Sekunde. Das finde ich jetzt teils etwas abenteuerlich vom Klang her. Kleine Terz tiefer ist ja okay. Dann habe ich ja ionisch (dur). Ganzton höher auch okay. Dann habe ich mixolydisch. Aber große Terz höher, Ganzton tiefer, kleine Terz höher.... ich weiss ja nicht. Da kommen wir schon ziemlich aus der Tonart raus. Das würde ich schon lieber den Jazzern überlassen. Geschmacksache. Ausprobieren und wenn´s gefällt anwenden.
Okay, dazu muss ich vielleicht noch eine Einschränkung machen:
Im normalen 3-Akkorde-Blues ergeben sich zwei Quintfallsituationen: Von der Tonika (I. Stufe, im Beispiel E) zur Subdominante (IV. Stufe, im Beispiel A) und dann noch von der Dominante (V. Stufe, im Beispiel B) zurück zur Tonika.
Ein Quintfall ist immer mit einer gewissen Entspannung verbunden, einem "Luftholen" etc. (selbst spielen und hören!) und hat mitunter auch eine Schlusswirkung.
Nun ist es natürlich folgendermaßen: Je stärker die Spannung im Vorfeld, desto größer die anschließende Entspannung (kennt man aus dem täglichen Leben, im Sport, auf dem Scheißhaus etc

). Demzufolge bieten sich Tonika (im Blueskontext) und Dominante (immer) an, mit Spannung aufgeladen zu werden. Da die Subdominante keine Auflösungsbewegung macht (also keinen Quintfall, eine andere Möglichkeit wäre ein Halbtonschritt abwärts), sind die Pentatoniken, die in meiner kleinen Liste weiter unten stehen, über die Subdominante mit Vorsicht zu genießen.
Schauen wir uns mal an, welche Töne in den 5 von mir aufgeführten Pentatoniken bezogen auf den Grundton den jeweiligen Akkords zu finden sind:
- eine kleine Terz tiefer: 13 - 1 - 9 - 3 - 5 (13 steht für die Sexte, 1 für die Terz, 9 für die Sekunde, 3 für die Terz und 5 für die Quinte)
Hier sind keine spannungsreichen bzw. nicht-diatonischen Töne dabei, dafür aber alle Töne des Dreiklangs, demzufolge kann die Pentatonik über alle drei Akkorde angewandt werden.
- einen Ganzton höher: 9 - 11 - 5 - 13 - 1 (11 steht für die Quarte, 13 für die Sexte)
Auch hier sind wir noch vollständig in der Tonart. Trotzdem gilt es aufzupassen: Die Quarte kann ganz schnell mächtig scheiße klingen und sollte deshalb eher als Durchgangston verwendet werden. Wenn jemanden interessiert warum das so ist, kann ich gern noch was dazu schreiben, ansonsten einfach in die Theorie-Ecke gucken.
Was auch auffällt ist, dass wir hier keine Terz, dafür aber alle drei möglichen Nicht-Akkordtöne (9, 11, 13) haben. Da klingt gleich deutlich spannungsreicher.
- eine große Terz höher: 3 - 5 - 13 - 7 - 9 (7 steht für die (große) Septime)
Hier sind wir erstmal raus aus der naturgemäß mixolydischen Tonalität des Blues. Die große Septime zieht das Ganze zurück nach Ionisch. Solange die Begleitung nicht wild mit kleinen Septimen um sich schmeißt, funktioniert das ganze super über die Subdominante, mit Einschränkungen gut über die Tonika und eher nicht so gut über die Dominante.
Der Saxophonist Charlie Parker hat aber (meist zu Beginn seiner Soli) auch tapfer die große Septime gegen die kleine gespielt, was auch gut geklungen hat. Hiermit darf man nicht zu großzügig umgehen.
- einen Ganzton tiefer: b7 - b9 - #9 - 11 - b13
Jetzt wirds spannend. Gleich drei tonartfremde Töne (kleine und übermäßige Sekunde, kleine Sexte) machen diese Pentatonik zu einem NoGo für die Subdominante, für die Dominante und auch an manchen Stellen für die Tonika ist das Ding aber Bombe - sofern man es einzusetzen weiß.
- eine kleine Terz höher: #9 - #11 - b13 - b7 - b9
Diese letzte Penta ist nun völlig raus aus der Tonart und entspricht bis auf die in diesem dissonanten Zusammenhang unwichtigen Töne 1 und 3 der Alterierten Skala. Zum Einsatz gilt das gleiche wie bei der Penta oben drüber, sie ist halt nur noch schärfer.
Die übermäßige Sekunde (#9) und die übermäßige Quarte (#11) sind übrigens im Blues-Kontext wesentlich weniger scharf als zum Beispiel im Pop-Bereich, da sie ja auch in der Bluestonleiter enthalten sind.
Nochmal was zum Einsatzbereich der verschiedenen Pentatoniken innerhalb der Bluesform:
--1--2--3--4--- 5---6---7---8---9--10--11-12
| I | I | I | I | IV | IV | I | I | IV | V | I | V |
I = Tonika
IV = Subdominante
V = Dominante
Die Takte, die für fiese Klänge (letzten beiden Pentatoniken) besonder prädestiniert sind, sind Takt 4, 8, 10 und 12.
Das heißt auch wenn man über die Tonika alle diese Pentas sinnvoll anwenden kann, klingen die letzten beiden über Takt 11 ziemlich behindert, weil danach eben keine Auflösung erfolgt (I-V). Das gleiche gilt für die Takte 1-3, auch wenn vier Takte pure Spannung manchmal ziemlich cool sein können.
Was sehr schön kommt, ist zum Beispiel innerhalb der ersten 4 Takte die Spannung kontinuierlich zu steigern, um dann im Wechsel von Takt 4 zu 5 eine riesige erleichternde Auflösung zu erfahren.
Als Übung böte sich an, im ersten Takt die erste, im zweiten die zweite, im dritten die dritte und im vierten die vierte Pentatonik zu spielen (stehen in meiner Liste schon in der richtigen Reihenfolge von sehr entspannt zu sehr spannend)und dann zur Subdominante hin aufzulösen.
Nochmal als Warnung: Es ist nicht leicht, die dissonanteren Pentatoniken so zu spielen, dass es nicht scheiße klingt. Dazu gehört viel Erfahrung, Persönlichkeit und Überzeugung.
Also nicht wundern wenns am Anfang noch kacke klingt, wenn man den Klang erstmal absorbiert hat, kommen coole Sachen bei rum.