es dann wieder. Das sind dann die Stellen, die eben völlig abweichen von dem was ich bisher so spiele, da hat klangbutter recht. Ich denke, dass ich da durch analyse der Noten weiterkomme und zu verstehen versuche, was da passiert. Diese Erkenntnisse werden mir dann wahrscheinlich beim erarbeiten der nächsten Stücke helfen..
Was aber wohl auch ein gravierender Faktor ist - deshalb habe ich ja den Vergleich mit der 'Jalousie' gezogen - das Thema kommt mehrfach, aber immer etwas abgewandelt. In den Noten gibt es ja auch keine Wiederholungszeichen.
Und das ist wohl ein großen Problem, zu wissen, was als nächste kommt.
Ich denke da werde ich wohl völlig von den Noten weg und richtig Jazz lernen, denn was in den Transscriptionen steht, ist ja in aller Regel übersichtlich und auch leicht zu verinnerlichen.
Los gehts ich habe ja noch ein paar Jährchen Zeit. :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Genau, Ausnotiertes ist vor allem im Jazz nur eine von vielen Möglichkeiten. Wenn irgendetwas nicht so spielbar ist, gibt es erstens Alternativen, ähnliche Wirkungen zu erzielen (z.B. auf Bb + dm im Bass zu verzichten und statt dessen nur Bb + Bb Dur zu spielen und die Maj7 rechts einzufügen) oder vielleicht eben auch andere Wirkungen hervor zu rufen.

Wenn Du weißt, dass dies und jenes ein Fill ist, dann spiel ihn nicht 4 stimmig in der Mitte sondern einstimmig eine Oktave höher und entscheide, ob dass cool klingt und Deiner Spieltechnik besser entspricht.
Wenn Du aber gerade das toll findest, was Kölz notiert hat, dann bleib dabei und übe das richtig. Vielleicht kannst Du das im nächsten Stück anwenden und hast ein Kölz-like Arrangement, obwohl er es nicht geschrieben hat.
Bei dieser Musik ist die Suche nach der eigenen Interpretation und dem eigenen Stil eben nicht so begrenzt, sondern schließt auch das Finden von anderen Noten ein.

Ich würde das garnicht auf das nächste Stück verschieben. Nimm doch gleich dieses zur Grundlage.
 
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Genau, Ausnotiertes ist vor allem im Jazz nur eine von vielen Möglichkeiten. Wenn irgendetwas nicht so spielbar ist, gibt es erstens Alternativen, ähnliche Wirkungen zu erzielen

Das ist für den Jazz sicher der sinnvollste Weg. Bei "Echten" Jazzern ist es eh eher verpönt, genau nach ausnotierter Notation zu spielen. Die obige Autumn Leaves Fassung hat mir meihn Lehrer auch in die Hand gedrückt (zusammen mit einer Leadsheetfassung) mit den Worten: Guck dir an, was der Kölz da macht und schau dir seine Ideen an, was man , wie machen kann und dann ran an das leadsheet und schau, was du draus machen kannst.

In diesem Sinne ist das auch sicher mindestens bei jazzigen Stücken gemeint, und so sollte man das auch "auswendig" lernen: Nicht die exakte Tonanordnung ist wichtig, sondern die Harmoniefolgen und die gemeinte Intention ist wichtig, dass man die in den Kopf bekommt. Vom Rest ist m.M. nur wichtig, dass man erkennt, zu was die Teile dienen und die entsprechend spielt, wie man es selber mit seinem Instrument und Können kann.

Genauso sehe ich das übrigens mit dem Tango "la Jalousie" - auch da sind es Variationen des Themas, die im zweiten Teil wiederholt werden. Wenn man den eh alleine spielt, dann ist es relativ egal, ob und wie genau man die Variationen spielt, solange sie in sich stimmig klingen. Wichtig ist auch hier nur, dass man das harmonische Gefüge im Kopf hat und die Themen an sich weiß. Wenn dann die Finger nicht so wollen, wie es in der vor einem liegenden Fassung steht, dann entweder eine andere Fassung, Arrangement oder sonstwas ausprobieren, oder ein eigenes Arrangement draus machen und wie Klangbutter schon schreibt - vereinfachen, umgehen, abändern...

Was spricht denn dagegen? Wenn man sich nicht jeden einzelnen Ton exakt merken kann, aber so das harmonische und thmematische Grundgerüst im Kopf hat, kann man ja uch ohne weiteres ein eigenes Arrangement von sich geben - kann eh keiner kontrollieren, weil man ja aus dem Kopf raus spielt und es bekommt auch eine persönlichen Note. Letzten Endes hägt das Gesamte acuh vom Instrument ab, auf dem man spielt. Z.B. im Bass - je nachdem, wo man den Oktavknick hat, kann ein Basslauf auf dem einen Instrumen saugut klingen und auf dem nächsten "merkwürdig" bis leicht unpassend. Ebenso die Diskantregisterierung, falls die ebenfalls vorgeschlagen wird - Da wäre ich sehr vorsichtig und würd erst mal probieren, ob das auf meinem Instrument denn auch gut klingt, oder ob ich da besser eine andere wähle. So sehe ich auch den Notentext als Vorschlag, den ich nehmen kann, oder auch nicht. wenn mir eine abgewandelte Fassung besser im Kopf bleibt - dann nehme ich die!

So betreibe ich das schon länger. Sich exakt an jede Note halten, mach ich nur bei Klassik. Aber auch hier gilt: Wichtiger, als die einzelne Note ist, zu erkennen, was die bedeuten und sich das Gefüge merken.
Beim Rest erlaube ich mir meine persönlichen Abweichungen. Und wenn ich die dann eher im Kopf behalten kann, weils ja meine Ideen sind und nicht die von einem anderen - um so besser!:)

Gruß, maxito
 
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Hallo zusammen,

ich kann ja alles unterschreiben, was bisher zu dem Thema gesagt wurde. Ich lasse mal spieltechnische Fragen oder klangliche Eigenschaften eines bestimmten Instruments beiseite.

Im Kern geht es mir jedoch immer noch um die Frage, warum ich mir Klassik besser einprägen kann als Jazz. Warum bemerke ich bei klassischen Stücken sofort, wenn ich mich nicht an den Text gehalten habe - ohne dass es falsch im harmonischen Sinne gewesen wäre - , als wenn ich im Jazz sagen wir mal anstelle eines Am7b5 schlicht einen Am7 (im Diskant) greife. Klingt beides im entsprechenden Zusammenhang passend, aber der Am7b5 halt etwas feiner. Liegt es vielleicht daran, dass Jazz im Grunde auf (bezgl. historischer europäischer Musikgewohnheit) unsauberen Klängen beruht, dass im Jazz eine gewisse Beliebigkeit zum Prinzip gemacht wurde?

Von allem Bisherigen abgesehen, das werkgetreue Auswendigspielen ist für mich auch eine Herausforderung, eine Art Gehirnjogging, der ich mich gerne stelle. Ich lerne eben keine Goethe-Gedichte auswendig. Nur beim Jazz klappt das halt nicht so leicht - grrrrrrrrrrrrr.

Viele Grüße

morino47
 
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