Früher Übergang zur Kopfstimme bei "TVS The Four Pillars of Singing 2.0"

  • Ersteller Strato Incendus
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Ich denke, Shana und singingtutor haben ein paar ganz wichtige Dinge gesagt, denen ich auch aus Schülersicht voll zustimmen kann. Auch ich bin der Ansicht, dass ein GL ein möglichst umfassendes Wissen über die Vorgänge beim Singen haben muss, in der Gesangstheorie fit sein sollte und sich auch über neue didaktische Ansätze und Wege informieren muss. All dies soll aber nicht ungefiltert 1:1 an den Schüler weitergegeben werden sondern "nur" den Boden bilden auf dem er seinen Unterricht aufbaut.

Meine frühere GL war der rein emotionale Typ. Ein gesangliches Ausnahmetalent das, trotz abgeschlossenem Gesangstudium an der MHS, vermutlich fast alles auf intuitivem Weg gelernt hat. Bei ihr im Unterricht hatte ich mit der Zeit immer mehr den Eindruck: die Frau singt so fantastisch, hat dabei aber scheinbar keine Ahnung was sie tut :rolleyes: Ihre Anweisungen waren dementsprechend oft ziemlich nebulös! Ich habe mich immer gewundert, dass ich, als kopflastige Person und Systematikfreak, überhaupt irgendwas bei ihr lernen konnte. Irgendwann war aber Schluss, ich steckte hoffnungslos fest, schob eine hübsche kleine gesangliche Krise :mad: und lechzte geradezu nach Erklärungen, System und Hintergrundinfos ;).

Mit dem Wechsel zu meiner jetztigen GL kam ich dann zu jemanden, der einerseits zwar auch eine ganz hervorragende Sängerin ist (resp. zu ihrer aktiven Zeit war), die gleichzeitig aber auch ein enormes Wissen bzgl. Gesang und allem was dazu gehört hat. Endlich konnte ich alles fragen und sie blieb mir keine Antwort schuldig. In den Lektionen selber ist sie aber weit entfernt von allem Theoretischen. Der Aufbau ihres Unterrichts ist wohl sehr gut durchorganisiert, aber ganz praxisorientiert: gutes altes Handwerk mit klaren einfachen Anleitungen, sehr vieles läuft über Bilder und Emotionen, zusätzliche theoretische Adnexe gibt es nicht (ausser eben man fragt danach).
Und das spannende dabei: je länger ich bei ihr bin, umso weniger interessieren mich Erklärungen zu Abläufen und Theoriekram. Das was meine frühere GL immer von mir wollte "frag nicht - mach!" klappt plötzlich bestens. Scheinbar reicht es mir zu wissen: ich könnte jederzeit fragen wenn ich denn wollte (will aber gar nicht mehr :)).
 
Früher gab es mal ein schönes Spiel namens "Bullshit-Bingo", das wurde in Meetings von Büromenschen gespielt. [...] Für die Sangeswelt schlage ich eine kleine Änderung vor: man nimmt Begriffe, für die es keine allgemeingültige Definition gibt, d.h. solche, unter denen nicht alle dasselbe verstehen.
So so .... und welche bleiben dann noch übrig, die man verwenden kann? ;)


Ironischerweise argumentierst du gerade in Richtung der Physiologiefraktion. Denn die Begriffe, die am wenigsten eindeutig sind und oftmals zu Missverständnissen führen, sind die traditionelleren.
 
Ich denke, Shana und singingtutor haben ein paar ganz wichtige Dinge gesagt, denen ich auch aus Schülersicht voll zustimmen kann. Auch ich bin der Ansicht, dass ein GL ein möglichst umfassendes Wissen über die Vorgänge beim Singen haben muss, in der Gesangstheorie fit sein sollte und sich auch über neue didaktische Ansätze und Wege informieren muss. All dies soll aber nicht ungefiltert 1:1 an den Schüler weitergegeben werden sondern "nur" den Boden bilden auf dem er seinen Unterricht aufbaut.

Dem würde ich auch zustimmen - mit einer Einschränkung: oft wird etwas als neuer didaktischer Ansatz ausgegeben, das im Grunde etwas Althergebrachtes im neuen Gewand ist bzw. auf einem cleveren Marketingkonzept beruht, um es als Paket, Lizenz etc. verkaufen zu können.
Wenn ich vollmundige Statements und Versprechungen lesen wie: mit dieser Methode lernen Sie singen wie die Stars/ vergessen Sie alles, was Sie bisher über Gesang gelernt haben, nur meine Methode ist die zielführende, etc. etc., dann schalte ich ab bzw. informiere mich höchstens oberflächlich. Und, nein, ich muss nicht jede neueste Mode in der Gesangspädagogik kennen.
Oftmals reicht es einfach, sich die Leute anzuhören, die nach einer bestimmten Methode ausgebildet wurden. Bisher habe ich dabei aber stets die selbe Erfahrung gemacht: es kommen bei jeder Methode gute, mittelmäßige und schlechte Sänger heraus.

Meine frühere GL war der rein emotionale Typ. Ein gesangliches Ausnahmetalent das, trotz abgeschlossenem Gesangstudium an der MHS, vermutlich fast alles auf intuitivem Weg gelernt hat. Bei ihr im Unterricht hatte ich mit der Zeit immer mehr den Eindruck: die Frau singt so fantastisch, hat dabei aber scheinbar keine Ahnung was sie tut :rolleyes: Ihre Anweisungen waren dementsprechend oft ziemlich nebulös! Ich habe mich immer gewundert, dass ich, als kopflastige Person und Systematikfreak, überhaupt irgendwas bei ihr lernen konnte. Irgendwann war aber Schluss, ich steckte hoffnungslos fest, schob eine hübsche kleine gesangliche Krise :mad: und lechzte geradezu nach Erklärungen, System und Hintergrundinfos ;).

Ich hatte auch mal so eine Lehrerin - habe bei ihr aber viel gelernt. Vor allem über Musikalität. Und ich fand es auch ganz spannend, einfach mal zu machen ohne nachzudenken. Sie wußte zwar auch nicht, was sie tat oder warum sie es tat, aber es war eben das Richtige; und als Primaten sind wir schließlich mit einem großen Talent zur Nachahmung ausgestattet. Noch dazu war sie sehr körperorientiert - man konnte (musste!) sich bei ihr richtig fallenlassen und ich habe dadurch eines der "Geheimnisse" des guten Gesangs entschlüsselt.

Alles in allem finde ich es viel spannender und aufschlußreicher, sich mit dem Geheimnis (denn das ist es tatsächlich noch) der Musikalität auseinanderzusetzen. Warum sind manche Leute so musikalisch und andere nicht? Warum können manche (auch unausgebildete) Sänger einem Song Leben einhauchen und Ausdruck verleihen, andere hingegen nicht? Warum klingen manche Stimmen schön, andere nicht ?
Die Physiologie hat mir darauf jedenfalls keine Antwort geben können.
 
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Tonja spricht da was ganz Wichtiges an, was m.E. oft zu kurz kommt:

Fokus auf den Schüler, dessen Präferenzen und Lernstil.

Ich kann hundertmal sagen, dass Physiologie und Erklärungen im Detail ALLEIN jemanden nicht zu einem guten Sänger machen (was absolut stimmt!). Wenn das aber etwas ist, was den Schüler interessiert, und er/sie eher zu den abstrakten Lernern gehört, muss ich das als Lehrer entweder in meinem Arsenal haben, oder ich muss ihn/sie zu jemandem weiterschicken, der das kann.

Umgekehrt genauso, wenn ich jemanden vor mir habe, der v.a. durch Nachahmung lernt - dann muss ich meine Klappe halten und ihn/sie nicht mit Monologen über Stimmbandfunktion quälen, weil er/sie so halt nicht lernen wird.

Der Schüler muss natürlich dem Lehrer vertrauen können und auch akzeptieren, wenn der Lehrer sagt: "Vergiss das jetzt mal und mach' nicht den zweiten Schritt vor dem ersten."

Nichtsdestotrotz: Wenn ich als Lehrer nicht akzeptieren kann, dass es eben Leute gibt, die Hintergründe wissen WOLLEN und das belächle, ist das m.E. auch nicht so dolle. Ich kann als Lehrer eben nicht von mir auf andere schliessen. Menschen sind halt unterschiedlich ;)
 
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Ironischerweise argumentierst du gerade in Richtung der Physiologiefraktion. Denn die Begriffe, die am wenigsten eindeutig sind und oftmals zu Missverständnissen führen, sind die traditionelleren.


Ich weiß, es wird viel nach "Vereinheitlichung" geschrieen. Ein bisschen überspitzt formuliert halte ich das für eine gewisse Ängstlichkeit der Kreativität und Freiheit gegenüber. Beides Grundvoraussetzungen für Gesang und jede Kunst überhaupt, die berühren soll.
Zwei Argumente sprechen für mich gegen die Vereinheitlichung der Terminologien:

1. Die "Freiheit der Zunft". Es gibt unter uns Sängerinnen/GesangslehrerInnen niemanden, der die Autorität und Definitionsmacht besäße, andere zu einer von ihm definierten Terminologie zu zwingen. Zum Glück, wie ich finde. Die Freiberuflichkeit birgt selbstverständlich auch Gefahren für die Nutzer. Man kann an jemanden geraten, der keine Ahnung hat und es gibt keine übergeordnete Kontrollinstanz. Jede Sängerin kann sich auch selbst zur Gesangslehrerin ernennen. Da muss man als Schülerin die Augen offen halten und schauen, ob das was man bekommt auch gut ist.

2. Die Natur des Gesangsunterrichtes an sich. Was der eine Schüler versteht und super hilfreich findet kann für die andere total belanglos oder sogar kontraproduktiv sein. Unterschiedliche Terminologien, Methoden und Ansätze nutzen uns Gesanslehrerinnen also mehr als daß sie uns verwirren müssten. Wir bekommen so ein viel breiteres Spektrum an Verständnis-, und Erklärungsmöglichkeiten. Was wiederum die eigene Kreativität befördert: Wir können jederzeit auch eigene Terminologien und Erklärungsansätze erfinden. Manche machen dann daraus ein "System", das sich als ganzes verkaufen und vermarkten lässt. Auch unter den GesangslehrerInnen gibt es Marketingtalente.

Gestern erklärte ich einer Schülerin den "Twang" so wie ich fand, daß es für ihre Stimme und die entsprechende Passage in dem Song um den es ging, zielführend wäre. Bei jemand anderem würde ich es vielleicht ganz anders einsetzen und erklären, denn gerade der Twang kann in verschiedenen Stimmveranlagungen ganz unterschiedlich klingen.
 
Ich kann hundertmal sagen, dass Physiologie und Erklärungen im Detail ALLEIN jemanden nicht zu einem guten Sänger machen (was absolut stimmt!). Wenn das aber etwas ist, was den Schüler interessiert, und er/sie eher zu den abstrakten Lernern gehört, muss ich das als Lehrer entweder in meinem Arsenal haben, oder ich muss ihn/sie zu jemandem weiterschicken, der das kann.

Aber das ist doch sowieso klar, oder ?
Wenn ich merke, daß mein Ansatz einer bestimmten Person nichts bringt, schicke ich sie selbstverständlich weiter.
Das ist etwas ganz Normales, nicht nur in unserem Metier.
Ich kenne es z.B. vom Yoga. Ich kann nicht mit jedem Yogalehrer und erwarte auch nicht von ihm, daß er jede neue Strömung oder Mode in der Yogaszene kennt oder anwendet. Ich suche so lange, bis es paßt. Für beide Seiten natürlich, denn sonst bringt es ja nichts.

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Ich weiß, es wird viel nach "Vereinheitlichung" geschrieen. Ein bisschen überspitzt formuliert halte ich das für eine gewisse Ängstlichkeit der Kreativität und Freiheit gegenüber.

Oder man erhofft sich davon, endlich einheitlich guten Gesang vermitteln zu können: wenn alle Gesangslehrer dasselbe lehren und das gleiche meinen, werden alle angehenden Sänger gut singen können, weil keiner mehr durch fragwürdige Methoden, unfähige Lehrer etc. "versaut" wird.
Ich glaube nicht, daß das jemals funktionieren wird.
 
Oder man erhofft sich davon, endlich einheitlich guten Gesang vermitteln zu können: wenn alle Gesangslehrer dasselbe lehren und das gleiche meinen, werden alle angehenden Sänger gut singen können, weil keiner mehr durch fragwürdige Methoden, unfähige Lehrer etc. "versaut" wird.
Ich glaube nicht, daß das jemals funktionieren wird.

Das ist komplett unmöglich.
Schon alleine, weil man sich vorher darauf einigen müsste, welche Lehre (und Terminologie) nun alle zu vertreten hätten. Das schaffen wir nicht mal hier im Forum ;-)
Nein, es wird bei der Vielfalt der Begrifflichkeiten und Methoden bleiben und ich finde das ist auch gut so :) Es liegt für mich einfach in der Natur der Sache.
 
So so .... und welche bleiben dann noch übrig, die man verwenden kann? ;)
Keine Ahnung, käme auf einen Versuch an :D

Ironischerweise argumentierst du gerade in Richtung der Physiologiefraktion. Denn die Begriffe, die am wenigsten eindeutig sind und oftmals zu Missverständnissen führen, sind die traditionelleren.
Ich wüßte nicht, was daran ironisch ist. Ich zähle mich zu keiner "Fraktion" und lehne die Idee von Fraktionen in unserem Gewerbe allgemein ab. Es geht mir um bessere Kommunikation. Was nutzt ein Begriff, der für jeden was anderes bedeutet? Man kann sich entweder seitenweise über die "richtige" Definition streiten - oder, vielleicht noch schlimmer, man merkt gar nicht, das verschiedenes gemeint ist.

Komischerweise funktioniert das in anderen Bereichen ja auch. Ich habe noch nie erlebt, daß Drummer über die Bedeutung von Worten wie Flam, German Grip, Rebound und dergleichen uneins sind. Dasselbe gilt für andere Instrumentalisten auch. Wenn man zu einem Gitarristen Bending sagt, weiß der was gemeint ist - auch wenn es jeder Gitarrist anders spielen mag. Man braucht ja deswegen nicht gleicher Meinung zu sein - und es würde auch nicht das Ende unserer Zunft durch Einebnung aller Unterschiede bedeuten. Es wäre einfach einfach eine feine Sache, wenn allgemein klar wäre, wovon überhaupt die Rede ist. Zu meinem - wenn auch etwas hinkenden - Handwerkervergleich, es gibt natürlich eine Unmenge verschiedener Hammer, in unterschiedlichen Formen und Größen etc., für unterschiedliche Aufgaben. Dennoch ist ein Hammer ein Hammer.

Es wird nie Einigkeit bei den Begriffen bestehen, ist mir schon klar. Dafür lassen sich tolle Worte einfach zu gut vermarkten und vermutlich sind wir Sänger auch zu eitel, um uns zu einigen. Dennoch: die Hoffnung stirbt zuletzt....


p.s. Oops, übrigens wollte ich den Thread nicht entern. Es darf gerne auf die Ausgangsdiskussion zurückgeschwenkt werden :D
 
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Was ich ja oft nicht verstehe:

Die Terminologie gibt es doch! Man kann das alles grösstenteils unmissverständlich benutzen, und ich wiederhole mich: Die Stimmforschung ist dazu seit Jahren relativ gut in der Lage.
Ein Mediziner sagt doch auch nicht "Herz", wenn er Lunge meint. Oder für Doktor A heisst Herz was anderes als für Doktor B.

So. Dann muss ich noch wissen, welcher Sound wie physiologisch Zustande kommt und wie ich eine bestimmte Einstellung triggere (und ich behaupte jetzt mal ganz dreist, dass es eben daran bei Einigen scheitert), und fertig. Da ist nichts missverständlich. Oder zumindest gibt's nicht so viel Spielraum, wie Mancher so meint. Fragen gibt's immer noch, aber zumindest da, wo Konsens beteht, könnte man den m.E. auch benutzen, OHNE unkreativ zu werden, oder dass die Magie der Musik einem flöten geht.

Das heisst übrigens AUCH nicht, dass man das alles ungefiltert an den Schüler weitergibt. Was man aber ganz einfach mal sagen muss ist dass Schreiben ein anderes Medium ist als Hören oder Sehen. In einem Forum schreibt man halt. Da ist es m.E. viel wichtiger, eindeutige Terminologie zu haben, das hat erstmal überhaupt nichts mit "verkopft" oder "mit Fachvokabular um sich schmeissen" zu tun.

Missverständlich wird's da, wo ich's Belting, oder was auch immer, nenne, und kein Konsensus besteht, welche physiologische Einstellung damit korrespondiert. Dann lassen wir eben diese Wörter weg und gehen danach, wie's klingen soll. Da kommen Hörproben ins Spiel. Geht doch.

Das Problem könnte man lösen, dazu müsste aber wirklich jeder auch diese Dinge lernen WOLLEN. Und daran hapert's eben, deswegen wird das m.E. nie funktionieren. Ist auch kein Problem, wo der Lehrer ehrlich genug ist, den Schüler weiterzuschicken wenn's nicht passt. Oder der Schüler genug Selbstbewusstsein und/oder Körpergefühl hat, das Weite zu suchen. Beides ist aber leider eben nicht immer der Fall.

Das Argument, dass bei Vereinheitlichung der absoluten Basics (und mehr ist es nicht!) die Kreativität und Offenheit leiden würde, zieht für mich ganz persönlich nicht, da das Eine das Andere überhaupt nicht ausschliesst. Ich kann eine gemeinsame Basis haben, die für alle gleich ist, und trotzdem genug Raum für Individualität lassen. Funktioniert in anderen kreativen Berufen auch.
Eins ist Handwerkszeug, das andere kreativ, und das kann sehr gut Hand in Hand funktionieren. Ein Architekt sagt doch auch nicht, er hat nur ein Luftschloss im Kopf, kann es aber nicht zu Papier bringen, oder hat null Idee, ob das statisch überhaupt realisierbar ist. Das ist Grundausbildung, Mittel zum Zweck. Er muss nicht der beste Draftsman der Welt sein, aber er kann und weiss genug, ums zu Papier zu bringen. Und wo's mehr ins Detail geht, kann er ja immer noch an Spezialisten weiterreichen (reine Bauzeichner, Statiker, was auch immer). Auch als Sänger und Gesangslehrer kann man interdisziplinär arbeiten. Das schliesst in allen Berufen nicht aus, dass nicht trotzdem noch was schief geht, aber so eine Art grundlegende Qualitätssicherung kann sicher auch nicht schaden.

Und der neueste Gesangsmethodikhype, nur um Geld zu machen (ich glaube, das ist einganz wesentlicher Teil des Problems), ist für mich nebenbei bemerkt auch was anderes als anatomische und physiologische Grundlagen. Letztere sind für alle grundlegend gleich, und es würde Kommunikation (insbesondere schriftliche) schon erleichtern.

Was war noch mal das Thema? ;)
 
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Das Problem könnte man lösen, dazu müsste aber wirklich jeder auch diese Dinge lernen WOLLEN.

Nein. Denn über "diese Dinge" herrscht ja in der Fachwelt keine Einigkeit.
Kleines Beispiel aus der Praxis: eine renommierte Gesangsdozentin an einer sehr renommierten Musikhochschule, die auch Gesangspädagogen ausbildet, erzählte mir, der Beckenboden und seine Muskulatur sei von größter Bedeutung fürs korrekte Stützen. Deshalb arbeitet sie sehr viel mit dem Beckenboden.

Eine andere, ebenso renommierte Gesangsdozentin, die ebenfalls angehende Gesangslehrer ausbildet, hat darob entsetzt die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen.
Und nun ? Wer hat recht ? Wer irrt ? Und wer vermag es definitiv zu beurteilen ?
 
Deswegen habe ich ja gesagt "Fragen gibt's immer noch, aber zumindest da, wo Konsens besteht, könnte man den m.E. auch benutzen." ;)

Natürlich sind nicht alle Fragen geklärt, ist in der Medizin ja auch nicht so. So mystisch und geheimnisvoll wie manche tun (Anwesende ausgeschlossen) ist Singen technisch aber auch nicht - ich wundere mich ja manchmal, ob Sänger sich einfach ganz gerne mit dem Nimbus des Unerklärbaren umgeben. *lol*
Den physiologischen Gesangprozess an sich versteht man heute ganz gut. Warum Gesang berührt (oder nicht), warum manche schneller lernen als andere, welche mentalen Blocks da mitspielen - das sind Dinge, über die man viel weniger weiss, und die haben natürlich mit gutem Gesang genauso viel (oder mehr) zu tun wie der technische Prozess. Deswegen kann ja jeder lernen, zu singen, aber nicht jeder hat das Zeug zum Sänger. ;)

Zum Beckenboden gibt's übrigens schon Studien, und ich würde auch sagen, dass einigermassen Konsens besteht, welche Funktion der im Gesang hat (Antagonist des Zwerchfells, Synergie mit Transversus abdominis. Ist aber auch flexibel zu verstehen und hat nichts mit dem "squeezing the tube" zu tun, was hin und wieder propagiert wird).
Wenn da jemand die Hände überm Kopf zusammenschlägt, kann das zwei Gründe haben:
a) Lehrerin 2 kennt die Studien nicht.
b) Lehrerin 1 unterrichtet den Einsatz des Beckenbodens entgegen dem, was Sinn macht - da wäre das Entsetzen von Lehrerin 2 dann vielleicht berechtigt, kann ich aber nicht beurteilen.
 
Es ging darum, daß laut GL 1 der Beckenboden auf die Kehlkopfmuskulatur einwirkt. Was GL 2 eben entsetzte.

Ich fand die Kontroverse zwar interessant, kann es aber nicht beurteilen und will das auch gar nicht.... und sehe nach wie vor nicht ein, warum ich zum Singen oder Gesang unterrichten ein Anatomiestudium absolviert haben muss.

Aber das ist wirklich eine Typfrage.
Anders gesagt: wir wollen alle verhindern, daß jemand "fest" wird beim Singen, arbeiten daran, möglichst viel Flexibilität zu erreichen (hoffe ich doch jedenfalls). Aber um das zu erreichen, benutzen wir verschiedene Ansätze.
Insofern begrüße ich die von Shana angesprochene Vielfalt der Definitionen und Methoden.
 
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Und, nein, ich muss nicht jede neueste Mode in der Gesangspädagogik kennen.

Habe damit natürlich nicht gemeint, dass man als Gesangslehrer über jeden Furz informiert sein muss, den der Kollege XY aus der mittleren Pampa gerade eben von sich gegeben hat ;) Aber über wichtige "neue Strömungen" (wobei "neu" nicht zwingend mit "gut" gleichzusetzen ist!), sollte man meiner Ansicht nach schon informiert sein und sei es nur deshalb, um einem Schüler, der plötzlich unbedingt nach der neuen Wahnsinns-Methode lernen will, mit harten Facts klar machen zu können, dass nicht alles Gold ist was glänzt. So nach dem Motto: "schütze dich, indem du deine Feinde studierst" ;) Und ab und zu ist an einer "neuen" Methode vllt ja auch tatsächlich mal was neues Gutes dran, dass man dann auch in seinen Unterricht einbauen kann.

und als Primaten sind wir schließlich mit einem großen Talent zur Nachahmung ausgestattet.

Ja das ist wohl so, aber damit wir jemanden erfolgreich nachahmen können, müssen meist erst gewisse Grundvoraussetzungen vorhanden sein. Meine frühere GL hat mir z.B. jeweils ganze Arien mit einem wunderschönen ausgereiften Vibrato vorgeträllert und ich habe sie 4 Jahre lang pfeifengerade nachgesungen :mad: Und das lag wohl nicht nur daran, dass ich so grottenschlecht war :D, weil: alle ihre Schüler - mit einer einzigen Ausnahme - sind genau gleich schnurgerade durch die Stücke gedonnert. Als sich dann nach dem Lehrerwechsel bei mir endlich die Technik so verbessert hatte, dass die Stimme in eine Schwingungsbereitschaft kam, war es dann für mich allerdings sehr hilfreich, viele Sängerinnen mit ausgeprägten Vibrato anzuhören, das hat meiner Stimme dann noch den letzten nötigen Schubs in die richtige Richtung gegeben.

Der Schüler muss natürlich dem Lehrer vertrauen können und auch akzeptieren, wenn der Lehrer sagt: "Vergiss das jetzt mal und mach' nicht den zweiten Schritt vor dem ersten."

Ja, sehr wichtig. Und wenn ich weiss, dass der GL grundsätzlich auf meine individuellen Bedürfnisse eingeht, kann ich mich auch mal total fallen lassen und ihm die Führung überlassen, wenn er mal was aussergewöhnliches von mir verlangt, wo ich den Sinn nicht gleich einsehe oder was mir auf den ersten Blick nicht zu entsprechen scheint. Das ist dann absolutes Vertrauen, was eine so wichtige Basis für erfolgreichen GU ist. :)

Ich kann als Lehrer eben nicht von mir auf andere schliessen. Menschen sind halt unterschiedlich ;)

Wenn sich das alle GL zum Leitsatz machen würden, gäbs definitiv weniger frustrierte Gesangsschüler!


Aber das ist doch sowieso klar, oder ?
Wenn ich merke, daß mein Ansatz einer bestimmten Person nichts bringt, schicke ich sie selbstverständlich weiter.
Das ist etwas ganz Normales, nicht nur in unserem Metier.

Tönt gut, ist in der Praxis aber nicht immer so, leider! Es gibt GL die klammern aus existentiellen Gründen (selber erlebt) oder sie können sich selber nicht eingestehn, dass der Schüler nicht mehr vorwärts kommt. Oder sie halten sich für Gott und ein Schüler der bei ihnen nichts lernt, muss so eine elende Nulpe sein, dass er auch bei jedem anderen GL nicht vom Fleck käme, da kann er ja gerade so gut auch bei ihm bleiben :rolleyes:

Man kann jetzt natürlich sagen, (fast) jeder Schüler ist frei und kann jederzeit gehen. Aber so einfach und logisch das auf dem Papier tönt, in der Realität kann es manchmal verdammt schwer sein, den Absprung zu schaffen. Nicht selten braucht es einen schon recht bedeutenden Leidensdruck, bis der Schüler endlich die Notbremse zieht.
 
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Und ab und zu ist an einer "neuen" Methode vllt ja auch tatsächlich mal was neues Gutes dran, dass man dann auch in seinen Unterricht einbauen kann.
Selbstverständlich ! Und davor sollte man sich auch nicht verschließen. Wir brauchen alle Inspiration von außen und müssen über unseren Tellerrand schauen können, sonst verknöchern wir. Das gilt natürlich auch für Gesangslehrer ;)
Das heißt aber nicht, daß ich mir irre teure Bücher zulege oder kostspielige Kurse absolviere, nur um mich dann "zertifizierter Wundermethode XY-Vocal Coach" nennen zu dürfen. Und womöglich noch irgendwelche Klauseln unterschreiben muss, die mich z.B. zum Stillschweigen über Inhalte verpflichten.

Es gibt GL die klammern aus existentiellen Gründen (selber erlebt) oder sie können sich selber nicht eingestehn, dass der Schüler nicht mehr vorwärts kommt. Oder sie halten sich für Gott und ein Schüler der bei ihnen nichts lernt, muss so eine elende Nulpe sein, dass er auch bei jedem anderen GL nicht vom Fleck käme, da kann er ja gerade so gut auch bei ihm bleiben :rolleyes:

Man kann jetzt natürlich sagen, (fast) jeder Schüler ist frei und kann jederzeit gehen. Aber so einfach und logisch das auf dem Papier tönt, in der Realität kann es manchmal verdammt schwer sein, den Absprung zu schaffen. Nicht selten braucht es einen schon recht bedeutenden Leidensdruck, bis der Schüler endlich die Notbremse zieht.

Ja, das stimmt schon. Es gibt auch GL, die sich an ihre Schüler klammern, weil sie Kontrollfreaks sind, oder nicht loslassen können, und Schüler, die gerne die Eigenverantwortlichkeit abgeben. Deshalb finde ich es ja auch in aller Regel ratsam, spätestens nach 2, 3 Jahren den Lehrer zu wechseln... falls man dann überhaupt noch Unterricht braucht.
 
Deshalb finde ich es ja auch in aller Regel ratsam, spätestens nach 2, 3 Jahren den Lehrer zu wechseln... falls man dann überhaupt noch Unterricht braucht.

Wenn man einen Lehrer findet, der die selbe Qualität hat, dann klingt das ganz sinnvoll. Aber bei meinem Lehrer bin ich jetzt seit 3 1/2 Jahren, singe immer noch nicht perfekt, und werde die nächsten 4 Jahre noch was bei ihm lernen können.

Auch selber beim unterrichten könnte ich einen Schüler doch einige Jahre mehr unterrichten. Eine Stimme muss gebaut werden, und das benötigt Zeit.

Und du sagst im Prinzip, dass man nach 2 bis 3 Jahren fertig ist mit der Gesangsausbildung. Im besten Fall ist man da meiner Meinung nach so weit, dass man dran denken kann, den Laienbereich zu verlassen und noch mal bei Null anzufangen, nur mit einer anderen Maßskala.
 
Naja, ich finde die Begriffsproblematiken bisweilen schon ziemlich nervig. Und ich rede ja nicht mal von den "neueren" Begriffen wie Twang oder Belt. Da herrscht ja zumindest darüber, wie es ungefähr klingt, einigermaßen Einigkeit. Aber richtig schlimm finde ich eben die Probleme mit den althergebrachten Registerbegriffen. Es hat für mich nichts mit Methodenpluralismus und Kreativität zu tun, dass jedesmal, wenn die Begriffe Kopf- oder Mischstimme fallen, erstmal eine kleine Umfrage gestartet werden muss, welche der drölfzig Auffassungen dazu denn jetzt gerade gemeint ist. Das ist nicht frei und kreativ, das ist einfach lästig und unnötig. Und in diesem Fall bin ich sehr froh, dass da inzwischen eindeutige und klare Begriffe zur Verfügung stehen.
 
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Cörnel;6005814 schrieb:
Und du sagst im Prinzip, dass man nach 2 bis 3 Jahren fertig ist mit der Gesangsausbildung. Im besten Fall ist man da meiner Meinung nach so weit, dass man dran denken kann, den Laienbereich zu verlassen und noch mal bei Null anzufangen, nur mit einer anderen Maßskala.

Das hast du mißverstanden. Im Musical- oder Klassikbereich ist man nach 2, 3 Jahren sicher noch nicht fertig. Schon die geforderte Vereinheitlichung des Klangs macht eine längere Ausbildung erforderlich; aber das weiß doch eh jeder. Trotzdem, auch hier könnte man den Lehrer wechseln. Ein Muß ist das natürlich nicht ! (Und wahrscheinlich ist es ebenfalls eine Typfrage. Ich würde es mit Sicherheit tun, andere schrecken davor zurück, wieder andere brauchen eine starke emotionale Bindung zum Lehrer).

Im Rock-Pop/Jazz-Gesang ist es meiner Erfahrung nach nach aber anders. Das Individuelle einer Gesangsstimme steht im Vordergrund. Man lernt das meiste in der Praxis, nämlich im Proberaum und auf der Bühne, und - ganz wichtig!!- durch die Interaktion mit anderen Musikern. Das technische Rüstzeug hat man in der Tat - Begabung vorausgesetzt - in spätestens 2, 3 Jahren drauf.
Und vergiß nicht, daß es eine Menge gute Sänger in diesem Bereich gibt, die überhaupt keine nennenswerte Ausbildung haben und bestenfalls mal ein paar Stunden Vocal coaching nehmen.
 
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@Bell: OK! Dann sind alle Missverständnisse aus dem Weg geräumt!
 
Ein Mediziner sagt doch auch nicht "Herz", wenn er Lunge meint.


Naja ... so einfach ist das bei den hier herangezogenen Analogien auch nicht.

Auch der Mediziner ist auf Deutung / Interpretation angewiesen und nicht alles ist sofort klar: Natürlich kann er Herz und Lunge unterscheiden genau wie wir zwischen Schreien und Flüstern unterscheiden können. Aber ist der Schatten auf dem Röntgenbild ein Tumor oder nur ein Popel oder zu viel Ohrenschmalz? Ist der hohe CK-Wert im Blutbild das Symptom für eine Hirnhautenzündung oder nur ein Hinweis auf Muskelkater? Um das herauszufinden, muss ich den Patienten besser kennen und genauer untersuchen.

Ihr merkt, ich plaudere aus dem Nähkästchen: ich war gerade bei vier Untersuchungen bei verschiedenen Fachärten. Anlass war das (Zitat) "Bauchgefühl" der Chefärztin der Augenklinik.

Beim Gesang ähnlich: Ist das, was ich da höre, nun Belt, Twang, Kopfstimme, Randstimme? Ein paar wenige Sachen sind klar, der Rest ist Deutung. Wie soll man für so etwas diffuses wie einen Klang, der bei jeder Stimme noch mal anders klingt - also individuell ist - eine allumfassende, allgemeingültige Definition finden? Das ginge nur, wenn jeder Mensch gleich sänge und klänge.

Das ist wie bei meiner Digital-Waage, mit der ich mich seit zwanzig Jahren wiege: mein Freundin sagt immer, ich soll sie wegschmeißen denn sie gehe falsch und zeige nicht mein richtiges Gewicht.

Ich sage dann: es ist völlig wumpe, ob ich in Wahrheit 3 kg mehr wiege, als die Waage anzeigt, denn sie ist meine Referenz und sagt mir lediglich, ob und wieviel ich ab- oder zugenommen habe. Genau wie mein GL oder die Methode, mit der ich lerne, meine Referenz zu klanglichen Definitionen meines Stimmspektrums ist. Wenn der sagt "mehr Kopstimme", weiß ich, was er meint.
 
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Ich sage dann: es ist völlig wumpe, ob ich in Wahrheit 3 kg mehr wiege, als die Waage anzeigt,

Das sagst du nur, weil du ein Mann bist :D

(sorry für OT, da skonnte ich mir jetzt nicht verkneifen)
 

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