Okay, dann versuche ich das mal.
Zuallererst: mit den barocken Quint- und Oktavparallelen habe ich mich überhaupt nicht auseinandergesetzt.
Ich habe auch nicht an andere Regeln GEDACHT.
Allerdings ergeben sich aus bestimmten Notwendigkeiten schon so etwas wie Faustregeln:
1) Die Stimmen müssen sowohl horizontal wie auch vertikal funktionieren. Soll heißen: man muss einerseits die Akkorde erkennen können, aber die Stimmen sollen auch gute Linien haben (also sanglich sein).
2) Dazu kann man noch den Ehrgeiz entwickeln, die am Anfang verwendeten Motive einigermaßen beizubehalten (also sie wenigstens nicht ständig oder radikal zu verändern)
Wie man aber bereits in Takt 1 sehen kann, ist mir das mit der Gegenstimme nicht gelungen.
Wie bin ich vorgegangen?
Ich habe zunächst überlegt, dass es schöne wäre, die Gegenstimme aus einem Motiv des Themas zu übernehmen. Da bot sich das Motiv aus Takt 2 an.
Dann habe ich ein bisschen experimentiert, in welcher Lage das Motiv in der 2. Stimme auftauchen soll.
Grundton wäre blöd gewesen, da die Hauptstimme bereits im Grundton anfängt. Quinte wäre evtl gegangen. Vorteil: man hätte dann das Motiv in der 2. Takthälfte auf dem Ton b beginnen lassen können und hätte so zweimal das Originalmotiv ohne Veränderung gehabt. (Also mit einem Terzsprung nach oben am Ende)
Nachteil: die 3 Stimme, die ja hier eine Bassfunktion übernimmt, hätte (um den Akkord vollständig zu machen) auf der Terz beginnen müssen. Das fand ich so direkt am Anfang des Stückes nicht gut.
Also habe ich das Motiv auf der Terz beginnen lassen. Nachteil hier: man muss in der 2. Takthälfte das Motiv leicht verändern (Quarte rauf statt Terz rauf). Da das aber gleichzeitig eine bessere Linie zum nächsten Ton (c) im 2. Takt ergibt, ist das sogar gut. Aber natürlich hier nur Zufall.
Takt 2 und 3 ist praktisch dasselbe. Um etwas Abwechslung reinzubringen, habe ich den Bass diesmal auf der Quinte beginnen lassen. Er springt auf Zählzeit 2 erst auf den Grundton.
Es ist also viel probieren und manchmal natürlich auch Ansätze wieder verwerfen.
Man muss aber auch dazu sagen, dass die beiden Motive sehr dankbar sind. Keine Vorhalte, keine großen Sprünge. So sind sie leicht zu handhaben, wenn man sie in einer 2. Stimme verwenden will.
In Takt 7 und 8 ist mir durch Zufall diese Dezimenfigur in die Finger geraten. Da Gm und Eb in einem Terzenabstand liegen, ließ sich die Figur wiederholen, wenn man sie abwärts führt.
Es sollte wieder das B-Motiv sein, aber ein Terzsprung am Ende hätte hier keinen Sinn gemacht, also habe ich ihn durch einen Sekundschritt ersetzt und das Motiv gespiegelt, sodaß es eine Abwärtsbewegung ergibt.
Dann wollte ich das aber weiterführen und habe die Akkord in Takt 8 (Bb) ignoriert und ihn für die Linke Hand wie einen Cm behandelt. Die in der rechten Hand gespielte Melodie in Sexten verwandelt sich dadurch in Vorhalte, die aufgelöst werden, wenn die Bassbewegung schon wieder in der Wechselnote ist. Herrliche, aber durch Stimmführung logische Dissonanzen entstehen durch ein Zufallsprodukt.
Der 16telBass am Ende benutzt auch wieder die Figur vom B-Motiv, auch hier ohne Terzsprung und diesmal aufwärts gerichtet.
Da sie in 16teln geht, heißt es mehr Zeit zu überbrücken, also musste ich noch Figuren dazubasteln.
Auch hier würde ich sagen, dass die schlüssige Linienführung einen darüber hinweghören lässt, dass die neuen Motive nicht aus den Originalmotiven stammen.
Ich weiß nicht, ob man das als Regeln auffassen kann(muss), aber so denke ich beim Arrangieren oder komponieren.
Und natürlich: wenn es gut klingt, ist es gut und wenn nicht: Finger weg!