Ich besitze drei deutschsprachige
Lehrbücher zum Thema Walking Bass, hier ein Vergleich:
1) John Fischer "Anleitung zur Improvisation für Bass"
2) Jäcki Reznicek "I'm walking"
3) Eddi Andreas "Garantiert Walking Bass lernen"
1)
Das Buch von John Fischer ist uralt, aus den 60er Jahren, und obwohl da mit Sicherheit nichts falsches drinsteht, wirkt es einfach altbacken und somit nicht besonders motivierend. Für lange Jahre war es das einzige deutschsprachige Buch zum Thema, aber mittlerweile sind die Ansprüche der Leser doch gestiegen, was Aufmachung, Umfang und Beigaben wie CD's betrifft.
2)
2001 erschien
I'm walking. Die beigelegte CD kann sich wirklich hören lassen, amtlicher fetter Kontrabass-Sound vom Autor Reznicek. Das war's dann aber auch fast schon mit Lob. Negativ ist mir aufgefallen:
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Größtenteils verzichtet das Buch auf die Notation der Harmonien! Man sieht also Walking-Lines ohne dass die dazugehörigen Akkordsymbole notiert wären. Nach einiger Zeit bin ich drauf gekommen, dass Reznicek jede Harmonie nur einmal vorstellt. Z.B. auf Seite 76 die "Rhythm Changes", aber auf den Seiten 78 bis 89 folgen jede Menge Walking-Beispiele über die "Rhythm Changes" ohne dass auch nur ein einziger Akkord notiert wäre. Man muss also schon selber zum Bleistift greifen und die Akkorde eintragen, wenn man die Walking-Lines analysieren will.
-Die ersten 60 Seiten (von insgesamt 200) gehen drauf für irrelevante Aufwärmübungen über zufällig ausgewählte Akkorde und Tonleitern, darunter so seltene Skalen wie "Jewish, Mixolydisch b6, Ionisch #5" die im weiteren Verlauf des Buches gar keine Anwendung finden.
-Es wird an keiner Stelle erklärt, welche Töne und Skalen zu welchen Akkorden passen.
Es wird überhaupt nichts musiktheoretisches erklärt. Damit ist der Kauf einer separaten Harmonielehre unumgänglich. Zitat von Seite 92, wo zum ersten mal Skalen ins Spiel kommen:
"Natürlich musst du wissen, welche Skala zu welchem Akkord oder gar zu welcher Akkordkombination passt. Das kannst du sowohl ausprobieren und dein Feeling entscheiden lassen als dir auch theoretisch aneignen. Ich schlage vor, beide Wege zu kombinieren. Auch an dieser Stelle sei dir wieder zum vertiefenden Studium dieser Materie 'Die neue Harmonielehre' von F. Haunschild, aber auch die Schule 'Rock Bass' von mir (beide AMA-Verlag) empfohlen."
-Alle Basslinien sind sowohl als Noten als auch als Tabs (!) notiert. Wie soll denn jemand, der noch nicht mal weiß, wo er welche Noten auf dem Griffbrett findet, verstehen, welche Töne zu einem Akkord passen?? Die Tabs nerven tierisch, und hätte man sie weggelassen, wäre das Buch anstatt 200 Seiten nur noch gut 100 Seiten dick.
-Reznicek schreibt zwar in einem sympathischen Stil, aber leider oft überkompliziert. Beispiel aus der Einleitung:
"Das grundlegende Prinzip einer Walkingbass-Line ist, improvisierend-aufbauend ein harmonisches und gleichmäßig rhythmisches Fundament für eine Band oder ein Ensemble zu errichten. Durch dieses mehr oder weniger ostinate 'walking a line' verklanglicht sozusagen der Bassist den Grundrhythmus und der Bass wird gleichzeitig seiner Hauptaufgabe als unterster Stimme von Harmonie und Melodie gerecht."
-Die "Theorieübersicht" am Ende des Buches enthält zahlreiche Fehler. So wird dort u.a. behauptet, der Akkord C9 enthalte keine Septime, obwohl dieses Akkordsymbol eben gerade einen Dominantseptakkord darstellt (mit None). Reznicek behauptet aber ganz direkt, dass C9 und Cadd9 dasselbe seien.
-Über Geschmack lässt sich bekanntlich streiten, aber an manchen Stellen sind einfach haarsträubende Töne notiert. Z.B. für einen Takt C7 die Tonfolge
H-G-E-C (Seite 73). Oder für einen halben Takt G7(b9) die Töne
A-G (Seite 128).
-Das Buch kann unmöglich auf einen Notenständer gelegt werden, da die Seiten durch die starke Leimbindung immer wieder zuschlagen. Für Notenbücher sind Ringbindungen einfach praktischer.
Insgesamt enthält das Buch einige ganz coole, ich möchte sagen "unkonventionelle" Linien, aber ich möchte stark bezweifeln, das man anhand dieses Buches wirklich Walking Bass erlernen kann, weil einfach das Basiswissen nicht vermittelt wird.
3)
2005 erschien
Garantiert Walking Bass lernen. Das komische ist, dass laut Buchklappe der Autor Eddi Andreas in Dresden Bass studiert hat, also genau dort, wo Reznicek Bass-Dozent ist! Ob sich die beiden kennen? Ihre Lehrmethoden sind jedoch höchst unterschiedlich:
-Andreas geht an das Thema höchst pragmatisch heran, beginnt zunächst mit der Erklärung der wichtigsten Akkordsymbole, lässt dann Grundtöne dazu spielen und baut so Schritt für Schritt immer weiter auf. Quinten, Dreiklänge, Arpeggios auf und abwärts.
-Zu allem was mit Skalen zu tun hat, gibt es relativ simple theoretische Erklärungen, zu welchem Akkord welche Skalen passen. "Simpel" soll dabei nicht negativ klingen, das Buch beschränkt sich auf das Nötige und erklärt dieses in verständlichem deutsch und übersichtlich gegliedert. Auch wer noch gar nix von Skalen/Kirchentonarten gehört hat, wird hier ganz behutsam an das Thema herangeführt.
-Wie bei Reznicek so hat auch Andreas eine CD mit den Beispielen eingespielt, die gleichzeitig als Playalong zum Üben dient. Zwar würde ich sagen, dass Rezniceks CD fetter produziert ist, aber dafür muss man bei Andreas' CD zum Üben keine Box an der Stereoanlage abklemmen, da Andreas die Playalongs als Extra-Tracks "drangehängt" hat. Also selbst eine billige Anlage ohne Stereo-Regler genügt hier.
-Notenlesen ist Voraussetzung, da auf Tabs (zum Glück) verzichtet wurde. Das Buch ist 120 Seiten dick.
-Der Alfred-Verlag bietet in seiner "Garantiert..."-Reihe eine kostenlose Internet-Unterstützung an. Wenn ich das richtig verstehe, kann man an den Autor direkt Fragen per E-Mail richten, welcher dieser dann zu beantworten hat. Interessante Option, habe ich bisher aber noch nicht genutzt, weil das Buch wirklich logisch aufgebaut ist.
Auf der Seite
http://www.garantiert-walkingbass.de/ hat der Verlag eine kostenlose Probe zum Lesen und Hören bereitgestellt. Da kann man also direkt mal reinschnuppern. Ansonsten habe ich auch noch einige Kommentare zum Buch bei
amazon.de in Erinnerung, falls jemand noch weitere Meinungen hören will.