Gibt es eine verminderte Prime?

  • Ersteller tritonus19
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Beide Aspekte lassen sich durch die Terminologie der Satztechnik und der harmonischen Analyse adäquat verbalisieren (siehe #35), während die Beschreibung der Stimmführung a-as als "verminderte Prime" hier rein gar nichts über die harmonische Struktur und die damit verbundene kompositorische Intention auszusagen vermag.
Und wenn die Akkordfolge für Schulorchester gesetzt ist und der 2. Klarinettist Max Cleverle genau diese Tonfolge spielen muß und fragt: "Wie heißt dieses intervall, Herr Lehrer? Das hatten wir noch nicht."?

Naja, zumindest theoriegeschichtlich waren Intervallbezeichnungen für die Tonhöhendifferenz "Null" bis weit ins 19. Jh. durchaus ein Thema, was sich an Begriffsbildungen wie Isotonus, Unisonus (nicht zu verwechseln mit unisono als Ensembletechnik) oder eben Prime festmachen läßt.
Der Bezug zu meiner Aussage ist mir da jetzt nicht so ganz klar ....

Viele Grüße,
McCoy
 
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Mein Intervallzirkel hat eine Betrachtung von reiner Prime bis reiner Oktave. Was bedeutet, das es gemäß der Zirkeldefinition keine übermäßige Oktave und keine verminderte Prime gibt.
Was ist denn ein "Intervallzirkel"? Meinst du den Quintenzirkel? Oder den "Großterzzirkel"? Dies sind Konstrukte zur Darstellung der harmonischen Verwandschaft, nicht zur melodischen Struktur. (Der Zollstock taugt auch nicht, den Luftdruck zu messen...)
Und wenn die Akkordfolge für Schulorchester gesetzt ist un der 2. Klarinettist Max Cleverle genau diese Tonfolge spielen muß und fragt: "Wie heißt dieses intervall, Herr Lehrer? Das hatten wir noch nicht."?
Dann würde ICH sagen, dass es hier wohl um eine absteigende chromatische Linie geht, also um absteigende Halbtöne. Und wenn Max Cleverle seinen Namen zurecht trägt, dann kann man ihm noch sagen, dass man das Intervall als "verminderte Prim" bezeichnen könnte, wenn man es denn möchte. Aber das wäre nicht mein erster Satz.
(By the way: Weiß eigentlich jemand, wann erstmals von einem "verminderten Intervall" geschrieben wurde? Ich bin gerade nicht fündig geworden. Tinctoris? Habe ich aber nicht vorliegen.)
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C - E
erinnerte mich an den Grossterzzirkel C E Gis wobei das His aus dem Gis zum C wird.
E Am
kenne ich von vielen Liedern, auch in der Form Am E . Der Liedschlüssel ist in vielen dann das A Moll.
Wie wäre es hier mit einem funktionsanalytischen Ansatz? T - D(Tp) - Tp ...
 
Die Frage zum Intervallzirkel ist etwas überraschend. Müsste doch der Link darüber Auskunft geben, was mit Intervallzirkel gemeint ist.

Intervallzirkel (ISBN: 978-3-940533-06-7 /)


Und zur Eignung des Zollstocks : You palmed off a forged coin upon us . Det is een Gliedermaßstab. Und der taugt sehr wohl zum Luftdruckmessen. Die Anzeige einer Luftdruckveränderung ist auch schon eine Messung. Es ist nur keine Microbarverdeutlichung, mit welcher das Ohr konfrontiert wird. Der klassische Versuchsaufbau entspricht im Groben einer verschlossenen Flöte. Die Luftschwingungen im Rohr, die entstehen, wenn das Rohr geschüttelt wird, sind koexistierende Luftverdickungen und -verdünnungen. Zur Veranschaulichung einer Luftdruckveränderung nehme der Experimentteilnehmer einen verschließbaren Glasszylinder, in dem ein Zentimeter- oder Inchmass mit einem Luftgefüllten Ballon platziert wird. Die Maßeinheit Zoll ist mir nur in der Beschreibung von Kreisdurchmessern bekannt. Anstatt Zoll ist Fuß noch geläufig, wenn es um lineare Messungen geht. Über einen Schlauch und einer Luftpumpe kann nun die Luftmenge im Behälter verändert werden. Wird dem Behälter Luft zugeführt steigt die Luftmenge im Behälter und damit der Luftdruck. Der Ballon wird zusammengepresst. Umgekehrt, verringert man die Luft im Behälter, z.B. dadurch, dass man in höhere Höhen steigt, wird der Ballon grösser. Dieses wurde unter anderem auch von Richard Towneley und Henry Power 1661 entdeckt.
mb_tec-luftdruck.jpg

Und zum funktionsanalytischen Ansatz, wenn ich damit was gewinnen könnte, wäre ich vielleicht dabei. Weil mir aber die typische Funktionsharmonik T S D SDp Dp Tp im Moll aus den Händen zu gleiten droht, unterlasse ich das lieber . Denn ich könnte zwar E Am als D T interpretieren, zögere aber die Kombination C E einem Dp D zuzuordnen.

Helmholtz hatte übrigens bei seinen Untersuchungen von Schwebungen von Obertönen erkannt, dass Veränderungen eines Oktavabstandes um einen Halbton höher/niedriger dieselben Schwebungen erregen, wie eine direkte Halbtonänderung der direkt benachbarten Tönen H C. Beziffert hatte er die Anzahl der Schwebungen mit 16½ in der Sekunde.
 
Weiß eigentlich jemand, wann erstmals von einem "verminderten Intervall" geschrieben wurde?
Im deutschsprachigen Raum ist Marpurg (Handbuch des Generalbass und der Komposition, Berlin 1755, S. 17ff) die frühste Quelle für die heute noch geläufige Fünfteilung (rein, gr., kl., verm., überm.). David Kellner unterscheidet noch 1732 lediglich zwischen naturales (diatonische Intervalle) und accidentales (durch Akzidentien, d.h. Vorzeichen veränderte diaton. Intervalle). Wurde in den Jahrhunderten vorher der in der Diatonik enthaltene Tritonus als verminderte Quinte interpretiert, war dafür die Bezeichnung "falsche Quinte" (faux, falsa etc.) üblich.
--- Beiträge wurden zusammengefasst ---
Die Dominantseptime des C-Akkordes legt die Vermutung nahe, dass anstatt des aeolischen Mollmodus der phrygische hier den Ton etabliert.
Man kann einfache Sachverhalte durch Überinterpretation auch ad absurdum führen.

Nochmal das ursprüngliche Akkordbeispiel: C - E - Am - C7 | F - Fm - (C A7) - (D7 G7)

Funktionen: T - [D:Tp] - Tp - [D7:S] | S - s - D6/4 - D7 (D6/4 - D7 durch turnaround erweitert: D6/4-DDD7-DD7-D7)
Also eine durch Zwischendominanten aufgepeppte halbschlüssige Kadenz der Grundform I - - - | IV - V - |.
 
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Die Frage zum Intervallzirkel ist etwas überraschend. Müsste doch der Link darüber Auskunft geben, was mit Intervallzirkel gemeint ist.
Na ja, der Link verweist auf ein Produkt, dessen Aufbau sich mir nicht sofort erschloss. Und beim Video habe ich recht schnell abgeschaltet, weil es aus meiner Sicht eine recht einfache Sache - nämlich die Intervallbenennung - erst mal verkomplizierte.
Und zur Eignung des Zollstocks <...> Die Anzeige einer Luftdruckveränderung ist auch schon eine Messung.
Ok, da unterscheiden wir uns in der Interpretation: Mir wäre ein Zollstock (das Maß "Zoll" ist übrigens vielen Gitarrist*innen geläufig, wenn man an die Mensuren US-amerikanischer Gitarrenhersteller denkt) nicht fein genug für eine wirkliche Messung. Als Indikator taugt er, das ist richtig. Aber vielleicht sind hier der Zollstock und der Intervallzirkel auf der gleichen Ebene zu sehen: Man bekommt einen Eindruck, für die "Feinheiten" braucht man ein anderes Werkzeug. (Nur weil der "Intervallzirkel" die verminderte Prim nicht kennt, bedeutet es ja nicht, dass es diese nicht gibt. Und nicht alle Luftdruckänderungen werden mit dem Zollstock als Grundlage des Versuchsaufbaus deutlich sichtbar.)
 
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Danke für die Beiträge! Für mich ist die Sache noch nicht ganz klar, macht aber nichts, das kommt schon noch.

Bei der Frage nach der Praxisrelevanz kann man anerkennen, dass es auch in gleichschwebender Stimmung in entsprechenden Musikkonstellationen "hörbare" Unterschiede zwischen z.B. einer verm.4 und einer gr.3 geben kann, weil Intervalle nicht nur Frequenzproportionen, sondern auch eine Zahl von Skalenschritten sind und unser Hirn zudem manchmal extrem seltsam filtert, was da an eigentlich simplen Frequenzen aus dem Klavier rauskommt. Wer viel relative Solmisation trainiert hat, kann sowas oft problemlos "hören", die anderen hören es normalerweise auch gut, wenn man bestimmte Extrembeispiele zusammen singt und danach auf dem Klavier spielt.

Ein nicht ganz so extrem deutliches Literaturbeispiel: Bach, WTK 1, C#m-Fuge, Anfang: h#-e ist eine verm.4 und beinhaltet drei Schritte, wohingegen eine Terz (z.B. c-e) nur zwei Schritte beinhaltet.
Von solchen Beispielen gibt es quer durch die Musikgeschichte einen ganzen Haufen.

Davon ausgehend gibt es Leute, die diesen noch etwas obskuren Sound sehr mögen und viel damit komponieren. Dann geht es darum, Konstellationen zu erzeugen, die das jeweils komplexere Intervall (z.B. verm.8) naheliegender machen als das einfachere enharmonische Äquivalent (z.B. gr.7), das passiert nämlich nicht von alleine.

Insofern kann die Frage nach einer verm.1 praxisrelevant und nicht nur Spinnerei sein. Ob die Unterscheidung zwischen verm.1 und ü.1 relevant genug für mich ist, kann ich noch nicht sagen. Ein interessanter Knoten im Hirn entsteht da bei mir :)
 
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...Man kann einfache Sachverhalte durch Überinterpretation auch ad absurdum führen...

Nun ja, etwas überinterpretieren war unbeabsichtigt. Da du dir den Kommentar haec ineptias verkniffen hast, verweile ich noch etwas in der Kerbe.
  • Die rhythmische Anordnung der Akkorde im Zweitakter suggerierte mir, dass die 4 Akkorde (C E Am C7) sich auf 4 Zählzeiten verteilen. Dagegen sind nach dem Taktstrich 6 Akkorde (F Fm C A7 D7 G7) auf die Zählzeiten zu verteilen, was durch eine Diminuation erreicht werden kann. Der dem Akkord zugeordnete Notenwert wird verkleinert, damit alles in den Takt passt.
  • Genauso neigte ich zur Annahme, dass ein Gis ein 5+ sein könnte. Eine Augmentation ordne ich eher einem HM als einem Dur zu.
  • Weil ich die C-Zeit nicht beachten wollte,
  • die Akkordfolge einem verm.Prime Kontext angedacht war
  • und es insgesamt zwei bewegtere Noten ( H B / A As ) gibt, die der Folge einen weichen Eindruck geben, lat. mollis = „weich“ und lat. durus = „hart“
war für mich ein Am naheliegender. Supra, inferius - sursum deorsum est . Vom bislang erhaltenen Eindruck von C-Dur und Am bin ich geneigt zu behaupten, dass Moll einem Nutzer , einen größerer Interpretationsraum gibt. HM und MM sind starke Argumente wenn es darum geht, eine Akkordvielfalt zu präsentieren. Ad absurdum, @mjchael , haste gehört, zu was mich deine Akkordfolge getrieben hat?
:D


Aber vielleicht sind hier der Zollstock und der Intervallzirkel auf der gleichen Ebene zu sehen: Man bekommt einen Eindruck, für die "Feinheiten" braucht man ein anderes Werkzeug.
Begriffsgeschichtlich sind die Begriff eventuell etwas auseinander. Den Zollstock gibt es schon länger. Das ein anderes Werkzeug weiter hilft, das sehe ich auch so.
 
Bach, WTK 1, C#m-Fuge, Anfang: h#-e ist eine verm.4

Dieses Intervall wird hier (Takt 8, Zählzeit 3) aber nicht wirklich relevant.
Das his ist Leitton zur I und Terz des V7 ohne 5 (gis-his-x-fis) und löst sich regelgerecht auf: his aufw. nach cis, fis abw. zum e.
Die Auflösung der 7 erfolgt in Takt 8 auf Zählzeit 3 (bei punktierter Achtel als Zählzeit), die Aufwärtsführung des Leittons erfolgt über einen Vorhalt erst auf Zählzeit 4. Die Wahrnehmung eines Vorhalts mit anschließender Auflösung ist aber entscheidender, als die nur einen Sekundenbruchteil dauernde Intervallqualität der verminderten Quarte.Das his ist zudem übergebunden und im Moment des Dissonanzeintritts ohnehin kaum noch hörbar.

Von solchen Beispielen gibt es quer durch die Musikgeschichte einen ganzen Haufen

"Quer durch die Musikgeschichte" zwar nicht, aber in bestimmten Perioden sind verminderte/übermäßige Intervalle durchaus Usus.
Situationen, in denen man eine halbtönige Abwärtsführung als "verminderte Prime" bezeichnen muss, weil es keine andere adäquate Beschreibungsmöglichkeit gibt, dürften aber einen ausgesprochenen Seltenheitswert haben.

Genauso neigte ich zur Annahme, dass ein Gis ein 5+ sein könnte. Eine Augmentation ordne ich eher einem HM als einem Dur zu.

Ich habe es immer geahnt: Die CS-Denke stammt aus einer Parallelwelt mit alternativen Fakten ...
 
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Dieses Intervall wird hier (Takt 8, Zählzeit 3) aber nicht wirklich relevant.
Das his ist Leitton zur I und Terz des V7 ohne 5 (gis-his-x-fis) und löst sich regelgerecht auf: his aufw. nach cis, fis abw. zum e.
Die Auflösung der 7 erfolgt in Takt 8 auf Zählzeit 3 (bei punktierter Achtel als Zählzeit), die Aufwärtsführung des Leittons erfolgt über einen Vorhalt erst auf Zählzeit 4. Die Wahrnehmung eines Vorhalts mit anschließender Auflösung ist aber entscheidender, als die nur einen Sekundenbruchteil dauernde Intervallqualität der verminderten Quarte.Das his ist zudem übergebunden und im Moment des Dissonanzeintritts ohnehin kaum noch hörbar.

Ich meinte T.2, also als recht lange erklingendes und nacktes Sukzessivintervall.

"Quer durch die Musikgeschichte" zwar nicht, aber in bestimmten Perioden sind verminderte/übermäßige Intervalle durchaus Usus.

Ich hab einzelne Beispiele zwischen "1400" und "vor wenigen Monaten" mit gar nicht so vielen Komponisten-Lücken (ausgenommen sogenannte "Popularmusik", die diesen Sound offenbar scheut). Ich habe schon den Eindruck, dass die meisten "großen" Komponisten wussten, wie das geht.

Situationen, in denen man eine halbtönige Abwärtsführung als "verminderte Prime" bezeichnen muss, weil es keine andere adäquate Beschreibungsmöglichkeit gibt, dürften aber einen ausgesprochenen Seltenheitswert haben.

Das glaube ich auch, bin mir aber noch nicht 100% (nur 80% ;) ) sicher in Bezug auf eine simple Tiefalteration einer Akkordterz z.B. :)
 
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Ich meinte T.2, also als recht lange erklingendes und nacktes Sukzessivintervall.
Fehler meinerseits: Ich habe den falschen Band erwischt, mit der Fuga IV im 12/16!
Das Problem des cis-Moll-Fugenthemas in WTK I liegt allerdings in der Frage, ob man his-e tatsächlich als Sukzessivintervall hört, oder als für Bach ja nicht untypischen linearen Kontrapunkt mit einer Zäsur zwischen his und e. Legt man nämlich die Töne übereinander, entsteht ein konsonanter zweistimmiger Satz in Terzen:
cis/e + his/dis ->cis

Ich höre das Thema als Folge zweier fallender HT-Motive: cis-his / e-dis, die sich zum cis des T4 bewegen. Das Intervall his-e nehme ich hier überhaupt nicht als Dissonanz wahr, sondern als Motivgrenze.
Aber da sind wir im Bereich subjektiver Auslegungen ...
 
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Klar, das ist auf jeden Fall ein zentraler Teil des Ganzen!
 
Irgendwie kann ich die kategorische Weigerung, den Begriff "verminderte Prime" zu nutzen, nicht nachvollziehen.

Die Möglichkeit eine verminderte Prime zu umschreiben, löst das Problem nicht.
Dass der Begriff selten genutzt wird, ist auch nicht stichhaltig, wenn der Begriff eben für ein seltenes Phänomen gebraucht wird.

In der Harmonik wird der Begriff wohl so gut wie nie genutzt. Aber auch doppelt verminderte Intervalle (z.B. D# - Db) kommen - wenn auch extrem selten - vereinzelt vor, und werden offiziell als 'doppelt vermindert' bezeichnet.

In der Melodik kommt die verminderte Prime alle Nase lang vor.

Es gibt zig abfallende chromatische Melodieverläufe, wo eine verminderte Prime melodisch gesehen unvermeidbar ist. Der Wechsel von der Durterz zur Mollterz war nur ein Beispiel. Blue Notes im Blues, Walking Bass im Jazz, die Melodik im Bossa Nova, selbst in der Klassik das Habanera von Carmen. Überall gibt es Noten im Halbtonabstand abwärts, die in der Notation auf der gleichen Notenlinie stehen.

Aber selbst wenn ihr euch weigert, den Begriff zu gebrauchen, er setzt sich durch. Das zeigen die Treffer bei Google.

Selbst wenn sich die Gegenargumente hier häufen, mag es für den stillen Mitleser interessant sein, dass ein (von mir aus 'kleiner') Teil der Musiker die Einführung des Begriffes 'verminderte Prime' für notwendig halten.

Dass sich Musiker mit Änderungen schwer tun, wundert mich allerdings nicht. Man denke nur an das Problem mit dem Notennamen H.

Musiker bauen wie Physiker lieber Epizykel aus und konstruieren komplizierte Spiralbahnen für ihre Planeten, bevor sie einsehen, dass ihre Welt(sicht) nicht im Mittelpunkt des Kosmos steht. (... sondern die Sonne.)

Für mich ist die Regel einfach. Ein verminderter Intervall ist um einen Halbton niedriger als ein reiner oder kleiner Intervall bei gleichbleibendem Stammton bzw. auf gleicher Notenlinie oder Zwischenraum. Warum die Oktave und Prime davon ausgeschlossen sein soll, erschließt sich mir nicht.
 
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Überall gibt es Noten im Halbtonabstand abwärts, die in der Notation auf der gleichen Notenlinie stehen.

Das liegt zunächst daran, dass wir ein ursprünglich nur für die heptatonische Diatonik ausgelegtes Notations- und Tonbenennungssystem haben. Um ein System mit 12 HT-Tonschritten notationstechnisch bewältigen zu können, bedarf es zusätzlicher Konventionen, z.B. die grobe Faustregel, nach der abwärts- oder aufwärtsgeführte Chromatisierungen notationstechnisch unterschiedlich behandelt werden.
Bei einem c-Moll-Akkord würde die Notation c-dis-g die Terzstruktur des Dreiklangs (c-es-g) nicht adäquat abbilden. Analog dazu wäre in einer melodisch fallenden Halbtonfolge z.B. von a nach g die Schreibweise a-gis-g "gegen die Bewegungsrichtung" notiert, würde diese also nicht adäquat abbilden. Daher wird der HT-Schritt zwischen a und g durch das Zeichen b für Abwärtsalteration des a zum as dargestellt. Aber sowohl a-as, als auch as-g sind Halbtonschritte, also kleine Sekunden - niemand hört hier zunächst a-as als "verminderte Prime", dann aber as-g als "kleine Sekunde"!

Allerdings ist auch die #-Notation a-gis-g-fis-f nicht nur möglich, sondern sogar zwingend notwendig, z.B. innerhalb der Quintfallsequenz a (B7)-gis (E7)-g (A7)-fis (D7)-f (G7) (usw.) als Teil eines halbtönig fallenden Lamentobasses. Und wenn irgendein Schlaubär im entsprechenden Wikipedia-Artikel ernsthaft meint, es handele sich hier um "verminderte Primen", dann sollte er die im Artikel sogar explizit zitierte Quelle nicht ignorieren, in der der Urheber des Begriffes passus durisculus (für Lamentobass) Christoph Bernhard (1628–1692) eindeutig von "Semitonium minus" (kleiner, d.h. chromatischer Halbtonschritt) schreibt.

Blue Notes im Blues ...
... sind eine stiltypische Intonationsvariante von Terz oder Quinte, die sich bei Instrumenten mit fixierten Tonhöhen nur als Cluster einigermaßen adäquat simulieren lassen - wie im berüchtigten Dur7/9#, der eigentlich ein Dur7/10b, also ein Akkord mit großer und kleiner Terz ist, letztere oktaviert zur Dezime.

Man denke nur an das Problem mit dem Notennamen H.
Die unterschiedlichen Benennungskonventionen sind ärgerlich, aber auch in zunehmender Auflösung begriffen.Weitaus ärgerlicher finde ich, dass zum H immer noch abstruse (z.B. Haunschild Bd.1) oder nur halbrichtige (Wikipedia) Erklärungen kursieren.

Selbst wenn sich die Gegenargumente hier häufen, mag es für den stillen Mitleser interessant sein, dass ein (von mir aus 'kleiner') Teil der Musiker die Einführung des Begriffes 'verminderte Prime' für notwendig halten.
Was du ja auch in deinem Beitrag zum Wikipedia-Artikel "Prime" kundtust. Diesbezüglich mag dir folgen, wer will. Für mich bleiben c-cis und a-as durch chromatische Aufwärts- bzw. Abwärtsaltersation erzeugte kleine Sekunden.
 
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Irgendwie kann ich die kategorische Weigerung, den Begriff "verminderte Prime" zu nutzen, nicht nachvollziehen.

[...]

Für mich ist die Regel einfach. Ein verminderter Intervall ist um einen Halbton niedriger als ein reiner oder kleiner Intervall bei gleichbleibendem Stammton bzw. auf gleicher Notenlinie oder Zwischenraum. Warum die Oktave und Prime davon ausgeschlossen sein soll, erschließt sich mir nicht.

Bin mit fast allem einverstanden! :)
Ich denke, weil Intervalle Abstände zwischen zwei Tönen beschreiben und es keinen Abstand kleiner als Prime geben kann, weil man stattdessen die Beziehung in die Gegenrichtung "kippt" (wie der Betrag bei Mathe):
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Ich habe allerdings das unheilvolle Gefühl, etwas zu übersehen. Bin also für konstruktive Beiträge und insb. beschriftete Beispiele dankbar! :)
 
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Bei aller Liebe, von A nach Ab ist keine kleine Sekunde.

Der Buchstabenabstand gibt den Intervall an, die Vorzeichen geben Auskunft ob die Inzervalle doppelt übermäßig, übermäßig, groß, rein, klein, vermindert oder doppelt vermindert sind.

Mehr steckt nicht dahinter.

Alle sonstigen harmonischen Fakten drumherum sind ja alle ganz interessant, aber auch wenn sie alle richtig sind, bleiben sie für die Argumentation völlig irrelevant.

Dass du den Begriff nicht nutzen magst, hat keinen sachlich fundierten Grund, außer, dass du es nicht magst.
 
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Bei aller Liebe, von A nach Ab ist keine kleine Sekunde.
Der Buchstabenabstand gibt den Intervall an, die Vorzeichen geben Auskunft ob die Intervalle doppelt übermäßig, übermäßig, groß, rein, klein, vermindert oder doppelt vermindert sind.
Hier widersprichst du dir. Da As durch Tiefalteration von A abgeleitet ist, also auf A als Ausgangston (Stammton) bezogen ist, muss gemäß dem "Buchstabenabstand" von einer alterierten Form der Prime geredet werden, also konkret wegen der Tiefalteration von einer verminderten Prime. Bei A und Gis handelt es hingegen wegen des "Buchstabenabstands" A - G-alteriert um eine alterierte Form der Sekunde, hier kleine Sekunde.

Eis-F oder A-Gisis (= G mit Doppel-Kreuz) wird man auch nicht als Prime bezeichnen, sondern als verminderte Sekunde, auch wenn sie am Klavier nacheinander gespielt exakt derselbe Ton sind.

Sicher handelt es sich bei Notationen wie diesen um eher seltenere Erscheinungen, aber wollen wir nicht alle respektvoll mit Minderheiten umgehen?
Wobei ich auch Toleranz sehr wichtig finde. Sollte es also jemand anders sehen wollen, will ich gerne mit demjenigen diskutieren, aber gewiss nicht meckern oder gar tadeln. :)


KORREKTUR:

Der erste Absatz ist kein Widerspruch zum Post von @mjchael!
Ich habe tatsächlich das Wort "keine" in dem Zitat als "eine" gelesen - sorry.
Mein Beitrag ist also tatsächlich eine Bestätigung seiner Aussage.
 
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Wo widerspreche ich mich da? Habe ich da etwas anderes behauptet?

Und wo habe ich mich im Ton vergriffen? Bloß weil ich sagte, dass die Argumentation nicht schlüssig ist und einige Behauptungen zwar richtig, aber nicht sachdienlich sind?

Sei es drum. Ich habe meine Argumente und Gegenargumente sachlich vorgetragen. Wenn unsachlich dagegen argumentiert wird, bin ich aus der Diskussion raus.
 
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Och nö.
Vielleicht hat sich LoboMix bloß verlesen? ("eine" statt "keine kleine Sekunde")
mjchaels Beitrag gehört m.E. zu den konstruktiven und seine Knappheit muss auf keinen Fall als Unfreundlichkeit ausgelegt werden, sondern als Service für Leser. Wobei ich Lobos Beitrag auch nicht im Geringsten unfreundlich finde.
Also alle mal bitte zusammenreißen und erinnern, dass wir Theorie-Nerds die Minderheit sind und uns nicht gegenseitig auf die Rübe hauen sollten. :)
 
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Da As durch Tiefalteration von A abgeleitet ist, also auf A als Ausgangston (Stammton) bezogen ist, muss gemäß dem "Buchstabenabstand" von einer alterierten Form der Prime geredet werden, also konkret wegen der Tiefalteration von einer verminderten Prime.

Klingt zunächst einleuchtend, hat aber einen mathematischen Haken:

Musikalische Intervalle sind Indizes für Tonhöhenabstände und werden bekanntlich durch Ordinalzahlen bezeichnet.
Da es aber keine negativen Ordinalzahlen gibt und die Null als erste Ordinalzahl gilt, ist die erste mögliche Tonhöhendistanz zwischen zwei Tönen Null. Dieses "erstmögliche Intervall" wird bekanntlich als Prime bezeichnet.
Die Null ist weder negativ noch positiv, d.h. es gibt weder eine -0, noch eine +0 (außer bei Finanzministern).
Führe ich also Chromatisierungen auf die diatonischen Stammintervalle zurück, dann wäre zwar a-as auf a-a und somit auf eine Prime und die Tonhöhendifferenz Null zurückführbar, die Tiefalteration zum as ist aber nicht als "negative = verminderte Null" interpretierbar.

Wenn der Tonhöhendistanz zwischen zwei Tönen Eins ist, d.h. einem HT als kleinster Schrittgröße entspricht, wird das Intervall im Regelfall als kleine Sekunde bezeichnet.
Vor Einführung der gleichstufigen Temperierung (1 HT = 100 cent) gab es allerdings mit Tonschritten von HT = 92 cent bzw. HT=72 cent den sogenannten großen bzw. kleinen (chromatischen) Halbtonschritt (semitonus major bzw. minor). Diese Unterscheidung gibt es zwar heute noch in der Intonationspraxis mancher Sänger und Streicher, nicht aber mehr in der Intervallbenennung.
Da es sich hier ursprünglich um eine durch Chromatisierung erzeugte Distanz kleiner als 1 HT, aber auch größer als Null handelte, ist die Bezeichnung "übermäßige Prime (aufwärts)" z.B. für den semitonus major c-cis in Grenzen vertretbar, ebenso wie für den semitonus minor a-as als "übermäßige (sic!) Prime abwärts" - womit ich also die in Post #55 dargestellte "1ü" für a-as als korrekte Auslegung bezeichnen kann.
 
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