Diskussion: Modal Interchange (Modale- oder Dur-Moll-Austauschbarkeit)

Vorausgesetzt ich interpretieren deinen Beitrag richtig:

Der Modus stellt das Tonsortiment, und mit diesem Tonsortiment arbeitet der Komponist und Soloist. Ein Modus ist eine Tonleiter, keine Tonart.
Also für mich ist ein Modus schon eine Tonart. Z.B. alle Stufen im Ionischen-System (VII ist da, spezieller zu behandeln) lassen sich in Dur- und Moll-ähnlichen unterteilen. Dorisch ist z.B. für mich ein viel helleres Moll. Heller wird es für mich dadurch das die Sexte groß und nicht klein ist; also durch die übernahmen der Dur-Sexte statt Moll-Sexte. Funktioniert sehr gut als Tonika wie auch alle anderen Stufen.

Es macht nicht wirklich Sinn ein modales Stück Musik mit der Begrifflichkeit der Funktionstheorie zu analysieren, also zum Beispiel mit römischen Ziffern zu chiffrieren welche eine Stufenbewegung implizieren die gar nicht vorhanden ist.
Ich glaube du bringst da was durcheinander. Dei Bezeichnung mit römischen Ziffern stammt nicht aus der Funktionstheorie (FT) sondern aus der Stufentheorie (ST) und wird extrem (in erweiterter Form bzw. modifizierter Form) in der Akkord-Skalen-Theorie (AST); allerdings ist die Stufentheorie wesentlich älter (Wiki sagt dazu: Jacob Gottfried Weber (1779–1839)).
Man muss da auch wirklich sehr stark zwischen Stufen- und Funktionstheorie unterscheiden. Z.B. beschriebt die ST keinerlei Spannungsbeziehungen zwischen Akkord sondern grob gesagt nur deren Lage zu einander. Es werden da auch keinerlei Deutungen vom Klang gemacht sondern nur "beschreiben" welche Töne zur Anwendung kommen (z.B. mit Akkordsymbolik (im Jazz/Popularmusik) oder Generalbassnotation). Aber das sit auch nciht der Anspruch der ST.
Die FT dagegen gibt "klare" angeben über Spannungsbeziehungen und nimmt auch Deutungen von Klängen vor und das ist auch deren Anspruch im Gegensatz zur ST.
Für mich ganz klar ein erheblicher Unterschied.

Insofern kann ich deine Argumente (bedenken?) nur bezüglich der Funktionstheorie verstehen, weil man in einem nicht Moll-Dur-Modus z.B. nicht ohne weiteres immer die 5. Stufe als D7 (dom7) bezeichnen kann, weil der erwartet klang nicht vorhanden ist - Beispiel in E-Phrygisch:
Im7 = Em7
Vm7b5 = Bm7b5 bzw. Bø7

Eine stufentheoretische Bezeichnung ist sehr schmerzfrei und kurz: Im7 | Vø7
Man erkennt die Lage zueinander und die Töne. Mutmaßungen bzw. klangliche Deutungen sind nicht gemacht, genauso wenig wie Spannungsbeziehungen (Okay, implizit lassen sich für das geschulte Auge da Spannungsbeziehungen doch erkennen, mir geht es aber nur darum zu sagen dass dafür die ST nicht dar ist bzw. das es nicht deren Anspruch ist ;) -- Kurz egal was sich nun hinter der 5. Stufe befindet man kann immer römisch 5 schreiben mit Angabe zusätzlicher töne :)
Aus FT Sicht wäre die V in Phrygisch keine dom7, obwohl dennoch dominantische Charakter (und IMHO noch Unstabiler als ein D7). Hier wird IMHO klar das auf der 5. Stufe nicht immer ein D7 angeben kann, weil das D7 einen klang und Funktion beschreibt, was ein V nicht tut. Hmm, vielleicht würde man für die 5. in Phrygisch da wahrscheinlich D mit irgendwelchen vorhalten/Ersetzungen(?) notieren - MaBa was meinst du wie man das in FT notieren würde?

Gruß
 
voice7...

ich rede von Modalität.

Habe noch einen Titel eingefügt, alles was nach dem Titel kommt bezieht sich auf Modalität. Eine gregorianischer Gesang, oder eine Raga hat keinen V7, auch keinen Im6...
 
voice7...

ich rede von Modalität.

Habe noch einen Titel eingefügt, alles was nach dem Titel kommt bezieht sich auf Modalität. Eine gregorianischer Gesang, oder eine Raga hat keinen V7, auch keinen Im6...
Das ist mir nicht entgangen! Schließlich lässt die histographische Häufigkeit des Begriffs in deinem Beitrag und der Inhalt keine andere Schlüsse zu. Lies dir noch mal meinen Beitrag genauer durch, mit Berücksichtigung des Kontextes (die quota), dann wird dir klarer was ich meine ... ansonsten fnord, bezüglich Lesebereitschaft/verstehens/und so...

Wie gesagt, ich wollte dir bei der Funktionstheorie durchaus zustimmen, aber eben auch klarstellen das du Funktionstheorie und Skalentheorie durcheinaderwarfst in deinem Beitrag:
Es macht nicht wirklich Sinn ein modales Stück Musik mit der Begrifflichkeit der Funktionstheorie zu analysieren, also zum Beispiel mit römischen Ziffern zu chiffrieren welche eine Stufenbewegung implizieren die gar nicht vorhanden ist.
SDT = FT != IV|V|I = ST

EDIT:
ST schließt Modalität nicht aus im Gegensatz zu FT. Insofern sind die von dir bezeichneten römischen Ziffern sehr wohl mit ST vereinbar, weil die ST keinerlei Aussagen von Spannungsbeziehungen, Klangdeutung, ... macht. So verständlicher?

EDIT2: Und stufenbewegungen gibt es immer, auch wenn sie "Vielgestaltig"sind: I7, Im7, Ib5, bIo. Was wäre das, für dich? Ist IMHO eine Stufenbewegung, aber nicht im klassischen bzw. Funktionstheoretischen Sinn.
 
voice7

irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass du modale Musik nicht kennst...

http://de.wikipedia.org/wiki/Modaler_Jazz
http://en.wikipedia.org/wiki/Modal_jazz

... da gibt es keine SDT = FT != IV|V|I = ST und auch keine I7, Im7, Ib5, bIo.
Modale Musik (Modalität) wird mit ganz anderer Begrifflichkeit beschrieben.

Ausserdem möchte ich noch erwähnen das Funktionstheorie nur in Deutschland existiert, überall anders gibt es das nicht, respektive ist nur dem Experten ein Begriff. Ich hab $750.00 bezahlt für die englische Überstzung von Diether de la Motte's Harmonielehre.
 
voice7

irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass du modale Musik nicht kennst...

http://de.wikipedia.org/wiki/Modaler_Jazz
http://en.wikipedia.org/wiki/Modal_jazz

... da gibt es keine SDT = FT != IV|V|I = ST und auch keine I7, Im7, Ib5, bIo.
Modale Musik (Modalität) wird mit ganz anderer Begrifflichkeit beschrieben.

Ausserdem möchte ich noch erwähnen das Funktionstheorie nur in Deutschland existiert, überall anders gibt es das nicht, respektive ist nur dem Experten ein Begriff. Ich hab $750.00 bezahlt für die englische Überstzung von Diether de la Motte's Harmonielehre.
Selbstverständlich kenne ich modale Musik. Wie ich oben schon angedeutet habe machst du dir keinerlei mühe meine Beiträge richtig zu lesen, geschweige zu verstehen.

Also nochmal:
das Zeichen = bedeutet gleich
Das Zeichen != bedeutet ungleich
FT = Funktionstheorie.
ST = Stufentheorie.
SDT = Subdominante, Dominante, Tonika.
IV|V|I = Stufe 4 5 und 1.

Mit SDT = FT != IV|V|I = ST wollte ich dir (nun zum dritten mal) klar machen das die Funktionstheoire ungleich der Stufentheorie ist und man die Stufen IV|V|I in modaler Musik nicht mit SDT gleichsetzen kann!! FT ist also ungleich ST und SDT ist ungleich IV|V|I und warum das so ist habe ich in Beitrag #21 erklärt.

Die Fehler habe ich in Beitrag #21 angesprochen und in #23 zusätzlich den Kontext geliefert (rote Makierungen im quote!)

Ferner:
1. Habe ich nicht behauptet das es es SDT = FT != IV|V|I in modaler Musik gibt (das ist übrigens eine Ungleichung!), sondern damit lediglich zu verstehen gegeben das FT ungleich ST ist, was du behauptet hast (ja, hast du, in dem du gesagt hast das man in Funktionsharmonik römische Ziffern benutzt, was falsch ist und nur in der Stufentheorie verwendet wird!)
2. I7, Im7, Ib5, bIo Zeigt eine Stufenbewegung bzw. modale Bewegung (du sagtest ja das in modaler Musik keinerlei Stufenbewegung vorhanden ist) weil dort auf den Grundton Skalenwechsel stattfinden (=die Modalitäten werden geändert).


... und jetzt kannst du gerne weiterhin behaupten das die Stufentheorie für modale Musik unbrauchbar ist :rolleyes: ... naja, falls meine und deine Beiträge nicht gelöscht werden :rolleyes: ... eh egal, Thema ist gegessen.

fnord
P.S.: Bin raus aus dieser Diskussion. Wenn man sich nicht mal die mühe macht meine Beiträge richtig zu lesen...

no future commentl!!
 
Modalität

Modalität dagegen ist funktionsfrei, modale Musik moduliert nicht, es finden keine Progressionen statt.

Das wesentliche Merkmal von modaler Musik ist das sie eine, oder mehrere Ebenen hat. Innerhalb einer solchen Ebene ist der Modus das wesentliche und auch namensgebende Element, z.B Dorisch, Hypodorisch, Mixolydisch, Hypomixolydisch etc.. Der Modus stellt das Tonsortiment, und mit diesem Tonsortiment arbeitet der Komponist und Soloist. Ein Modus ist eine Tonleiter, keine Tonart.

Da ich mich mit modalem Jazz auch nicht wirklich auskenne, habe ich mal nach einigen Stücken, die in der Neuen Jazz-Harmonielehre als Beispiele genannt werden, gesucht und mir angehört.

Sehr schön klingt "Flamenco Sketches" (YouTube-Link)

Das ist die Klangfolge (Akkordfolge wäre wohl etwas ungenau):
|| Cma7 (ionisch) || Ab7sus (mixo.) || Bbma7 (ionisch) || D7 (HM5) || Gm7 (dorisch) ||
Jeder einzelne Klang wird förmlich ausgekostet. Allerdings höre ich eindeutig innerhalb jeder Klangfläche eine V-I-Kadenz. Der Baß spielt immer eine Quinte auf der vierten Zählzeit. Das Piano spielt meistens Stufenverschiebungen. Im Endeffekt ergeben sich für mich doch Funktionen innerhalb der Flächen:

  • Ionisch klingt nach V7sus | Imaj7
  • Mixolydisch klingt nach Vm7 | I7(sus4)
  • Über D7 (HM5) erfolge oft eine Verschiebung der Dreiklänge Eb und D. Auch hier klingt es nach V-I-Kadenz Vø7/I (Eb/A = Aø7b9). Erinnert mich an phrygisch.
  • Dorisch klingt nach V7sus | Im7

Dadurch, daß die einzelnen Klangflächen sehr lang sind, wirken sie immer nur für sich, was ja auch der Zweck bei dieser Kompositionsweise ist. Auch wenn das Kompositionskonzept auf Klangflächen basiert, innerhalb der einzelnen Flächen klingt es für mich funktional, zumindest in dieser Aufnahme.

Gruß
 
Das ist die Klangfolge (Akkordfolge wäre wohl etwas ungenau):

|| Cma7 (ionisch) || Ab7sus (mixo.) || Bbma7 (ionisch) || D7 (HM5) || Gm7 (dorisch) ||

Jeder einzelne Klang wird förmlich ausgekostet. Allerdings höre ich eindeutig innerhalb jeder Klangfläche eine V-I-Kadenz. Der Baß spielt immer eine Quinte auf der vierten Zählzeit. Das Piano spielt meistens Stufenverschiebungen. Im Endeffekt ergeben sich für mich doch Funktionen innerhalb der Flächen:

  • Ionisch klingt nach V7sus | Imaj7
  • Mixolydisch klingt nach Vm7 | I7(sus4)
  • Über D7 (HM5) erfolge oft eine Verschiebung der Dreiklänge Eb und D. Auch hier klingt es nach V-I-Kadenz Vø7/I (Eb/A = Aø7b9). Erinnert mich an phrygisch.
  • Dorisch klingt nach V7sus | Im7

Dadurch, daß die einzelnen Klangflächen sehr lang sind, wirken sie immer nur für sich, was ja auch der Zweck bei dieser Kompositionsweise ist. Auch wenn das Kompositionskonzept auf Klangflächen basiert, innerhalb der einzelnen Flächen klingt es für mich funktional, zumindest in dieser Aufnahme.

Diese Sichtweise macht Sinn. Klangfläche ist ein treffendes Wort, werde ich in mein Vokabular ubernehmen..


Die ersten sechs Takte von "Crystal Silence" würde ich so beschreiben:

| Am | Em | Fmaj7 | Bm7 | Bbmaj7 | Am7 |

Takt 1: Aeolisch
Takt 2: Phrygisch
Takt 3: Lydisch
Takt 4: Dorisch
Takt 5: Lydisch
Takt 6: Aeolisch

| Am | Em | Fmaj7 | ist die Tonika-Ebene. Takt vier | Bm7 | ist eine 'non-tonic' dorische Ebene, Takt fünf eine 'non-tonic' lydische Ebene, und bei Takt sechs sind wir wieder auf der tonikalen Ebene. Mehr braucht es eigentlich nicht wenn man dieses Stück mit der Sprache der Modalität beschreibt. Es wäre dann eher wichtig die Art und Weise der Melodie näher zu analysieren, in aller Modalität ist die Melodie das Wesentlichere.
 
Hallo zusammen,

jetzt fängt es an spannend zu werden (danke Mathias und Hagenwil). Wie Ihr ja sicher inzwischen mitbekommen habt, ist mir Begriffsklauberei ein Gräuel. Insofern finde ich Diskussionen wichtig, die sich mit Begriffen und Definitionen befassen - nicht um diese zu zementieren, sondern um sie - im Gegenteil - zu hinterfragen, erweitern und eventuell ganz über Bord zu werfen. Inzwischen entwickelt sich dieser Thread lustig weiter, und ich weiß gar nicht so recht, wo ich überall einhaken kann, soll und will (und wo Ihr die Zeit hernehmt, so oft eingeloggt zu sein, ist mir schleierhaft). Leider entwickelt sich die Diskussion auch so, wie ich es befürchtet habe - zu einem Glaubenskrieg der Standpunkte. Vielleicht kann ich ja ein wenig dazu beitragen, dass das Ganze etwas weniger aufgeregt gesehen wird.

Fangen wir daher von hinten an (es wäre wahrscheinlich nicht schlecht, wenn Ihr Euch alle nochmal "Crystal Silence" anschauen/-hören würdet). Hagenwil (wer immer Du bist, da ich mich voller Zerknirschung mit dem besten Willen nicht mehr daran erinnern kann, wann wir uns getroffen haben; grundsätzlich habe ich es gern, wenn ich weiß, mit wem ich es zu tun habe; insofern wäre ich Dir dankbar, wenn Du Dein Pseudonym lüften könntest; wir sind zu nah am RL dran für Spielchen) - in Deinem letzten Post hast Du Deine Sichtweise von „Crystal Silence“ beschrieben. Mit der Skalenzuordnung bin ich natürlich grundsätzlich einverstanden (bei B-7 müssten wir diskutieren - für mich ist das G in der Melodie davor und danach zu stark, als dass ich B-7 Dorisch höre). Auch mit der Einteilung in tonikale und nicht-tonikale Bestandteile habe ich keinerlei Probleme. Nur mit dem Wort „Ebene“ habe ich so meine Schwierigkeit. Anders als bei „Flamenco Scetches“, wo man sehr viel Zeit in einer Farbe (Klangfläche) verbringt, kommt bei „CS“ eine zeitliche Komponente ins Spiel, die für die Wahrnehmung meines Erachtens sehr wichtig ist.

Da die Akkordfolge (trotz Balladentempo) recht aktiv ist, höre ich nicht Einzelklänge (wie bei „Flamenco Scetches“) sondern Beziehungen. Nun ist es aber nicht so, dass diese Empfindungen „die Sprache der Modalität“ aushebeln (wie gesagt - ich bin ja mit Deiner Skalenzuordnung prinzipiell einverstanden). Was mir aber fehlt, ist das Bekenntnis zu A-7 als Tonika - denn ich kann mir nicht vorstellen, dass Du A-7 nicht als I hörst (bitte kommentieren!). Wenn Du aber A-7 als I hörst, dann wirst Du E-7 und Fmaj7 zwar als Teil der tonikalen Ebene wahrnehmen (hier ist „Ebene“ nicht ganz so schlecht, weil die Passage eine gewisse Zeit in Anspruch nimmt), da sie natürlich dasselbe Tonmaterial beinhalten und damit diatonisch zueinander sind (A-7 Äolisch = E-7 Dorisch = Fmaj7 Lydisch).

Da ich aber A-7 als I wahrnehme, empfinde ich A-Äolisch als Zentralmodus. Das bedeutet wiederum, dass meine Ohren E-7 und Fmaj7 als sekundäre Bestandteile der Grundfarbe einordnen. Erstes Fazit: ich höre eine übergeordnete modale Farbe (tonikal), höre aber gleichzeitig auch Stufenbewegung innerhalb dieser Farbe (I-7, V-7, bVImaj7).

Aufgrund der Leittönigkeit innerhalb des Tonmaterials der Grundfarbe, höre ich aber nicht nur Stufen, sondern auch Spannungsbeziehungen. Ich höre einen ruhenden Anfangsklang (wobei man darüber diskutieren könnte, wie ruhend ein Klang tatsächlich wirkt, wenn die b7 in der Melodie liegt). Und dann höre ich zwei Klänge, die sich von diesem Ruhepol immer stärker entfernen (E-7 ist als V-7 schon recht instabil; Fmaj7 als bVImaj7 ist wegen der Leittonbewegung b6-5 und der #11 im Sound besonders instabil). Beide Akkorde erzeugen ein Spannungspotenzial, das wieder zur Tonika zurück führen will. Zweites Fazit: ich höre die Passage funktional weil kadenziell.

Wenn man den B-7 anhört, dann ist er deutlich als II. Stufe einzuordnen (für Dich - Hagenwil - vielleicht deshalb als dorische Farbe, weil man traditionellerweise einen -7-Akkord auf der II. Stufe Dorisch spielt; aber - wie gesagt: das G in der Melodie spricht für Äolisch; ich selber habe kein Problem mit einer Äolisch gespielten II. Stufe). Wichtig für mich ist, dass ich die Progression B-7 - Bbmaj7 - A-7 deutlich als II-V-I-Verbindung höre (natürlich mit diversen Substitutionen, die allerdings nichts an meiner Grundwahrnehmung ändern). Damit höre ich die ersten 6 Takte von CS als ein Spannungsbogen, der von einer Tonika weg und wieder zu ihr zurückführt,

Was schliesse ich aus dem was ich höre (und eine meiner Maximen ist, dass eine Analyse nur dann Bestand hat, wenn sie vom Ohr nachvollziehbar ist - sonst ist sie nur intellektuelle Onanie; der Umkehrschluss - dass sich meine Klangwahrnehmung auch in der Analyse niederschlagen muss - gilt für mich natürlich auch)? Ich habe mit „Crystal Silence“ eine Situation vor mir, der ich mich aus verschiedenen Blickwinkeln (modal, stufen-theoretisch, funktional) nähern kann, ohne dass diese Blickwinkel voneinander abgegrenzt werden müssen. Im Gegenteil - ich will sie gar nicht voneinander trennen, weil sie sich ergänzen und meine Klangwahrnehmung in vielen kleinen Bestandteilen unterstützen bzw. bestätigen. Ich höre nicht „entweder - oder“ sondern „sowohl als auch“. Warum sollte ich meine Wahrnehmung beschneiden, nur weil ich angeblich „entweder - oder“ denken muss?

Und damit sind wir beim eigentlichen Thema dieses Threads. Hagenwil - Du hast natürlich mit Deinem gestrigen Post (Nr. 20) vollständig Recht. Das einzige Problem, das ich dabei habe, ist, dass Du auf das 8. und 16. Jahrhundert verweist und wir im 21. leben. Im 8. Jahrhundert gab es noch keine Harmonik - also wäre es überflüssig und historisch falsch aus diesem Blickwinkel über Stufen oder Funktionen zu reden. Im 20. Jahrhundert tauchen Begriffe wie Dorisch, Phrygisch usw. im Jazz plötzlich wieder auf - nun aber mit 500 Jahren harmonischer Entwicklung im Rücken. Und das berechtigt meines Erachtens zu einem Paradigmenwechsel. Ich bin der Meinung, dass man nun Dinge miteinander vermischen darf, die ursprünglich streng zu trennen waren (und auch getrennt wurden).

Ich glaube, dass Begriffe und ihre Umsetzung in die Praxis tatsächlich eine epochale Komponente und damit auch eine zeitlich beschränkte Wertigkeit haben. Was im 8. Jahrhundert oder in den 50er Jahren richtig gewesen ist, muss heute nicht mehr unbedingt stimmen. Blickwinkel ändern sich, Stile auch - warum sollen sich dann nicht auch die Begriffe bzw. die dazugehörigen Konzepte ändern? Ich möchte das mit einigen Gedanken zum Thema “V-I” erläutern.

Mathias - Du sagst im Post Nr. 17 etwas ganz Wichtiges: Zitat „Ich bin immer davon ausgegangen, dass ein zentraler Aspekt der Epoche modaler Musik der war, möglichst auf V(7) I zu verzichten….”. Das ist - aus historischer Sicht - durchaus richtig, ist aber eben nur ein kurzer Zwischenschritt auf dem Weg zu einem viel reichhaltigeren Verständnis von Funktionalität und Modalität (“Nardis” - als tendenziell phrygisches Stück zeigt schon zur gleichen Zeit wie z.B. “So What” eine wesentlich komplexere Vermischung von Stufen, Funktionen und modalen Beziehungen).

Daher als Antwort auf Deine Frage: Ich rede auf S. 168 nicht von V7-Akkorden (als konkrete Funktion), die mit Vorsicht zu behandeln wären, sondern unter Punkt 5/6 ganz bewusst von Septakkorden und -7(b5)-Akkorden als allgemein auflösungsbedürftige Klänge, die das traditionell geprägte Ohr mit Auflösungserwartungen verbindet, die ihrerseits ein anderes als das tatsächliche tonale Zentrum suggerieren können.

An der V-I-Bewegung selber kommt man aus historischen und physikalischen Gründen nicht vorbei (siehe S. 168, 4. Punkt). Es ist aber vollständig unerheblich, ob es sich bei der V um einen V7, V-7 (geringere Auflösungstendenz als V7) oder V-7(b5) handelt (sehr starke Auflösungstendenz; stärker als V7-Mixo, ähnlich stark wie V7-Alt in Dur; McCoy anhören - der benutzt letzteren Sound sehr oft als V!!). Die Grundtonbewegung reicht allemal, um ein Kadenzverhalten zu begründen. Deshalb wird man die Akkordverbindung V-7 / I7 (in Mixolydisch) ganz klar als Kadenz hören (wie MaBa richtig anmerkt), sobald die Akkorde formal im harmonischen Fluss so platziert werden, dass I7 auch wirklich als Tonika spürbar ist. Dasselbe gilt auch für IV-I, unabhängig von den Akkordtypen (siehe S. 169 ganz oben). Das bedeutet: gibt dir irgendein Modus die Möglichkeit eine diatonische V-I-Verbindung zu bilden (egal mit welchen Akkordtypen), dann wird diese Akkordverbindung eine modustypische Kadenz sein (Ausnahme: Vmaj7 / Imaj7 in Lydisch - z.B. Fmaj7 / Bbmaj7; hier dreht das Ohr die Funktionsbeziehung sofort zu Imaj7 / IVmaj7 um, weil es die viel geläufigere Funktionsverbindung ist; ausprobieren!).

Ich habe festgestellt, dass ich (wie auch viele Kollegen, mit denen ich diskutiere) mit zunehmender Erfahrung immer weniger in Kategorien wie “V-I” sondern in Konzepten wie “Auflösung-Zielklang” höre/spiele/schreibe.

Ein einfaches Beispiel: C7 (Gb7) - Fmaj7, A7 (Eb7) - D-7 und E7 (Bb7) - A-7 sind alles V-I-Verbindungen (wobei ich hier schon nicht mehr zwischen den Dominanten und ihren Tritonusvertretern unterscheiden möchte, da sie dieselbe funktionale Bedeutung haben). Da aber Fmaj7, D-7 und A-7 allesamt Tonikaqualität in F-Dur haben, können sich alle Septakkorde (C7, Gb7, A7, Eb7, E7, Bb7) nach Fmaj7 auflösen (oder nach D-7 bzw. A-7). Es ist dabei aus kadenzieller Sicht vollständig unerheblich, welche Auflösungsvariante ich wähle, da jede gleichermaßen das V-I-Prinzip verkörpert (mit unterschiedlichen Spannungsverläufen). Bb7 - Fmaj7, E7 - D-7, Gb7 - A-7 usw. erzeugen zwar unterschiedliche Klangbilder, haben aber prinzipiell dieselbe Wirkung. Welche Variante ich wähle (z.B. als Komponist), hängt von ästhetischen Kriterien, Stimmführungspräferenzen, ungewöhnlichem Basslinienverlauf etc. ab.

Noch ein Beispiel: Löst man sich von funktionalen Beziehungen und überträgt den kadenziellen Gedanken auf Modalitäten, dann kann man eine Grundmodalität als Tonika (I) definieren. Das ist die Grundidee des “Lydian Chromatic Concept…” von George Russell. Er propagiert (und Miles war einer seiner gelehrigsten Schüler), dass sich Klänge zu dieser Grundfarbe “in-going” oder “out-going” verhalten. Je weiter sich das verwendete Tonmaterial von der Grundfarbe entfernt (out-going) befindet, umso stärker ist ihre kadenzielle Wirkung (V). Je weiter man sich der Grundfarbe nähert (in-going), umso geringer wird auch ihr Spannungsgefühl und Auflösungsbedürfnis.

Entscheidend für mich ist, dass es bei beiden Beispielen um dasselbe geht: Spannung-Entspannung. Solche Überlegungen führen irgendwann zu einem universalen V-I-Konzept (im übertragenen Sinn), das sich nur noch über das Maß an Abweichung vom Grundklang und nicht mehr über modale oder funktionale Zuordnungen definiert. Dann gibt es eine I (egal, was das ist - ein Akkord, eine Skala, ein begrenztes Tonmaterial, ein Konzept) und mögliche “Störungen” (diatonisch, chromatisch oder konzeptionell) - die dann als mehr oder wenig starke V wirken. Und damit - Hagenwil - sind wir wieder bei Deiner Unterscheidung zwischen tonikaler und nicht-tonikaler Ebene im modalen Kontext. Für mich ist auch das nichts anderes als I und V.

Ich bin bei Begriffen schon lange einerseits sehr vorsichtig und andererseits äusserst respektlos. Begriffe sind „tricky“. Wenn man z.B. von einer Modulation spricht, dann ist üblicherweise ein Tonartwechsel damit verbunden. Wieso redet man dann eigentlich von „Modulation“ und nicht „Tonulation“ (was auch eher einen Wechsel des Grundtonbezuges thematisieren würde)? Würde „Modulation“ nicht viel besser zu einem Wechsel der Modalitäten passen (z.B. bei gleichem Grundton im Rahmen von MI-Funktionen)? Für mich sind das begriffliche Stolpersteine, die mir immer wieder beweisen, dass Begriffe, die vor 100+ Jahren entstanden sind und sich in die heutige Zeit gerettet haben, irgendwann nicht mehr für das stehen müssen, was ursprünglich damit gemeint war.

Deshalb nehme ich mir auch das Recht heraus, gewisse Dinge anders zu sehen, als es vielleicht vor 20, 200 oder 2000 Jahren Usus war - zum einen, weil ich gemerkt habe, dass gewisse (alte) Sichtweisen zwar nicht falsch sind, aber aus heutiger Sicht Lernprozesse behindern und zum anderen, weil andere Denkweisen, Begriffssysteme und terminologische Details auch zu neuen Klangmöglichkeiten führen. Je enger ein Begriffssystem gefasst ist, umso eindimensionaler sind auch die dazugehörigen Klangbilder. Das ist der Punkt, an dem ich stehe und den ich auch meinen Studenten zu vermitteln versuche.

Ich sage meinen Studenten immer wieder, dass die Musik ohne Begriffe sehr gut klar kommt. “Musik denken” hat für mich in dem Moment eine Bedeutung, wenn es darum geht musikalische Beziehungsnetze oder konkrete Stücke zu erklären, einfaches Mentaltraining zu betreiben (wie lauten die diatonischen Stufen in E#-Dur - aber dalli!?!) oder - was ich ja schon im letzten Post geschrieben habe - wenn es darum geht, neue Klangsysteme zu entwerfen, also Musikforschung im kompositorischen oder improvisatorischen Sinn zu betreiben. Letztlich ist es aber nicht so entscheidend, wie man Musik denkt, sondern wie man sie hört und fühlt. Musikalische Begriffe sind nichts als abstrakte Kommunikationsmittel für sehr reale Klänge, die sich einen Scheiß drum kümmern, wie sie benannt werden.

Und noch etwas zum Schluss: natürlich sind 90% meines Buches nichts als eine Wiederholung altbekannter Dinge (in meinen und dabei hoffentlich einigermaßen lensenswerten Worten). Mit den restlichen 10%, die auf meinem Mist gewachsen sind, nehme ich mir das Recht heraus, etwas zu verändern, neu zu definieren, umzudeuten - egal, ob das Euch oder sonst irgendwem passt oder nicht.

Uff - das hat jetzt doch wieder mehr Zeit gekostet, als ich eigentlich zur Verfügung habe. Trotzdem - das ist es mir wert (solange die Reaktionen nicht in Beschimpfungen münden). Und ich würde mich freuen, wenn Ihr Euch die Mühe machen würdet, auf meinen Post zu reagieren - ich bin gespannt, was da kommt.

Cheers

Frank

PS: …. und voice7 - relax!!
PPS: Mathias - ich war mal kurz auf Deiner Website. Hut ab! Schön zu sehen, dass ein in vielen Bereichen aktiver Musiker noch Zeit für solche Threads hat. Schön auch, wie Du zum Unterrichten stehst (“If you can, do, if you can’t, teach?? Bullshit!!”).
 
Hallo Frank, erstmal vielen Dank das du dir Zeit nimmst. Mir war vor dem ersten Beitrag in diesem Thread nicht bewusst das du hier anwesend bist. Ich finde es immer sehr nett und wichtig einen direkten draht mit Entwicklern/Autoren zu haben :great:

Ich werde versuchen meinen Beitrag so kurz wie möglich zu halten und versuchen meine Gedanken so präzises, wie es mit meinen Beschränkten Theoretischen wissen geht, zu formulieren. Das ich dich womöglich in eignen Punkten missverstehe lässt sich wohl nicht vermeiden, weil der Themenkomplex mittlerweile so komplex ist und die Sprache halt zwangsweise immer zu Missverständnissen führt. -- Für etwaige Fehlinterpretationen/Missverständnissen entschuldige ich mich schon mal im voraus.


Crystal Silence / Flamenco Scetches:
(...) Anders als bei "Flamenco Scetches", wo man sehr viel Zeit in einer Farbe (Klangfläche) verbringt, kommt bei "CS" eine zeitliche Komponente ins Spiel, die für die Wahrnehmung meines Erachtens sehr wichtig ist.

Da die Akkordfolge (trotz Balladentempo) recht aktiv ist, höre ich nicht Einzelklänge (wie bei "Flamenco Scetches") sondern Beziehungen. Nun ist es aber nicht so, dass diese Empfindungen "die Sprache der Modalität" aushebeln (wie gesagt - ich bin ja mit Deiner Skalenzuordnung prinzipiell einverstanden). (...)

Bei "Crystal Silence" sehe ich das fast genauso, weil die Akkordprogression vom zeitlichen raster her kurz ist, das ich da auch Beziehungen (ja, lass mich es einfach kadenziellen verlauf nennen, auch wenn mich die "Klassiker" jetzt erschlagen werden ^^) höre. Selbstverständlich höre ich auch das da wirkliche (also die stellen wo der diatonische Raum erweitert/Verlasen wird) unterschiedliche modes (Skalen) vorkommen; also wirkliche neue Fraben auftauchen. Dennoch würde ich mit meinen beschränkten Vorwissen diese Stück wundervolle Musik nicht modale Musik nenne, weil für mich der hörbaren kadenziellen verlauf aufgrund des kurzen zeitlichen rasters überwiegt.
Bei "Flamenco Scetches" ist es etwas einfacher weil, wie du und MaBa schon schrieben, viel mehr Zeit in den einzelnen modes benutzt werden. Leider ist auch das für mich keine wirkliche modale Musik weil ich wie MaBa echtes kadenzielles verhalten (in Form von Klischees z.B. V-I Beziehungen) wahrnehme, was für mich ein "no go" bei modaler Musik ist :( Denoch kommt "Flamenco Scetches" meiner Vorstellung von modaler Musik sehr nahe.

Mag sein das ich mit meiner Ansicht grenzwertig bin; mag aber vielleicht der Tatsache geschuldet sein das ich halt in einer Zeit aufwuchs, in der wir Musikalisch Saturiert wurden und ich als progrock/Jazz-Rock/Jazz Hörer musikalisch/Ohrmäßig "versaut bin" und dadurch ein starkes Bedürfnis habe Sachen abgrenzen zu wollen die mehr meinem Ohr/Empfinden entsprechen.

Was ich unter modaler Musik wirklich verstehen:
-- So wath: http://www.youtube.com/watch?v=qr91QFmpkW0&feature=related (übrigens diese Verion ist so schön, viel besser als auf dem Album weil hier Miles hier so schöne Linies (Sehr Melodisch, phrasierung, pausen ...) spielt und 'Tranes viel abwechslungsreicher hier ist :cool:)
Was ist hier anders als bei "Flamenco Scetches" und "Crystal Silence"? Erstmal fällt auf das die "Tonika" der Mittelpunkt (=hier wird sehr lange verharrt) ist und ab un an nur durch eine Rückung (Halbton nach oben) unterbrochen wird. Kadenzielles verhalten ist hier keines gegeben, was für mich das Kriterium von modaler Musik ist. Dennoch ist hier auch eine Stufenbewegung zu beobachten und zwar so ähnlich wie ich Hagenwil mit meinen (blöden) Beispiel versucht habe zu erklären.

-- Jimi Hendrix - Machine Gun: http://www.youtube.com/watch?v=sVvtIS2YGVI
Ja, hier sollte man am deutlichsten hören was ich eigentlich versuche zu erklären. Keinerlei kadenzielles verhalten, sondern ein mode, keine V-I keine II-V-I und den ganzen scheiß :)

--Softmachine: http://www.youtube.com/watch?v=9gpaMTgBCx0
Was ist hier anders? Hier ist auch keinerlei kadenzielles verhalten, hier wird ein Modus sehr stark ausgespielt und damit es nicht langweilig klingt wird nach einer Zeit gerückt um eine neue Tonika auszuerwählen. Hier wird es noch deutlicher: http://www.youtube.com/watch?v=ahBzZ55De8k
Man merkt es ist alles sehr stark Grundtonfixiert (Tonika fixiert) und klassische Funktionen/ II-V-I Beziehungen (Klischees) kommen keinerlei vor.

Zusammengefast bedeutet für mich modale Musik nicht das man innerhalb eines Songs viel mit unterschiedlichen modes spielt (dan wäre ja sogar Bebop modale Musik oder Giant Steps), sondern der Verzicht auf funktionale Akkordprogressionen (ob die Funktionen Klassisch orientiert sind oder der diatonisch erweitert wird, spielt für mich keinerlei rolle). Wenn aber dennoch viele Modes vorkommen in diesen Wechsel sehr lange dauert und dabei keinerlei kadenzielles verhalten aufweist (z.B. der zweiten Titel von Softmachine) ist es auch modale Musik für mich.



Was schliesse ich aus dem was ich höre (und eine meiner Maximen ist, dass eine Analyse nur dann Bestand hat, wenn sie vom Ohr nachvollziehbar ist - sonst ist sie nur intellektuelle Onanie; der Umkehrschluss - dass sich meine Klangwahrnehmung auch in der Analyse niederschlagen muss - gilt für mich natürlich auch)?
Sehr schön gesagt. Und das mit der Analyse das auch mit dem Ohr nachvollziehbar ist tue ich mich schwer. Mir konnte bisher nicht einer genau sagen was er meint mit "verschriftlichung gleicht mehr dem gehörten" :confused: Deswegen gleicht für mich tatsächlich alle Analysen (sehe Beiträge unteranderem von PVaults) einer intellektuelle Onanie, weil ich das optisch-versprchlichte abstrakt dargebotene nicht in Einklang mit dem Ohr bringe. Meine Ohren mögen nichts von dem Fachbegriffen wissen auch wen ich sie Intellektuell druachaus verstehen kann :confused: Ich erhoffe mir da bei dem richtigen harten Studium deines Buches antworten und denke das ich sie dort finden werde :)

Noch ein Beispiel: Löst man sich von funktionalen Beziehungen und überträgt den kadenziellen Gedanken auf Modalitäten, dann kann man eine Grundmodalität als Tonika (I) definieren.
Ha, und damit hast du sehr gut beschrieben was ich eigentlich seit meiner Kindheit so Musikalisch treibe und höre, danke!! :) GENAU EXAKT DAS ist es was ich empfinde und mir auch nicht dieses typische Dur-Mol-Tonika Geschwätz einreden lassen wollte, geschweige den verstehen konnte. Für mich kann schlicht und ergreifend alles eine Tonika Funktion annehmen, ernsthaft :D Wenn z.B. ein G7 bei mir in einem Lied der Schwerpunkt ist, dan ist DAS MEINE Tonika und nicht C-Dur (weil mir das der Quintenzirkel weiß machen will :rolleyes:) Bei wirklich unstabilen Akkorden wird es schwierig aber auch da geht es, wobei da viele Ohren nciht mehr "Harmonisch" dazu sagen würden. Und das lässt sich auf jede Stufe erweitern.
Es ist so wie du in ersten Beitrag schon schriebst (Sinngemäß): "Warum sollte ich mich den vielen schönen Klängen berauben lassen..."

Ich glaube, dass Begriffe und ihre Umsetzung in die Praxis tatsächlich eine epochale Komponente und damit auch eine zeitlich beschränkte Wertigkeit haben. Was im 8. Jahrhundert oder in den 50er Jahren richtig gewesen ist, muss heute nicht mehr unbedingt stimmen. Blickwinkel ändern sich, Stile auch - warum sollen sich dann nicht auch die Begriffe bzw. die dazugehörigen Konzepte ändern? Ich möchte das mit einigen Gedanken zum Thema "V-I"; erläutern.
Hier kann ich dir nur teilweise zustimmen.
Das sich Konzepte änder sollen/könenn begrüße ich sehr.
Das Problem bei Fachbegriffen ist wie immer die Konsistenz und Wohldefiniertheit von, dienen sie doch der Verständigung. Aber das Thema hatte ich schon mit PVaults.
Aber wie du an dem Beispiel der "modalen Musik" siehst, genüge ich meinen Anspruch selber nicht und steh da sogar (wahrscheinlich) alleine mit meiner Meinung dar. Ich sehe daher durchaus meine anfänglichen Fehler bezüglich Wohldefiniertheit von Fachbegriffen im Musikalischen Kontext ein (ich suche bei Gelegenheit mal die Threads und schicke dir die Links); obwohl es mich immer noch stört wie wenig Verständlich man sich in diesem Bereich trotz Fachbegriffe verständigen kann (im Gegensatz in Programmierer kreisen, wo es nicht sooo extrem ist, es sei es kommen Begriffe wie OOP oder gar AOP auf ^^ naja), jeder Thread läuft fast imer darauf hinaus das alle Beteiligten erstmal auf die Reihe kriegen müssen was den nun Fachbegriff X (z.B. Mediantik ^^) ist. Da fragt man sich dann mitunter "WTF, was nützt mir dieser Fachbegriff wenn es ehe nicht der Verständigung dient". Vielleicht sollte ich meinen hohen Anspruch in Sachen Harmonielehre bezüglich Verständigung kippen und es als das sehen was es letztendlich nur ist: Zusammenhäng der Harmonik, Analysewerkzeuge und soweiter.

Deshalb nehme ich mir auch das Recht heraus, gewisse Dinge anders zu sehen, als es vielleicht vor 20, 200 oder 2000 Jahren Usus war - zum einen, weil ich gemerkt habe, dass gewisse (alte) Sichtweisen zwar nicht falsch sind, aber aus heutiger Sicht Lernprozesse behindern und zum anderen, weil andere Denkweisen, Begriffssysteme und terminologische Details auch zu neuen Klangmöglichkeiten führen. Je enger ein Begriffssystem gefasst ist, umso eindimensionaler sind auch die dazugehörigen Klangbilder. Das ist der Punkt, an dem ich stehe und den ich auch meinen Studenten zu vermitteln versuche.
Das ist dein gutes Recht und sehe ich auch so. Ich handhabe es nicht anders :)


Mit den restlichen 10%, die auf meinem Mist gewachsen sind, nehme ich mir das Recht heraus, etwas zu verändern, neu zu definieren, umzudeuten - egal, ob das Euch oder sonst irgendwem passt oder nicht.
Ich hoffe doch sehr das da auch vieles von deinen eigenen Theorien in dem Buch stecken, sonst wäre das Buch IMHO austauschbar (nutzlos). In dem Sinne begrüße ich es sehr das du da nicht nur das übliche dogmatische Harmonielehre-Mantra ablässt :)


Uff - das hat jetzt doch wieder mehr Zeit gekostet, als ich eigentlich zur Verfügung habe.
Dito, über eine Stunde habe ich jetzt hieran gesessen :redface:

Auf deinen ersten Beitrag antworte ich Morgen.

Gruß
 
Ich kann Franks Analyse von "Cristal Silence" gut nachvollziehen. Zumindest im A-Teil ergeben sich keine Probleme.


Harmonisch weitaus interessanter als den A-Teil finde ich den B-Teil. Trotz des eindeutigen melodischen Motivs und der harmonischen Sequenzen empfinde ich Bb aber nicht eindeutig als Tonika (Vielleicht eine lydische Tonika?)

Hier der Versuch, meine harmonische Wahrnehmung zu beschreiben:

Bei Am7 stellt sich mir eine Erwartungshaltung nach G (Subdominante) als möglicher Zielklang ein. Bb klingt für mich nach ein SDM (ersatz für G-7), Erwartung wurde teilweise erfüllt. Bb würde ich deswegen eher lydisch spielen.

Wirklich überraschend klingt für mich der Wechsel zu F-7. Hier verliere ich die Orientierung.

Die Auflösung nach C klingt wiederum stimmig, auch wenn ich C nicht erwartet habe. Im Nachhinein könnte ich F-7 in bezug zu seiner Auflösung als SDM einordnen.

Gm7 höre ich wieder klar als V-7. Der anschließende Wechsel von G-7 zu B7 ist wieder eine größere Überraschung für mich. Erwartet hätte ich eher F.
Wunderschön zusammengehalten wird der gesamte B-Teil durch das konsequente melodische Motiv. Das scheint mir auch der Hauptgrund zu sein, weshalb alles so schön rund klingt.

Ich wäre übrigens von mir aus bei diesem Titel auch nicht auf die Idee gekommen, ihn zu den "modalen Kompositionen" zu zählen.
Und wenn man erst einmal gelernt hat, Funktionen auch modal (als Klangfarbe) zu hören, scheint es mir durchaus logisch, daß man auch einen Wechsel der Modalitäten funktional hören kann.

Gruß
 
Ich muss davon ausgehen, dass "CRYSTAL SILENCE" so wahrgenommen, respektive Bewegungsmässig so gehört werden kann wie das Frank in seiner Post #28 beschreibt. Ich bin nicht mehr in Besitz der Aufnahmen von Chick Corea & Gary Burton aus 1972. Habe aber die Aufnahme von Return To Forever, die mit dem Rhodes, einmal auf tube angehört - nur einmal, weil ich hören wollte was für Bewegungen ich unmittelbar identifizieren kann. Bin zu keinem Schluss gekommen was ich wirklich höre, nicht im Sinn wie Franks Werkanalyse, aber auch nicht im Sinn wie ich das selbst rein modal beschrieben habe. Beide Analysen sind wahrscheinlich richtig, aber wie Frank gesagt hat, nur was man wirklich hört zählt, alles andere ist Habakuk. Man kann vielleicht noch anfügen, dass der/die Geniesser/in auf jeden Fall einfach hören kann ohne eine strukturelle Idee der Musik haben zu müssen.

Werkanalyse (a.k.a. Habakuk) als solche hat sicher einen denkfördernden Zweck, sagt aber im Schlusseffekt nichts aus was Menschen wirklich Empfinden. Musiktheorie kann man mit Baustatik, oder mit dem Plan des Architekten vergleichen, zumindest tun das alle Architekten die ich kenne, ich sehe da allerdings kaum Zusammenhänge, der einzig mir ersichtliche Unterschied zwischen Architektur und Komposition ist, dass wenn die Decke in einer meiner Werke einstürtzt, dabei niemand verletzt. oder sogar getötet wird, ganz sicher ist man da als Komponist allerdings auch nicht...

Das lesen von Franks Post #28 sagte mir, dass ich das "CRYSTAL SILENCE" arrangieren muss. So hab ich gestern Nacht ein orchestrales Arrangement begonnen, um zu sehen ob ich diesem nicht so ansprechenden Werk meine Art Gefühle beibringen kann... oder nicht. Das fertige Arrangement werde ich, falls es gelingt, hier posten.

Hier mal das Lead Sheet von "Crystal Silence" wie es im Real Book steht für alle die es nicht kennen:


CRYSTAL SILENCE

| Am | Em | Fmaj7#11 | Bm7 | Bbmaj7 | Am |

| Bm C D7sus4 E7(b9)| Am | Bbmaj7#11 |


| Am | Em | Fmaj7#11 | Bm7 | Bbmaj7 | Am |

| Dm | E7#9)| Dm | E7#9)|

| Fmaj7 | G7sus4 | Am | Am |


| D | Am | Bb | Fm7 | C | Gm7 |B7(b13) |E7sus4 E7 |


| Am | Em | Fmaj7#11 | Bm7 | Bbmaj7 | Am |

| Bm C D7sus4 E7(b9)| Am | Bbmaj7#11 |

| Bm C D7sus4 E7(b9)| Am |

| Fmaj7/A | Am ||


Für mein Arrangement habe bereit mehrere Stellen modal eingestampft, quasi vermodalisiert.


Da ich aber A-7 als I wahrnehme, empfinde ich A-Äolisch als Zentralmodus. Das bedeutet wiederum, dass meine Ohren E-7 und Fmaj7 als sekundäre Bestandteile der Grundfarbe einordnen. Erstes Fazit: ich höre eine übergeordnete modale Farbe (tonikal), höre aber gleichzeitig auch Stufenbewegung innerhalb dieser Farbe (I-7, V-7, bVImaj7).

Genau. Aeolisch ist der Zentralmodus über/unter/hinter A-7. Gutes Wort dieses Zentralmodus, hab ich noch nie gehört. Der Grund wieso ich die ersten drei Takte als Tonikaebene bezeichnete, hat einen rein analytischen Grund. Zwischen den ersten drei Takten | Am | Em | Fmaj7 | bei "Crystal Silence"

| Am | Em | Fmaj7 | Bm7 | Bbmaj7 | Am7 |

besteht eine zyklische Verwandschaft. Das ist der einzige Grund wieso ich die ersten drei Takte unter einer Tonikaebene einbeziehe. Hier die ersten drei Takte zyklisch dargestellt sind:

Am Aeolisch - A H C D E F G
Em Phrygisch - - - - -E F G A H C D
Fmaj7 Lydisch - - - - - F G A H C D E


Man könnte auch sagen A H C D E F G sind die Stammtöne der ganzen dreitaktigen Tonikaebene. Ob und wie man das Schlussendlich hört, hängt eher davon ab wie man das aussetzt, spielt und was für Melodien darüber improvisiert werden.


Der B-Teil von "CRYSTAL SILENCE"

| D | Am | Bb | Fm7 | C | Gm7 |B7(b13) |E7sus4 E7 |

wäre dann in Sinne einer rein modalen Analyse:

D = Ionisch
Am = Dorisch
Bb = Ionisch
Fm7 = Dorisch
C = Ionisch
Gm = Dorisch
B7(b13) = Dur-Moll (B C# D# F# G A), oder Ionischb2b6 (double harmonic) etc.
E7sus4 und E7 = Mixolydisch


Spannung-Entspannung

Gute Wörter.

Was dann auch wirklich gehört wird, hängt natürlich nicht davon ab wie es analysiert wird. In Wirklichkeit hängen die gehörten Bewegungen davon ab wie eine Komposition ausgesetzt wird, und im Jazz was für Melodien improvisiert werden. Beim Harmonischen sind vor allem Stimmweite und Führung die ausschlaggebenden Dinge. In der Big Band gibt es normalerweise eine Weite der Voicings die instrumentiert nicht überschritten werden, obwohl man eigentlich wie im Orchester acht Oktaven vom Piccolo F8 (5587 Hz) bis runter zum F0 (21 Hz) zur Aussetzung und Instrumentierung zur Verfügung hätte. In einer Small-Band wird es dann harmonisch ganz eng. Der Gitarre steht nur die enge und die mittlere Voicingweite zur Verfügung, der Pianist kann ein wenig weiter greifen.

Also, wenn man nicht einem bestimmten vorgegeben Stil-Idiom folgen muss, zum Beispiel das "Crystal Silence" im 7⅔ Oktavraum aussetzen würde (das ist was ich gerade mache), können Bewegungen so gesetzt werden das die normalen funktionalen Bewegungen nicht mehr so wahrgenommen werden wie man vermuten würde wenn man nur die Chord Changes mit der Melodie auf einem Lead Sheet anschaut.


Statistik: Dieses Post war 25 Minuten Arbeit, und es hat Spass gemacht.

.
 
Für mein Arrangement habe bereit mehrere Stellen modal eingestampft, quasi vermodalisiert.
Kannst du erklären, was das heißt?

Ich bin auf das Ergebnis deiner Bearbeitung gespannt. :) Ich hoffe, es gelingt...
(Dann kann ich das ja auch hören, was du meinst)

| D | Am | Bb | Fm7 | C | Gm7 |B7(b13) |E7sus4 E7 |

wäre dann in Sinne einer rein modalen Analyse:

D = Ionisch
Am = Dorisch
Bb = Ionisch
Fm7 = Dorisch
C = Ionisch
Gm = Dorisch
B7(b13) = Dur-Moll (B C# D# F# G A), oder Ionischb2b6 (double harmonic) etc.
E7sus4 und E7 = Mixolydisch

Worin besteht denn der Unterschied deiner rein modalen Analyse zu einer funktionalen Analyse? Oder anders - wonach bist du bei der Auswahl der Skalen gegangen?

Im Prinzip entsprechen die Skalen der ersten sechs Akkorde auch denen von Franks (funktionaler) Analyse.

Beim B7 und E7 kommst du auf andere. Für mich klingt B7 -> HM5 und E7 -> MM5 am stimmigsten, da zu dem Zeitpunkt dieser Akkorde mein Ohr C als Tonika fühlt (und f# in der Melodie enthalten ist/war).

Gruß
 
Kannst du erklären, was das heißt?

Das kann heissen das ich dieses Crystal Silence reharmonisiere, umbaue, evtl. gnadenlos… z.B.

¾ | Am7 | Am7 | Em7/A | Em7/A | Fmaj7#11/A | Fmaj7#11/A | Bm7/A | Bm7/A |

| Bbmaj7 | Bbmaj7/A | Am7 | Bm C Dm E7alt| Am | Bbmaj7#11
|


Worin besteht denn der Unterschied deiner rein modalen Analyse zu einer funktionalen Analyse? Oder anders - wonach bist du bei der Auswahl der Skalen gegangen?

Im Prinzip entsprechen die Skalen der ersten sechs Akkorde auch denen von Franks (funktionaler) Analyse.

Es ist eine auf Modalität reduzierte Analyse. Frank sagte:

Für mich sind die beiden Bereiche "modal" und "funktional" schon lange nicht mehr trennbar.

dem ist natürlich so, man kann sich aber trotzdem auf das nötige beschränken. Zum Beispiel in einer Komposition welche nur eine Tonleiter hat, und die Voicings variert werden über ein und den selben Akkord, braucht es nicht mal eine modale Analyse. Zum Beispiel bei einer nordindischen Raga spricht man nie von Skala und harmonisch ist da sowieso nichts vorhanden, hier geht es um doe Melodie, den Mode im Sinne von Empfindung Stimmung, um musikalische Form, um Verzierungen undr Ornamentik, man spricht über die Möglichkeiten wie man einen Ton angeht, die rhythmische Differenziertheit, Dynamik, wie man eine Quint umspielen kann, oder wie man von der Quint elegant und nobel auf die Sexte kommt etc..

Beim B7 und E7 kommst du auf andere. Für mich klingt B7 -> HM5 und E7 -> MM5 am stimmigsten, da zu dem Zeitpunkt dieser Akkorde mein Ohr C als Tonika fühlt (und f# in der Melodie enthalten ist/war).

Das hat damit zu tun, dass je nach Melodie die ich spiele, die analysierte Skala eine andere ist. Ich bin bei der Auswahl nicht von irgendeiner Aufnahme von Chick Corea ausgegangen. Für mich steht meistens die Melodie und deren Artikulation an erster Stelle. Skalen (chord scales) haben für mich nur die eine Bedeutung, sie stellen ein Tonreservoir dar. Die Akkorde sind nur beschränkt deutbar in einem Leadsheet, z.B. an dieser Stelle des "Crystal Silence":

| Bm C D7sus4 E7b9 | (real book)

spielt Chick Corea auf einer Piano solo Aufnahme eigentlich:

| D6/9 C9(no3rd) D7(9 11 13) G9(no 3rd no5th) |

aber sowas liest sich dann halt wie ein Leadsheet von Nascimento.

__
 
Hallo Zusammen noch mal!

Ich hab immer noch Bauchweh!

Zunächst vorab: Mir geht es bei dieser spannenden Runde um zwei Dinge nicht, nämlich mich als improvisierender Musiker zu verbessern. Da habe mein ich Zeug, Superimposing, outgoing, substitutions Furz und Feuerstein, und alles ist Aufgabe für die nächsten drei Leben, und meine persönlichen Baustellen beziehen sich bei mir ganz zuletzt auf den content,

Auch geht es mir nicht ums Komponieren. Das mache ich immer aus dem Bauch. Und ich habe eben nicht nur Pop und Rocksongs und Kinderlieder geschrieben, da war auch ne Menge Jazz dabei. Ich greife da ganz wie hier häufig schon geschrieben wurde, zu Farben und empfinde ausschliesslich, bis was in meinem Inneren einrastet. Ich fühle da ganz in Zuständen von Spannung und Ruhe, hell und dunkel usw. Alles darf sein!
Das war schon immer so, und ich hab mir niemals um irgendwas einen Kopf gemacht, um Regeln schon mal gar nicht. Wenn überhaupt immer hinterher.

Mir geht es um Kommunikation und damit um den Unterricht, bwz um Wissensvermittlung. Jeder von Euch hier ist wohl auch Lehrer, wenn ich es richtig herausgelesen habe. Und da möchte ich zunächst anmerken, dass ich völlig bei voice 7 bin wenn es um die Genauigkeit der Sprache geht. Es ist einfach verdammt gut und wichtig und richtig, wenn man weiss von was man spricht, und der Schüler oder Kollege einen EXACT verstehen kann. Nun weiss ich aber auch, dass ich mich von diesem romantischen Kommunikationsideal fröhlich verabschieden darf, zumal es ja Unterschiede im Hörempfinden gibt, aber ich gebe nicht auf zu versuchen, einen möglichst guten Konsens herzustellen.

Deswegen nochmals ganz eng zusammenfassend zur Sache:

Ich sehe den Begriff ’’modale Funktionsharmonik’’ jetzt mal als gesetzt an, sowie für mich nat. völlig klaro ist, und auch das sehe ich als gesetzt an, dass man zwischen Ebenen der Spannung und der Ruhe unterscheiden muss, einfach weil es sie gibt, und dass nat. zb ein V7 Akkord eine tonikale Funtkion haben kann, nicht zuletzt doch im Blues!, also ein alter Hut eigentlich. Weiter: Benennungen sollen und müssen dem Zeitgeist bzw der aktuellen Musizierpraxis entsprechen, auch logo.

Wenn man das jetzt konsequent zu Ende benennt, müsste der Em7 in A aeolisch ’’aeolische Dominante’’ heissen, oder sagen wir mal, 6 Takte A7, zwo Em7, dann hätten wir eine mixolydische Tonika, und eine mixol. Domiante. Interessanterweise ist mir aufgefallen, dass ich das immer schon so gemacht habe, nur habe ich in den Benennung auf die Begriffe der FT verzichtet, und hab von V in aeolisch gesprochen, oder 1 in Mixo usw, gerne auch die tonikale Ebene von Mixolydisch.

Bis hierher sind wir uns wohl alle im Grunde einig. Aber:

Wenn gesagt wird, dass ’’Stille Nacht’’ und von mir aus ’’so what’’ beide unter der Definition von modaler Funktionsharmonik stehen, schreit was in mir auf, dass den elementaren Unterschied dieser Musik benennen möchte, der doch so irrsinnig deutlich zu hören ist. Da IST etwas anders, und muss deswegen auch bezeichnet werden können. Irgendwie bleibt mir nach wie vor nur der zwischenzeitliche Schluss, dass das der Verzicht auf die Wendung V7 / I in Dur/Moll ist.

Ich hab mir hier alles sicherheitshalber mehrfach durchgelesen, und hoffe, ich habe eine etwaige Antwort nicht überlesen. Deswegen habe ich das Gefühl, dass mein Problem für Euch gar keins ist, und ich hier gerade etwas rumnerve.

Anders: ich bestelle ein Bier, die Bedienung kommt bringt mir einen Äppler und sagt, trinken sie, das zischt wie Apfelsaft. Ich nur häh?,
trinke aus, und sage, recht hatte sie, der Durst ist weg( Spannung und Entspannung), aber ich wollte doch Bier, hhm,..darauf sie, das wird heutzutage alles fliessender gehandhabt, und die anderen, was haste denn, Äppler hat auch Alkohol...

Ich sehe und erkläre unser Skalen/Modus-System immer so:

Es gibt vier Mutterskalen, D/ HM/ MM / HD , davon können je sechs weitere Tochterskalen abgeleitet werden. Diese sind, wie es sich gehört, genetisch gleich (sorry an alle Biologen), sind aber trotzdem völlig eigenständige Lebewesen, mit ihrer eigenen Lebensrealität.
In jeder dieser vier Mutterskalen habe ich dann auch eine primäre Dominante (nat. auch weitere bei MM / HD aber das ist für meine Überlegung nicht störend, weil sich in den fraglichen Leitern kein V7 / I
Bezug herstellen lässt, es geht jeweils um einen HTS daneben)

Daher habe ich folgende Idee:

Logisch erst mal:

1) ’’Mutterskalen-funktional’’
2) ’’Tochterskalen-funktional’’

Zu Ende gedacht:

1) Grundfunktional
2) Modalfunktional



Was meint Ihr?

Oder hab ich mich da in was verrannt?

Grüße!
 
Mathias Löffler;3203909 schrieb:
Mir geht es um Kommunikation und damit um den Unterricht, bwz um Wissensvermittlung. Jeder von Euch hier ist wohl auch Lehrer, wenn ich es richtig herausgelesen habe. Und da möchte ich zunächst anmerken, dass ich völlig bei voice 7 bin wenn es um die Genauigkeit der Sprache geht. Es ist einfach verdammt gut und wichtig und richtig, wenn man weiss von was man spricht, und der Schüler oder Kollege einen EXACT verstehen kann. Nun weiss ich aber auch, dass ich mich von diesem romantischen Kommunikationsideal fröhlich verabschieden darf, zumal es ja Unterschiede im Hörempfinden gibt, aber ich gebe nicht auf zu versuchen, einen möglichst guten Konsens herzustellen.

Daß die Menschen unterschiedlich hören, ist mir auch schon aufgefallen. Daß es so ausgeprägt ist, hätte ich nicht gedacht.
Das Problem, das wir hier im Forum allgemein haben, ist die Tatsache, daß man sich meist erst dann unterhalten kann, wenn man mehrere System nutzt.

Hagenwil, Voice7 oder MaBa (als Schüler von Frank ;) ) oder dich so anschaue, sind da schon erhebliche Unterschiede. Ich selbst höre vieles nochmal völlig anders, das ist ja mittlerweile allgemein bekannt... ;)

Ich denke, das hängt nicht nur mit dem Lehrmaterial zusammen, sondern auch mit dem jeweiligen Lehrer, der immer seine Schüler prägt. Und jeder hat so seine Kniffs, s e i n e Stärken und Schwächen im Hören.

Auch hat jedes Harmonielehresystem seine Stärken und Schwächen, charakterisiert auch ganz klar den Sound.
Trotzdem gibt es gewisse Gemeinsamkeiten, auf die man sich einigen muß. Leider (zum Glück!) sehe ich aber auch keine Möglichkeit, dies als allgemeinverbindlich vorzuschreiben.

Ich sehe auch kein Problem darin, denn in der Praxis ist es doch meist so, daß man trotzdem gut miteinander spielen kann, und das ist die Hauptsache.

Und eigentlich gibt es ja auch ein System, mit dem man gut arbeiten kann, das uns aber hier nicht so einfach zur Verfügung steht - das N o t e n s y s t e m, auch mit seinen "Fehlern" und Beschränkungen, kennen wir doch einige (Orientiert sich z.B. am heptatonischen System - Vorteil und Nachteil zugleich)...
Das kennt normalerweise jeder, und wer es nicht kennt und trotzdem spielen kann, wird sich bei dieser Diskussion sicher kaputtlachen... ;)

Mathias Löffler;3203909 schrieb:
Wenn man das jetzt konsequent zu Ende benennt, müsste der Em7 in A aeolisch ’’aeolische Dominante’’ heissen, oder sagen wir mal, 6 Takte A7, zwo Em7, dann hätten wir eine mixolydische Tonika, und eine mixol. Domiante. Interessanterweise ist mir aufgefallen, dass ich das immer schon so gemacht habe, nur habe ich in den Benennung auf die Begriffe der FT verzichtet, und hab von V in aeolisch gesprochen, oder 1 in Mixo usw, gerne auch die tonikale Ebene von Mixolydisch.
Deinem Begriff kann ich sicher zustimmen, keine Frage. Theoretisch eine supergute Idee, weil sehr genau. In der Praxis höre ich mich schon mal "äolische Dominante" den Kollegen zurufen...:D - trotzdem finde ich die Bezeichnung gut.
In der FT müßte man aber von einer Moll-Dominante sprechen, weil der Akkord ja kein Dominantseptakkord ist. Oder man könnte ihn diatonische Dominante nennen.

Mathias Löffler;3203909 schrieb:
Wenn gesagt wird, dass ’’Stille Nacht’’ und von mir aus ’’so what’’ beide unter der Definition von modaler Funktionsharmonik stehen, schreit was in mir auf, dass den elementaren Unterschied dieser Musik benennen möchte, der doch so irrsinnig deutlich zu hören ist. Da IST etwas anders, und muss deswegen auch bezeichnet werden können. Irgendwie bleibt mir nach wie vor nur der zwischenzeitliche Schluss, dass das der Verzicht auf die Wendung V7 / I in Dur/Moll ist.

Für mich sind erst mal beide Stücke Musik, wenn sie gut gespielt sind bzw. ersteres auch gut gesetzt ist. Bei dem Begriff "modale Funktionsharmonik" assoziiere ich, daß ich je nach Musikstil mal mehr auf die eine (modale) oder andere (funktionale) Seite wechsle.
Warum man eine Harmonielehre speziell für einen Stil konstruieren muss, kann und will ich nicht verstehen. "Stille Nacht" kann man sicher auch im Stile von "so what" arrangieren, das macht dem Stück nichts aus. Umgekehrt kann man auch "So What" sicher im Kirchensatze setzen... :D

Den Stil eines Stückes hätte ich lieber oben auf dem Blatt, direkt hinter dem Titel neben den Tempoangaben, da weiß ich dann gleich Bescheid.

Ich sehe "modale" Stücke wie FrankS, nämlich als Stücke, die über die Tonika gesetzt sind.
Warum nicht? Bei mir geht das noch weiter: Je nach Skala häre ich das Stück so, als sei ein Stück über die Dominante gesetzt, über die Parallele der usw....
Skalenmusiker hören da eben die Färbung einer Skala.

Das hängt wohl auch mit dem Instrument zusammen, das man zuerst gelernt hat. Bei mir war es das Akkordeon, und wer so einen Kasten sich mal vor den Bauch gespannt hat und halbwegs spielen kann (ja - auch Jazz...), merkt ganz schnell, daß man FDunktionen auch "fühlen" kann, nämlich mit der linken Hand.
Wer mit einem Blasinstrument begonnen hat, wird sich eher an Skalen orientieren, bei den Gitarristen ist das besonders schwierig, haben sie ein verwirrendes Saitensystem, und ein "Gefühl" für Kadenzen bildet sich nur begrenzt aus, nämlich bei den Barree-Griffen.
Eigentlich hat nur der Akkordeonspieler die Möglichkeit, den Quintfall so wahrzunehmen, wie er ihn fühlt und hört. Ich kenne da kein anderes Musikinstrument, das die gleiche Wirkung hat.

Mathias Löffler;3203909 schrieb:
Ich sehe und erkläre unser Skalen/Modus-System immer so:

Es gibt vier Mutterskalen, D/ HM/ MM / HD , davon können je sechs weitere Tochterskalen abgeleitet werden. Diese sind, wie es sich gehört, genetisch gleich (sorry an alle Biologen), sind aber trotzdem völlig eigenständige Lebewesen, mit ihrer eigenen Lebensrealität.
In jeder dieser vier Mutterskalen habe ich dann auch eine primäre Dominante (nat. auch weitere bei MM / HD aber das ist für meine Überlegung nicht störend, weil sich in den fraglichen Leitern kein V7 / I
Bezug herstellen lässt, es geht jeweils um einen HTS daneben)

HM, MM und HD leite ich von Dur ab. Ich sehe alle als Alterationen der Dur-Tonleiter, ausgelöst durch den Dominantring bzw. funktionstheoretisch durch Leittöne...

Mathias Löffler;3203909 schrieb:
Daher habe ich folgende Idee:

Logisch erst mal:

1) ’’Mutterskalen-funktional’’
2) ’’Tochterskalen-funktional’’

Zu Ende gedacht:

1) Grundfunktional
2) Modalfunktional



Was meint Ihr?

Oder hab ich mich da in was verrannt?
Für mich korrekt, kann man so sehen, wenn man mit Skalen arbeitet. Das funktioniert so aber auch über die FT, nur daß hier eben immer auf die Tonika referrenziert wird. Notfalls braucht man halt - FrankS mag´s entschuldigen - eben och eine zentrale Tonika, über die man ableitet. Und so kann man das auch gut hören, meine ich. Es geht aber wohl auch anders, wie ich immer wieder erstaunt feststellen muß...
 
Ich bin auf das Ergebnis deiner Bearbeitung gespannt. :) Ich hoffe, es gelingt...
(Dann kann ich das ja auch hören, was du meinst)
Ich bin auch gespannt...

Worin besteht denn der Unterschied deiner rein modalen Analyse zu einer funktionalen Analyse? Oder anders - wonach bist du bei der Auswahl der Skalen gegangen?

Es gibt da schon einen Unterschied. Z.B. dann, wenn ich ein modales Stück "rückwärts" reharmonisiere, also Funktionen einfügen will (MaBa, da hast du wieder einen Funktionentausch bzw. eine Funktionssubstitution, wie ich das nenne).

Aber Funktionen können sich auch durch den Skaleneinsatz ergeben, das ist sicher das, was du meinst, wenn du Hagenwil fragst. Ein Skalenmusiker hört "lydisch", ein FTler eben eine Subdominante. Und wenn´s keine ist, merkt es das auch schnell, die Skalenwahl spielt da ja weniger eine Rolle.

Wie ich das auch schon mal sagte, verscheidene Harmonielehren ergeben unterschiedliche Ergebnisse, haben aber das gleiche Ziel.

Es ist wie mit dem Matterhorn. An der Spitze treffen sich alle Wege, doch der Weg und die eigenen Erfahrungen dorthin können sehr unterschiedlich sein.
 
:D

ich bin ein paar Jahre älter als Frank

Ich weiß, mindestens 120. Weil du ja seit 40 Jahren keinen Blues mehr gespielt hast, wie du neulich schriebst. Und einen guten Blues spielt man doch erst mit 80, oder? :)

Wobei ich´s so halte: Jeden Tag eine Fuge und einen Blues...
ich bin ja noch nicht 80...
 
Ich weiß, mindestens 120. Weil du ja seit 40 Jahren keinen Blues mehr gespielt hast, wie du neulich schriebst. Und einen guten Blues spielt man doch erst mit 80, oder? :)

Nein, nicht unbedingt, aber ich wurde halt gegen Ende der Blues Epoche geboren, allerding kam ich mit 85 auf die Welt und entwickle mich jetzt rückwärts gegen Null.
 
Hallo Mathias, erstmal :great: für deinen Beitrag!!

Vorallem was du über Kommunikation geschrieben hast und so, schreibst mir aus dem Herzen!

Mathias Löffler;3203909 schrieb:
Wenn gesagt wird, dass ’’Stille Nacht’’ und von mir aus ’’so what’’ beide unter der Definition von modaler Funktionsharmonik stehen, schreit was in mir auf, dass den elementaren Unterschied dieser Musik benennen möchte, der doch so irrsinnig deutlich zu hören ist. Da IST etwas anders, und muss deswegen auch bezeichnet werden können. Irgendwie bleibt mir nach wie vor nur der zwischenzeitliche Schluss, dass das der Verzicht auf die Wendung V7 / I in Dur/Moll ist.
Mathias Löffler;3203909 schrieb:
Anders: ich bestelle ein Bier, die Bedienung kommt bringt mir einen Äppler und sagt, trinken sie, das zischt wie Apfelsaft. Ich nur häh?,
trinke aus, und sage, recht hatte sie, der Durst ist weg( Spannung und Entspannung), aber ich wollte doch Bier, hhm,..darauf sie, das wird heutzutage alles fliessender gehandhabt, und die anderen, was haste denn, Äppler hat auch Alkohol...
Hehe :great: Du sprichst mir aus dem Herzen. So genug Beweihräucherung ^^ Ich mein es aber dennoch völlig ernst!

Mathias Löffler;3203909 schrieb:
Ich hab mir hier alles sicherheitshalber mehrfach durchgelesen, und hoffe, ich habe eine etwaige Antwort nicht überlesen. Deswegen habe ich das Gefühl, dass mein Problem für Euch gar keins ist, und ich hier gerade etwas rumnerve.
Nope, deine und Franks Beiträge sind hier in dem Thread bisher am substantiellsten gewesen - ernsthaft!


Mathias Löffler;3203909 schrieb:
Logisch erst mal:

1) ’’Mutterskalen-funktional’’
2) ’’Tochterskalen-funktional’’

Zu Ende gedacht:

1) Grundfunktional
2) Modalfunktional



Was meint Ihr?
Hmm, passt eigentlich aber ich habe da dennoch so ein wenig bauch weh. Es passt für ION, HM, MM, HD aber für "Double Harmonic Major/Minor" (als anderes Skalensaystem) passt nicht so weil zu stark färbt (sehr dunkel sogar). Daher würde ich DHM komplett als Modalfunktional bezeichnen obwohl die Mutterskalen laut deiner definition Grundfunktional sein müssten. Sorry, aber ich glaube du wolltest auf was anderes hinaus oder?
 

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