Viele Fragen - Cowboy-Akkorde und CAGED-System zur Songbegleitung

Levy ... seine Logik anzuwenden. Dauert zwar anfangs, aber irgendwann öffnen sich plötzlich Türen, die sehr interessant sein können. Besonders wenn man sich für modale Klangflächen, Aufhellungen, Verdunklung und Intervallmotif interessiert.
Wenn Du "A theory of harmony" verstanden hast, dann kapiere ich nicht, wieso Du bei einem Dylan-Song mit vier Akkorden solche Probleme hast ... Irgendwo klafft da bei Dir eine Lücke zwischen Theorie und Praxis. Vermutlich lässt sich das wirklich in einem Live-Unterricht am besten klären.
Auf jeden Fall ist es eine gute Voraussetzung, dass Du so an Theorie interessiert bist.
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Klar, wenn du phrygisch von oben nach unten in GT und HT-Schritten durchgehst, kommt du auf die "gleiche" Intervallstruktur wie bei Dur, also GT GT H
Ah, er meint tatsächlich eine Spiegelung .. Das ist aber völlig verkopftes Zeug. Phrygisch ist nun man anders definiert. Klar kommt irgendwas raus, wenn ich die Tonleiter umdrehe, aber das hat dann mit Phrygisch nichts mehr zu tun, sondern ist eine andere.

Bach hat seine Fugenthemen manchmal gespiegelt, oder rückwärts verwendet.

Für die Gitarrenpraxis und auf Deinem Level führt das eher zu Verwirrungen. Du könntest auch Deine Gitarre andersrum halten, dann kannst Du alles gespiegelt spielen, aber was soll das bringen?
 
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Ich werfe nur als radikalen Ansatz rein, dass man Folk/Blues/Country auch einfach "machen" kann, mit den Spielweisen/Klischees/Harmonien die qua Erfahrung und "im-Ohr-Sein" einfach funktionieren. Dur/Moll ist da manchmal etwas "ambiguous", ebenso wie Akkordwechsel überhaupt ... aber wenn's funktioniert, dann erfüllt Musik ihren Zweck. Auch ganz ohne Verständnis der Theorie kann man "nur" mit Spielen eine emotionale Wirkung erzielen.

Ich werfe noch ein letztes musikalisches Beispiel rein hier:

View: https://www.youtube.com/watch?v=wcSyE_0DNX8&list=RDwcSyE_0DNX8&start_radio=1

Hier passiert irgendwie nix ... aber doch ganz viel. Akkordwechsel im Gitarrenspiel gibt es nicht, werden aber über den Gesang impliziert. Das Ohr hört womöglich gar eine Art Blues Progression mit der ersten Textzeile als eine Art Call&Response über eine 4 Mal wiederholte Phrase und dann eine andere als Abbinder, unterstützt wird das durch ein anderes Riff zwischen den Versen. Dann noch natürlich gezielt bluesig eingesetzte Mikro-Tonalität sowohl gesanglich als auch auf der Gitarre. Das ist nicht schief/falsch gespielt, das ist schräg/spannungsvoll/mussgenauso für Hill Country Blues.

Das wirkt jetzt erstmal simpelst - praktisch aber auch wieder gar nicht so einfach zu machen, da muss man spieltechnisch gerade hinsichtlich Timing schon in einen gewissen Groove kommen, und auch so Achtel-/Vierteltonbends bei Blues-Sachen muss man erstmal "drin" haben.

Wer's harmonisch/theoretisch analysieren mag? Feel free, wenn ihr meint, dass es euch konkret weiterbringt. In der Blues-Analyse findet man ja, wenn man tiefer eintaucht, ja schon viel Beschäftigung mit genau diesen "Zwischentönen", die sich zwar in Frequenzen darstellen lassen, aber eben nicht immer ins klassische Notensystem "pressen" lassen.

Ein kleines Beispiel hier:

Solche Darstellungen findet man auch in diversen Büchern zum Blues, sogar in ein paar Liner Notes von Schallplatten, das ist schon ein spannendes Feld ... aber natürlich mit Fokus auf den Gesang, denn das was gitarrentechnisch passiert, ist oft viel einfacher. Aber auch hier - Keinem Sänger wird es helfen, zu wissen, wie genau der Frequenzgang ist! Spannend ist doch, über welchen Weg man von einem zum nächsten und übernächsten Ton kommt, und was dabei auch "dazwischen" passiert.

Mein Punkt ist: Hier verlässt man das, was über unser System mit 12 Halbtönen präzise zu erfassen ist, und an dieser Stelle hilft einem Harmonielehre etc. nur näherungsweise weiter. Die "echten" Blue Notes sind ja auch nur "ungefähr" als b3, b5 (bzw. #4) und b7 beschreibbar, der "richtige" Ton einer gesungenen oder auf einem Instrument mit variablen Intervallen (wie Gitarre) gespielten liegt aber irgendwo leicht daneben. Gerade bei der Terz wandert man dann zwischen Dur und Moll ... verwendet die Moll-Pentatonik für eine Dur-Progression... und so weiter.

Ich bleib' dabei: Die Theorie ist eine hilfreiche Säule, eine absolut unverrückbare (und eindeutige) Referenz - und wer sie verinnerlicht hat, wird auch merken, dass gewisse Dinge in der Musik aber nicht 1:1 in dieses Schema passen, weil Dinge "zwischen" den Regeln passieren. Damit man aber drüber reden kann und nicht nur "aus dem Bauch raus" irgendwas fühlt, braucht es dieses Referenzsystem.

Für "wie spielt man Dylan" empfehle ich nach wie vor den Weg, wie auch Dylan zu Dylan wurde: Die Vorbilder studieren, ihr Phrasing/Akkorde/Spieltechnik "klauen" indem man sich das selbst draufschafft, und dann spielen, spielen, spielen.

...und damit bin ich aus diesem Thread, der mich zunehmend verwirrt, dann auch raus.
 
Ah, er meint tatsächlich eine Spiegelung .. Das ist aber völlig verkopftes Zeug.
Und doch vor allem an der klanglichen Realität vorbei.

Woran ich da am ehesten denken muss sind Komplementärintervalle (also Intervalle, die sich zu einer Oktave ergänzen; Quinte + Quarte, gr. Terz + kl. Sexte usw.) :
Man kann die Töne c' - e' spielen. Dann klingt eine große Terz. Man kann das e runteroktavieren, dann klingt mit e - c' eine kl. Sexte. Das ist zwar schon was anderes, aber da ist auch physikalisch leicht erklärbar, warum sich das schon irgendwo zusammengehört, der mit Abstand stärkste Oberton ist nun mal die Oktave und somit ist in dem e automatisch noch recht viel e1 "mit eingepackt".
Und deshalb, eben weil die Obertöne in absteigender Stärke theoretisch unendlich weit nach oben klingen sind eben Akkordumkehrungen "quasi dasselbe" (also im harmonischen Sinn). Das geht aber nur nach oben - eine schwingende Saite/Luftsäule/whatever kann die Schwinglänge halbieren, dritteln, vierteln,... aber nicht verdoppeln, verdreifachen usw. Also ich finds auch abstrakt vollkommen logisch, dass wir (also offenbar die allermeisten 😅) von einem Grundton nach oben, aber eben nicht nach unten denken. Bzw., wenn nach unten gedacht, dann eben nicht einfach dieselbe Leiter in die andere Richtung, sondern die jeweiligen Oktavierungen der Stufen der "Original-Leiter".

Wenn ich nun aber zu dem c' ein ab spiele (das wären ja die 4 HT nach unten statt nach oben) verschiebt das auf jeden Fall die Harmonie deutlich. Beides (also c+e und ab+c) direkt hintereinander gespielt höre ich in erster Linie einfach ein verschieben ein und desselben Intervalls. Aber eben: Verschieben. Woanders hingehen.
Macht mans mit ganzen Akkorden, also c'-e'-g' wirds noch seltsamer. Dann müsste ab-c'-e' oder noch einen Schritt "nach unten gespiegelt" weiter gedacht f-ab-c' ja ja irgendwo "zusammengehören" - nur ich höre bei ersterem ganz klar einen übermäßigen Dreiklang (also eher harmonische Überraschung, die irgendwo anders hinführt) und bei letzterem einen glatten Fm, also eben eine Moll-Subominante, wo man eigentlich Dur erwarten würde (also ein borrowed Chord aus Cm), würde da noch einen F "dazwischenschalten", dann hat man eine schöne Subdominant-Moll Kadenz (C-F-Fm). Das ist alles schon ein bisschen weit hinaus über "gehört zusammen" oder wie im Bezug phrygisch<>Dur geschrieben wurde "quasi dasselbe".

Und was mir sowieso überhaupt nicht eingeht: Wenn ich eine möglichst "C-Durige" Melodie spiele, meinetwegen die Entchen | C-D-E-F | G-G | A-A-A-A | .... , dann ist der Ton A zwangsläufig ein essentieller Bestandteil meines aktuellen harmonischen Umfelds. @latestarter , wenn du in diesen Kontext ein Ab einbaust (was nach deiner Logik ja irgendwie "nahverwandt" sein müsste, ist ja vom C die große Terz runter statt rauf) findest du tatsächlich, dass dieser Ton in irgendeinem logischen, schlüssigen Verhältnis dazu steht?
 
Bob Dylan hat in seinen frühen Jahren ("God on our Side") die Stilistik der amerikanischen Volksmusik aufgegriffen und "imitiert".

Meinem Verständnis nach beruht diese auf ein paar wenigen "Regeln" (die im weitern erweitert oder aufgeweicht werden).
1.) Die Melodie soll für unausgebildete Sänger mit geringem Stimmumfang (eineinhalb Oktaven oder so) leicht singbar gut klingend sein. Großartige Ton-Sprünge wollen wir vermeiden. (Volksmusik eben, es soll praktisch jeder mitsingen können.)
2.) Einfache Harmonik, die Melodie und Akkord-Begleitung sollte im Grunde mit den drei Dur-Akkorden auf I, IV und V gut funktionieren. (Volksmusik, die Musiker sollen nicht mit schwierigen Jazz-Akkorden überfordert werden.)
3.) Die Melodie beruht auf einerseits Ziel- oder "Anker"-Tönen, die länger ausgehalten werden, und zu denen die Akkorde harmonisch klingen sollen. (Akkordeigene Töne sind es also.) Sänger und Musiker sollen bei diesen Zieltönen wieder "heimwärts" finden.
4.) Und zum anderen auf Durchgangstönen, die die Tonleiter herauf- oder herab tänzeln, um vom "Ankerton" oder Ausgangston des einen Akkords zum nächsten Zielton zu gelangen. Das darf eben mal einfach nur die Tonleiter herauf sein, oder auch etwas "zu weit" herauf, um dann auf den Zielton abzusteigen. O.ä.
5.) Die "Cowboy-Akkorde" auf der Gitarre spielen (im Prinzip) nur den Grundton, Terz und Quinte, und geben gar keine Auskunft über Melodieführung oder Durchgangstöne. Man muss die Melodie schon kennen, um anhand von "Lead-Sheets" mit Akkorden den Song zu singen.

Von daher gibt es gar keine Methode, um nur anhand der notierten "Cowboy-Akkorde" die Melodie oder Rhythmik eines Liedes heraus zu bekommen. Man muss die Melodie schon vorher kennen.


6.) Parallele Moll-Akkorde können Durchgangstöne unterstreichen oder hervorheben, oder die Harmonik interessanter gestalten.
7.) Slash-Akkorde (z.B. C/E) können über ihre "vorgeschriebenen" Bass-Noten die Melodie unterstützen, und vermitteln damit eine Art "Ahnung" oder bessere "Erinnerung" an die Melodie, wenn man das Lied mit diesen Slash-Akkorden begleitet, statt nur mit den Standard-Akkorden.
8.) Erweiterte fortgeschrittene Gitarren-Techniken ("Carter Scratch") erlauben es, gleichzeitig Melodie und Begleitakkorde auf der Gitarre zu spielen. Sowas wird dann aber kaum als "Cowboy-Akkorde" mit Akkord-Symbolen wie etwa C/E notiert, sondern als "Guitar-Tabs".
9.) Und prominent angewandt, wird diese Technik (Carter-Scratch) nicht um während des Gesangs die Gesangsmelodie noch mit zu spielen. Sondern um etwa ein Solo auf der Gitarre zu spielen.

Um Folkmusik glaubhaft zu spielen, sollte man meiner Ansicht nach, erstmal einfache Melodien in seiner eigenen Gesangs-Tonlage mit einfachen "Cowboy-Akkorden" spielen, um ein Gehör und Gespür für diese Musik zu entwickeln.
Wisse deine Tonlage für deine Stimme! Du kannst vermutlich nur schwierig Dylan in C-Dur nach singen und spielen, wenn die Tonlage deiner Stimme z.B. eine Quarte tiefer in G-Dur liegt. Dann transponiere oder nimm Kapo.
Die ganzen Volksmusikerinnen, die diese Musik geprägt haben, haben sich sehr vermutlich gar keine Gedanken über Musiktheorie oder "phrygisch gespiegelt" gemacht, sondern hatten ein Gehör dafür, nach welchem Akkord die Melodie förmlich rief, wenn die Töne rauf oder runter zum nächsten Zielton lief. Oder nach welchem Zielton die Musik oder Melodie verlangte, um in der Melodie Spannung aufzubauen, oder um die Melodie danach auch wieder schön und sicher nach Hause zu bringen.

Hier noch ein paar Beispiele für den Carter-Scratch, weil er auch einfach so schön ist. (Im Intro wird die Melodie vorgestellt.)
Carter Family - Wildwood Flower
Mother Maybelle Carter - Wildwood Flower
Carter Family (1928) - Wildwood Flower
Carter Family - Wildwood Flower

(Diese Technik beruht meiner bescheidenen Erfahrung daran, auf Cowboy-Chords, die gezupft statt geschrummelt werden. Mit den überzähligen Fingern der Greifhand werden Bass-Noten im nullten, ersten, zweiten oder dritten, selten vierten Bund vom Kapo aus gegriffen und mit dem Daumen der Zupf-Hand gespielt, um während des Gesangs einen Wechsel-Bass oder Bass-Figuren zu machen. Die hohen Saiten werden mit Zeige- und/oder Mittelfinger "gescratcht", um die Akkorde zu spielen. Beim Solo geht der Daumen der Zupf-Hand bis hoch in die hohen Saiten und spielt die Melodie, während Zeige- und/oder Mittelfinger die Akkorde "scratchen".
Ich glaube nicht, dass sie sich diese Technik "theoretisch" ausgedacht hat, sondern sie beim Gitarre-Spielen über das Zupfen der Cowboy-Akkorde nach und nach darauf gekommen ist.
Und sich von Musik anderer Musiker, die sie hörte, hat inspirieren lassen.)

Dylan spielt ja auf "God on our Side" nun auch kein Carter-Scratch, sondern bloß teils "hektisch" aneinandergereihte Moll- und Slash-Akkorde, allesamt geschrummelt.
Vielleicht war er sich selber nicht so ganz sicher, welche Akkorde wirklich passten, oder er wollte in seinen jungen Jahren nicht bloß als der "kleine Volkssänger mit nur einer handvoll Akkorden" gesehen werden und ein wenig angeben...
Mir persönlich erschließt sich die Logik seiner vielen und dann doch nur ganz kurz gespielten Akkorde nicht wirklich.
Ich persönlich würde für meine Version des Songs die Akkorde "ausmisten" und erstmal nur die wirklich wichtigen spielen.
Und hören.
Ein Gefühl für die Melodie und die Akkorde, nach denen die Melodie ruft, entwickeln.

Grüße
 
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