Hallo Kokopelli,
1.500 Euro für ein Plastikgerät - das war schon mit etwas Zähneknirschen verbunden. Aber es ist halt irgendwie auch alternativlos, wenn man die Verfügbarkeit der Alternativen bedenkt.
Warum nicht das AE-10? Weil es das AE-30 gibt. So rudimentär diese Antwort auch klingen mag, das Bessere ist des Guten Feind, und so ist eine Neuentwicklung für den professionellen Kundenstamm eben noch besser als ein Jahre altes Produkt. Würde sich das AE-30 nicht vom kleinen Bruder abheben, wäre es Marketing-GAU, und in sofern habe ich eben erwartet, dass es schon so seine Gründe für die Platzierung im Markt gibt.
. Alle synthetischen Saxopohon-Sounds klingen unecht
Da macht das AE-30 auch im gewissen Rahmen keine Ausnahme. Wenn man jedoch keinen direkten Vergleich hat, ist das etwas vollkommen anderes. Und aus eigener Erfahrung dürftest du wissen, dass ein Anfänger auf dem akustischen Sax noch wesentlich übler klingt als mit einem Blaswandler mit Elektro-Saxsound.
Aber man darf sich auch nicht von den Soundbeispielen täuschen lassen, die man so im Netz findet. Wie gesagt sind da meistens irgendwelche Leute zugange, die sich ein Aerophone zum Spaß nebenbei angeschafft haben. Und so klingt das dann auch. Worst Case ist dann der per Handy aufgenommene Trötesound des internen Speakers des AE. Die guten Spieler indes unterlegen den Sound überwiegend mit mehrspurigen Begleitinstrumenten und feilen über die DAW-Software am Gesamtklang.
Und nachdem ich mich jetzt einige Stunden in die wirklich massiven Einstellmöglichkeiten des AE-30 eingearbeitet habe, ist meiner Meinung nach ein Sax-Sound dabei herausgekommen, der dem Spiel eines akustischen Sax recht nahe kommt. Dem Spiel wohlgemerkt, denn nicht der Ton ist entscheidend, den man beim einfachen Reintröten ins Instrument zu hören bekommt, sondern der entsteht, wenn man die typischen Dynamikvariationen eines akustischen Saxophons nutzt.
Und die sind beim AE-30 wirklich unfassbar variantenreich und mit einen Einsteiger deutlich überfordernden Parametern einstellbar. Nimmt man den weichen Sound eines Tenor-Saxophons als Grundlage, kann man durch genau abgestimmte Einstellungen bei der Blasstärke, der Atemkontrolle, den Füllkurven, der Spreizung der Minimal- zu Maximalwerte, und letztlich auch durch verschiedenste Effekte, erstaunliche Dynamiken erreichen. Das AE-30 grollt und faucht, tremoliert und hallt auf einmal derart überzeugend, dass es für einen nicht vom akustischen Sax kommenden Spieler voll ausreicht.
Wer sich mal anschauen möchte, was man so alles einstellen kann:
https://static.roland.com/assets/media/pdf/AE-30_Parameter_Guide_eng01_W.pdf
Vieles ist derart umfangreich individualisierbar, dass Roland gewisse Einstellungen auf die kostenlose App ausgelagert hat, einfach weil man das trotz des mehrzeiligen Displays am Gerät einfach nicht mehr handeln kann.
Dagegen erscheint das Einstellungsmenü des AE-10 als fast schon spartanisch. Man findet dort zwar viele der Möglichkeiten des AE-30, aber das AE-30 hat grob gesagt für jeden Parameter des AE-10 nochmal diverse Erweiterungen und zusätzliche Möglichkeiten.
Insgesamt bin ich vollkommen zufrieden mit dem Erreichbaren. Irgendwann gehe ich auch noch an die Einstellungen von Oboe und Klarinette, aber das alles ist insgesamt eine Aufgabe, die einige Zeit in Anspruch nehmen wird. Kennt man sich nämlich nicht damit aus, wie sich viele den akustischen Instrumenten nachempfundenen Parameter in der Praxis gegeneinander auswirken, kann man sich einige Zeit mit Probieren vertreiben.
Es ist wie mit hochwertigen digitalen Spiegelreflexkameras - was im Auslieferungszustand ab Werk herauskommt, zeigt nicht im Entferntesten das, was mit einer sinnigen Einstellung ganz nach persönlichen Vorlieben möglich ist. Kein Wunder, wenn man zig Instrumente in einem Gerät vereint wie bei den Aerophonen, kann es keine universell passende Einstellung für das Gesamtsystem geben. Was beim Sax super passt, klingt beim Cello fürchterlich. Und auch die Saxe untereinander benötigen jeweils eigene Grundeinstellungen. Das poppige Alt braucht halt andere Atemkontroll-Parameter als ein jazziges Tenor ...