Ich werfe nur als radikalen Ansatz rein, dass man Folk/Blues/Country auch einfach "machen" kann, mit den Spielweisen/Klischees/Harmonien die qua Erfahrung und "im-Ohr-Sein" einfach funktionieren. Dur/Moll ist da manchmal etwas "ambiguous", ebenso wie Akkordwechsel überhaupt ... aber wenn's funktioniert, dann erfüllt Musik ihren Zweck. Auch ganz ohne Verständnis der Theorie kann man "nur" mit Spielen eine emotionale Wirkung erzielen.
Ich werfe noch ein letztes musikalisches Beispiel rein hier:
View: https://www.youtube.com/watch?v=wcSyE_0DNX8&list=RDwcSyE_0DNX8&start_radio=1
Hier passiert irgendwie nix ... aber doch ganz viel. Akkordwechsel im Gitarrenspiel gibt es nicht, werden aber über den Gesang impliziert. Das Ohr hört womöglich gar eine Art Blues Progression mit der ersten Textzeile als eine Art Call&Response über eine 4 Mal wiederholte Phrase und dann eine andere als Abbinder, unterstützt wird das durch ein anderes Riff zwischen den Versen. Dann noch natürlich gezielt bluesig eingesetzte Mikro-Tonalität sowohl gesanglich als auch auf der Gitarre. Das ist nicht schief/falsch gespielt, das ist schräg/spannungsvoll/mussgenauso für Hill Country Blues.
Das wirkt jetzt erstmal simpelst - praktisch aber auch wieder gar nicht so einfach zu machen, da muss man spieltechnisch gerade hinsichtlich Timing schon in einen gewissen Groove kommen, und auch so Achtel-/Vierteltonbends bei Blues-Sachen muss man erstmal "drin" haben.
Wer's harmonisch/theoretisch analysieren mag? Feel free, wenn ihr meint, dass es euch konkret weiterbringt. In der Blues-Analyse findet man ja, wenn man tiefer eintaucht, ja schon viel Beschäftigung mit genau diesen "Zwischentönen", die sich zwar in Frequenzen darstellen lassen, aber eben nicht immer ins klassische Notensystem "pressen" lassen.
Ein kleines Beispiel hier:
www.esm.rochester.edu
Solche Darstellungen findet man auch in diversen Büchern zum Blues, sogar in ein paar Liner Notes von Schallplatten, das ist schon ein spannendes Feld ... aber natürlich mit Fokus auf den Gesang, denn das was gitarrentechnisch passiert, ist oft viel einfacher. Aber auch hier - Keinem Sänger wird es helfen, zu wissen, wie genau der Frequenzgang ist! Spannend ist doch, über welchen Weg man von einem zum nächsten und übernächsten Ton kommt, und was dabei auch "dazwischen" passiert.
Mein Punkt ist: Hier verlässt man das, was über unser System mit 12 Halbtönen präzise zu erfassen ist, und an dieser Stelle hilft einem Harmonielehre etc. nur näherungsweise weiter. Die "echten" Blue Notes sind ja auch nur "ungefähr" als b3, b5 (bzw. #4) und b7 beschreibbar, der "richtige" Ton einer gesungenen oder auf einem Instrument mit variablen Intervallen (wie Gitarre) gespielten liegt aber irgendwo leicht daneben. Gerade bei der Terz wandert man dann zwischen Dur und Moll ... verwendet die Moll-Pentatonik für eine Dur-Progression... und so weiter.
Ich bleib' dabei: Die Theorie ist eine hilfreiche Säule, eine absolut unverrückbare (und eindeutige) Referenz - und wer sie verinnerlicht hat, wird auch merken, dass gewisse Dinge in der Musik aber nicht 1:1 in dieses Schema passen, weil Dinge "zwischen" den Regeln passieren. Damit man aber drüber reden kann und nicht nur "aus dem Bauch raus" irgendwas fühlt, braucht es dieses Referenzsystem.
Für "wie spielt man Dylan" empfehle ich nach wie vor den Weg, wie auch Dylan zu Dylan wurde: Die Vorbilder studieren, ihr Phrasing/Akkorde/Spieltechnik "klauen" indem man sich das selbst draufschafft, und dann spielen, spielen, spielen.
...und damit bin ich aus diesem Thread, der mich zunehmend verwirrt, dann auch raus.