"Basslinien schreiben"-Anleitung schreiben

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MortWP
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Guten Sonntag zusammen,

da hier doch mal öfters die Frage "Wie schreibe ich eine Bassline?" auftaucht, habe ich mir gedacht, wär es ganz sinnvoll, die Antworten, die man an sich immer zu hören kriegt, mal zusammenzufassen - vielleicht kann daraus ja sogar ein kleiner Leitfaden für die ersten Schritte im Bandalltag entstehen.
Ich hab einfach mal angefangen - nicht erschrecken, ist ziemlich lang geworden. Der Text erhebt keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit, lest ihn einfach mal und sagt mir Eure Meinung, konstruktive Kritik, Ergänzende Hinweise zu anderen Musikstilen... ich werd mich dann bemühen, das einzubauen, vielleicht wird ja was draus!

Lg, Mort

Mir ist natürlich auch klar, daß es kein "Kochrezept" für Basslinien gibt, sondern das immer vor allem von persönlichem Können, Vorlieben und Geschmack abhängt. Aber es gibt doch so ein paar Grundlagen, die man sich besonders am Anfang immer wieder verdeutlichen sollte, eh man beginnt, sich davon zu lösen und "frei" seine Basslinien zu spielen. Die Grundlagen, die mir geholfen haben, habe ich hier mal versucht, aus dem Kopf heraus aufzuschreiben, vielleicht helfen sie ja dem ein oder anderen doch noch..
Voraussetzungen

Um einen kleinsten gemeinsamen Nenner zu haben, setze ich mal folgende Dinge voraus:
  1. ich folge hier der Schreibweise B = deutsches H und Bb = deutsches B, also schreibe ich B und Bb ("Bes") statt H und B
  2. Die Kenntnis der Töne eines Durakkords (z.B. G (als Akkord) = G-B-D als Töne)
  3. Die Kenntnis der Töne eines Mollakkords (z.B. Am = A-C-E)
  4. Das entsprechende Stück ist im 4/4-Takt (was für 95% der Populärmusik zutreffen dürfte)
  5. Der Gitarrist sagt, welche Akkorde er gerade spielt, oder ich krieg es selber rausgehört ;)
Los geht's!

Wir haben folgendes Problem: Gitarrist und Schlagzeuger haben beim Jammen was gefunden, der Gitarrist ruft zwischendurch eine Akkordfolge und sagt den berühmten Satz "Spiel mal was dazu!" Was spielt man nun als Bassist in einer Rockband??

"Der Bass ist das Bindeglied zwischen Rhythmus und Melodie." (sinngemäßes Zitat eines unbekannten Autors)

Also brauchen wir zwei Dinge:
  1. einen Rhythmus und
  2. eine Melodie bzw. Töne in der richtigen Höhe, optional noch
  3. "Spielerei", benutz ich jetzt mal als Oberbegriff für alles, was die Basslinie interessanter macht, ohne überlebensnotwendig zu sein
D.h. wir müssen uns überlegen, wann (Rhythmus) wir welche (Melodie) Töne spielen.
Der Rhythmus

Hier sollte man - wie überall - einfach anfangen und den Schwierigkeitsgrad langsam erhöhen.
Der einfachste Fall wäre, einen Ton auf die Eins des jeweiligen Taktes zu spielen. Das klingt jetzt sehr langweilig, aber ist oft nicht falsch und bietet ne Menge von Variationen, die sich schon durchprobieren lassen, besonders wichtig: Wann hört der Ton wieder auf? Lass ich ihn nur ganz kurz knallen und nehme den Finger direkt wieder von der Seite? Oder lasse ich den Ton im Raum stehen, bis ich den nächsten Ton anspiele? Das kann den Charakter eines ganzen Stücks verändern.
Natürlich kann man auch mehr Töne pro Takt spielen, z.B.
  • 2 halbe Noten
  • 4 Viertel (oft benutzt, gibt ein Walking-Bass Gefühl, passend für Jazz und Ska oder sonstige Musik, wo man ein stabiles Fundament legen will)
  • 8 Achtel, 16 Sechzehntel etc.
Wichtig dabei ist, daß Pausen auch Noten sind: D.h. evtl. auch mal eine Note nicht spielen - wenn ich lauter Achtel spiele und dann eine weglasse, kann das einen ziemlichen Aha-Effekt haben. Also kan "4 Viertel" z.b. auch "Viertel - Pause - Viertel - Viertel" bedeuten.
Wenn ich jetzt noch sage, daß man natürlich auch jeden Noten- und Pausenwert mit dem anderen kombinieren kann, sind wir wieder so schlau wie am Anfang... also versuche ich mal, das ganze auf Faustregeln zu reduzieren:
  • Auf die 1 eines jeden Taktes gehört ein Ton
  • die weiteren Töne am besten dort plazieren, wo der Schlagzeuger auch die Bassdrum spielt
  • oder dort, wo der Gitarrist in die Saiten haut (ich persönlich finde aber, als Bassist sollte man eher mit dem Schlagzeuger als dem Gitarristen zusammenspielen)
  • lieber einen Ton zu viel weglassen, als einen zuviel Spielen - hauptsache, man kriegt die Anzahl der Töne noch beherrscht ( = es klingt "tight" = es "groovt")
Damit hat man schon einige Möglichkeiten an Variationen, die einem das Mitspielen ermöglichen sollten - was genau man spielt, hängt natürlich auch von der jeweiligen Musikrichtung und dem Geschmack ab, hier hilft nur: Viel hören! CDs oder am besten sogar Livekonzerte. Wenn man den Bassrhythmus nicht genau heraushören kann, spielt der Bass höchstwahrscheinlich den Rhythmus, den man auch tanzen würde - Bass ist m.E. das "emotionalste" Instrument :).
Die Melodie

So, bestenfalls haben wir jetzt einen Rhythmus gefunden und können den auch mitklopfen oder auf abgedämpften Saiten mitspielen. Aber auf welchen Tönen spielt man diesen Rhythmus auf dem Instrument? Auch hier gibts wieder eine einfache Möglichkeit: Den Grundton des jeweiligen Akkordes. Der sollte (wieder eine Faustregel!) zumindest auf der Eins des jeweiligen Taktes erklingen. Je nach Musikrichtung auch ruhig mal den ganzen Takt lang nur Grundtöne in Achteln gespielt - einige Blink 182-Lieder leben davon. Allerdings muß es ja nicht nur der Grundton sein - es gibt ja noch andere Intervalle, in aufsteigender Schwierigkeit kann man dazunehmen:
  • Die Oktave (nach oben / nach unten)
  • Die Quinte (5. Stufe)
  • Die Terz (3. Stufe, Achtung: Große Terz bei Dur, kleine Terz bei Moll)
  • Die Septime (7. Stufe, auch hier wieder unterscheiden zwischen großer / kleiner Septe, am besten so, daß es klingt ;))
  • Die Sexte (6. Stufe)
  • alle anderen Intervalle
Wenn man diese Intervalle nun geschickt einsetzt, kann man schon viel damit reißen. Spielt man z.B. beim jeweiligen Akkord Grundton-Terz-Quinte-Terz in Vierteln, kann man damit schon einen ganzen Blues bestreiten.
Ein anderer Ansatz wäre, Töne zu nehmen, die nicht zum aktuellen Akkord gehören, aber zum nächsten Akkord hinleiten. Als Beispiel eine C - F - Akkordfolge, dort kann ich nun entweder die Akkordtöne spielen:
|C E G E|F A C A|C
oder ich spiele nach dem C im ersten Takt direkt eine Annäherung in Halbtonschritten ("chromatisch") zum Grundton des nächsten Akkordes, des F:
|C D D# E|F E D C#|C
Gerade bei Metal oder Folk bietet es sich auch an, sich auf Grundton und Quinte zu beschränken und so das Akkordgeschlecht (= Dur oder Moll) bewußt offen zu lassen.

All das mag jetzt sehr trocken klingen, man kriegt aber relativ schnell einen guten Bezug dazu, wenn man sich regelmäßig "trocken", d.h. ohne Band, die einzelnen Intervalle vorspielt, wenn man sie einmal im Ohr hat, geht es fast automatisch.
Spielereien

Unter Spielereien verstehe ich die Sachen, die die Basslinie als solche nicht verändern und keine größeren Überlegungen bezüglich Harmonik oder Rhythmik erfordern, aber doch einen großen Effekt haben können. Einige Beispiele:
  • Verschieden laute (= verschieden stark angeschlagene) Töne
  • Fingerstyle-Spielen vs. Plek-Spiel vs. Geslappe vs. Gepoppe vs. eine Kombination aus allem
  • Verzierungen, Umspielungen (spiele ich z.B. ein D als Leersaite, kann ich ganz kurz nach dem Anspielen den 1. Bund der D-Saite greifen und sofort wieder loslassen, habe also eine Art D-Eb-D - Triller)
  • Hammer-ons
  • Pull-offs
  • Das Anschlagen der Saiten an verschiedenen Stellen des Instruments (Richtung Griffbrett wird der Ton obertonreicher, Richtung Brücke eher knackig-rockig...)
  • etc. pp.
So, ich hoffe, das war als erster Überblick halbwegs verständlich... korrigiert mich, wenn ich was Falsches sage oder was vergessen habe, für Ergänzungen bin ich dankbar!
 
Eigenschaft
 
Gute Arbeit!
Für Anfänger die mit einfachen Mittel eine brauchbare Basslinie zusammenstellen wollen eine gute Zusammenfassung, jedoch würde ich ein paar Sachen noch überarbeiten bevor das als Workshop gepostet wird, z.B.:
# "Auf die 1 eines jeden Taktes gehört ein Ton"
# "die weiteren Töne am besten dort plazieren, wo der Schlagzeuger auch die Bassdrum spielt"

Das halte ich für etwas zu pauschal gesagt....
 
jedoch würde ich ein paar Sachen noch überarbeiten bevor das als Workshop gepostet wird, z.B.:
# "Auf die 1 eines jeden Taktes gehört ein Ton"
# "die weiteren Töne am besten dort plazieren, wo der Schlagzeuger auch die Bassdrum spielt"

Das halte ich für etwas zu pauschal gesagt....

Ich auch - aber mir ist da noch keine Lösung eingefallen. Weil, je weniger pauschal, desto mehr komplex... und wenn man ganz von diesen Faustregeln Abstand nehmen will, läuft es m.E. wieder auf die bittere Wahrheit "Es gibt kein Patentrezept, und gut ist, was gut klingt" heraus. Das wäre dann zwar richtig, aber im Grunde wär damit auch keinem geholfen. Wenn Du ne Umformulierung hast, sehr gerne!
 
Ich würde bezüglich des Rhytmus schreiben:
# Um ein Gefühl für den Rhytmus einer Basslinie zu bekommen, hört viel Musik und schaut euch Guitar Pro-Files von Bands mit guten Bassisten an
# Achtet darauf, dass das was ihr spielt sowohl zu der Melodie des Lieds und des Gitarristen als auch zum Rhytmus des Schlagzeugs passt

Aber eigentlich hast du Recht, eine Art "Rezept" könnte cih jetzt auch nicht formulieren...
 
"Grundton auf der 1" (möglichst auch auf Akkordwechsel innerhalb des Taktes) halte ich schon für eine wichtige Faustregel, die man nicht ohne Grund brechen sollte, schließlich sollte der Bass eine rhythmische und harmonische Orientierung bieten. Auf die anderen Instrumente zu hören, ist natürlich hilfreich, sollte aber keine starren Regeln für die Basslinie liefern. Der Rhythmus muß sich aus dem Gefühl heraus ergeben, wenn sich nichts anderes aufdrängt, spielt man eben seine Halben/Viertel/Achtel durch.

Was ich noch vermisse, sind Triolen und Shuffle, aber das geht wohl über den ersten Ansatz hinaus. Es ist ja auch die Frage, wie eng man den Begriff 4/4-Takt als Voraussetzung sieht.
 
"Grundton auf der 1" (möglichst auch auf Akkordwechsel innerhalb des Taktes) halte ich schon für eine wichtige Faustregel, die man nicht ohne Grund brechen sollte, schließlich sollte der Bass eine rhythmische und harmonische Orientierung bieten. Auf die anderen Instrumente zu hören, ist natürlich hilfreich, sollte aber keine starren Regeln für die Basslinie liefern. Der Rhythmus muß sich aus dem Gefühl heraus ergeben, wenn sich nichts anderes aufdrängt, spielt man eben seine Halben/Viertel/Achtel durch.

Stimmt, man ist da in so einer Art Spannungsfeld, wo man halt einfach gucken muß, was man in der individuellen Situation so macht.

Ausnahmen von der Regel gibt's z.B. in dem genialen "Latin Bass Book": herbizid geile Rhythmusmuster aus Kuba und Brasilien (besonders beim umgedrehten Partido alto :D ). Aber kann man natürlich nicht machen, wenn die Band da ned mit rechnet - das gibt auf Sessions todsicher ein Fiasko ;) .
Von Ron Carter gibt's Walkinglinien, bei denen er alle soundsoviel Takte lang mal die Eins wegläßt bzw. eine Dead Note auf die Eins und legt. Sehr nett. :great:
Und das erste Stück auf Quincy Jones' "Back on the block" hat sehr schöne Figuren, wo sich das meiste nur um die 3 und 4 rum abspielt...:screwy:

Aber Grundtöne auf Einsen bzw. Akkordwechseln sind auf jeden Fall bei Sessions oder noch ned eingespielten Bands äußerst schlau. Und auch sonst meistens so.;)

Michael
 

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