Erstmal: Sorry, dass ich erst so spät antworte! Hoffe, Du liest das hier dann noch... Ich wusste, dass meine Antwort lang werden würde, und dann schiebt man das immer so vor sich her... sorry nochmal!
also es ist so, dass ich schon als kind eben anders bin und nach wenigen minuten klassische stücke "begreife, erfasse" jedoch wenn ich in der schule einen rythmus nachklatschen sollte, wo das klatschen des musiktrainers ca 40 sec ging, wurde mir schwindlich und ich konnte den rythmus nicht mehr erfassen. wahrscheinlich hängt das mit einer konzentrationsschwäche zusammen. ich kann auch räumlich nicht sehen.
40 Sekunden sind als Einheit für das Erfassen und Nachklatschen eines Rhythmus aber auch seeeeeeeeehr lang. Das funktioniert nur, wenn man den Rhythmus dann quasi schon analysieren und in ein Taktschema einordnen und so quasi komprimiert im Kurzzeitgedächtnis abspeichern kann. Und das ist schon eine ziemlich fortgeschrittene Fähigkeit.
ich hatte nach musiktrainingslagern in der ehem DDR dann mit 12 jahren mich abgewandt von der musik weil mir als ich älter wurde verboten wurde, nach gehör zu spielen und immer diese schreckliche horror konzentration auf noten von stücken die mir gefielen. somit habe ich seit dem wieder was gespielt.
Es macht mich immer wieder fassungslos, von so etwas zu hören und zu lesen. Das Verbot des Spielens nach Gehör oder des Anhörens von Aufnahmen ist in Teilen der klassischen Musikpädagogik über lange Jahre sehr verbreitet gewesen, und ist es teilweise auch heute noch. Wenn Du mich fragst, handelt es sich in dieser absoluten Ausprägung dabei aber um einen unendlich verkopften, abgehobenen und absolut unnatürlichen Irrweg. Man muss sich einfach mal klarmachen, dass unsere erste Kontaktaufnahme mit Musik
immer über das Gehör stattfindet und das, was wir mit den Ohren wahrnehmen, nämlich der Klang, die absolute Essenz der Musik ist. Ohne den Klang, der daraus entstehen soll, sind Noten nur inhaltsleere Kleckse auf Papier - ebenso, wie es auch Buchstaben wären, wenn wir die niedergeschriebene Sprache, die wir lesen wollen, nicht einmal sprechen könnten. Wer käme auf die Idee, jemandem, der nicht sprechen kann, das Lesen beibringen zu wollen???
Folglich ist das Lernen von Musik über das Gehör die natürlichste Art des Musiklernens, und muss deshalb eigentlich immer eine zentrale Rolle spielen.
In der klassischen Musikpädagogik gab es aber nun leider welche, die, inspiriert von Geniebegriff, meinten, das natürliche Lernen von Musik nach Gehör als primitiv brandmarken zu müssen. In der Folge wurde die Gefahr an die Wand gemalt, man könne keine eigene musikalische Persönlichkeit entwickeln, wenn man sich an bei anderen Musikern Gehörtem orientiere. (Meines Erachtens ist eines der markantesten Jake-Blues-Zitate der einzig treffende Kommentar für diese fundamentalistische Einstellung.) Das Lernen nach Gehör wurde als »Papageienmethode« diffamiert, womit die natürlichste (und in vielerlei Hinsicht effektivste) Methode des Musiklernens aus dem Kanon des Musikunterrichts verbannt wurde - ein schwerer Fehler, wenn Du mich fragst, der schon viele schlimme Folgen nach sich gezogen hat.
ein ganz lieber filmusiker von über 70jahren hatte mir mal gezeigt, wie ich meine seele auf die tasten bringen kann. er hat mir nur 2 griffe mit der rechten hand gezeigt und die linke ist meine seele sagte er. und es hatte damals sofort geklappt. über takt und rythmus musste ich nicht nachdenken.
Scheint ein weiser Mann zu sein.
ich versteh es in keinster weise, weshalb bei foxtrott, was ja nun wirklich einfacher sein sollte, als schubert oder mozart, ich den weg nicht finde. wenn ich mich auf noten mit den ich eh schwierigkeiten habe, konzentriere, kann ich gerade mal für 2 töne meine konzentration halten. als würde ein ein "chinesisches" schwieriges mir völlig unbekanntes instrument in den händen liegen. das ist wie verhext.
Foxtrott ist halt eben nicht einfacher, sondern verlangt Spieltechniken und Klangfarben, die bei Mozart und Schubert nur äußerst sparsam zum Einsatz kommen. Demzufolge trainierst Du mit Mozart und Schubert eben auch nicht das, was Du beim Foxtrott brauchst. Der Hinweis auf Joplins Ragtimes ist ja hier schon gefallen, in dieser Ecke wirst Du mit Sicherheit mehr sinnvolle Stücke zur Vorbereitung finden.
ich möchte gern, den foxtrott von robert katscher (siehe unten) spielen können und das kann doch nicht schwerer sein als mozart oder schubert. hört sich bestimmt total bescheuert an, aber ich versteh das nicht, solch einem stück echt nicht gewachsen zu sein es zu lernen.
Es ist vielleicht nicht schwerer, aber auf eine andere Art und Weise schwer. Verschiedene Stile fordern und fördern zugleich unterschiedliche Fähigkeitenkomplexe. Ich kann mir gut vorstellen, dass es auch hervorragende Foxtrott-Pianisten gibt, deren Bach- und Mozart-Interpretationen wie eine schlecht geölte Industriestanzmaschine aus dem 19. Jahrhundert klingen.
vielleicht sollte ich doch mal in eine musikschule gehen, aber ich hab angst, dass ich mich vor frust meiner komischen auffassungsgabe wieder abwende.
Stop! Wie man sich selbst wahrnimmt, wird immer auch durch die Außenwelt mitbeeinflusst. Nach dem, was Du erzählt hast, scheint es mir eher so zu sein, dass Du vielen Lehrern begegnet bist, die einfach komische Methoden hatten, die die Sache völlig unnötig verkompliziert haben. Das heißt
nicht, dass Deine Auffassungsgabe komisch ist.
schau mal hast du vieleicht eine baby-übung mit höchsten 3 tönen beidseitig die ich erstmal versuche zu wiederholen, bis mein kopf das rafft:
Habe ich leider nicht. Aber ich kann Dir ein paar grundsätzliche technische Tipps geben, die so bei Mozart und Schubert nicht gefordert sind:
- Der Stil der linken Hand wird auch als Stride-Piano bezeichnet, ist aber keine Erfindung des Ragtimes oder anderer »neuerer« Stile. Die grundsätzliche Bewegungsanforderungen dazu findest Du auch vielfach bei Chopin, vor allem in den Walzern und Polonaisen. Für die ganze hoch- und spätromatische Literatur ist diese Technik der linken Hand von enormer Bedeutung. Das Wichtigste dabei ist, den ganzen Arm zum Spielen zu benutzen, die Finger sind dabei eher Kraftüberträger, der Löwenanteil der Spielenergie kommt aus dem Torso und dem Arm. Außerdem muss der ganze Arm mit all seinen Gelenken bewegungsbereit sein, da er ja zusätzlich noch permanent die Lage wechselt. Ragtimes sind da ein gutes Übungsfeld.
- In der rechten Hand sind die körperlichen Anforderungen ähnlich, auch wenn die Sprünge dort in der Regel kleiner sind. Hier kann es sinnvoll sei, viele Melodien oder Läufe in Oktavgriffen oder Akkordmixturen zu üben und dabei auf einen klaren Klang vor allem der obersten Töne (die dadurch zwangsläufig in den schwächsten Fingern landen) zu achten.
Generell brauchst Du für Foxtrott und Ragtime eine deutlich perkussivere Spielweise als für Schubert oder Mozart, und das ist vor allem ein Frage der körperlichen Einstellung, aber auch der Gewöhnung an diesen oder jenen Klang. Übertreibung ist übrigens eine hervorragende Übemethode!